Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Daher – auch das gehört zur Debatte um das Gedenken der friedlichen Revolution – haben wir mit Joachim Gauck einen würdigen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl. Gauck wird heute in Leipzig eine Gedenkrede zum Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 halten.

Vielen Dank.

(Beifall der einzig anwesenden SPD-Abg. Dr. Eva-Maria Stange)

Die Fraktion GRÜNE; Frau Abg. Kallenbach, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute hier viele gute und richtige Worte gehört; allerdings hatten sie mit dem Inhalt des Antrages sehr wenig zu tun. Ich habe mich intensiv mit dem Antrag auseinandergesetzt und bin schon etwas verwundert darüber, weil nach meinen Erfahrungen in diesem Hohen Hause eigentlich kein Antrag aus der Koalition kommt, der nicht zuvor in mehr oder minder geheimen Zirkeln mit der Regierung abgestimmt worden ist. Das scheint bei diesem Antrag etwas fehlgelaufen zu sein, denn Sie sind weder auf der Höhe der Zeit noch im Besitz aktueller Informationen.

Grundsätzlich ist es richtig, den Mut und den Freiheitsdrang der Leipzigerinnen und Leipziger – und ich füge hinzu, der Menschen aus Plauen, Dresden oder anderswo in der DDR – zu würdigen. Dennoch erschließt sich mir der Sinn und Zweck dieses Antrages nicht. Worin liegt der Neuigkeitswert, worin der wirklich konkrete Beitrag? Nicht vorhanden. Es ist für mich ein Hinterherhecheln mit Absichtsbekundungen, die gut klingen, aber eher leere Worthülsen und von der Realität längst überholt sind. Da soll der Landtag die Errichtung des sächsischen Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig unterstützen.

Wir haben es heute mehrfach gehört – Sie wissen es –: Es gibt die Beschlüsse des Bundestages dazu, in denen auch die Aufgabe des Freistaates formuliert wurde. Seit Mitte vergangenen Jahres arbeiten die verschiedenen Gremien sowohl in der Strategiegruppe als auch in der Arbeitsgruppe zusammen. Unter Leitung der Stadt Leipzig ist die Sächsische Staatskanzlei vertreten.

Werte Abgeordnete, wollen Sie diese Fakten jetzt nachträglich beschließen? Diese Frage sollte erlaubt sein.

Dann soll die Staatsregierung laut Antrag aber auch noch darauf hinwirken, dass das Denkmal an einem für die friedliche Revolution historisch bedeutsamen Ort innerhalb der Stadt Leipzig errichtet wird. Meine Damen und Herren Kollegen, meinen Sie das wirklich? Können Sie sich vorstellen, dass die Standortauswahl einzig und allein in der Entscheidungskompetenz der Stadt Leipzig und ihrer Bürgerinnen und Bürger liegt? Nehmen Sie das Instrument der kommunalen Selbstverwaltung ernst? Haben Sie dazu den Beschluss des Stadtrates zur Standortentscheidung vom – auch – 17. Juni, aber 2009, nicht zur Kenntnis genommen?

Des Weiteren soll die Staatsregierung gemeinsam mit der Stadt Leipzig eine Jury zur Bewertung und Auswahl des Wettbewerbes einsetzen. Auch hier ist Fakt: Bereits vor mehr als einem halben Jahr wurde in der Arbeitsgruppe beschlossen, dass die Stadt Leipzig alleiniger Auslober ist und der Bund sowie das Land das Verfahren begleiten. Soll das jetzt ausgehebelt werden?

(Robert Clemen, CDU: Wer hat denn das beschlossen?)

Nun komme ich zu Ihrem vierten Beschluss: Die Staatsregierung soll sich angemessen an der Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals beteiligen. Ich bin großzügig und unterstelle, dass Sie nicht wollen, dass die Staatsregierung die Maurerkelle schwingt oder die Bronzeglocke gießt, und Sie eine finanzielle Beteiligung meinen. Hier hätten Sie sehr konkret werden und den mehrfach in der Arbeitsgruppe genannten Plan der Staatskanzlei, für ein solches Denkmal 1,5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, mit einem Landtagsbeschluss untersetzen können. Das haben Sie entweder verpasst oder nicht wirklich gewollt. Darüber wird man sich in Leipzig sehr wundern.

