Ja. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit für eine Kurzintervention aus Sicht der NPD zu der Schönwetterpropaganda von Herrn Krauß nutzen und einige Zahlen der jüngsten Zeit noch einmal reflektieren.
Wir hatten im Januar in Sachsen wieder eine sprunghaft angestiegene Arbeitslosenzahl. Offiziell sind es 12,3 %.
Erst vor wenigen Tagen war in der „Sächsischen Zeitung“ zu lesen, dass wir in Sachsen de facto mehr als 400 000 Arbeitssuchende haben, wenn zu den offiziellen frisierten Zahlen die ganzen Ein-Euro-Jobber, Frührentner, Umschüler und diejenigen Sachsen dazugerechnet werden, die sich in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befinden. Diese großen Bevölkerungsgruppen tauchen in Ihrer frisierten Arbeitslosenstatistik nämlich gar nicht mehr auf.
und da kommen Sie – Sie können gleich selbst noch einmal etwas erklären! – auf die närrische Idee, diesen mehr als 400 000 Arbeitssuchenden noch weitere Steine in den Weg zu legen, indem Sie unter dem Vorwand des Fachkräftemangels den sächsischen Arbeitsmarkt mit osteuropäischen Arbeitsplatzkonkurrenten und Lohndrückern fluten wollen.
Aus Sicht der NPD ist das arbeitnehmerfeindlich, arbeitslosenfeindlich und es ist volksfeindlich. Bei mehr als 400 000 Arbeitssuchenden in Sachsen fluten Sie dieses Land mit Fremden
Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu Ihrer haarsträubenden Hoffnung, dass in Sachsen das Lohnniveau steigen wird. Wir sind uns doch alle einig, dass die Abwanderung von sächsischen Fachkräften auch wegen des niedrigen Lohnniveaus hier geschieht. Herr Krauß, da haben Sie sich vor fünf Minuten hier hingestellt und allen Ernstes der Hoffnung Ausdruck verliehen, in Sachsen würde das Lohnniveau steigen. Wir haben in wenigen Monaten mit Billigung der CDU in der Europäischen Union die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das bedeutet, dass jeder Osteuropäer aus jedem EU-Beitrittsland seinen Arbeitsplatz hier in Sachsen frei wählen darf.
– Ja. Da werden sich Zehntausende Osteuropäer nach Sachsen aufmachen und hier das Lohnniveau senken.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dumpfe Ausländerfeindlichkeit von Herrn Gansel schmerzt. Sie sind mit Sicherheit keine Fachkraft, auf die wir stolz sind in Sachsen.
Meine Damen und Herren! Im Jahr 2014 werden erstmals mehr Arbeitnehmer aus dem sächsischen Arbeitsmarkt ausscheiden, als Schüler unsere Schulen verlassen. Allein dieser Fakt zeigt, dass es eine enorme Bewegung im sächsischen Arbeitsmarkt gibt. Das ist eine Chance für diejenigen, die im Moment noch Arbeit suchen. Das ist aber auch ein Risiko für Unternehmen und für Wirtschaftswachstum hier im Land.
Die Gewinnung einer ausreichenden Anzahl von Fachkräften ist eine zentrale Zukunftsfrage für den Freistaat, für die Unternehmen und am Ende auch für unseren zukünftigen Wohlstand. Gründe dazu wurden schon ausgeführt. Sicher, es sind einerseits demografische Gründe: der Rückgang der Bevölkerung, die Alterung, aber glücklicherweise auch das Wirtschaftswachstum. Etwas ist aber nicht erklärbar mit Bevölkerungsrückgang: dass wir den höchsten Stand sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter seit vielen, vielen Jahren haben. Das ist auch ein Erfolg dieser Regierung.
Klar ist, dass ein Zuschauen, ein Abwarten der Entwicklung nicht ausreichen wird, sonst werden wir am Ende des Tages vor der Frage stehen, wie Arbeitsplätze in Werkhallen sächsischer Unternehmen besetzt werden sollen. Wenn sie nicht besetzt werden, ist das ein Schaden, der Sachsen und den sächsischen Unternehmen entsteht. Deshalb brauchen wir ein Umdenken, das in sehr verschiedenen Bereichen stattfinden muss. Das ist nicht nur eine Frage staatlicher Maßnahmen, sondern es geht auch um Unternehmen, es geht am Ende auch um Familien, es geht um Eltern und um Kinder selbst, die sich beruflich orientieren wollen.
