Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Bitte.

Hochverehrte Frau Kollegin Kallenbach! Stimmen Sie mir zu, dass das – ob Import oder hier vor Ort produzierte Waren, die im Supermarkt liegen – allein der Kaufentscheidung des Verbrauchers unterliegt?

Das ist richtig. Der Verbraucher hat das entscheidende letzte Wort. Das steht außer Frage. Dennoch müssen Sie auch die Chance zur Wahl haben, die aber oft nicht gegeben ist. Das ist das Entscheidende.

Das ist für uns ein Symptom einer verfehlten Landwirtschaftspolitik. Schwarz-Gelb blockiert seit 2005 die Umstellungsförderung der Landwirte, und zwar bundesweit. Landwirte anderer EU-Länder handeln anders und nutzen ihre Chancen am deutschen Markt.

Frau Kallenbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wir kommen nach Sachsen zurück. Wo liegen denn die Ursachen, dass wir bundesweit beim Ökolandbau an drittletzter Stelle stehen? – Und jetzt gestatte ich die Zwischenfrage, ich wollte nur den Satz zu Ende führen.

Es ist sehr freundlich, dass Sie mir die Antwort schon vorwegnehmen. Herr Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Kollegin! Sie haben gerade ausgeführt, dass Schwarz-Gelb seit 2005 irgendetwas blockiert.

Nicht irgendetwas.

Können Sie mir bitte sagen, was wir, Schwarz-Gelb, 2005 hätten blockieren können?

Bundesweit, habe ich gesagt, wo Schwarz-Gelb an der Regierung ist. Herr Minister wird darauf vielleicht genau eingehen. Er hat gesagt, so ist es, auf diese Anmerkung.

(Gisela Kallenbach, GRÜNE, schaut zum Staatsminister.)

Sie haben doch eben gesagt, so ist es, diese Umstellung auf bundesweiter Ebene?

Frau Kallenbach, ich möchte auf Folgendes hinweisen: Schwarz-Gelb hat 2005 nicht – –

Das können Sie dann sagen. Jetzt wurde Ihre Frage ja beantwortet.

Also gehen wir weiter zu den Ursachen. Woran liegt es? Liegt es an halbherzigen Signalen aus der Politik? Gegen den Ausstieg aus der Umstellungsberatung haben wir schon 2010 protestiert. Wir halten es angesichts des Entwicklungspotenzials im Ökolandbau für grundverkehrt, dass der Freistaat diese eingestellt hat. Die in Sachsen relativ hohe oder am höchsten gegebene Umstellungsförderung ist ganz sicher hilfreich. Aber Geld allein genügt nicht, um Landwirten zu signalisieren, dass Ökolandbau in Sachsen gewollt ist.

Ohne eine fachlich fundierte, verbandsunabhängige und bezahlbare Beratungsstruktur fehlt ein wichtiges Glied in dieser Kette. Die Umstellungsberatung muss in Qualität und Effizienz überzeugen. Die Angebote in effektiven Strukturen zu bündeln macht es dem Landwirt leichter, bedarfsgerecht und schnell seinen Berater zu finden. Deshalb wollen wir eine unabhängige Koordinierungsstelle, die durch eine institutionelle Förderung grundgesichert ist, so wie es im Übrigen CDU- oder CSU-dominierte Bundesländer vormachen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine qualifizierte Umstellungsberatung unterstützt und ermutigt Landwirte, einen arbeitsreichen, den Arbeitsplatz sichernden, aber guten Weg einzuschlagen, den Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die uns allen nur Vorteile bringt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kallenbach. – Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Schmidt; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Eintritt in meine Rede möchte auch ich von dieser Stelle den erkrankten agrarpolitischen Sprecher der GRÜNEN, Michael Weichert, herzlich grüßen und schnelle und vor allem dauerhafte Genesung wünschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nach den Ausführungen von Frau Kallenbach fällt es mir schwer, direkt in meine vorbereitete Rede einzusteigen; denn eine solche Verunglimpfung der konventionellen Landwirtschaft, wie sie hier wieder stattgefunden hat, ist einfach nicht akzeptabel. Nein, meine Damen und Herren, die sächsische Landwirtschaft, egal, ob ökologisch oder konventionell, arbeitet umweltgerecht, tiergerecht, nachhaltig und vorbildhaft auch gegenüber anderen Ländern. Wir brauchen da keine Belehrungen. Die Sachsen sind hier spitze.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nun zum Antrag. Ich möchte gleich am Anfang sagen, dass wir natürlich nicht der Meinung sind, dass in Sachsen der Ökolandbau aus Sicht der Koalition und der Staatsregierung nicht die nötige Wertschätzung besitzt, wie möglicherweise der vorliegende Antrag befürchten lässt.

