Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

Ein wichtiger Punkt fehlt mir noch. Diesen haben wir in unseren Änderungsantrag aufgenommen. Er betrifft die Verwaltungsvereinfachung. Das ist ein interessantes Stichwort.

Frau Runge hat darauf hingewiesen, dass wir uns insbesondere der Korruptionsbekämpfung widmen müssen. Ich bin derzeit sehr im Zweifel, was passieren wird, wenn einige Länder offenlegen müssen, wie das Geld verwendet wurde. Diesbezüglich gab es schon Einschränkungen seitens der EU-Kommission, was manche Länder betraf.

Es ist dringend darauf hinzuweisen, dass wir hier einen Mechanismus entwickeln, der klar, einfach und überschaubar ist. Ich will nicht allen unterstellen, dass die Gelder absichtlich fehlverwendet werden – das dürfte sicher auch vorkommen –, aber deshalb müssen wir uns dem Thema Verwaltungsvereinfachung in besonderer Weise widmen; was übrigens nicht heißen soll, dass wir komplett neue Verwaltungs- und Kontrollsysteme einführen wollen. Allein bis diese anlaufen und umgesetzt werden, würde längere Zeit vergehen. Ich denke, es gibt genügend Punkte, bei denen wir die Förderung einfacher und transparenter gestalten können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung sollte umfassend berichten, unserer Meinung nach mithilfe unseres Änderungsantrages, noch wesentlich konkreter als die Koalition es ursprünglich vorhatte. Insofern werden wir die Staatsregierung an ihren Taten messen und freuen uns auf einen umfangreichen Bericht. Wir hoffen sehr, dass unser Änderungsantrag Ihre Zustimmung findet, weil er den Antrag wesentlich ergänzt und damit handhabbarer macht.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Als nächste Rednerin spricht Frau Kallenbach für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss wiederholt zugeben, dass meine Erwartungen an eine aktive sächsische Europapolitik bisher mehr als unterboten worden sind. Heute haben wir das Thema zwar auf der Tagesordnung, aber, wie ich finde, leider nahezu substanzlos. Sie möchten einen Bericht von der Staatsregierung. Für mich ist das so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche. An eine wirkliche Beteiligung dieses Hauses denken Sie offensichtlich gar nicht.

Eines möchte ich deutlich unterstreichen: Seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ist die Strukturfondsförderung ein Mitbestimmungsverfahren, das heißt, Abgeordnete aus 27 Ländern Europas mit mehreren Hundert Regionen werden entscheiden. Sie wollen für Sachsen kämpfen und fordern für alle Regionen des Freistaates eine angemessene Förderung. Unkonkreter geht es nicht!

In den Medien und heute klang das schon anders. Da geht es um den Kampf um Höchstförderung. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Europa ist Ihnen häufig so fern wie der Mond, aber wenn es ums Geld geht, dann werden Sie munter.

(Marko Schiemann, CDU: Das ist nicht in Ordnung! Das ist eine Unterstellung!)

Sie fordern die Prüfung neuer Finanzierungsinstrumente bei gleichzeitiger Ablehnung einer EU-Steuer. Am Stammtisch klingt es gut, neue Steuern abzulehnen. Sie

suggerieren damit, dass Sie die Belastungen für Bürgerinnen und Bürger abwehren. Das ist aber schlicht und ergreifend falsch und erinnert mich an Mrs. Thatcher: Sie möchten viel Geld haben, aber keines geben.

Sie wissen doch sicherlich, dass das EU-Budget insgesamt gedeckelt ist, nämlich derzeit auf 1,23 % des sogenannten Bruttonationaleinkommens. Ob die Mittel der EU durch Beiträge der Mitgliedsstaaten oder durch Eigensteuern erzielt werden, ist absolut zweitrangig.

(Zuruf des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Höhere Eigeneinnahmen würden aber bedeuten, dass die nationalen Regierungen nicht länger das bekannte Spiel spielen könnten: die Verantwortung auf Brüssel abzuwälzen. Es würde dann deutlich, welche Fehler hausgemacht sind.

