Protokoll der Sitzung vom 02.09.2010

(Torsten Herbst, FDP: Es war beantragt!)

Beim Arbeitsmarkt kommen wir mit billigen Taschenspielertricks nicht weiter.

(Zurufe von der FDP: Ach!)

Das einzige Verlässliche in der Arbeitsmarktpolitik Sachsens und speziell des Staatsministers ist der demo

grafische Faktor. Auf diesem ruht er sich aus. Er tut nichts. Das können wir so nicht stehen lassen.

(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Folgende Taschenspielertricks möchte ich nennen. Schauen wir uns die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung über einen längeren Zeitraum als im letzten Berichtsreport der BA an und gehen zehn Jahre zurück. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrug in Sachsen im Jahr 2000 1,5 Millionen. Wir haben jetzt 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das sind minus 100 000 Beschäftigte in zehn Jahren in Sachsen.

Nun zum nächsten Taschenspielertrick, auf den Sie abzustellen versuchen. Im selben Zeitraum hat uns Bevölkerung in der Größenordnung von einer halben Million verlassen.

(Andreas Storr, NPD: Sehr richtig!)

Zählt man dazu die Kinder und Jugendlichen, die in Ausbildung gehen möchten, dann hätten wir im Ausbildungsmarkt nicht die Situation, dass wir in diesem Jahr einen relativ ausgeglichenen Stand haben. Zum letzten Jahr haben wir minus 16 % neue Ausbildungsstellenbewerber. Das sind über 4 000 Bewerber weniger. Der Zuwachs an Ausbildungsstellen beträgt nur 2,2 %. – So viel zu Taschenspielertricks, um sich die Welt schönzureden.

Was macht die Staatsregierung? Wir müssen einen kleinen Vorgriff machen, denn wir sind noch nicht in der Haushaltsdebatte. Wenn wir uns den Einzelplan des Wirtschaftsministers ansehen, ist an dieser Stelle keine Lehrstelle, sondern eine Leerstelle. Er bietet einfach nichts an, keine eigenen Projekte, außer dem Meister-BAföG, um dieses leicht zu qualifizieren.

Das ist alles, was sich auf der ganzen Strecke finden lässt, und da werden wir noch hart in Diskussionen kommen.

Was wir auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen haben, ist eine weitere Entkopplung im Bereich des SGB III und des SGB II. Jawohl, im SGB-III-Bereich ist Sachsen bei den Arbeitskräften besser durch die Krise gekommen, als wir vielleicht gedacht haben. Dieser Bereich ist auch relativ dynamisch. Das kann man konstatieren. Dabei hat auch die Kurzarbeit geholfen. Das ist so festzuhalten.

Zu verzeichnen ist aber ein hoher Bestand im SGB-IIBereich. Dort haben wir 170 000 betroffene Arbeitslose, wobei immerhin 280 000 betroffene Bürger mit Hartz-IVBezug mit dranhängen. Da tut sich nichts, und dort erwarten wir – das ist unsere politische Forderung – Maßnahmen auch von der Staatsregierung, um dem etwas entgegenzusetzen, zum Beispiel mit Beschäftigungsförderung. Meine Fraktion schlägt vor, wenigstens für 10 % der dauerhaft im SGB-II-Bereich verbliebenen Arbeitslosen ein Arbeitsbeschäftigungsprogramm für etwa 20 000 Personen aufzulegen. Nur dann können wir die größten Härten in diesem Bereich beseitigen.

Wir hatten gestern die Diskussion zur Rente mit 67 oder dem Schritt zurück. Für die älteren Arbeitnehmer wird in der Weiterbildung nichts getan. Im Weiterbildungsbereich haben wir 1 000 Betroffene weniger als im vergangenen Jahr zu verzeichnen. Wir haben in der Weiterbildung einen Stand von 12 900 Personen, die in Maßnahmen sind. Das reicht aber nicht aus. Im Gegensatz dazu verdonnern wir 36 700 Bürgerinnen und Bürger dazu, in AGH-Maßnahmen zu verweilen, was nicht produktiv ist, was nachweislich nicht zum Übergang in den ersten Arbeitsmarkt taugt. Dieses Potenzial müssen wir heben. Dort müssen wir Weiterbildung anbieten. Dann haben wir auch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bei möglichem Fachkräftemangel, der uns ins Haus steht.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Andreas Storr, NPD)

Jetzt spricht die SPD-Fraktion. Herr Brangs, bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: ein interessantes Thema vor halb leeren Rängen. Das kann passieren. Ich bin gern bereit, mich bei einer solchen Debatte auch mit darüber zu freuen, dass es eine positive Entwicklung gibt. Ich wäre der Letzte, der sich hier hinstellen würde, um das alles schlechtzureden. Keine Frage.