Werte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir noch ein paar inhaltliche Anmerkungen! Ob eine Generation, die mit der friedlichen Revolution von 1989 ein sehr wohl einzigartiges Ereignis gestaltet und erlebt hat, sich selbst ein Denkmal setzen sollte, darüber kann man vortrefflich streiten. Aber diese Diskussion ist geführt – oder auch nicht. Fakt ist: Es gibt die Beschlüsse des Bundestages. Ich finde es gut, dass es nicht nur in Berlin Orte der Erinnerung an ein bisher einmaliges Ereignis deutscher Geschichte geben soll.

(Beifall der Abg. Hannelore Dietzschold, CDU)

Als Leipzigerin bin ich auch überzeugt, dass der zweite Standort gut bedacht gewählt wurde. Was ich mir nun aber überhaupt nicht vorstellen kann, ist ein in Bronze gegossenes oder aus Marmor gestaltetes und viel weniger noch ein an Bananen erinnerndes stationäres Monument – siehe Wettbewerb in Berlin.

Gedenkorte reichen nicht. Historische Erfahrung muss heute gelebt werden. Ein Denkmal, das nicht zum Denken und Nachdenken anregt, ist überflüssig. Ein Denkmal, das zu nichts anderem als zu nostalgischem Erinnern dient, ist fehl am Platz. Wir brauchen Lehre, Bildung, also fundiertes und nicht geschöntes Wissen. Wir brauchen die Auseinandersetzung mit der Bevormundung und der Rechtsbrechung in der vierzigjährigen Geschichte der DDRDiktatur. Wir brauchen Ermutigung zum aufrechten Gang, zu Zivilcourage sowie den Willen zur Einmischung, auch in einer heute – Gott sei Dank! – demokratischen, freiheitlichen Gesellschaft.

Ich habe die Hoffnung, dass der in Leipzig begonnene Prozess – Prozess! – nicht zuletzt dank der Einmischung vieler Bürgerinnen und Bürger diesem Anspruch tatsächlich gerecht wird und dass die vorgesehenen Millionen nicht in Stein gemeißelt werden, sondern dazu beitragen, endlich auch einmal aus der Geschichte zu lernen, damit Unfreiheit und Diktatur in unserem Land nie wieder Raum gewinnen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der NPD Herr Abg. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die friedliche Revolution des Jahres 1989 ist für uns Nationaldemokraten – neben dem mitteldeutschen Volksaufstand vom 17. Juni 1953 – das bedeutsamste Ereignis in der Geschichte unseres Volkes nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Noch heute erinnern wir uns voller Freude an die erhebenden Bilder, an die Menschenmassen auf den Straßen Mitteldeutschlands, die mit ihren Rufen „Wir sind das Volk!“ und „Wir sind ein Volk!“ das Ende der DDR einläuteten und so ihrem Willen zur Einheit der deutschen Nation Ausdruck verliehen.

Die Überwindung der deutschen Teilung zählte von Anfang an zu den Kernanliegen unseres politischen Wollens. Die Einheit der deutschen Nation war und ist für uns stets Grundvoraussetzung für eine Zukunft unseres Volkes in Freiheit und Selbstbestimmung. Mit dieser Vision befanden wir uns zu jeder Zeit im Einklang mit dem für alle Staatsorgane bindenden Wiedervereinigungsgebot, wie es in der Präambel der bis 1990 gültigen Verfassung, des Grundgesetzes, festgeschrieben war.

Wenn nun CDU und FDP den Einsatz der Sachsen im Jahr 1989 durch ein Freiheits- und Einheitsdenkmal würdigen wollen, so findet das grundsätzlich natürlich unsere Zustimmung. Zu kritisieren ist aber, dass CDU und FDP mit ihrem Antrag Geschichtsklitterung betreiben und ihren – angeblichen – eigenen Anteil an der Einheit viel zu groß herausstellen. Es waren nämlich nicht nur sprichwörtlich vaterlandslose Gesellen der Sozialdemokraten wie Lafontaine, der sich damals mit antideutschen Reden dem westdeutschen Wohlstandsbürger als SPDKanzlerkandidat andiente, sondern es waren auch führende Repräsentanten von CDU und FDP, die in Wort und Tat gegen das Wiedervereinigungsgebot verstießen.

So war auch – um nur ein Beispiel zu nennen – für den später als „Kanzler der Einheit“ gefeierten Helmut Kohl die Vereinigung West- und Mitteldeutschlands kein wirkliches Herzensanliegen.