Könnte es sein, dass die Regierenden in Berlin oder Dresden diese Situation eher fürchten als begrüßen? Eigenmittel wären zudem ein guter Beitrag zu mehr Transparenz in der EU-Finanzierung. Die unsägliche Nettozahlerdebatte würde ebenso enden wie das jährliche Gefeilsche zwischen den EU-Institutionen. Ich erinnere nur an den Haushalt für 2011.

Deshalb fordern wir GRÜNE schon lange einen Umbau der EU-Finanzierung. Im Gegensatz zu den Beiträgen der EU-Mitgliedsstaaten hätten zum Beispiel eine europaweite Kerosinsteuer sowie eine Finanztransaktionssteuer tatsächlich eine steuernde Wirkung, indem sie nämlich zur Eindämmung hochspekulativer Finanzgeschäfte oder zur Vermeidung von Klimaschäden beitragen würden.

Sie fordern eine angemessene Förderung für die Konvergenzregion.

(Marko Schiemann, CDU: Stimmt! Jawohl!)

Sie wissen sicherlich: Die 75-%- Marke scheidet nicht nur die Regionen nach Förderbedürftigkeit, sondern auch die akademischen Geister. Die globale Wirtschaftskrise und der Klimawandel stellen den Sinn einer reinen Maximierung des BIP aber infrage, weil dieses zum Beispiel steigen kann, während der Wohlstand, das verfügbare Einkommen oder die Umweltqualität gleichzeitig sinken.

Die OECD stützt sich nicht mehr allein auf das BIP für ihre weltweiten Vergleiche. Sachsen wiederum will an dieser Größe als Bemessungsgrundlage festhalten. Hierfür sehe ich Änderungsbedarf, und ich plädiere zum Beispiel für die Einführung einer Demografiekomponente, wie sie der SSG fordert, oder die Einbeziehung ökologischer und sozialer Indikatoren.

Davon lese ich leider in Ihrem Antrag nichts. Ich denke auch, durch Änderungsanträge ist er nicht wirklich zu retten. Ich finde, es ist ein falscher Zungenschlag in der Gesamtdebatte. Europa ist keine Kuh, die man kräftig melken kann, ohne sie füttern zu müssen.

Werte Kollegen, wir haben derzeit, in der jetzigen Förderperiode, 265 förderfähige Regionen. Stellen Sie sich einmal vor: 265-mal Forderung nach Höchstförderung,

265-mal Eigennutz vor Gemeinnutz. Inhaltlich Konkretes, wie auch in Sachsen europäische Politik gestaltet werden könnte, finde ich leider in diesem Antrag nicht. Daher werden wir ihn ablehnen. Ich hoffe dennoch, dass Europa in Zukunft eine größere Rolle in diesem Haus spielen wird. Vielleicht ist es Ihre Auffassung, dass das ein erster Schritt dazu war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion beschließt die erste Runde in der allgemeinen Aussprache. Herr Delle spricht für die NPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bezieht sich auf Allgemeinplätze, die nichts über Details aussagen. Dennoch ist deutlich zu spüren, dass langsam auch die Koalitionsfraktionen etwas unsicher hinsichtlich der EU-politischen Auswirkungen auf Sachsen werden.

Man muss feststellen, dass die bisherige EU-Politik den strukturpolitischen Handlungsbedarf kaum zu schmälern vermochte und man befürchten muss, künftig strukturpolitisch die Erwartungshaltung an die EU wesentlich niedriger anzusetzen, obwohl die Konvergenzziele nach wie vor nicht erreicht sind. Polen, Bulgarien, Rumänien und Co. sind die profitierenden Transferzielgebiete künftiger EU-Finanzströme und nicht die strukturschwachen Regionen des Hauptnettozahlers Deutschland.

Doch stellt sich mir die Frage, weshalb sich plötzlich die Koalition dafür interessiert. Über Jahrzehnte hinweg haben Sie doch die Kompetenzabtretungspolitik gegenüber Brüssel mitgetragen, ja vorangetrieben. Wieso wollen Sie nun plötzlich hier wieder mitreden?