Kollege Herbst, können Sie mir sagen, in welcher Bandbreite die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Sachsen in den letzten 15 Jahren geschwankt ist? Weil Sie hier darstellen, sie wäre enorm nach oben gestiegen. Können Sie mir die Durchschnittszahl der letzten Jahre sagen? – Danke.
Ich kann Ihnen die Zahl dann gern sagen, wenn ich sie recherchiert habe; ich habe sie jetzt nicht vor mir, weil ich auch nicht alle Zahlen im Kopf habe. Aber Fakt ist: Wenn Sie die Zahlenreihe mit den letzten Jahren vergleichen, werden Sie sehen, dass wir trotz der Krise, die uns ein Stück weit in allen Bereichen zurückgeworfen hat, im Moment einen Höchststand bei der Beschäftigungszahl erreicht haben. Ich glaube, das ist ein Erfolg, auf den wir stolz sein können.
Klar ist, dass in der Diskussion um die Fachkräftegewinnung eine einzelne Maßnahme mit Sicherheit nicht ausreichen wird. Deshalb ist die Diskussion, die teilweise aufgemacht wird – entweder mehr arbeitsfähige Personen
für den Arbeitsmarkt gewinnen oder Zuwanderung –, eine völlig falsche; denn wir brauchen beides für Sachsen.
Die Fragen der Fachkräftegewinnung stellen sich sehr früh, zum Beispiel, wenn sich jemand überlegt: Welchen Beruf will ich erlernen; welcher Beruf ist denn so Erfolg versprechend, dass ich meinen Lebensunterhalt gut damit verdienen kann? Welcher Beruf ist so interessant, dass ich hier in Sachsen Karriere machen kann? Genau da setzt eine verbesserte Berufs- und Studienorientierung ein. Es gibt ja – Sie kennen diese Ranglisten beliebter Berufe – immer noch Berufe wie beispielsweise Koch oder Friseur, die sehr hoch in diesen Ranglisten stehen, weil sie beliebt sind; und das sind sicher alles ehrenwerte Berufe. Aber man muss sich natürlich die Frage stellen: Können all diejenigen, die diese Berufe gern erlernen wollen, damit später auch vernünftig ihren Lebensunterhalt verdienen?
Wir sehen auf der anderen Seite eine Zunahme des Arbeitskräftebedarfs in technischen Berufen. Wir sehen einen expandierenden Sektor Gesundheits- und Sozialwesen und wir erleben, dass das verarbeitende Gewerbe neue Stellen schafft.
Klar, am Ende des Tages ist die Entscheidung für einen Beruf oder ein Studium immer eine persönliche Sache; das kann der Staat nicht vorschreiben. Aber jeder, der diese Entscheidung trifft und der über die Entscheidung nachdenkt, sollte sich überlegen: Welche Chancen habe ich wo in Sachsen? Ich sage auch ganz klar: Es ist eben nicht befriedigend, wenn jedes fünfte Ausbildungsverhältnis abgebrochen oder jedes vierte Studium gewechselt wird. Das ist vertane Zeit, das ist vertanes Geld – das gilt für den Einzelnen wie für den gesamten Freistaat.
Deshalb müssen wir die Anstrengungen im Bereich von Berufs- und Studienorientierung verstärken. Es gibt ja viele gute Maßnahmen – ich denke an den Berufswahlpass, an Praktika, an die engere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen, zwischen Schulen und Hochschulen. Hier ist vieles auf dem Weg.
Klar ist auch, dass sich die Ausbildung an der Berufspraxis orientieren muss. Die duale Ausbildung, bei der im Unternehmen ein Beruf gelernt wird, wollen wir stärken. Das ist besser und Erfolg versprechender als Ersatzmaßnahmen wie beispielsweise das Berufsvorbereitungsjahr oder das Berufsgrundbildungsjahr.
