Noch eins, Herr Patt: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Wenn Sie einmal in die Eckpunkteerklärung der Staatsregierung schauen,
dann können Sie es nachlesen: „Die Finanzausstattung der Kulturräume ist gesichert. Gleichwohl sollen sie aber einen hälftigen Beitrag in Höhe von 7 Millionen Euro zur Finanzierung der staatlichen Landesbühnen Sachsen leisten.“ Genau darum geht es.
Die Kulturräume werden ebenfalls an den Konsolidierungen beteiligt. Herr Patt, ich hätte mir gewünscht, dass Sie heute den Demonstranten draußen erklärt hätten, was Sie unter verantwortungsvoller Finanzpolitik verstehen.
(Beifall bei der Linksfraktion – Robert Clemen, CDU: Das hat er doch getan! Mal zuhören und nicht so ein Gelabere!)
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/2704 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei sehr vielen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit erhalten und ist abgelehnt. Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.
Die Fraktionen können in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Aussprache ist eröffnet. Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Abg. Delle, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Frühjahr wird von Gewerkschaften und Betriebsräten im Vogtlandkreis eindringlich auf einen drastischen Arbeitsplatzabbau im Landkreis hingewiesen, vor allem im produzierenden Gewerbe. Laut IG Metall sind allein zwischen September 2008 und Juni 2009 3 400
Arbeitsplätze im Arbeitsagenturbezirk Plauen verloren gegangen. Im laufenden Jahr 2010 wird der Verlust von weiteren 2 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in der Region befürchtet. Das bedeutet einen Verlust von rund 6 bis 7 % der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines knappen halben Jahres.
Bezieht man sich nur auf die Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe, so liegt der Prozentsatz noch etwas höher, wenn auch nicht ganz bei 18 %, wie in der Begründung zu unserem Antrag angegeben. Die IG Metall bezeichnet diese Situation jedenfalls als dramatisch. „Vor allem das verarbeitende Gewerbe ist enorm unter Druck“, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Zwickauer IGMetall-Bevollmächtigte Stefan Kademann äußert sich noch drastischer – ich zitiere –: „Jetzt geht es ums ganze Vogtland. Die Frage ist, ob es hier künftig nur noch Altenheime und ein wenig Tourismus geben wird oder ob Industriearbeitsplätze erhalten bleiben.“
Meine Damen und Herren! Die NPD setzt sich grundsätzlich für eine aktive, gestaltende Wirtschaftspolitik ein – eine Politik, deren primäres Ziel die Erhaltung von flächendeckenden wirtschaftlichen Grundlagen ist, die ihrerseits notwendig sind, um unser Land und alle seine Regionen vor der sozioökonomischen und demografischen Schrumpfung und dem damit einhergehenden Verfall zu bewahren.
Wegen der falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die nach der Wende betrieben worden ist, sind die neuen Bundesländer in einen ökonomisch-demografischen Teufelskreis des Niedergangs geraten, wozu leider auch ein Großteil der sächsischen Regionen gehört, nicht zuletzt der Vogtlandkreis.
Deswegen ist die von der NPD geforderte aktive und gestaltende Wirtschaftspolitik hochaktuell und geradezu eine Überlebensfrage für unser Land. Was die derzeitige industrielle Entkernung des Vogtlandes betrifft, wird der NPD-Standpunkt erfreulicherweise auch von der IG Metall vertreten. So stellte zum Beispiel der bereits erwähnte IG-Metall-Sprecher Kademann in einem Interview Folgendes fest: „So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen eine aktive Wirtschaftspolitik im Vogtland.“
In einem Kommentar zur Tarifrunde 2010 fordert die IG Metall Zwickau „einen breiten gesellschaftlichen Konsens, um die Entwicklung dieser starken Region“ – also das Vogtland – „endlich positiv zu gestalten“. Zurzeit erinnere die Wirtschaftspolitik im Vogtland eher an ein Lottospiel als an ernsthafte Wirtschaftspolitik. – So die Stellungnahme der Gewerkschaft.
