Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir eine

besondere Freude, anlässlich dieses leider nicht positiven Themas Herrn Landrat Steinbach und den Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Großenhain, Herrn Burkhardt Müller, im Plenum zu begrüßen.

Am 24. Mai – das haben wir soeben in den Ausführungen gehört – zog ein schlimmes Unwetter über das Großenhainer Land und Teile der Landkreise Nordsachsen und Bautzen. Über 40 Menschen wurden verletzt. Besonders bedauerlich finde ich den Todesfall der kleinen Joelle aus Großenhain. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Angehörigen mein Beileid auszusprechen.

In einer geraden Schneise zog dieser Sturm, von Belgern kommend, über Großenhain mit seinen Ortsteilen entlang des Flüsschens Röder hinweg und ging dann weiter in die Teile anderer Landkreise, bevor er in Radeberg/ Leppersdorf zum Stehen kam. Es traten Windgeschwindigkeiten von über 300 Kilometern pro Stunde auf.

Das ist in unserer Region relativ selten. Der Deutsche Wetterdienst in Leipzig hat das Unwetter als Vorstufe eines Tornados eingestuft. Sehr oft werde ich von Bürgerinnen und Bürgern im Katastrophengebiet gefragt: Warum sind wir nicht vorgewarnt worden, warum haben wir nichts davon gewusst? Das liegt ganz einfach daran, dass dieses Phänomen zu kleinräumig ist, um es vorhersagen zu können. Daher konnte die Unwetterwarnung nicht erfolgen.

Kurz einige Daten und Fakten; Herr Staatsminister Ulbig hat dazu bereits ausgeführt: Allein in gewerblichen Unternehmen haben wir über 50 Millionen Euro Schaden. Das sind nicht nur Immobilien und Dächer, sondern betrifft auch Waren und Bürotechnik. Strommasten, für die 100-fache Belastung ausgelegt, sind in der Nähe des Ortsteils Colmnitz einfach umgeknickt. Im Ortsteil Walda-Kleinthiemig blieb kein Hausdach verschont. Im Stadtgebiet Großenhain sind über zwei Drittel der Straßenbeleuchtung defekt. Helfer sind ebenfalls betroffen. Die Feuerwehr hat an vielen Fahrzeugen Schäden zu beklagen.

Herr Oberbürgermeister Müller hat, denke ich, diese Sache sehr treffend zusammengefasst. In der Zeitung sagte er: „Zehn Minuten haben das Gesicht Großenhains schlagartig verändert. Was über Jahrzehnte aufgebaut worden ist, haben Minuten zerstört.“

An dieser Stelle möchte ich allen Bürgern, Nachbarn, Erst- und Zweithelfern recht herzlich für ihre Hilfe danken. Die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk, die Diakonie, die teilweise bis zum Umfallen im Dauerdienst gewesen sind, die Stadtverwaltung Großenhain, die Gemeindeverwaltung Ebersbach und die Landkreisverwaltung des Landkreises Meißen haben die Hilfe vor Ort koordiniert.

Danke auch an den Bundestagsabgeordneten Herrn Dr. de Maizière, der hier recht schnell gespendet hat. Ich begrüße ausdrücklich die Ermäßigung des Eigenanteils der Kommunen auf 10 %. Damit ist gewährleistet, dass die Kommunen schnell reagieren können; denn die

liquiden Mittel sind anderweitig gebunden. Ich bedanke mich ganz besonders bei Herrn Ministerpräsidenten Tillich

(Andreas Storr, NPD: Der leider nicht da ist!)

für die besonnene Reaktion der Sächsischen Staatsregierung, die ein Bündel von Maßnahmen aufgelegt hat, das vor Ort in der Tat helfen wird und sicher hier und da angepasst werden muss. In diesem Zusammenhang begrüße ich die helfende Tätigkeit des Herrn Staatssekretärs Wilhelm.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle politischen Ebenen haben sich vor Ort ein Bild über die Situation gemacht. Ich denke, nach vier Wochen ist es an der Zeit, eine erste kurze Bilanz zu ziehen. Was können wir aus dieser Katastrophe und ihren Folgen lernen? Ich lerne daraus, dass gerade in diesen schlimmen Situationen die Gesellschaft zusammenhält, dass das Katastrophenmanagement funktioniert und man sich untereinander helfend unter die Arme greift.

(Beifall bei der CDU, der FDP, des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion, und der Staatsregierung)

Ich möchte hier besonders die Firmen erwähnen, die Mitarbeiter für Aufräumarbeiten freigestellt haben.