Die zweite Frage, die sich stellt – zu Recht –: Wie können wir eigentlich mehr arbeitsfähige Menschen für den ersten Arbeitsmarkt gewinnen, die theoretisch aktivierbar sind? Da denken wir eben beispielsweise an Frauen, an Ältere, an im Moment noch weniger Qualifizierte. Das ist nicht nur eine volkswirtschaftliche Frage; das ist nicht nur die Frage, ob Unternehmen Arbeitsstellen besetzt bekommen. Für diejenigen, die es betrifft, ist es auch eine Frage von Selbstwertgefühl und der eigenen Verwirklichung. Deshalb müssen wir mehr Chancen für diejenigen schaffen, die bisher einen schwierigen Zugang zum Arbeitsmarkt
Bei den meisten Unternehmen – mein Kollege Krauß hat es angesprochen – hat ein Umdenken eingesetzt. Was war noch vor einigen Jahren oftmals in Mode? Da gab es einen Jugendwahn. Man wollte möglichst jung, möglichst mit viel Berufserfahrung einstellen. Es gab große Unternehmen, die die Chancen der Frühverrentung großzügig genutzt haben. All das ist ein Stück weit vorbei und gerade unsere mittleren und kleinen Unternehmen verhalten sich zunehmend sehr, sehr verantwortungsbewusst; denn sie wissen, wenn sie keine Arbeitskräfte mehr bekommen, haben sie auch ein Problem für ihr eigenes Geschäftsmodell. Sie konkurrieren eben auch mit anderen Regionen und viel größeren Unternehmen.
Ein zweiter Bereich, der wichtig ist, ist die Weiterbildung und Qualifizierung. Sie nutzt am Ende allen: sowohl dem Staat als auch dem Einzelnen als auch dem Unternehmen. Wenn man schaut, auf welche Nachfrage, auf welches Interesse beispielsweise die Weiterbildungsschecks stoßen, die das Wirtschaftsministerium neu eingeführt hat, dann kann man sagen, diese neuen Weiterbildungsschecks, die es vorher nicht gab, sind ein Erfolg. Sie zeigen, dass sich Menschen qualifizieren wollen, um am Ende höhere Löhne zu erzielen.
Die Maßnahmen zur Aktivierung von Fachkräften sind vielfältig. Es geht darum, Arbeitslose wieder zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Es geht am Ende darum, zu werben, dass abgewanderte Sachsen in den Freistaat zurückkommen, es geht um Ältere und Alleinerziehende. Aber das allein wird nicht ausreichen.
Wenn man es sich einmal für Deutschland anschaut – McKinsey hat eine Hochrechnung gemacht –, dass wir im Jahr 2020 im gesamten Bundesgebiet ungefähr 250 000 Akademiker und 250 000 Fachkräfte mehr als jetzt benötigen, heißt das im Klartext: Theoretisch bräuchten wir allein eine Verdopplung für Studienanfänger, um diesen Bedarf zu decken. Bei den zurückgehenden Schülerzahlen ist das, denke ich, unrealistisch.
Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur versuchen, hier vor Ort unsere Potenziale so gut wie möglich auszuschöpfen – das ist unsere erste Priorität –, sondern dass wir auch über qualifizierte Zuwanderung nachdenken. Ich bin deshalb sehr froh, dass die Staatsregierung im Bundesrat aktiv wird und eines deutlich macht: Kluge Köpfe von anderswo sind bei uns in Sachsen willkommen – auch wenn die NPD das anders sieht.
Wir wollen qualifizierte Zuwanderer durch die deutsche Einwanderungsbürokratie nicht abschrecken, sondern hier eine attraktive Heimat bieten. Dabei gewinnen alle: die Zuwanderer, weil sie einen attraktiven Arbeitsplatz
Es ist schon sehr bemerkenswert, dass interessanterweise ein schwarz-gelb regiertes Bundesland Sachsen in Ostdeutschland ein Zuwanderungskonzept vorstellt, während man anderswo – in Berlin und viel weiter im Süden – noch streitet, ob man den Begriff „Zuwanderung“ in Deutschland überhaupt in den Mund nehmen darf, meine Damen und Herren.
Für diesen Vorstoß möchte ich auch im Namen unserer Fraktion dem Wirtschaftsminister und dem Innenminister sehr herzlich danken. Ich denke, das ist ein sehr positives Signal und das hält vielleicht einmal manch anderem Bundesland einen Spiegel vor.