Meine Fraktion hat deshalb den vorliegenden Antrag eingebracht, um diesen misslichen Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Wir erwähnen im Antrag exemplarisch zwei Unternehmensstandorte, nämlich die Plauener Betriebe NARVA – für Speziallampen – und NEOPLAN – Omnibusse –, die beide von Produktionsauslagerungen nach Polen und entsprechenden Arbeitsplatzverlusten bedroht sind.
Wir fordern die Staatsregierung auf, alle wirtschaftspolitischen und rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um die Standorte zu sichern, insbesondere um die geplanten Auslagerungen zu verhindern.
Noch wichtiger als diese betriebsspezifischen Punkte sind allerdings unsere Forderungen nach folgenden planenden und gestaltenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen für die Region.
Erstens. Wir fordern das Wirtschaftsministerium auf, in Zusammenarbeit mit dem Landkreis und den regionalen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden eine Bestandsaufnahme über die kurzfristige und langfristige Bestandssicherheit der Betriebe in der Region durchzuführen. Selbstverständlich wird man auf direkte Fragen etwa nach Betriebsschließungsabsichten keine wirklich ehrlichen Antworten erhalten. Es ist aber möglich, evaluierbare Kriterien festzulegen, nach denen die Bestandssicherheit beurteilt werden könnte.
Zweitens. Wir fordern das Wirtschaftsministerium dazu auf, auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme ein Aktionsprogramm zur Sicherung und Stärkung der vogtländischen Wirtschaft zu entwickeln und umzusetzen. In einem solchen Programm müssen aufsuchende und moderierende wirtschaftspolitische Tätigkeiten eine wichtige Rolle spielen. Hierfür bedarf es nicht zuletzt einer hohen branchenspezifischen Kompetenz bei den zuständigen Mitarbeitern des Ministeriums, zum Beispiel durch die Schaffung von zusätzlichen, branchenspezifischen Fachreferaten.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns natürlich bewusst, dass das derzeit herrschende Wirtschaftsparadigma im Grunde gar keine gestaltende Wirtschaftspolitik auf nationaler und regionaler Ebene erlaubt. Es herrscht eine wahrhaft extremistische, marktliberale Ideologie vor, die lediglich die Festlegung von grenzüberschreitenden Wettbewerbsregeln erlaubt, während sie auf nationaler und regionaler Ebene beinahe jede Form von wirtschaftspolitischer Lenkung rigoros verbietet, auch wenn diese im nationalen und regionalen Rahmen wettbewerbsneutral sind.
Ein gutes oder – besser gesagt – schlechtes Bespiel hierfür ist das ehemalige Elsterberger Viskosegarn-Werk ENKA, das trotz schwarzer Zahlen und guter Auftragslage im Juli 2009 den Betrieb einstellen musste, weil der Besitzer, ein Finanzinvestor aus Frankfurt am Main, im Rahmen seiner globalen Konzernplanungen anderen Standorten den Vorzug gab. Ein Angebot zur Übernahme des Werkes durch den Betriebsdirektor und andere Investoren wurde natürlich abgelehnt, weil der Finanzinvestor lästige Konkurrenz verhindern wollte. Das absehbare Ergebnis für Elsterberg mit Umland war der Verlust des wichtigsten Arbeitgebers am Ort, der 380 Arbeitsplätze und natürlich eines erheblichen Teils der regionalen Kaufkraft.
Da es aber im Grundgesetz den Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gibt – Artikel 14 Abs. 2 –, brachte meine Fraktion gemäß Artikel 14 Abs. 3 Grund
gesetz einen Enteignungsgesetzentwurf ein. Das ist das für grobe Verstöße gegen den genannten Verfassungsgrundsatz vorgesehene Verfahren.
Dass dieser Gesetzentwurf durch Sie, meine Damen und Herren, abgelehnt wurde, ist hier von weniger Belang. Viel gravierender ist es, dass es im Falle einer Annahme höchstwahrscheinlich einen Konflikt mit der EUKommission und unter Umständen einen Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof gegeben hätte. Das heißt im Umkehrschluss: Die wichtige Funktion eines 100-jährigen Traditionswerkes für seine Heimatstadt hat kein rechtliches Gewicht mehr, in Elsterberg nicht und auch sonst nirgendwo im Land.