(Jürgen Gansel und Andreas Storr, NPD: Keine Schleichwerbung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war recht schnell im Katastrophengebiet und habe mit einem älteren Herrn in seinem völlig zerstörten Vorgarten gesprochen. Ich fragte, ob ich helfen kann. Er sagte: „Herr Fischer, ich habe so oft in meinem Leben neu anfangen und aufbauen müssen. Ich werde es auch dieses Mal schaffen.“ Es ist genau diese Zuversicht, dieses Gottvertrauen und die Kraft, in die eigene Kraft zu vertrauen, die uns Sachsen zusammenhält. Das ist unsere Kraft, und das ist unsere Stärke.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Markus Ulbig)

Herr Kollege Fischer! Ich freue mich zwar auch über lieben Besuch auf der Tribüne, aber ich möchte Sie darauf hinweisen, dass nach unseren Regularien eine Begrüßung nur durch den amtierenden Präsidenten oder die amtierende Präsidentin vorgesehen ist und dass es dafür eine gewisse Ordnung gibt. Ich bitte Sie, das nächste Mal darauf zu verzichten.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Fraktion DIE LINKE.

(Christian Piwarz, CDU: Frau Präsidentin, die FDP ist zuerst dran!)

Bitte schön, wenn die FDP gleich danach sprechen möchte, dann soll es so sein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Unwetter vom Pfingstmontag ist wirklich tragisch. Der Tornado – ich nenne ihn so, auch wenn der Wetterdienst dies etwas anders bezeichnet – hatte auf einer Strecke von 100 Kilometern eine Schneise der Verwüstung hinterlassen und – wie bereits gesagt wurde – binnen weniger Minuten die Arbeit von vielen Jahren zerstört. Man fragt sich, wie solch ein Tornado, ein Wirbelsturm, in Sachsen entstehen kann. Warum gerade bei uns?

Wirbelstürme entstehen oft binnen weniger Sekunden durch den Zusammenprall gegensätzlicher Luftmassen mit großen Temperaturunterschieden sowie bei hoher Luftfeuchtigkeit.

(Unruhe im Saal)

Selbst bei uns ist das möglich, was uns sehr verwundert. Tragisch ist, dass in den betroffenen Gemeinden ein Personenopfer zu beklagen ist und über 40 Menschen verletzt worden sind. Die Schadenszahlen sind sehr beeindruckend – leider negativ. Wenn in Großenhain allein an den städtischen Gebäuden Schäden in Höhe von 10 Millionen Euro entstanden sind, wenn über 3 000 Privathäuser betroffen sind und die Unternehmen, wie bereits gesagt wurde, mit Schäden von über 50 Millionen Euro aufwarten können, dann zeigt das doch, wie gravierend die hier waltenden Kräfte waren. Selbst die Großenhainer Marienkirche und der Friedhof wurden nicht verschont. Zwischen Torgau und Großröhrsdorf wurden laut dem Staatsbetrieb Sachsenforst fast 110 000 Kubikmeter Holz umgerissen.

Umso erfreulicher ist es, dass der Landkreis Meißen sofort eine Hilfe von 250 000 Euro bereitstellen konnte, dass Spendengelder eintreffen und dass die Staatsregierung umgehend ein Hilfspaket von insgesamt 5,5 Millionen Euro geschnürt hat. Die ausgereichten Überbrückungskredite, die zurückgezahlt werden können, sobald die Versicherungen gezahlt haben, sind eine große Hilfe für alle Betroffenen. Ebenso wichtig ist für uns die Auffangrichtlinie über ein Volumen von 2 Millionen Euro für jene Fälle, die nicht von den Fachförderprogrammen abgedeckt werden.

Wir finden es sehr gut, dass die Regierung Herrn Staatssekretär Wilhelm als Sonderbeauftragten ernannt hat. Daran sieht man, wie wichtig das auch unserer Staatsregierung ist.

Wir danken für die kurzfristige und unbürokratische Hilfe. Man sieht das auch an der SAB, die in ein Büro des Großenhainer Rathauses gezogen ist, um vor Ort zu sein und die Wege zu verkürzen. Das zeigt, wie wichtig uns doch die Menschen vor Ort sind.

Der Tornado mit seinen tragischen Auswirkungen hat den Menschen und der Natur großen Schaden zugefügt. Deshalb ist es besonders wichtig und richtig, dass wir

diese unbürokratische Soforthilfe haben anlaufen lassen, damit es keinen Zeitverzug gibt und wir zur Normalität zurückkehren können, indem wir die Schäden beseitigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Lauterbach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Katastrophensituationen sind Zeiten der Solidarität. Das hat in Großenhain und Umgebung wunderbar funktioniert. Das gesellschaftliche Miteinander der Menschen und die Hilfe untereinander waren beeindruckend.

Der Tornado war im Großen und Ganzen eine lokale Situation, eine lokale Katastrophe. Hier waren der Oberbürgermeister und sein Stab in der Pflicht. Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt hat wunderbar funktioniert. Die Erfahrungen und das Know-how des Katastrophenstabes konnten hier genutzt werden. Die sofortige Spende des Landrates war ein Signal an die Menschen in Großenhain.