Ganz im Gegenteil. In den letzten Jahren ist gerade im Freistaat Sachsen die Förderung des Ökolandbaus auf ein Niveau gehoben worden, welches an der Spitze der deutschen Bundesländer steht. Ich hätte mir gewünscht, Frau Kallenbach, dass Sie auch das einmal würdigen. So erhält ein Ökolandwirt in Sachsen pro Hektar Ackerland vor allem in der schwierigen Umstellungsphase 324 Euro pro Hektar im Ackerbau und 900 Euro pro Hektar im Gemüseanbau. Beispielsweise in unserem Nachbarland Brandenburg betragen mit 150 Euro pro Hektar Ackerland und 324 Euro im Gemüseanbau diese Fördersätze nicht einmal 50 % der Höhe wie bei uns.

Sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg gibt es kein Kompetenzzentrum für den ökologischen Landbau, wie im Antrag gefordert. In Brandenburg gibt es außerdem bereits seit dem Jahr 2002 keine einzelbetriebliche staatliche Beratung mehr. Trotzdem ist die Anbaufläche in Brandenburg mit über 140 000 Hektar und einem Anteil von 10,7 % an der Gesamtfläche deutlich größer als bei uns. Das heißt doch, dass es in erster Linie an anderen Kriterien hängen muss, in welchen Ländern sich der ökologische Landbau etabliert und in welchen er es nicht tut, und nicht durch das, was hier im Antrag gefordert wird.

Eines dieser Kriterien ist für mich beispielsweise die Bodenfruchtbarkeit und die damit verbundenen alternativen Wertschöpfungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft. Im Vergleich mit Brandenburg ist dies offensichtlich. Wenn man bereits aufgrund sehr geringer Bodenwertzahlen und Niederschlagsintensität die Entscheidung trifft, seinen Betrieb stark extensiv zu bewirtschaften, ist natürlich der Schritt zum Ökolandbau leichter zu gehen als beispielsweise in der Lommatzscher Pflege.

Mit Blick auf die höheren Anteile des Ökolandbaus in westdeutschen Bundesländern ist dies beispielsweise auch durch die relative Marktnähe zu großen Städten und Ballungsgebieten mit der nötigen Kaufkraft zu sehen. Diese Nachfrage wird auch die Produktion nach sich ziehen, und zwar verbunden mit einem Preisniveau, das diese Umstellung auch interessant macht.

Wenn gerade dieser in der Begründung des Antrages erwähnte sächsische Markt auch stetig wächst, dann ist das doch ein Zeichen dafür – wenn in den letzten fünf Jahren der sächsische Ökolandbau flächenmäßig um 50 % zugelegt hat –, dass die sächsische Landwirtschaft auf solche Entwicklungen reagiert – natürlich auf niedrigem Niveau, das ist klar, aber die Entwicklung ist da und das ist meiner Meinung nach bemerkenswert.

Dabei stellt sich der Freistaat seiner Verantwortung nicht nur durch die erwähnte Förderung in überdurchschnittlicher Höhe, um vor allem in der Umstellungsphase Einkommensverluste auszugleichen. Außerdem hat sich der Freistaat auch ohne Kenntnis der gestern diskutierten Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik nach 2013 entschieden, die Ökolandbauförderung in vollem Umfang fortzusetzen. Auch das macht nicht jedes Bundesland.

Darüber hinaus betreibt die Sächsische Landesanstalt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte und unterhält an verschiedenen Standorten in Sachsen Versuchs- und Demonstrationsflächen zum Ökolandbau, deren Ergebnisse unseren Ökobauern und vor allen Dingen auch den umstellungswilligen Landwirten aus unserem Bundesland zugute kommen. Das heißt, dass es in großem Umfang bereits durch den Freistaat Sachsen Beratung und Wissenstransfer in der Landwirtschaft und im Gartenbau im Allgemeinen und im Ökolandbau im Speziellen gibt.

Darüber hinaus gibt es in Sachsen Investitionsförderungen speziell für Veredelungsbetriebe auch im Ökolandbau, wovon unsere Nachbarn nur träumen. Das geht so weit, dass vor allem in den direkt angrenzenden Regionen schon einmal das Wort der Wettbewerbsverzerrung fällt. Trotzdem steht der Freistaat zu dieser Unterstützung und ich kann jeden nur motivieren, diese bis zum Ende der Förderperiode im Jahr 2013 auch intensiv zu nutzen.

Die Beratungsangebote, die im Antrag für lediglich eine Branche gefordert werden, also in diesem Fall für den Ökolandbau, zu schaffen ist im Grunde nicht zu rechtfertigen. Eine Komplettberatung in der gesamten Landwirtschaft und im Gartenbau wieder einzuführen ist nicht zu finanzieren. Zudem würde diese Beratung sofort die Frage

aufwerfen: Warum eigentlich nur in der Landwirtschaft? Warum nicht beispielsweise auch im Handwerk? Vielmehr ist es die Aufgabe der Wirtschaft, der berufsständischen Vertretung, bei Bedarf diese Angebote zu schaffen oder sie zumindest zu vermitteln.

