Wenn das Instrument in der Vergangenheit nicht erfolgreich war, liegt es nicht an dessen Unbrauchbarkeit, sondern am mangelnden Willen zum sachgerechten Vollzug durch die zuständige Landestalsperrenverwaltung oder anderer Behörden und am immer noch für mich – auch nach der heutigen Diskussion – erkennbaren mangelnden Willen einer grundsätzlichen Neuorientierung hin zu natürlichem Hochwasserschutz. Die Auswirkungen werden leider die nächsten Hochwasseropfer wieder zu tragen haben.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben bestimmt größtes Verständnis, dass meine Fraktion diesen Änderungsantrag aus den genannten Gründen und noch einigen mehr ablehnen muss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten bewegt die Abgeordneten dieses Hauses – zumindest die des Umweltausschusses –, aber auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger
außerhalb umweltpolitisch aktiver Vereine ein Gesetz. Es ist ein Gesetz, das aus FDP-Sicht unter anderem mehr Freiheiten bei der Entscheidung und der Gestaltung des eigenen Grundstücks, nämlich beim Fällen größerer Gehölze, zum Ziel hatte.
Man sollte eigentlich meinen, dass es einer stabilen Staatsregierung leicht fallen sollte, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, und zwar ganz gleich, ob man selbst, wie die NPD-Fraktion, inhaltlich dem Anliegen ablehnend gegenübersteht. Es sind zahlreiche Kritiken eingegangen, eine öffentliche Anhörung fand statt und der Umweltausschuss hat mehr als einmal zu diesem Thema getagt. Trotzdem liegt uns nun ein Gesetzentwurf vor, dem nicht nur der Juristische Dienst des Landtages die Verfassungskonformität abspricht. Die regierende „Wunschkoalition“ besitzt die – ja, was eigentlich? Ursprünglich stand bis heute Morgen hier noch das Wort „Gedankenlosigkeit“. Aber nach den Ausführungen des Kollegen Herbst von heute Morgen möchte ich eher von Frechheit und Anmaßung sprechen.
Es wird dem Landtag ein Papier vorgelegt, das mit aller Wahrscheinlichkeit vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen scheitern wird. Das ist eine Missachtung der Abgeordneten dieses Hauses und ihrer Wähler, wie sie sich in dieser Offensichtlichkeit selten zeigt.
Wie konnte es dazu kommen, und wie konnte ein inhaltlich derart unausgegorener und juristisch anfechtbarer Gesetzentwurf ins Plenum gelangen? Ein Blick auf die Seiten des FDP-Kreisverbandes Erzgebirge, dem selbst ernannten Nachrichtenportal der liberalen Freiheitskämpfer, gibt die Antwort. Hier lässt sich Tino Günther als eine Art Robin Hood der Baumfällsatzung feiern. In ebenso anmaßenden wie flapsig formulierten Sätzen spricht er von angeblichen – ich zitiere – „Beschimpfungen, Beleidigungen und Kriminalisierungen von Kleingärtnern und Grundstücksbesitzern...“. Ein weiteres Zitat: „... von juristischen Tricksereien...“ und – noch ein Zitat, das Kollegin Kallenbach schon gebracht hat –, „... von Spielchen von Winkeladvokaten...“.
Als Verursacher benennt er wörtlich – ich zitiere – „die Cheflobbyisten der Öko-Bürokratie, die GRÜNEN,“ und lässt dabei völlig außer Acht, dass es massive Kritik aus verschiedenen Richtungen gab. Hiermit meine ich nicht nur die gemeinsame Erklärung der anerkannten Naturschutzvereine Landesverein Sächsischer Heimatschutz, NABU, BUND und Grüne Liga, sondern Ihnen sollte auch in Erinnerung geblieben sein, dass sich anlässlich der öffentlichen Anhörung zehn der geladenen 14 Experten gegen die Lockerung der Baumschutzsatzung aussprachen. Es sollte Ihnen auch aufgefallen sein, dass sich der einzige Experte, der sich vehement dafür aussprach, auf leicht zu widerlegende Angaben berief.
Selbst nach dem Eintreffen der ablehnenden Stellungnahme des Sächsischen Landkreistages blieben Günthers Entgleisungen unverändert im Netz. Bedenken zu Bearbeitungsfrist, der Beteiligung weiterer Behörden wie den Landratsämtern, der Beachtung artenschutzrechtlicher
Belange sowie der gesetzlichen Gebührenfreiheitsregelung werden weiterhin konsequent ignoriert. Stattdessen geistert immer noch der ominöse Fledermausbeauftragte durch die Vorgärten bzw. durchs FDP-Netz. Welchen Zweck verfolgt dieser Gesetzentwurf wirklich? Er stellt lediglich einen der wenigen Versuche der Liberalen in der Staatsregierung dar, sich zu profilieren. Die NPD-Fraktion kann Ihnen bescheinigen, dass dieser Versuch mit „mangelhaft“ zu bewerten ist
und dass zu Recht akute Versetzungsgefahr besteht, Herr Zastrow. Da Sie nicht lernen wollen oder können, lassen Sie sich zunächst vom Verfassungsgericht und später hoffentlich auch von Ihren Wählerinnen und Wählern zurechtweisen. Eine Politik wie die Ihrige braucht der sächsische Freistaat nicht.