Meine Damen und Herren! Die NPD prophezeit Ihnen zum wiederholten Male, dass diese EU so, wie sie heute existiert, noch große Probleme bereiten und dadurch Europa großen Schaden nehmen wird. Diese aufgeblähte EU wird vermutlich, noch bevor sie um die Türkei erweitert wurde, einen finanz-, wirtschafts- und währungspolitischen Supergau erleben.

Daran wird auch Ihr im Antrag gefordertes Stückwerk nichts wesentlich ändern. Eine Union, die sich permanent erweitert, überschätzt ihre Gestaltungskraft auf dem Rücken der Mitgliedsstaaten, insbesondere der stärkeren.

Da im Gegensatz zu vielen anderen Anträgen von Ihnen allerdings im vorliegenden Fall eine Zustimmung unschädlich ist, werden wir dies auch tun. In der Tat stehen ja nicht nur die Befassung mit der künftigen EUStrukturgestaltung an, sondern auch Reformüberlegungen hinsichtlich der generellen EU-Haushaltssystematik.

Punkt 1 des Antrages ist daher ein Selbstläufer. Auch wir wünschen natürlich eine Berichterstattung zu den EUHaushaltsverhandlungen und der finanziellen Vorausschau. Der Forderung unter dem ersten Spiegelstrich des zweiten Punktes schließt sich die NPD-Fraktion ebenfalls

an, da es schließlich um den Rückfluss unserer vorab nach Brüssel überwiesenen Gelder geht.

Doch ich biete Ihnen gern eine Wette an: dass nämlich unter den gegebenen Rahmenbedingungen mit Sicherheit nicht alle Regionen des Freistaates 2014 bis 2020 strukturpolitisch gemäß den bisherigen Konvergenzzielen gefördert werden.

Zur Frage der Einführung einer EU-Steuer nahm die NPD-Fraktion von jeher eine ablehnende Haltung ein, da diese mit unseren Souveränitätsvorstellungen nicht in Einklang zu bringen ist. Aber wir nehmen freudig zur Kenntnis, dass die vom Bund in Auftrag gegebene ZEWStudie zur Zukunft der EU-Strukturpolitik auch aus fiskalpolitischen Gründen bezüglich möglicher Fehlanreize, Haushaltsdisziplin etc. von einer EU-Steuer abrät.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den vorliegenden Antrag ruhig beschließen. Wirklichkeit wird kaum etwas davon werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Bevor wir in die zweite Runde der allgemeinen Aussprache einsteigen, frage ich die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Das ist nicht der Fall. Ich rufe die zweite Runde auf. Es gibt Wortmeldungen. Herr Hähnel für die CDUFraktion; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich als junger Abgeordneter im Jahr 2004 in den Sächsischen Landtag kam, interessierte ich mich für Europapolitik und wurde Mitglied im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss. Damals gehörte der Freistaat noch zu den Regionen, die unter 75 % der Wirtschaftskraft des Durchschnitts der Länder der Europäischen Union lagen. Dadurch bekam Sachsen die hohe Ziel-1-Förderung.

Gleich zu Anfang sah ich ein Problem für Sachsen. Das war die Osterweiterung der EU. Damals habe ich alle Bundestagsabgeordneten angeschrieben und aufgefordert – die Kollegen der letzten Legislaturperiode werden sich sicher daran erinnern –, gegen den Beitritt von Rumänien und Bulgarien zu stimmen. Leider ist der Deutsche Bundestag meiner Aufforderung nicht gefolgt.

(Heiterkeit bei der FDP – Tino Günther, FDP: Nein?)

Nun haben wir die Sorge, dass die Ziel-1-Förderung ab 2014 eventuell abgesenkt werden könnte. Ich kann nicht akzeptieren, dass Sachsen in der nächsten Förderperiode keine maximale Förderung mehr bekommt, weil noch ärmere Regionen in die EU aufgenommen wurden. Der wirtschaftliche Nachholbedarf im Freistaat Sachsen ist immer noch immens. Das wird an der Steuerdeckungsquote im innerdeutschen Vergleich deutlich.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Alle Regionen benötigen diese Unterstützung der EU, damit die Aufholprozesse weitergeführt werden, und so auch hier im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Hähnel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?