Allerdings muss man sich auch anschauen, wie die Entwicklung in anderen Bundesländern ist. Wenn man sich die Arbeitslosenquote in Sachsen von 11,2% ansieht, muss man feststellen, dass die Quote zum Beispiel in Thüringen besser ist. Angeblich ist Thüringen ja immer so ein bisschen das Land, auf das man nicht gern schaut. Sachsen ist eben immer das Musterländle.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Kollege Schiemann, doch nicht jetzt schon! Jetzt schon Applaus?

(Marko Schiemann, CDU: Bei „Musterländle“!)

Bei „Musterländle“! Bei „Musterländle“ geht einem das Herz auf. Das verstehe ich.

(Marko Schiemann, CDU: Was Recht ist, muss Recht bleiben!)

Natürlich, das muss Recht bleiben! Genauso wie: Wo wir sind, ist vorn! Natürlich, klar.

Insofern ist das aus meiner Sicht eben die Hälfte der Wahrheit, wie immer bei solch einer Debatte. Man muss natürlich auch einmal überlegen, was das mit Sachsen zu tun hat. Also geht es doch sicherlich um die neue Regierung, die wir haben. Dazu gab es ja auch eine Pressekonferenz. Noch nicht ganz ein Jahr im Amt, aber schon eine Pressekonferenz gegeben! Da muss man einmal schauen, was sich bei Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wirklich verfestigt hat und wirklich zu positiven Effekten geführt hat.

Dazu finde ich nicht viel. Ich finde eine Reihe von guten Projekten der Koalition zwischen CDU und SPD, die einfach beendet worden ist. Das ist nicht nur der Kommunal-Kombi, sondern auch das Programm „Regionales Wachstum“. Viele Unternehmen sagen, sie verstehen überhaupt nicht, warum dieses Programm nicht fortgeführt wird. Es ist mit etlichen Anträgen überzeichnet. Man hat darauf gewartet, dass es fortgeführt wird. Aber das Signal aus dem Hause Morlok war: Wir machen das nicht weiter.

Das Einzige, was gut läuft, ist die Fortführung der erleichterten GA-Förderung. Dazu mein herzlicher Glückwunsch. Das war ein Projekt von Minister Jurk, das fortgeführt wurde. Es ist sinnvoll, das zu tun.

Außerdem gab es in allen Medien dreimal den Aufwasch, dass die Autokennzeichen demnächst mit durchs Land getragen werden dürfen. Das ist dreimal verkauft worden. Wenn das alles ist, ist es ein bisschen wenig. Aber ich habe auch entdeckt, dass es im neuen Haushalt einen Titel gibt, der „Prämien für gute Ideen“ heißt. Vielleicht kann man da mit den Autokennzeichen noch einmal nachlegen und bekommt eine Prämie dafür, dass man zukünftig zweimal das Nummernschild mitnimmt und immer noch zu den einzelnen Einrichtungen muss, um sein Auto wieder anzumelden. Aber immerhin hat man sein Nummernschild schon einmal in der Tasche. Das wäre vielleicht eine Auszeichnung wert.

Aber zurück zum Kern: Wir haben in der Tat in Sachsen eine Situation, die im Wesentlichen deshalb so gut ist, weil wir hervorragende Beschlüsse der Bundesregierung hatten, als die SPD dort noch beteiligt war.

(Lachen des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Da muss man nicht lachen, da muss man sich einfach einmal die Zahlen ansehen. Wenn man sich ansieht, wie die Mittel der Konjunkturpakete I und II eingesetzt worden sind und wie zum Beispiel die Regelung zur Frage des Kurzarbeitergeldes von Minister Scholz umgesetzt worden ist, stellt man fest, dass das ein wesentliches Element dafür ist, dass wir im Moment so gut dastehen. Ich warte darauf, was die sächsische Antwort auf die Arbeitsmarktprobleme ist.

