Meine Damen und Herren! Wir stehen in Sachsen vor einer der größten Herausforderungen nach den Umwälzungen von 1990. Stark sinkende Einnahmen, ein stetiger Bevölkerungsrückgang verbunden mit einer weiteren Alterung und der absehbare Fachkräftemangel zwingen dazu, politisch zu handeln. Wenn wir Sachsen zukunftsfähig machen wollen, dann dürfen wir nicht nur sparen, sondern müssen an den richtigen Stellen auch investieren.
Für uns GRÜNE sind das – meinen vorangegangenen Ausführungen folgend – eben unter anderem die Kitas. Die Bedarfe vor allem in den großen Städten – es wurde hier schon angesprochen – zeigen, dass das Angebot an Kitas nicht ausreicht. Wir begreifen die Sicherung einer optimalen Kinderbetreuung nicht als rein kommunale Aufgabe. Auch der Bund hat hierfür Verantwortung übernommen. Es ist nur recht und billig, dass auch der Freistaat seinen Teil dazu beisteuert. Immerhin profitiert er auch davon. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In diesem Sinne sollten wir uns dieser auch stellen.
Das war für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abg. Giegengack. Als nächste spricht die NPD-Fraktion mit der Abg. Frau Schüßler, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der SPD-Antrag fordert einerseits einen Bericht über die bisherige Umsetzung und die künftigen Anstrengungen, um den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz durchzusetzen. Andererseits werden auch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe angesprochen.
Nun werde ich als Letzte in dieser Runde nicht noch einmal auf die entsprechenden Zahlen eingehen. Die haben wir jetzt oft genug gehört, und man kann sie auch zum Beispiel im Protokoll der Anhörung nachlesen. Frau Schrammel von den „Glückskäfern“ in Chemnitz hat dafür deutliche Worte gefunden. Ich möchte vielmehr auf einen Umstand eingehen, gerade auch nach dem Beitrag von Frau Schütz und nach der Wertschöpfungsrede von Frau Giegengack, der bislang zu kurz gekommen ist.
Wem nützt eigentlich dieses Kinderversorgungsgesetz? Ist es wirklich kindgerecht? Ist es kindgerecht, die gesamte Aufmerksamkeit dem formalen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zu widmen? Stellen die materiellen und damit die finanziellen Voraussetzungen dieses Rechtsanspruchs den wichtigsten Aspekt der Kindesentwicklung dar?
Wir haben in unserer Frauenorganisation, also im Ring nationaler Frauen, über dieses Thema oft diskutiert und sind uns einig. Im Mittelpunkt der Betrachtungen sollte das Kind selbst stehen, das Kind mit allen seinen individuellen Voraussetzungen und den sich daraus ergebenden Entwicklungsmöglichkeiten. Die mit dem Besuch einer Krippe verbundenen finanziellen und materiellen Aspekte stellen eher Grenzen dar, die sich aus dem Berufsleben der Eltern bzw. der von Frau Schütz erwähnten Flexibilität ergeben. Dies zwingt meist zu Kompromissen zuungunsten des Kindes.
Die Ergebnisse der Lernforschung zeigen, dass die wichtigste Bezugsperson eines Säuglings und Kleinkindes die Mutter ist, gefolgt vom Vater und im Haushalt lebenden Verwandten. In Schichten arbeitende Erzieherinnen sind als ständig wechselnde Bezugspersonen von der Natur
nicht vorgesehen. Sie stellen also eine Not- und nicht eine Ideallösung dar. Ich beziehe mich hier unter anderem auch auf den Kinderpsychiater Prof. Gunther Moll, Leiter der Kinder- und Jugendabteilung für psychische Gesundheit an der Universitätsklinik Erlangen und Mitglied der GRÜNEN.
Natürlich glaube ich nicht, dass sich eine Betreuung außerhalb des elterlichen Haushaltes in jedem Fall vermeiden lässt. Auch dafür muss es Möglichkeiten geben. Diese haben sich aber an den Interessen des Kindes und nicht an ideologischen Standpunkten zu orientieren.
Tagesmütter können, wie der Name schon sagt, die Rolle der Mutter am ehesten übernehmen. In der Krippe sollten Erzieherinnen maximal drei Kinder betreuen, aber es sollte dann schon dieselbe Tagesmutter oder Erzieherin sein, die sich dem Kind widmet. Ich weiß, das klingt unrealistisch, weil es unbezahlbar ist. Aber es ist doch wissenschaftlich belegt und wurde von Frau Antje Kräuter vom Initiativkreis „Frühe Kindheit“ während der öffentlichen Anhörung zum Thema Gesetz zur Qualitätsverbesserung der frühkindlichen Bildung und Entwicklung ausführlich dargelegt. Zuerst kommt Bindung, dann Bildung.
Meine Damen und Herren! Unsere Kinder brauchen in erster Linie Nestwärme, feste Bezugspersonen, Schutz und Geborgenheit. Das sollten wir bei allem Eifer, bei allem Gerangel um Betreuungsquoten und Rechtsansprüche nicht vergessen.
Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Wir eröffnen also eine zweite Runde. Bitte, Frau Kollegin Nicolaus für die CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir geht es darum, hier noch ein paar Dinge klarzustellen.
Nicht allein durch den Gipfel bezüglich des Krippenthemas auf Bund- und Länderebene war es den Kommunen bewusst, dass mehr Krippenplätze geschaffen werden müssen. Das möchte ich an dieser Stelle klarstellen. Es war innerhalb des SSG völlig klar, dass durch die Umsteuerung auf das Bundeselterngeld mehr Krippenplätze gebraucht werden, weil viele der Eltern das Elterngeld in Anspruch genommen haben, ein Jahr zu Hause geblieben sind und danach wieder zur Arbeit gehen wollten oder mussten. Damit war der Run auf die Krippenplätze eröffnet. Das war völlig klar. Die Kommunen versuchen
Frau Werner, ich möchte klarstellen, dass das Programm ELER, das Sie angesprochen haben, sehr wohl hilft. Wir haben noch viele kleine Gemeinden, die dieses Programm wahrnehmen. Dadurch werden Bundes- und Landesmittel nicht in Anspruch genommen. Somit können weitere Plätze durch Bundes- und Landesmittel geschaffen werden.
(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Welche Landesmittel denn? – Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)
Sie können gern eine Zwischenfrage stellen, Frau Dr. Stange, wenn Sie das möchten. Zwischenrufe finde ich nicht so charmant.
Frau Giegengack, wollen Sie mich jetzt fragen, in wie vielen Städten es Bedarfseinschränkungen gibt?
Nein, ich wollte Sie fragen, welche Landesmittel Sie meinen. Im Haushaltsentwurf der Staatsregierung sind keine Landesmittel für den Kita-Ausbau vorgesehen.
Wir reden hier und heute über das, was wir beschlossen haben. Das ist der Haushalt 2009/2010. Oder ist das anders? Es ist noch kein Haushaltsentwurf hier eingebracht worden. Oder wollen Sie an dieser Stelle Haushaltsverhandlungen führen? Das wollen wir doch nicht.
Liebe Kollegin, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sich mit der CDU-Fraktion dafür einsetzen werden, dass es zu Landesmitteln kommen wird, bevor wir den Haushalt abschließend behandeln?
Nein, da haben Sie mich missverstanden. Ich habe davon gesprochen, dass kein Haushalt, der von der Regierung eingebracht worden ist, – –
Die Frage bezog sich auf Landesmittel. Da haben Sie gesagt, es würde kein Haushalt das Parlament so passieren, wie er eingereicht wurde.
Deshalb noch einmal die Frage: Setzen Sie sich dafür ein, dass im Laufe des Haushaltsberatungsverfahrens Landesmittel eingestellt werden?
Frau Giegengack, Sie haben noch ein ganz anderes Thema aufgeworfen. Es ist von einer anderen Rednerin, ich glaube von Frau Dr. Stange, das Thema Bedarfseinschränkungen angesprochen worden, die jetzt vielleicht wieder verstärkt kommen könnten. Es gibt in einzelnen Städten Bedarfseinschränkungen. Es ist für mich kein hinnehmbarer Zustand, dass man zum Beispiel in Chemnitz darüber nachdenkt, die Bedarfseinschränkungen von jetzt 7,5 Stunden auf 6 Stunden zu verändern. Es liegt in rein kommunaler Verantwortung, dem entgegenzuwirken. Ich kann nur appellieren, dies nicht durchzuführen.
Wir haben hier an keiner Stelle über das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gesprochen. Ich bin sicherlich eine sehr moderne Frau. Ich stehe zu Kindertagesstätten und bin der Meinung, dass an manchen Stellen sogar eine Kindergartenpflicht notwendig wäre. Aber bei den Null- bis Dreijährigen hatten wir bewusst die Tagespflegestellen eingeführt, damit die Kinder in einem kleineren, etwas geschützteren Bereich betreut werden können, weil das individueller ist und die Kinder nur eine Bezugsperson außerhalb des Elternhauses haben.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir den Eltern das Recht nicht absprechen können, frei darüber zu entscheiden, ob sie in den ersten drei Jahren ihr Kind zu Hause lassen oder in eine Einrichtung bringen.
Ich bin nicht so naiv, nicht zu wissen, dass es in manchen Fällen besser wäre, wenn auch die Null- bis Dreijährigen in einer Einrichtung wären und nicht zu Hause blieben. Aber 95 % der Eltern sind verantwortungsbewusst und gehen mit ihrem Recht auf Erziehung bewusst um. Diese gilt es nach meiner Auffassung bei dieser Diskussion bewusst herauszustellen und ihnen dafür zu danken, dass sie dieser Aufgabe gerecht werden.
Abschließend zu Ihrem Antrag, Frau Giegengack, von dem ich nicht weiß, ob Sie ihn gesondert einbringen.