Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern überlegt, dieses Schulobstprogramm allein – ohne die Hilfe der EU – durchzuführen.

In einer Kleinen Anfrage Nr. 5/209 habe ich bereits vor einem knappen Monat angefragt, ob es überhaupt schon Erhebungen gibt, wie ein solches Obstprogramm von den Schülern angenommen wird. Die Antwort der Staatsregierung liegt leider noch nicht vor.

Die EU jedenfalls hat hier eine ganz andere Schwerpunktsetzung. In der Verordnung EG 1182/07 des Rates mit besonderen Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor heißt es: „Des Weiteren würden junge Verbraucher durch das Schulobstprogramm veranlasst, Geschmack an Obst und Gemüse zu finden, wodurch der Verbrauch gesteigert würde, was wiederum zu Erhöhungen der Einkommen in der Landwirtschaft – ebenfalls eines der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik – beitragen würde.“ Überdies können gemäß Artikel 35 b EG-Vertrag im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik gemeinsame Maßnahmen, beispielsweise das Schulobstprogramm, zur Förderung des Verbrauches bestimmter Erzeugnisse vorgesehen werden. Ob mit diesen bestimmten Erzeugnissen regionales Obst oder Gemüse oder Zwergbananen aus französischen Überseegebieten gemeint sind, wird sich jetzt in anderen Bundesländern zeigen.

Meine Damen und Herren, die NPD-Fraktion schlägt im Sinne unserer Kleinen Anfrage mit der Drucksachennummer 4/568 zum Thema „Schulgärten in Sachsen“ vor, die für die Kofinanzierung des EU-Programms in Sachsen benötigten Mittel für ein eigenes Schulobstprogramm zu nutzen – wie es auch in Mecklenburg-Vorpommern angedacht ist.

Zuletzt möchte ich noch sagen: Herr Staatsminister Kupfer, der Titel Ihres Projektes „Sachsen is(s)t Apfel“ hat aus nachvollziehbaren Gründen in unserer Fraktion leichte Heiterkeit ausgelöst. Davon abgesehen halten wir diese und ähnliche Aktionen für wichtige Maßnahmen im Sinne einer bewussten und gesunden Ernährung mit regionalen Produkten. Wir möchten darüber hinaus anregen, dass die Schulgärten stärker einzubeziehen sind, da die Obstplantagen alleine wohl nicht ausreichen werden.

Meine Damen und Herren, wie ich eingangs schon sagte, hätten wir dem SPD-Antrag durchaus zugestimmt. Aufgrund des gestrigen Kabinettsbeschlusses allerdings hat die NPD-Fraktion dies noch einmal überdacht und sieht den sächsischen Weg, der nun eingeschlagen werden soll, als die bessere Lösung an. Wir werden uns deshalb enthalten und hoffen, dass unsere Vorschläge – Stichwort Schulgärten – in der einen oder anderen Weise berücksichtigt werden können.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Sind weitere Wortmeldungen gewünscht? – Die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Kupfer, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete! Worüber reden wir? Es gibt ein Absatzförderprogramm der Europäischen Union. Das ist nichts Neues. Das stand immer wieder auf der Tagesordnung. Das gab es für Oliven und Milch. Jetzt gibt es ein Absatzförderprogramm für Obst und Gemüse. Dieses Mal gibt es nicht allein ein Absatzförderprogramm, sondern es ist gekoppelt an Maßnahmen, die zur gesunden Ernährung von Kindern beitragen sollen. Deswegen sind die europäischen Mittel, die zur Verfügung gestellt werden, an Bedingungen gekoppelt. Eine Bedingung ist, flankierende Maßnahmen in den Ländern durchzuführen.

Die Europäische Union wäre bereit, uns 900 000 Euro zur Verfügung zu stellen. Das entspricht einem Anteil von 75 % an der Gesamtmaßnahme. Das heißt: Wir als Freistaat Sachsen müssten 300 000 Euro plus die Mehrwertsteuer auf die Gesamtwertsumme dazugeben. Ich darf, Frau Falken, vielleicht auf Ihre Pressemitteilung zu sprechen kommen. Wir können uns das gern einmal langsam zusammen durchrechnen: 900 000 plus 300 000 sind 1,2 Millionen Euro. Wenn Sie das durch die 127 000 Schüler der Klassenstufen 1 bis 4 dividieren, kommen Sie im Jahr auf 9,45 Euro pro Schüler. Jetzt wissen Sie als Lehrerin besser als ich, dass die Schüler 39 Wochen im Jahr in der Schule sind. Wenn Sie also die 9,45 Euro durch 39 Wochen teilen, kommen Sie in der Woche auf 24 Cent pro Schüler.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Das schließt aber nicht aus, dass Sie etwas drauflegen können!)

So viel möchte ich zur Mathematik sagen, Frau Falken.

Meine Damen und Herren, wir haben uns die Entscheidung in der Tat nicht leicht gemacht. Wir waren in der Staatsregierung dafür, dieses Schulobstprogramm durchzusetzen. Wir haben deswegen im Bundesrat dem zugestimmt. Meine Damen und Herren! Im Laufe des Verfahrens und der Prüfung der Umsetzung haben wir aber festgestellt, dass Aufwand und Nutzen in absolut keinem ausgewogenen Verhältnis stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das möchte ich ausdrücklich betonen, weil oft unterstellt wird, wir wollten hier sparen. Es liegt definitiv nicht am Geld, sondern daran, dass Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis zueinander stehen. Wenn man von 1,2 Millionen Euro ausgeht, muss man die gleiche Summe an Verwaltungskosten hinzurechnen. Das ist bei 24 Cent pro Schüler und Woche nicht tragbar und auch gegenüber dem Steuerzahler nicht verantwortbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Frau Falken, bitte.

