Unter Hochwasserschutz verstehe ich, neben der Sicherung und Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen in überschwemmungsgefährdeten Bereichen oder den Rückhalt von Niederschlagswasser in der Fläche, aber auch bauliche Maßnahmen zur Hochwasserabwehr wie den Bau von Poldern, die Rückverlegung von Deichen sowie den Bau von Talsperren und Regenrückhaltebecken.
Durch eine Änderung des Sächsischen Wassergesetzes wurde der § 99a eingefügt. Dabei ging es um den bereits erwähnten Hochwasserschutzaktionsplan, der auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse des Hochwasserschutzes im Sinne eines fachübergreifenden, nachhaltigen Gesamtkonzeptes die Grundsätze und Ziele des landes
weiten Hochwasserschutzes darstellen sollte. Dem Vernehmen nach gibt es also diesen Plan bis heute nicht, obwohl er durch eine überregionale Betrachtungsweise in den hier aufgeworfenen Fragen durchaus weiterhelfen könnte.
Die vorliegende inhaltliche Begründung des Antrages fokussiert meines Erachtens allein auf die Fließgewässer I. Ordnung, die circa 3 000 Kilometer Fließlänge in Sachsen einnehmen. Er fokussiert hier insbesondere auf die Elbe.
Die Verpflichtung, durch Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Rückhalteräumen den vorbeugenden Hochwasserschutz zu verbessern, obliegt aber allen Planungsträgern und Nutzern in Sachsen. Soweit es sich um die Beurteilung der Wirkung von Hochwasserschutzanlagen an Gewässern I. Ordnung handelt, liegt die Zuständigkeit bei der Landestalsperrenverwaltung, bei Gewässern II. Ordnung bei den Gemeinden. Von daher ist es zunächst nachvollziehbar, die Staatsregierung aufzufordern, bei den Gewässern I. Ordnung nachzubessern. Dennoch dürfen wir die Gewässer II. Ordnung nicht aus den Augen verlieren.
Wie wir alle wissen, war beim Hochwasser im August 2002 eine immense Anzahl von Gewässern II. Ordnung über die Ufer getreten. Ich erinnere an das Rote Wasser in Altenberg, den Kappelbach von Chemnitz, den Münzbach in Freiberg, den Ketzerbach usw. usf. Immerhin hat die Landestalsperrenverwaltung damals mehr als 9 000 Hochwasserschäden an diesen in der Verantwortung der Kommunen liegenden Gewässern registriert.
Auf einer Länge von insgesamt 16 000 Kilometern fließen Gewässer II. Ordnung durch unser Land. In den durchflossenen Städten und Gemeinden spielen daher die dort zur Verfügung stehenden Planungsinstrumente eine wichtige Rolle.
Leider findet sich im Antrag der GRÜNEN hierzu kein Wort, aber die Gewässer II. Ordnung haben erhebliche Auswirkungen auf das Hochwassergeschehen in Gewässern I. Ordnung. Es sei daran erinnert, dass infolge eines Hochwassers mit 500-jähriger Wahrscheinlichkeit die Flüsse II. Ordnung aus dem Osterzgebirge talabwärts, in Richtung Elbe, flossen.
Auf meine Kleine Anfrage vom Dezember 2009 wurde mir geantwortet, dass von den 30 Hochwasserschutzkonzeptionen für Gewässer II. Ordnung zum damaligen Zeitpunkt bereits 17 fertiggestellt, acht in Bearbeitung und fünf in der Planung waren. Es sollte jetzt tatsächlich darauf gedrungen werden, Maßnahmen aus diesen Hochwasserschutzkonzeptionen auszuführen, die darauf abzielen, neuen Retentionsraum zu schaffen.
Wenn sich der Landtag mit der Schaffung von Rückhalteflächen an sächsischen Flüssen insgesamt noch über das bisherige Maß hinaus auseinandersetzen soll, sollte das auch vom Entstehungsgebiet des Hochwassers über die Gewässer II. Ordnung bis hin zu den Gewässern
I. Ordnung erfolgen. Das umfasst auch die Betrachtung des Baus von Rückhaltebecken in Hochwasserentstehungsgebieten für Extremhochwasser ebenso wie die großflächigen Nutzungsveränderungen in der Agrar- und Forstwirtschaft bei kleineren Hochwassern, weil dann die Flächenretention in solchen Fällen möglicherweise ausreicht.