(Peter Schowtka, CDU: Das ist eine Lüge!)

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 19.12.1982 zitierte Kohl wie folgt: „Einen deutschen Nationalstaat im Sinne Bismarcks wird es nicht mehr geben, weil niemand in Ost und West ein so wiedervereinigtes Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern will.“

Anlässlich des Honecker-Staatsbesuchs im Jahr 1987, also zwei Jahre vor dem Ende der SED-Diktatur, bekräftigte Kohl – Zitat –: „Die deutsche Frage bleibt offen. Doch ihre Lösung steht zurzeit nicht auf der Tagesordnung der Weltpolitik.“

Als die Deutschen in Dresden, Plauen und Leipzig vor 21 Jahren unter großem persönlichem Einsatz und Gefahr für Leib und Leben auf die Straße gingen, gaben sie auch hier in Sachsen Anstoß für die friedliche Revolution. Sie

wollten die DDR-Diktatur auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen. Sie forderten freie Wahlen, und sie wollten eine gemeinsame Zukunft aller Deutschen in Freiheit, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit.

Wie wir heute wissen, wurden diese Menschen im Laufe der Zeit oft bitter enttäuscht und in ein System überführt, das eben nicht für soziale Rechte, Demokratie, wie sie das Volk versteht, und Selbstbestimmung steht. Die Meinungsfreiheit wird schließlich auch heute durch die ungeschriebenen Gesetze der Political Correctness eingeschränkt. Auch das neue Versammlungsrecht ist kein Ausdruck freiheitlichen Denkens, sondern ein erschreckendes Beispiel für die Beschneidung elementarster Grundrechte, die den Deutschen grundgesetzmäßig zustehen.

Doch ebenso, wie den Mitteldeutschen einst Pseudorechte durch die DDR-Verfassung garantiert wurden, die nur auf dem Papier existierten, entfernt sich heute die Verfassungswirklichkeit in der BRD auch immer weiter von dem, was laut Grundgesetz jedem Bürger unabhängig von seiner politischen Anschauung als Recht garantiert wird.

Auch um die Demokratie ist es im real existierenden BRD-System zunehmend schlecht bestellt. Während die Menschen in anderen Staaten Europas per Volksabstimmung über elementare Zukunftsfragen mitentscheiden können, wird dieses urdemokratische Instrument unserem Volke nach wie vor vorenthalten.

Und was die freien Wahlen betrifft, die 1989 eingefordert wurden? Wie kann man heutzutage ernsthaft von freien Wahlen sprechen, wenn zum Beispiel bestimmte Kräfte im politischen Wettstreit konsequent benachteiligt und an der Ausübung ihres Auftrags gehindert werden, wo es nur geht? Im Übrigen haben sich bei der letzten Landtagswahl auch nur noch knapp 52 % der Wahlberechtigten überhaupt an diesen beteiligt, was für die Politikverdrossenheit im Jahre 2010 spricht.

Das hiesige politische System befindet sich in einer schweren Legitimationskrise, die aufgrund der finanz- und wirtschaftspolitischen Aussichtslosigkeit schon bald zu Massenprotesten führen könnte, wie wir sie zuletzt 1989 hierzulande erlebt haben. Dies alles lässt mich zu dem Schluss kommen, dass die im Antrag angeführte Zivilcourage und der Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte aus dem Mund von CDU und FDP pure Phrasendrescherei sind und dass mit dem Verweis auf die Heldentaten der Sachsen von 1989 von den eigenen Versäumnissen abgelenkt werden soll.

Als originäre Partei der deutschen Einheit und Freiheit, als soziale Heimatpartei für Sachsen stimmt die NPDFraktion dem Antrag und damit der Errichtung des Denkmals dennoch zu, da auch wir den Einsatz der Sachsen für die friedliche und gewaltfreie Revolution von 1989 zur Überwindung des kommunistischen SEDRegimes gewürdigt sehen wollen. Gleichwohl wenden wir uns aber leidenschaftlich gegen die Vereinnahmung der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung durch die heutigen Blockparteien und sehen das zu errichtende

Denkmal auch als Mahnmal für die vielen aktiven Menschen von damals an, die heute wieder in Resignation versunken sind. Es wird uns aber auch stets ermahnen, ebenso friedlich und gewaltfrei, aber auch ebenso unermüdlich für die Überwindung dieser liberalkapitalistischen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland einzutreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Herr Abg. Clemen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem Quark, den Herr Müller gerade abgesondert hat, will ich nicht weiter Stellung nehmen. Nur so viel: Getretener Quark wird breit, nicht stark!