Herr Kupfer, ich möchte gern wissen, wie Sie den Nutzen berechnen.

24 Cent pro Schüler und Woche – gehen Sie einmal in einen Obstladen und schauen Sie, was Sie für 24 Cent bekommen.

Wie viel Gesundheit für den Schüler bekommen Sie denn dabei heraus? Das ist für mich wichtig.

Sie rechnen vollkommen falsch.

Wie immer. Sie haben schon mit Ihrer Pressemitteilung gezeigt, dass Sie nicht rechnen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich beantworte die Frage im Laufe meines Redebeitrags. Wenn Ihnen das nicht genügt, dürfen Sie noch einmal eine Zwischenfrage stellen. Verfahren wir so? – Gut.

Ich wiederhole: Es liegt nicht am Geld. Frau Dr. Stange, wenn Sie schon mir nicht glauben, dass es nicht am Geld liegt, sondern an zu viel Bürokratie, dann verweise ich auf meinen sehr verehrten Kollegen Backhaus – Ihr Parteibuch! – aus Mecklenburg-Vorpommern. Er hat genau aus dem genannten Grund – Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis – das Schulobstprogramm für Mecklenburg-Vorpommern abgelehnt.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Was Absatzfördermaßnahmen angeht, so tun wir im Freistaat Sachsen eine ganze Menge. Das wird auch in den nächsten Jahren der Fall sein.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Herr Dulig, bitte.

Im Bundesrat wurde zweimal darüber abgestimmt. Beide Male hat Sachsen dafür gestimmt. Waren Ihnen die Gründe, die Sie jetzt für die

Ablehnung des Antrages vorbringen, schon damals bekannt?

Diese Gründe waren mir damals nicht bekannt. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht grundsätzlich gegen das Schulobstprogramm bin. Ich möchte aber auf keinen Fall, dass es genauso bürokratisch wird wie das Schulmilchprogramm. Es zeigt sich leider, dass es noch bürokratischer geht. Das Schulobstprogramm ist extrem viel bürokratischer als das Schulmilchprogramm.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja.

Nach meiner Information war damals der bürokratische Aufwand durchaus bekannt; er war auch Thema. Die Bedenken wurden hintangestellt, weil das nicht als agrarpolitische, sondern als schulpolitische Frage betrachtet wurde. Deshalb frage ich Sie, inwieweit Sie mit Ihrem Kollegen Wöller eine Abstimmung vorgenommen haben, um uns auch schulpolitische Argumente vortragen zu können, die Ihre Ablehnung rechtfertigen. Anscheinend waren die Gründe, die Sie soeben genannt haben, schon bekannt.

Die Gründe in ihrer Vielfalt waren nicht bekannt; sonst hätten wir im Bundesrat wahrscheinlich nicht zugestimmt. Aber nicht nur der Freistaat Sachsen, sondern alle Bundesländer haben zugestimmt, sogar Niedersachsen, das den Antrag in den Bundesrat eingebracht hatte. Die Niedersachsen waren aber die Ersten, die nicht mehr mitmachen wollten. Weitere Länder folgten. Die Länder, die noch nicht erklärt haben, dass sie nicht mehr mitmachen, prüfen diese Möglichkeit noch. Es kann durchaus sein, dass noch mehr Länder im Laufe des Verfahrens feststellen, dass der bürokratische Aufwand zu hoch ist und dass Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis zueinander stehen. Dann werden auch diese Länder das Programm ablehnen bzw. die Mittel nicht bei der Europäischen Union beantragen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Was die schulpolitischen Argumente angeht, so weise ich darauf hin, dass ich kein Schulpolitiker bin. Ich konzentriere mich jetzt auf meinen Verantwortungsbereich, Herr Dulig.

Absatzfördermaßnahmen gibt es im Freistaat Sachsen. Wir werden sie fortführen. Im nächsten Jahr werde ich zusammen mit dem Obstbauernverband eine neue Fördermaßnahme unter dem Titel „Sachsen is(s)t Apfel“ ins Leben rufen. Damit sind zwei Bedeutungen verbunden: „isst“ bezieht sich auf Essen, „ist“ auf Sachsen als Obstbauland. Sachsen hat die drittgrößte zusammenhängende Obstanbaufläche in Deutschland. Wir wissen, dass die sächsischen Obstbauern Probleme beim Absatz haben.

Auch um unseren Obstbauern bei der Bewältigung dieser Probleme zu helfen, wird das Programm „Sachsen is(s)t Apfel“ aufgelegt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nunmehr folgen einige Ausführungen zu den flankierenden Maßnahmen. Damit beantworte ich auch die Frage von Frau Falken. Die EU fordert von uns Betriebsbesichtigungen, Schulgärten, Lehrmaterial und Lehrerausbildung. Entsprechende Maßnahmen sind in Sachsen schon ergriffen worden. Frau Falken, das wissen Sie auch. Sie haben in Ihrer Rede schon darauf hingewiesen, was es alles gibt.

Ich darf an ein Projekt erinnern, das seit 1997 in meinem Haus unter dem Titel „Lernen in Unternehmen der Land-, Forst- und Milchwirtschaft“ läuft. Im Rahmen dieses Projektes sind seit 1997 368 000 Kinder in Produktionsbetriebe der Land- und Ernährungswirtschaft gegangen, um sich anzusehen, wie Lebensmittel produziert werden. Sie konnten sich ein Bild machen und wissen nunmehr, dass Milch nicht wie Cola produziert wird, sondern dass zuerst eine Kuh da ist, die gemolken werden muss, und dass sich an 365 Tagen im Jahr jemand um das Tier kümmern muss.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Kupfer?

Sofort. – Auch dieses Projekt werden wir weiterführen.