Eine Beschäftigung ausschließlich mit den Gewässern I. Ordnung geht uns sachlich nicht weit genug. Wir werden uns daher im zweiten Teil, wenn Sie denn eine getrennte Abstimmung beantragen, enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle haben sicher noch die schweren Tage des Augusthochwassers 2002 in Erinnerung. Fast jeder hier anwesende Abgeordnete kann seine eigene Geschichte erzählen – sei es, dass er in Gummistiefeln Sandsäcke gefüllt, Hilfsgüter gespendet oder vielleicht Freunden und Bekannten Asyl gewährt hat.
Damals machten wir zwei grundlegende Erfahrungen: Zum einen war es die landesweite und sogar internationale Hilfsbereitschaft und Solidarität. Zum anderen wurde eine intensive Diskussion über die Art und Weise des Hochwasserschutzes in Gang gebracht.
Nicht nur wissenschaftliche Institutionen, sondern auch Regierungen und Behörden forderten einen Paradigmenwechsel beim Hochwasserschutz. Zukünftig sollten nicht nur die technischen Hochwasserschutzmaßnahmen, das heißt der direkte Schutz durch Deiche und Dämme, ausgebaut werden, sondern es setzte sich auch die Erkenntnis durch, dass den Flüssen mehr Raum zu geben ist.
Die natürlichen Überschwemmungsflächen sind im Laufe der historischen Entwicklung an Elbe und Mulde um 50 bis 70 % eingeschränkt worden. Durch Baumaßnahmen, Grünlandumbruch und Bodenverdichtung wurde den Flüssen ein großer Teil der natürlichen, ursprünglichen Überschwemmungsflächen genommen.
Meine Damen und Herren! Die aktuellen Hochwasser in Polen und in Brandenburg – das heißt, sie sind nicht mehr aktuell, sie sind ja schon vorbei – haben die dramatisch wachsenden Hochwassergefahren und die dringende Notwendigkeit für einen vorbeugenden Hochwasserschutz noch einmal deutlich vor Augen geführt.
Eine Erfahrung, die man aus dem jetzigen Hochwasser in Brandenburg gezogen hat, ist, dass man die Möglichkeiten für ungehinderten Hochwasserabfluss verbessern muss. Natürlich reichen Rückhalteflächen als alleinige
Hochwasserschutzmaßnahme nicht aus. Sie sind aber ein wichtiges Instrument, und das nicht nur am Unterlauf der Flüsse. Auch wenn seit dem Augusthochwasser 2002 eine ganze Menge Geld in die Hand genommen wurde und eine ganze Reihe wichtiger und notwendiger Hochwasserschutzanlagen errichtet wurde, so wurde doch diesem Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Meine Damen und Herren! Die Kollegen der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN weisen mit ihrem Antrag noch einmal auf einen wichtigen Punkt hin, nämlich auf die Frage, wie Rückhalteflächen vorgehalten werden können. Als Konsequenz aus der Hochwasserkatastrophe 2002 haben wir in Sachsen das wasserrechtliche Vorkaufsrecht eingeführt, um die Möglichkeit zu eröffnen, dass die öffentliche Hand das Eigentum an einer zu verkaufenden Grundstücksfläche erlangt, um damit die Ziele des Gewässer- bzw. Hochwasserschutzes durchzusetzen.
Die Koalitionsfraktionen haben vor, mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Landesumweltrechts dieses wichtige Instrument wieder abzuschaffen. Herr Hippold, Sie taten ja jetzt gerade so, als wäre das schon passiert. Ich hoffe das nicht; denn die SPD ist dagegen, dass dieses Vorkaufsrecht abgeschafft wird.
Wir finden es falsch; denn auch aus regionalplanerischer Sicht werden damit Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung oder Rückgewinnung von Retentionsflächen aufgegeben. Ich frage Sie, Herr Staatsminister Kupfer, wie der Freistaat denn unter solchen Bedingungen, wenn das Vorkaufsrecht abgeschafft ist, den gesetzlichen Auftrag, Retentionsraumausgleich zu betreiben, überhaupt noch erfüllen kann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte den Blick noch einmal auf das Elbehochwasser im Jahr 2002 lenken. Nach besonders starken Regenfällen im mittleren und östlichen Erzgebirge war es dem Waldboden nicht mehr möglich, die Niederschlagsmengen aufzunehmen und zu speichern. Bäche und Flüsse konnten die enormen Wassermengen nicht mehr abtransportieren. Die Folge war, dass Flüsse wie die Zschopau, die Flöha, die Zwickauer Mulde, die Freiberger Mulde und die Müglitz sowie viele andere binnen weniger Stunden ihre Wassermengen vervielfacht hatten und weit über die sonstigen Größen angestiegen waren.
