Durch die derzeitige demografische Entwicklung und die Vergütungssituation werden Angebote der Geburtshilfe sowieso zurückgehen. Auch in Kliniken wird sich dieses Problem hier in Sachsen bemerkbar machen, wenn auch derzeit noch nicht in dem Ausmaß. Genau an dieser Stelle, bei der konkreten Versorgung, ist die Wissenslücke der Staatsregierung wirklich problematisch. Diese Lücke muss schleunigst geschlossen werden, vor allem im Interesse der sächsischen Frauen und ihrer Familien.
Zum Schluss möchte ich auch noch einmal auf die Familienhebammen eingehen. Die Idee, Hebammen in die Netzwerke zum Kinderschutz einzubeziehen, beruht auf der Tatsache, dass Hebammen einen frühzeitigen und vor allem niedrigschwelligen Zugang zu allen Familien haben. Hebammen erkennen sehr schnell, ob Familien auf die neue Familiensituation vorbereitet sind, ob sie diese bewältigen können oder aber ob es sinnvoll ist, Hilfen anzubieten, geeignete Hilfen für die jeweilige Situation der Familie.
Bislang sind sie jedoch rein für gesundheitliche Bedürfnisse ausgebildet, vorbereitet und werden auch so vergütet. Deshalb sind eine Zusatzqualifikation zur Familienhebamme in sozialpädagogischer und psychologischer Hinsicht und die Einbindung in dieses professionelle Kinderschutz-Netzwerk wirklich hilfreich und würden den Familien einen effektiven und schnellen Hilfezugang gewähren, ganz im Sinne der frühzeitigen Intervention und des Kinderschutzes.
So weit die Theorie. Nun die Praxis. In Sachsen werden die ausgebildeten Familienhebammen eben nicht in ein Netzwerk eingebunden. Es gibt zwei zusätzlich finanzierte Hausbesuche, jedoch auch nur bei den Familien, die AOK-versichert sind. Ich denke, Sachsen sollte hier schleunigst dem Beispiel anderer Bundesländer folgen und Familienhebammen in ein eigenes landesweites Netzwerk einbauen und vor allen Dingen verbindliche Vereinbarungen und Vergütungen dafür vorsehen. Die derzeitige Situation kann allenfalls als Alibi dienen, hat aber nun wirklich keine Substanz. Das ist nicht richtig. Hebammen verdienen unsere Aufmerksamkeit und unsere Unterstützung. Mit den beiden vorliegenden Entschließungsanträgen wird es auch heute noch möglich sein, diese zu geben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kennen die Probleme in der demografischen Entwicklung und die Prognosen für die kommenden Jahre. Umso erfreulicher ist es, dass die Geburtenzahlen in Sachsen relativ konstant sind. 2008 wurde zum ersten Mal seit vielen Jahren die Marke von 34 000 Geburten in Sachsen geknackt. Daran haben natürlich die Hebammen und Entbindungshelfer einen wesentlichen Anteil. Sie unterstützen die Mütter, leisten Hilfe und stehen ihnen zur Seite. Ihnen gehört an dieser Stelle unser aufrichtiger Dank.
Die Geburt eines Kindes ist ein einmaliges und außergewöhnliches Ereignis, aber immer auch eine Ausnahmesituation. Deshalb legen viele Schwangere Wert darauf, dass sie die Hebamme, die sie im Kreißsaal unterstützt, gut kennen und ihr vertrauen können. Nicht wenige bringen daher ihre eigene Beleg-Hebamme mit ins Krankenhaus. Manche wählen als Ort für die Entbindung das Geburtshaus oder das eigene Zuhause.
Die Anliegen der Hebammen sind uns genauso wichtig wie die Anliegen der Gebärenden. Deshalb muss in erster Linie für diese Frauen die Wahlfreiheit bestehen. In welche Hände die Frau Schwangerschaft und Geburt legen will, wer Ansprechpartner für die werdende Mutter ist, von wem sie sich fachkundig und kompetent betreuen lassen will, sollte sie allein entscheiden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für ihre Tätigkeit sollen die Hebammen und Entbindungshelfer natürlich auch angemessen bezahlt werden. Ich denke, das ist Voraussetzung, um engagiert und motiviert den eigenen Beruf auszuüben. Deshalb war es auch wichtig und richtig, dass die Hebammen die Erhöhung der Haft
pflichtversicherung auf 3 689 Euro – ich wiederhole diesen Betrag an dieser Stelle gern noch einmal, weil er sehr erheblich ist –, die am 1. Juli 2010 erfolgte, nicht kommentarlos hingenommen haben. Wir verstehen den Unmut und die Proteste dagegen sehr gut.