Ein Wort sei mir noch zu den Skandalen gestattet, die Frau Kallenbach angesprochen hat, hier am Beispiel des Dioxins. Wir hatten einen Dioxinskandal, der die Landwirtschaft flächendeckend betroffen hat. Aber man kann eben nicht einfach sagen, das war aufgrund der konventionellen Landwirtschaft, denn der vorhergehende Dioxinskandal war im Ökolandbau. Die Umstellung von konventionell auf Öko schließt solche Skandale nicht grundsätzlich aus.

Abschließend würde mich interessieren, woher Sie eigentlich die Quellen für diesen Antrag haben, denn der unter Punkt 2 gewählte Bezug auf Fördersätze pro Tagewerk ist in Sachsen völlig unüblich und bei den sächsischen Landwirten als Maßeinheit ungebräuchlich, bei jüngeren oft sogar unbekannt. Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion wird den Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Schmidt. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Kagelmann. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich war jetzt kurz irritiert, dass Herr Günther nicht sprechen wollte, aber gut, dann sind wir schon dran.

(Tino Günther, FDP: Das ist doch nicht unser Antrag! – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Zum Stichtag 31.01. wurden 3,5 % – ich sagte ja, dass ich irritiert war, Herr Günther – der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen entsprechend den Vorgaben des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Damit wurde die Zielvorgabe des Landesentwicklungsplanes 2003 mit 10 % deutlich verfehlt. Ich darf Frau Kallenbach an dieser Stelle einmal wiederholen. Manchmal hilft das. Ganz abgesehen davon, dass die 10 % Vorgaben aus dem Landesentwicklungsplan, gemessen an der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, die 20 % Ökolandbaufläche anstrebt, wenig ambitioniert sind, aber der Landesentwicklungsplan steht zur Überarbeitung an. Da muss dann deutlich nachgebessert werden, denn wir brauchen in Deutschland und in Sachsen deutlich mehr Biobetriebe. Der Markt für Bioprodukte wächst jährlich um 10 %, der Flächenzuwachs aber bleibt mit einem Aufwuchs von lediglich 5,3 % dahinter zurück.

Aus diesem Missverhältnis resultiert ein steigender Anteil ausländischer Bioware, der schon aus Sicht der Transportwege diesen Namen nur noch bedingt verdient, ganz zu schweigen von den Wertschöpfungspotenzialen, die heimischen Landwirten verloren gehen. Deshalb darf sich

Sachsen bei der Gewinnung von umstellungswilligen Betrieben nicht auf der zweifelsohne hohen Umstellungsprämie ausruhen.

Ein weiteres Argument spricht für den Ökolandbau: sein Beitrag für den Umweltschutz und die Artenvielfalt. Trotz aller existierender Programme und vorhandener agrarpolitischer Instrumente können die zentralen Umweltprobleme des 21. Jahrhunderts nicht wirkungsvoll zurückgedrängt werden.

Auf den Seiten des SMUL liest sich das, bezogen auf den Schutz des Wassers vor Einträgen, unter anderem so: „Nach wie vor bestehen mit konventionellen Anbauverfahren erhebliche Schwierigkeiten, Grenzwerte des Wasserschutzes ohne deutliche Beschränkungen in der Bewirtschaftung langfristig einzuhalten. Bei durchaus guten wirtschaftlichen Aussichten stellt der ökologische Landbau hierbei in vielen Fällen eine günstigere Alternative zur Gewährleistung eines nachhaltigen Gewässerschutzes dar.“

Wenn wir gerade bei der Belastung des Grundwassers sind: Es ist erwiesen, dass die Hauptursache der erhöhten Konzentrationen von Phosphor und Stickstoff in den Oberflächengewässern von der Landbewirtschaftung stammt. Ökologisch wirtschaftende Betriebe sparen pro Hektar je nach Kultur 50 bis 150 Kilogramm synthetischen Stickstoffdünger ein. Das ist nicht nur gut für das Grundwasser, es vermindert den Verbrauch von Erdöl und Erdgas in der Herstellung des Kunstdüngers und minimiert so CO2-Emissionen. – So könnte man noch eine ganze Weile fortfahren, die Vorteile des Ökolandbaues statistisch zu belegen.

Aber ich denke, solange wir nicht das Ziel 100 % für Sachsen in den nächsten 20 Jahren postulieren – Herr Staatsminister, das macht auch niemand –, wird auch niemand die aufgeführten Belege bezweifeln. Was es also braucht, sind Überlegungen, welche zusätzlichen Anreizmöglichkeiten in Sachsen in Ergänzung zu den vorhandenen Umstellungsprämien geschaffen werden sollten.

(Zuruf des Staatsministers Frank Kupfer)