Die NPD-Fraktion wird dieser Zumutung sowohl aus inhaltlichen – das betrifft beide Punkte – als auch aus den genannten formellen Gründen nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Ich frage die Staatsregierung, ob jetzt das Wort gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Abg. Tiefensee für die CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In den Jahren 2005 und 2006 wurde das Verfahren zum sogenannten Paragrafenpranger auf den Weg gebracht. Ich als damaliger Vorsitzender des Rechts-, Verfassungs- und Europaausschusses des Sächsischen Städte- und Gemeindetages habe das Verfahren intensiv begleitet.
Nachdem ich aus meinen Erfahrungen in der Gemeinde circa 20 Vorschläge gemacht hatte, habe ich in zeitaufwendigen Sitzungen das Verfahren begleitet. Einige wenige Vorschläge wurden aus den unterschiedlichsten Gründen umgesetzt. Besonders zu begrüßen sind die Vereinfachungen in der Sächsischen Bauordnung. Im Ergebnis der Beratungen haben wir im Gemeinderat diskutiert, welche Satzungen in der Gemeinde aufgehoben werden können. Die Gemeinde hatte zu dem Zeitpunkt 30 Satzungen und Verordnungen. Nachdem vereinbarungsgemäß eine Entscheidung auf die neue Legislaturperiode ab 2009 vertagt wurde, haben wir das Verfahren zur Aufhebung der Baumschutzsatzung begonnen.
Nach einer ersten Lesung und nachdem das Vorhaben über das „Mitteilungsblatt“ den Einwohnern bekannt gemacht wurde, erfolgten von diesen nur positive Rückmeldungen. So haben wir die Satzung Anfang April 2010 beschlossen. Die von den Umweltverbänden und den Abgeordneten erhobenen Bedenken kann ich nicht nachvollziehen. Bisher war es so, dass jeder Grundstückseigentümer überlegen musste, ob er einen Baum, wenn er
einen Umfang von 30 bis 40 Zentimetern hat, weiter wachsen lässt oder nicht. Lässt er den Baum größer und älter werden, schreibt ihm die Gemeinde vor, ob er ihn fällen darf oder nicht. Ein Grundstücksbesitzer, der Bäume liebt, wird auch ohne Vorschriften durch die Gemeinde Ersatzpflanzungen vornehmen und einen Grünbestand auf dem Grundstück halten. Der Grundstücksbesitzer, der keine Bäume liebt, hat genügend Möglichkeiten, einen Baum zum Absterben zu bringen und die Nachpflanzung nach der Kontrolle durch die Gemeinde an einem gesunden Wachstum zu hindern.
Die Gemeinden fordern immer wieder, sie von bürokratischen Aufgaben zu entlasten. Hier wird den Gemeinden die Möglichkeit geboten, die angenommen werden sollte.
Zu Mindereinnahmen kann es nicht kommen, denn der Verwaltungsakt darf nach den bestehenden Gesetzen nicht teurer sein als der tatsächliche Aufwand. Mit den jetzt zu verabschiedenden Veränderungen werden Verwaltungskräfte für andere Aufgaben frei, die für zusätzliche Aufgaben, zum Beispiel die Einführung der Doppik, unbedingt benötigt werden.
Wie gesagt, es werden mehr Bäume die ersten Jahre ihres Wachstums überstehen, weil es in der Entscheidung des Grundstücksbesitzers liegt: Möchte ich den Baum erhalten, oder nicht?
Vielen Dank, Herr Tiefensee. – Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Für die Fraktion der FDP Herr Abg. Biesok; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich verwundert es schon ein wenig, wie die Diskussion um diesen Gesetzentwurf hier im Landtag erfolgt. Wir diskutieren hier rechts- und verfassungspolitische Fragen, wo es doch eigentlich um eine Sachfrage geht, und zwar um eine ganz einfache Rechtsfrage: Wir wollen den Bürgern einfach erlauben, in ihrem eigenen Garten ihren eigenen Baum fällen zu dürfen, ohne jemanden von staatlicher Stelle zu fragen. Das ist eine ganz einfache politische Frage, und diese möchte ich auch gern politisch beantworten.
Wir wollen dem Bürger diese Möglichkeit wieder geben, weil wir ihn für fähig halten, zu beurteilen, ob man den Baum fällen soll, weil wir ihn für fähig halten, zu entscheiden, ob er eine Ersatzpflanzung dafür vornimmt, und das möchten wir ihm nicht durch eine Verwaltungsstelle vorschreiben lassen.