Lassen Sie mich aber kurz etwas zur Historie sagen, weil mir bei den Äußerungen der Linksfraktion und auch bei Frau Neukirch von der SPD aufgefallen ist, dass scheinbar die Entstehungsgeschichte der Gesetzeslage nicht bekannt ist. Forderungen nach der Politik auf Landesebene sind daher völlig verfehlt und basieren auf keiner rechtlichen Grundlage.
Die Hebammen und Entbindungshelfer sind ab 1. August 2007 vom damaligen Gesetzgeber CDU und SPD auf Bundesebene in die Selbstständigkeit entlassen worden. Krankenkassen und Hebammen sollen eigenständig die Vergütungshöhen verhandeln, so die Vorstellung der vormaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, SPD. Wenn diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen, wird die Schiedsstelle angerufen – so sieht es das Sozialgesetzbuch V vor. Deren Vertreter einigten sich am 5. Juli dieses Jahres auf eine Lösung. Kommt diese Lösung den Hebammen nicht entgegen, besteht die Möglichkeit, den Klageweg über die Sozialgerichte zu gehen. Das und kein anderer ist der vorgegebene Weg. Die Verhandlungen obliegen allein den Tarifpartnern. Die staatliche Seite ist gesetzlich nicht als Verhandlungspartner vorgesehen und saß dementsprechend auch nicht am Verhandlungstisch.
Selbstverständlich sind Gespräche, Diskussionen und Moderationen vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums möglich. Es wurden auch Gespräche durch den Gesundheitsminister geführt. Eine einvernehmliche Lösung in dieser Problematik liegt letztlich im Interesse aller.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hebammenhilfe bedeutet auch umfassende und ganzheitliche Hilfe, die insbesondere bei Familien mit besonderen Belastungen nötig und gefragt ist. Das betrifft Familien mit gesundheitlichen oder psychosozialen Problemen. Deshalb gibt es in Sachsen auch eine spezielle Fortbildungsoption für Hebammen, die sich mit sogenannten Risikofamilien befassen. Der Kurs umfasst beispielsweise Kenntnisse zu speziellen Dynamiken von Familien, fachliche Hilfe in Zusammenarbeit mit anderen Fachdiensten, das Erkennen von Gefährdungssituationen für das Kind und Strategien zur Krisenintervention. Die ersten dieser speziell ausgebildeten Hebammen werden noch in diesem Jahr die Schulbank verlassen.
Hier zeigt sich erneut, wie weit der Hebammenbegriff gefasst werden kann und wie wichtig ihre Arbeit nicht nur für Mutter und Kind, sondern eben für die Familie insgesamt sein kann. Deshalb möchte ich Ihnen, Frau Lauterbach, an dieser Stelle widersprechen, wenn Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass der Berufsstand oder gar das Berufsbild der Hebamme gefährdet sei. Dies ist bei Weitem nicht so. Hier wird in Sachsen bereits viel getan.
Die Arbeit der Hebammen und Entbindungshelfer schätzen wir sehr und werden sie mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln weiterhin unterstützen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion hat mit ihrer Großen Anfrage versucht, die Situation der Hebammenarbeit in Sachsen zu beleuchten. Frau Lauterbach ist darauf eingegangen, dass sie vor allen Dingen die Protestaktionen der Hebammen in diesem Jahr dazu angeregt haben, diese Anfrage zu stellen. Die Erhellung ist allerdings nur teilweise gelungen. Auch darauf sind meine Vorrednerinnen schon eingegangen, weil die Staatsregierung offensichtlich an vielen Stellen ahnungslos ist und – schlimmer noch – auch nicht zu erkennen gibt, dass sie ihre Wissenslücken füllen will.