Hinzu kommt, dass wir in Sachsen eine Situation haben, in der wir im Wesentlichen von Teilzeitbeschäftigten, von prekärer Beschäftigung reden. Wir haben Arbeitsplätze, die meist befristet sind. Es ist immer noch so, dass 20 Jahre nach Herstellung der Einheit die Menschen im Osten im Schnitt ein Drittel weniger verdienen als die in Westdeutschland.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Darüber muss man auch sprechen, wenn man sich gern als die große Wirtschaftspartei verkauft, die da Lösungen anbietet. Man muss vor allen Dingen darüber sprechen, was wir mit den vielen Jugendlichen machen, die seit Jahren eine Ausbildung suchen, die seit Jahren Arbeit suchen, nämlich die Langzeitarbeitslosen im Bereich der

Jugendlichen, der unter 25-Jährigen. Auch da sollten wir noch sehr, sehr viel tun.

Deshalb wundere ich mich wirklich – wir werden an anderer Stelle noch darüber diskutieren –, warum gerade diese positiven Ansätze im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit von jungen Menschen im Entwurf des Doppelhaushalts gekürzt werden sollen. Bei der Haushaltsdebatte müssen Sie mir einmal erklären, was das Ganze wirklich soll.

Fazit ist: Viel Rauch um nichts. Man versucht hier, kurzfristig den demografischen Wandel für sich zu nutzen. Man will den Eindruck vermitteln, dass die Senkung der Arbeitslosigkeit etwas mit den guten Programmen der Sächsischen Staatsregierung zu tun hat. Man versucht natürlich auch, über bestimmte Punkte, die wichtig sind, hinwegzugehen, indem man sagt: Im Moment haben wir es nicht nötig, über den Tellerrand hinauszuschauen. Wir haben es nicht nötig, über die Qualität von Ausbildung zu reden. Wir haben es nicht nötig, uns intensiv mit Fachkräftemangel auseinanderzusetzen und zum Beispiel darüber nachzudenken, ob wir ähnlich wie in Thüringen eine Allianz für die Fachkräftesicherung ins Leben rufen.

Also ich sage, das ist mir alles in bisschen zu wenig. Da ist viel, viel Rauch, da ist sehr viel Show um das Thema. Ich kann verstehen, dass man das jetzt nutzen will, um ein wenig aus den negativen Schlagzeilen herauszukommen. Das überzeugt mich aber überhaupt nicht.

Bitte auf die Zeit achten!

Ich bin sehr, sehr gespannt darauf, wie wir in den nächsten Monaten und Jahren mit diesem Thema umgehen und ob wir endlich einmal Lösungsvorschläge erhalten, auf denen „Made in Saxony“ steht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Jennerjahn, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Krähe schmückte sich mit den ausgefallenen Federn der farbigen Pfaue, mischte sich unter diese prächtigen Vögel. Sie ward erkannt, die Pfauen fielen über sie her und rissen der Krähe nicht nur die geraubten, sondern auch die eigenen Federn aus. Die Krähe stand armseliger da als zuvor und war künftig eine Warnung für alle Eitlen.

Meine Damen und Herren, wir erinnern uns an die Schulzeit: Eine Fabel ist eine kurze Erzählung mit belehrender Absicht. Tiere nehmen hier menschliche Eigenschaften an und verhalten sich wie Menschen, und in einer Schlusspointe wird dem Leser eine allgemeingültige Moral vermittelt wie zum Beispiel: Prahle nie mit erborgtem Schimmer, Spot ist sonst dein Lohn!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP, ich würde Ihnen empfehlen, sich zunehmend mit der Lektüre von Fabeln auseinanderzusetzen und vor allem über deren Lehren zu diskutieren. Sie schmücken sich hier momentan mit fremden Federn verschiedener Herkunft.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Stefan Brangs, SPD: Gut, der Mann!)

Da entdecke ich zum Ersten in Ihrem gelben Federkleid eine rote Feder, geklaut von den Sozialdemokraten.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)