Das, meine Damen und Herren, müssen wir hier schleunigst ändern; denn ohne demokratische Selbstbestimmung im Allgemeinen und wirtschaftspolitische Selbstbestimmung im Besonderen brauchen wir uns über eine gerechte und solidarische Gesellschaft keine Gedanken zu machen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, der in seinem letzten Punkt diese Selbstbestimmung einfordert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also, beim Durchlesen des Antrags der NPD habe ich solch einen Hals bekommen. Die NPD versucht, berechtigte Sorgen von Menschen um ihre berufliche Existenz für ihre zwielichtigen politischen Ziele zu missbrauchen, und sie versucht, mit der Formulierung „Verhütung des weiteren wirtschaftlichen Niedergangs im sächsischen Vogtland“ eine ganze Region in Misskredit zu bringen.
Sie wollen anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen, dass sich das Vogtland in den letzten Jahren wirtschaftlich hervorragend entwickelt hat.
Ein breiter Branchenmix im verarbeitenden Gewerbe von Maschinenbau, über Textilunternehmen bis zu Autozulieferern, flankiert von einem starken Handwerk und flexiblen Dienstleistern – das sind die Tatsachen im Vogtland. Ich empfehle Ihnen: Setzen Sie sich ins Auto und fahren Sie auf der A 72 vorbei an den prosperierenden Gewerbe
gebieten in Reichenbach, Treuen oder Oelsnitz mit Unternehmen, die bereits jetzt wieder deutliche Zuwächse zu verzeichnen haben! Besuchen Sie einmal die privat organisierte Heimtextilmesse der Firma ERFAL in Falkenstein oder den börsennotierten Softwareentwickler GK in Schöneck inmitten der vogtländischen Wälder! Das ist vogtländische Realität.
(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Roland Wöller – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)
Leider sind in den letzten Monaten in der Tat nicht alle Entwicklungen in den genannten Unternehmen positiv verlaufen. Wir nehmen dies sehr ernst. Es gibt in der Region einen breiten Konsens und eine breite Abstimmung aller Akteure von Landrat, über Stadtverwaltungen, Kammern, Wahlkreisabgeordnete von Bund und Land, Gewerkschaften und Betriebsräte bis hin zum SMWA. Staatssekretär Fiedler war selbst vor Ort und hat sich um Unternehmen gekümmert.
Fakt ist allerdings, dass Konzernentscheidungen nur schwer beeinflussbar sind. Das ist so. Tatsache ist aber auch, dass sowohl bei NARVA als auch bei NEOPLAN hart an Lösungen gearbeitet wird. Diese gehören allerdings nicht auf den Marktplatz der Sensationen.
Anzumerken ist zusätzlich, dass wir im Vogtland bereits jetzt einen Bedarf an Fachkräften haben und dass wir nach wie vor, trotz des schmerzlichen Zustandes in diesen Unternehmen, eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten im Freistaat und in Ostdeutschland haben.
Ihre Vorschläge einer Bestandsaufnahme und Entwicklung eines sogenannten Aktionsprogramms sind absolut untaugliche Mittel. Daher wird die Koalition Ihren Antrag ablehnen.
Wir setzen im Vogtland wie im gesamten Land auf Bildung, Forschung und Entwicklung in Unternehmen und die verstärkte Förderung unserer inhabergeführten einheimischen Betriebe. Speziell der Antragstellerin sei ins Stammbuch geschrieben: Die Region ist existenziell auch auf enge wirtschaftliche Kontakte mit ihren tschechischen Nachbarn angewiesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Antragsteller, das ist die echte Strategie, getragen von den regionalen Akteuren mit den Unternehmern und Mitarbeitern an der Spitze, begleitet von der Staatsregierung mit ihren flankierenden Rahmenbedingungen, und nicht Ihr unausgegorener Antrag.