Ich möchte das, was von meinen Vorrednerinnen gesagt wurde, nicht noch einmal wiederholen, aber ich möchte auf zwei Gesichtspunkte eingehen. Der eine ist die Wahlfreiheit der werdenden Mütter und selbstverständlich auch der Väter in Bezug auf die Geburtshilfe, die Begleitung davor, also die Schwangerschaftsbetreuung, und die Nachsorge. Im Zweiten will ich noch auf die Familienhebammen kommen.
Diese Große Anfrage stellt auch die Frage, ob Wahlfreiheit gegeben ist. Voraussetzung dafür sind sicherlich mindestens zwei Punkte, nämlich erstens, dass eine Hilfe durch freiberufliche Hebammen, Beleg-Hebammen und in der Klinik angestellte Hebammen zur Verfügung steht, und zwar die ganze Palette, damit ich eine Wahl treffen kann. Zweitens muss diese Hilfe bezahlbar sein.
Zum Beispiel auf die Frage 30 auf der Seite 7, ob die Staatsregierung der Auffassung ist, dass die freie Wahl des Geburtsortes für alle Frauen sichergestellt ist, antwortet sie sinngemäß, dass diese sichergestellt ist, weil es 49 Entbindungskliniken gibt, die ein flächendeckendes Angebot gewährleisten. Damit hat die Staatsregierung den Ort mit einem geografischen Ort gleichgesetzt. Das ist in der Frage sicherlich nicht intendiert gewesen. Gemeint war vielmehr, ob zwischen einer Hausgeburt, der Geburt in einem Geburtshaus oder der Geburt in einer Klinik gewählt werden kann. Darauf hat die Staatsregierung keine ausreichende Antwort gegeben.
Auf der gleichen Seite finden wir die Frage 25, die lautet, wie viele Mütter in Sachsen von ihrem Anspruch auf eine enge Begleitung durch eine Hebamme während der gesamten Schwangerschaft Gebrauch machen. Davon hat die Staatsregierung keine Kenntnisse. Das könnte aber ein
Zeichen dafür sein, wenn es in Anspruch genommen wird, dass es wirklich überall dieses Angebot gibt. Vielleicht ist es aber auch nicht verfügbar und die Frauen haben nicht die Möglichkeit, zum Beispiel in der Nachsorge, auf die Hilfe von Hebammen zuzugreifen.
Das Zweite war die Frage der Bezahlbarkeit. Meine Vorrednerinnen hatten es schon gesagt: Es gibt das große Problem der Haftpflichtversicherung, aber es gibt auch das Problem der Rufbereitschaft, die nicht vergütet werden. Damit müssen die Hebammen diese Bereitschaftszeit der schwangeren Frau bzw. den Familien in Rechnung stellen oder sie bleiben auf den Kosten sitzen.
Die Frage 23 steht auf Seite 15 und lautet: „Was gedenkt die Staatsregierung zu unternehmen, damit Hebammen für Bereitschaftsdienste entsprechend vergütet werden?“ Die Staatsregierung antwortet darauf, dass sie darauf keinen Einfluss habe – das ist sicherlich wahr – und dass dies dem Spitzenverband der Krankenkassen obliege sowie dem Berufsverband der Hebammen. Das ist sicherlich richtig. Wir erwarten aber von der Staatsregierung, dass die Frauen in Sachsen für das Angebot der Rufbereitschaft nichts bezahlen müssen, denn manche Frauen können sich das nicht leisten.
Gleiches betrifft die Teilnahme der Partnerfrage, die Fragen 7 und 8 auf der Seite 12. Das ist extra zu bezahlen, außer für Mitglieder der AOK. Aber was machen diejenigen, die nicht Mitglied der AOK sind?
Besonders geärgert hat mich die Antwort auf die Frage auf Seite 14, die meine Vorrednerinnen schon angesprochen haben. Es geht hierbei um die Gründe für die Erhöhung der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung für freiberuflich tätige Hebammen. Hierzu führt die Staatsregierung aus: „Uns liegen dazu keine Kenntnisse vor.“ – Das ist mir bei der Diskussion, die im letzten halben Jahr landauf, landab gelaufen ist, sehr unverständlich. In der nächsten Frage wird nach den Auswirkungen dieser Beitragssteigerung gefragt und auch hierzu liegen der Staatsregierung keine Kenntnisse vor. Dabei kann sich jeder an fünf Fingern abzählen, dass sich die flächendeckende Versorgung in Sachsen, wenn Hebammen ihre Tätigkeit aufgeben müssen, weil sie die Beiträge nicht mehr zahlen können, mit Sicherheit verschlechtern wird.