Das Signal fehlt mir einfach beim Ministerpräsidenten. Herr Tillich ist nicht da. Ich bitte, dass Sie ihm das übermitteln. Er ist nach einer Woche ähnlich der Geschwindigkeit des Tornados durch Großenhain und Umgebung gefegt. Er kam, er sah, und er verschwand. Das ist eine Missachtung der Geschädigten in ihrer Verzweiflung und eine Missachtung der Helfer, die schon eine Woche im Einsatz waren. Sie waren dort, Herr Ulbig, das ist okay. Das ist sehr schätzenswert. Aber ich denke, einem Herrn Biedenkopf und einem Herrn Milbradt wäre das nicht passiert.

Was war so wichtig? Mir fehlt hier einfach das Signal. Doch ich denke, er hat aus den eigenen Reihen genug Kritik bekommen, und das ist auch wichtig. Was hat der Ministerpräsident denn nun mitgebracht? Herr Ulbig hat es gesagt: zinsgünstige Kredite für Private, Förderrichtlinien für Kommunen. Die Kommune kann sicherlich den Eigenanteil stemmen, dafür werden der Oberbürgermeister und der Stadtrat sorgen.

Bei den Privaten sieht es etwas anders aus. Die Prüfung der Kreditwürdigkeit wird zum Problem bei Hartz-IVEmpfängern, Alten und Geringverdienern. Hier ist die Auffangrichtlinie für Härtefälle dringend nötig. Es ist auch noch etwas anderes nötig, was ich durch meine eigene Arbeit im Katastrophenstab zum Hochwasser 2002 erfahren habe, nämlich die psychologische Nachbetreuung der Betroffenen und Helfer. Wer Familien mit Kleinstkindern, Verletzte, Alte und Kranke evakuieren muss, wer sie nicht mehr in Haus oder Wohnung lassen kann, der braucht einfach eine psychologische Nachbetreuung. Das muss auf lokaler Ebene gesichert werden.

Es gibt noch zwei weitere Probleme, die ich hier ansprechen möchte. Das ist zum einen ein sehr lokales Problem, das Herr Ulbig angesprochen hat. Es gab Kindertagesstät

ten, die sehr stark beschädigt wurden. Die Kindertagesstätte in Walda ist davon betroffen. Es erfolgte dort keine Sicherung des Gebäudes. Es wurde absichtlich keine Absicherung vorgenommen. Das Gebäude ist jetzt zum Abriss vorgesehen. Ich denke, dass hier Tatsachen geschaffen werden, die so nicht gut sein können. Hierzu wird der Oberbürgermeister einiges im Stadtrat erklären müssen. Das ist Verschwendung von Steuergeldern und Zerstörung öffentlichen Eigentums.

Ein zweites Problem liegt mir sehr stark am Herzen: das Krankenhaus in Großenhain. Die Ausfallstraßen waren blockiert, Bäume lagen auf der Straße, die Straßen waren unpassierbar. Die Notfallambulanz war im wahrsten Sinne des Wortes die letzte Rettung. Die planmäßige Schließung des Großenhainer Krankenhauses steht bevor. Es wird eine Reha-Einrichtung und ein Ärztezentrum. Damit hat die Notfallambulanz keine Perspektive. Ich habe hier erheblichen Gesprächsbedarf mit dem Landrat und der Krankenhausgesellschaft angemeldet. Eine Notfallambulanz gehört einfach nach Großenhain.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich vor allen den Hut ziehe, vor Menschen, die hier Übermenschliches geleistet haben. Aber es ist unsere Aufgabe, Missstände aufzudecken wie in Walda, und wir müssen an die Zukunft denken. Das betrifft zum Beispiel die Notfallambulanz in Großenhain und die finanzielle Absicherung aller Betroffenen, die keine Versicherung haben, die nicht kreditwürdig sind. Hier ist wirklich die Richtlinie für Ausfallbürgschaften dringend notwendig. Daran möchte ich noch einmal erinnern.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich rufe die SPDFraktion auf. Bitte, Frau Friedel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel zum Dank und zum Mitgefühl für die Betroffenen und an die Einsatzkräfte gesagt worden, auch zum Dank an die kommunalen Behörden. Was wir von den Betroffenen gehört haben, ist, dass vor Ort ganz umsichtig, schnell und hilfsbereit gehandelt worden ist. Das verdient großen Respekt.

Ich möchte mich auch bei Herrn Ulbig dafür bedanken, dass er uns eine erste Schadensbilanz nannte. Diesen Beitrag habe ich als wesentlich informativer für die Aktuelle Debatte empfunden als das, was ich bisher an Profilierungsreden der Vertreter der Koalition gehört habe.