Hier wird so getan, als ob wir jetzt elementare Verfassungsrechte brechen. Ich denke, dazu muss man einmal ein wenig zurückgehen, wie man überhaupt zu diesen Gehölzschutzsatzungen gekommen ist. Als ich begonnen habe, Kommunalpolitik zu machen – so lange ist das noch
gar nicht her; das war 1987 –, hat man sich gefragt, ob man als Gemeinde überhaupt Gehölzschutzsatzungen machen darf. Man musste erst einmal ein Landesumweltrecht schaffen, das den Kommunen die Ermächtigung gegeben hat, überhaupt solche Satzungen zu erlassen. Heute diskutieren wir darüber, ob es in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung eingreift, wenn wir den Kommunen für bestimmte Gehölze diese Möglichkeit wieder wegnehmen. Also, wer solche juristische Argumentationen ernsthaft vorträgt, hat noch nie die RastedeEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur kommunalen Selbstverwaltung gelesen.
Nun wird vorgetragen, die Gebührenfreiheit würde die Sächsische Verfassung verletzen. Das soll mir auch mal einer erklären. Die Sächsische Verfassung sieht nur vor, wenn wir Aufgaben auf die Kommunen übertragen, ihnen den entsprechenden Mehraufwand erstatten zu müssen. Die Sächsische Verfassung sieht aber nicht vor, dass uns die Kommunen, wenn wir sie von Aufgaben entlasten, Geld bezahlen müssen. Deshalb können wir auch hineinschreiben, dass die entsprechenden Freistellungsbescheide kostenlos ergehen. Es kann mir auch keiner erklären, dass die Bearbeitung der wenigen jetzt noch vorhandenen Anträge auf Fällen eines Baumes einen solch hohen Arbeitsaufwand erfordern, dass die Finanzausstattung der Kommunen insgesamt nicht mehr ausreichend ist und deshalb eine Verletzung der Sächsischen Verfassung vorliegt.
Zur Genehmigungsfiktion. Oh ja, drei Wochen! Was sind denn drei Wochen? Es geht darum, dass Bäume in einem Privatgarten von Privatleuten gefällt werden. Es gibt in Sachsen sogar eine Vorschrift darüber, welche Qualifikation die Leute haben müssen, damit sie einen Baum fällen dürfen. Sie müssen erst den MotorkettensägenBefähigungsnachweis machen, am besten bei der Ländlichen Erwachsenenbildung in Brand-Erbisdorf. Erst dann darf man mit einer Motorkettensäge überhaupt einen Baum fällen. So viel Bürokratie haben wir jetzt schon in diesem Verfahren drin; und dann soll es einer Kommune nicht einmal möglich sein, innerhalb von drei Wochen darüber zu entscheiden, ob ein Baum – nicht ein Haus, ein Industriedenkmal oder sonst irgendetwas – beseitigt werden kann?
Die Menschen vor Ort kennen sich doch aus und wissen, welche Region das ist, und haben in den meisten Fällen überhaupt kein Problem damit, das innerhalb der Frist zu entscheiden. Ich denke, wir sollten unseren Kommunen vertrauen, dass sie ihren Betrieb so organisieren, dass innerhalb von drei Wochen jemand vorbeifährt, sich den Baum anschaut und sagt, es ist okay oder es ist nicht okay. Damit überstrapazieren wir die kommunale Verwaltung nicht.
Deshalb halte ich dieses Gesetz für ein richtiges und wichtiges Gesetz zur Entbürokratisierung, und ich hätte
mir gewünscht, wenn wir uns wirklich auf die Kernfrage– wollen wir diese Entbürokratisierung haben, oder wollen wir sie nicht haben? – konzentriert und uns nicht hinter verfassungsrechtlichen Fragestellungen verschanzt hätten.
Geben Sie mir recht, dass viele Städte und Gemeinden mit ehrenamtlichen Mitarbeitern Baumschutzsatzungen umsetzen? Sind Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass das nicht nur Verwaltungsmitarbeiter sind, sondern auch ehrenamtlich arbeitende Menschen?
Darüber bin ich nicht informiert. Ich würde es aber auch ablehnen, dies von Ehrenamtlichen machen zu lassen. Wenn wir uns als Staat schon herausnehmen, dem Bürger vorzuschreiben, ob er seinen Baum fällen darf oder nicht, dann sollten das auch mit öffentlichen Aufgaben betraute Mitarbeiter der Gemeinde tun; denn sie üben hoheitliche Gewalt aus, und diese sollten dann auch, bitte schön, öffentliche Bedienstete ausüben.
Vielen Dank, Herr Biesok. – Ich schaue wieder in die Runde. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich frage Herrn Meyer. Sie sind mir noch gemeldet. – Nicht mehr? Gut. Nun frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer, bitte; Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja inhaltlich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf schon eine ganze Menge gesagt worden. Das, was die Staatsregierung eingebracht hat, und das, was nun dem Landtag zur Beschlussfassung vorliegt, weicht in vielen Punkten voneinander ab. Ursache – ganz normal –: Wir hatten eine Anhörung, und aus dieser resultierend gab es Veränderungen.