Aber die Staatsregierung hat davon keine Kenntnisse. Das hinterlässt bei mir den Eindruck, dass sie sich auch nicht darum bemüht. Das ist zusätzlich unverständlich, wenn ich mir die Maßnahmenübersicht zum sächsischen Handlungskonzept für präventiven Kinderschutz anschaue. Dort steht auf Seite 8: „Hebammen einbeziehen und deren Fachkompetenz stärken.“ Die Staatsregierung sieht den Einsatz von Familienhebammen als eine Möglichkeit, im Kinderschutz tätig zu werden.
Meine Vorrednerinnen sind auf das Problem der Familienhebammen schon eingegangen. Wenn die Staatsregierung diese Kompetenz der Hebammen nutzen will, möchte ich wissen, was sie dafür tut. Sie bietet Weiterbildungskurse von 40 Stunden an. Im Herbst wird der erste Kurs abgeschlossen sein. Es stellt sich mir die Frage: Was
wird mit den Hebammen, die diesen Kurs besucht haben? Wie stellt sich die Staatsregierung den Einsatz der Hebammen nach diesem Weiterbildungskurs vor? Wenn die Staatsregierung Geld für die Ausbildung zur Verfügung stellt, dann hat sie doch sicherlich großes Interesse daran, dass die Hebammen danach mit ihrer Ausbildung auch etwas anfangen können.
Wir finden auf der Seite 5 in der Frage 16 die Antwort der Staatsregierung, dass sie nicht der Meinung ist, dass weitere nicht medizinische Indikationen oder Leistungen der Hebammen in die Vergütung aufgenommen werden sollten. Sie sieht die Leistungsausweitung als nicht gegeben. Sie möchte es nicht von den Krankenkassen bezahlt wissen. Das ist sicherlich ein Ansatz, den man nachvollziehen kann, weil es sich um medizinisch nicht indizierte Leistungen handelt, da sich diese Leistungen aus dem sozialen Gefüge der Familie ergeben.
Es wäre doch dann aber wichtig, dass die Staatsregierung sagt, wie die Leistungen der Familienhebammen vergütet werden sollen. Die Staatsregierung verweist aber einzig und allein auf die AOK, die zwei weitere Besuche finanziert. Was ist mit den Versicherten, die nicht bei der AOK versichert sind? Wie sollen mit zwei weiteren Besuchen Hebammen in das Netz der Frühprävention eingebunden werden? Die Antwort bleibt die Staatsregierung schuldig. Ich nehme an, sie geht davon aus, dass die Kommunen die Kosten schon übernehmen werden und dass es nicht die Aufgabe der Staatsregierung ist.
Aber Qualitätskriterien sind sehr wohl Aufgabe der Staatsregierung. Es ist auch Aufgabe der Staatsregierung, wenn sie Geld ausgibt, dies nachhaltig zu tun. Wenn sie Weiterbildung anbietet und hinterher nicht weiß, was mit den weitergebildeten Hebammen wird, dann ist das sehr unklug, und das vor allen Dingen unter den jetzigen Haushaltsgesichtspunkten.
Unsere Fraktion wird deshalb den vorliegenden Entschließungsanträgen zustimmen, weil sie eine Möglichkeit bieten, die Arbeiten der Familienhebammen weiter zu präzisieren und die Bezahlung sicherzustellen.
Meine Damen und Herren! Bevor Frau Schüßler ihren Redebeitrag beginnt, würde ich Sie bitten, Ihren Geräuschpegel etwas zu reduzieren. Ich meine hier explizit die SPD-Fraktion!
gehört vor allem die Schaffung eines familienfreundlichen und kinderbejahenden Umfeldes. Da spielen Hebammen als Wegbegleiterinnen nicht nur im medizinischen, sondern auch im psychologischen Sinne eine große Rolle.
Vielleicht sollten wir unser Augenmerk aber nicht so sehr auf die Vergangenheit, sondern mehr auf die künftige Entwicklung der Hebammenarbeit richten. Da sind es vor allem die von der Staatsregierung nicht oder nur unzureichend beantworteten Fragen, die leider eine Gefährdung der Hebammenarbeit durchaus erkennen lassen.