Auf dem Weg durch die Täler hinterließen sie erhebliche Schäden. Es wurden Brücken beschädigt oder gar weggerissen, Straßen unterspült, Häuser überflutet und zerstört; ganze Strom- und Telefonversorgungen sind eingebrochen. Ganze Dörfer mussten evakuiert werden, sodass die
Besonders betroffen war hier das Müglitztal, das die Flutwelle verwüstete, wie auch Glashütte, Weesenstein oder Mühlbach. Auch in Dresden waren, wie sicher alle noch wissen, große Schäden zu verzeichnen. Aus Zeitgründen möchte ich sie nicht noch einmal im Einzelnen aufzählen, wobei man sich den Blick auf das, was damals geschehen ist, immer wieder vor Augen führen sollte. Schätzungen zufolge war der Gesamtschaden in Sachsen mit mehr als 8 Milliarden Euro zu beziffern.
Natürlich wissen wir, dass die Ursachen einer solchen Flut auch durch menschliches Wirken beeinflusst werden können, nicht nur im Katastrophenfall oder wenn wieder mal jemand nasse Füße hat, so wie Frau Kallenbach das vorhin darstellte. Dieser Verantwortung sind wir uns durchaus bewusst. Daher hat der Freistaat Sachsen nach der Jahrhundertflut rund 350 Millionen Euro in mehr als 1 600 Einzelmaßnahmen zum Hochwasserschutz investiert. Auch davon haben meine Vorredner schon sehr ausführlich gesprochen. Auch im kommenden Haushalt wird er eine hohe Priorität genießen.
Um nur eine der vielen Einzelmaßnahmen zu benennen, möchte ich hier auf die gerade erst begonnene Erweiterung des Hochwasserrückhaltebeckens bei Glashütte kurz eingehen. Die Flut 2002 hat den damals vorhandenen Damm aufgrund der geringen Dimensionierung völlig überflutet und zerstört. Nachdem in den folgenden Jahren seine ursprüngliche Höhe von knapp zehn Metern wieder aufgebaut wurde, muss er nun auf mehr als 28 Meter erhöht werden, um einen optimalen Schutz zu gewähren. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nur eine der vielen Hochwasserschutzmaßnahmen, die die Sächsische Staatsregierung als Einheit betrachtet. Nur zusammen ergeben sie einen sinnvollen Hochwasserschutz.
Dazu gehören beispielsweise die Aufforstung im Einzugsgebiet von Flüssen, der Waldumbau, die naturnahe Gestaltung der Gewässerrandstreifen, die Geländeabsenkung in den Überschwemmungsgebieten oder die Freihaltung von Überflutungsflächen. All diese Schritte gemeinsam tragen zu einem besseren Hochwasserschutz bei. All dies sind notwendige Maßnahmen.
Aus diesem Grund, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir den Antrag, der nur dieses Einzelsegment beleuchtet, ablehnen, da er, wie gesagt, nur diese eine Maßnahme aufgreift. Ich weiß zwar nicht, wie wir Ihrer Befürchtung, liebe Antragstellerin, abhelfen können, aber dieser Antrag ist nicht der richtige Weg.
Ja. Danke, Herr Präsident. – Ich verzichte auf einen eigenen Redebeitrag, würde mich aber Frau Pinka anschließen. Wenn die GRÜNEN sich dazu durchringen könnten, punktweise Abstimmung zu beantragen, würden wir Teil 1 zustimmen und uns bei Teil 2 enthalten. – Danke.
Ich frage die Staatsregierung: Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Herr Staatsminister Kupfer, möchten Sie sprechen?
Ich habe noch einen Hinweis an den Abg. Schiemann. Herr Schiemann, Sie verteilen hier gerade Blumen. Im Interesse eines ordnungsgemäßen Sitzungsablaufes bitte ich Sie, das vielleicht am Ende der Sitzung zu erledigen.