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der NPD: Das war jetzt aber billig! Das war wirklich billig!)

Der Grund, warum ich heute noch einmal an das Mikrofon trete, obwohl wir noch einiges vorhaben, ist folgender: Frau Kallenbach, es kann nicht so sein, dass der Bund und das Land in Leipzig ein Freiheits- und Einheitsdenkmal finanzieren, aber die Stadt Leipzig allein bestimmt, wo und wie es errichtet werden soll.

Also so geht das Spiel nicht. Wenn es drei Partner gibt, die gemeinsam ein Denkmal finanzieren, dann sind auch diese drei Partner gemeinsam gefordert, hier die schwierige Entscheidung zu treffen, wo dieses Denkmal steht und wie es aussehen soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist der Wille dieses Hohen Hauses. Das sollte man hier noch einmal festhalten.

Sie kennen das Zitat: „Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen.“ Ihrer Rede musste ich leider entnehmen, dass Sie wohl diese historische Wahrheit vergessen oder verdrängt haben. Ich kann nur sagen, wir sollten uns alle und gerade an einem solchen Tag wie heute daran erinnern, dass es so ist.

Ich nutze aber die Gelegenheit – neben den Namen, die Holger Zastrow hier schon erwähnt hat –, insbesondere den Kolleginnen und Kollegen Katharina Landgraf, Gunther Weißgerber und Rainer Fornahl für ihren Einsatz für das Denkmal noch einmal zu danken, natürlich neben den Damen und Herren auch aus der FDP-Fraktion, die hier für uns erheblich mitgestritten haben, aber eben auch Dr. Fritz Hähle, Gunther Hatzsch und Johannes Gerlach, die ja in ihrer Rede 2007 vieles zu dem Denkmal gesagt haben.

Ich begrüße auch den Beschluss des Deutschen Bundestages sehr. Andererseits muss ich noch einmal etwas zum Prozedere sagen. Der Verwirklichung sind zwei Projektstufen vorgelagert. Zunächst geht es bei einem Workshop darum, die städtebaulichen Rahmenbedingungen, die allgemeinen Anforderungen an das Denkmal und den künstlerischen Anspruch aufeinander abzustimmen. Im Anschluss daran soll ein Ideenwettbewerb Denkmalkonzepte entwickeln und darstellen. Und jetzt kommt es: Da es sich um ein Gemeinschaftsprojekt von Bund, Land und Stadt handelt, sind wir der Meinung, dass eine Jury, die aus Persönlichkeiten aus Bund, Land und Stadt zusammengesetzt ist, installiert werden sollte. Diese soll alle Projektstufen konstruktiv begleiten, denn, meine Damen und Herren, alle, die Geld geben, sollen an der Entscheidung mitwirken.

Ein wichtiges Anliegen für uns ist es auch, dass sich die Leipziger Bürger und möglichst viele Sachsen mit dem Denkmal identifizieren. Deshalb streben wir eine geeignete Einbindung der Öffentlichkeit an. Nach unserer Meinung soll das geplante Denkmal in erster Linie ein Ort der Erinnerungskultur sein und nicht vordergründig städtebaulichen und künstlerischen Ansprüchen genügen. Es soll an einem historisch bedeutsamen Ort in Leipzig stehen. In dieser Hinsicht wurde in der Leipziger Ratsversammlung heute vor einem Jahr entschieden, die zwei Standorte Augustusplatz und Wilhelm-Leuschner-Platz in ein Auslobungsverfahren einzubeziehen. Der ebenfalls angedachte Standort Innenstadtring scheint aus praktischen Erwägungen heraus eher weniger Chancen zu haben.

Ich hoffe, dass der eingebrachte Antrag vom Landtag mit großer Mehrheit unterstützt wird. Das Einheits- und Freiheitsdenkmal soll – jetzt kommen wir auf die angesprochene Finanzierung zurück – nach den Entscheidungsprozessen, die ja einige Zeit in Anspruch nehmen werden, möglichst im Jahr 2014 zum 25. Jahrestag der friedlichen Revolution eingeweiht werden. Ich bin davon überzeugt, dass das ein gutes Datum ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.