Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Wir Sachsen – und damit möchte ich den Bogen von Sachsen nach Japan schlagen – sind von dieser Erfindung der Kernspaltung intensiv betroffen worden: Im Vogtland, im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz wurde zwischen 1946 und 1990 Uran abgebaut und zur Entschädigungsleistung an die Sowjetunion zur militärischen, aber auch friedlichen Nutzung geliefert.

(Alexander Delle, NPD: Ihre Vorgänger!)

Bis 1990 wurden durch die Wismut in Sachsen und Thüringen 231 400 Tonnen Uran produziert und die Wismut avancierte damals zum drittgrößten Uranproduzenten der Welt. In beiden Bundesländern waren 1990 1 400 Kilometer offene Grubenbaue, 311 Millionen Kubikmeter Haldenmaterial und 160 Millionen Kubikmeter radioaktive Schlämme in dicht besiedelten Gebieten zurückgeblieben. Insgesamt wird die Bundesrepublik einmal 6 Milliarden Euro aufwenden müssen, um die Natur und die Kulturlandschaft wieder einigermaßen zu heilen.

Auch wenn irgendwann die technische Sanierung abgeschlossen sein wird, werden wir in einigen Gebieten Sachsens mit Wasser- und Luftqualitäten zu kämpfen haben. Ich möchte nur erinnern an die Wasserbehandlungsanlagen, die in Hartenstein, Pöhla oder Königstein stehen, oder an die Bergehalden, die in Johanngeorgenstadt zu Radonaustritten führten.

Diese einführenden Worte waren mir noch einmal wichtig; denn am Beispiel der Uranerzgewinnung in Sachsen kann man deutlich ableiten, dass eine Einteilung in gutes und schlechtes Uran, jedenfalls aus ökologischen Gesichtspunkten, sinnlos ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist nicht nur in Sachsen so – weil jetzt gerade gesagt wurde, Ihre DDR-Hinterlassenschaft –, sondern ich kenne ganz viele Lagerstätten in der Welt, in denen es ebenso ist, in denen Uranerz abgebaut wird, das eine Konzentration kleiner ein Masseprozent im Erz hat und bei dem genauso viele Rückstände von Uranerzaufbereitung zu finden sind. Ich denke nur an Indien, Namibia, aber auch in Saskatchewan in Kanada ist das genauso.

Lassen Sie mich zum eigentlichen Thema der Debatte zurückkehren. Frau Merkel sprach in ihrer Regierungserklärung vor Kurzem davon, dass das Zeitalter der erneuerbaren Energien nur mithilfe der Atomenergie erreicht werden kann. Wirtschaftsminister Morlok sieht die Braunkohle als Brückentechnologie.

Wir LINKEN sind da in Sachsen doch schon etwas weiter als das bürgerliche Lager: Wir fordern für Deutschland die beschleunigte Beendigung der Nutzung von Kernenergie und für Sachsen einen geregelten Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung bis 2040.

Den Anteil der erneuerbaren Energien würden wir bis 2020 auf 40 % und bis 2050 – und da unterscheiden wir uns von den GRÜNEN – auf 100 % erhöhen. Dazu wird meine Kollegin Monika Runge noch nähere Ausführungen machen. Allerdings ist mir auch aufgefallen – das wurde hier schon einmal angesprochen –, dass das Energieprogramm, das in Sachsen vorliegt, welches aus dem Jahr 2004 stammt, tatsächlich noch Sätze aus der Kernenergienutzung enthält. Von daher halte ich das für überholt. Dies begründet sich auch darin, dass Sachsen sich seit vielen Jahren offensichtlich zu einem Energieexporteur entwickelt hat. So betrug 2008 die Stromerzeugung entsprechend dem Energiebericht von 2009/2010 in Sachsen circa 35 400 Gigawattstunden, der Stromverbrauch allerdings einschließlich der Eigenverbrauche der Kraftwerke im gleichen Jahr 24 200 Gigawattstunden.

Das heißt also, dass ein Drittel des in Sachsen erzeugten Stroms über die Landesgrenzen hinweg in andere Länder geliefert wird. Das ist sicher der übermäßigen Braunkohlenverstromung geschuldet. Wenn man sich den Strommix der großen deutschen Energieanbieter oder auch der kommunalen Energieversorger in Sachsen ansieht, dann verzichtet keiner auf den Einkauf von Atomstrom, und das, obwohl Sachsen Strom exportiert und das mit immensen Eingriffen in seine Landschaft bezahlt.

Daher meine Forderungen an Sie, Herr Morlok: Legen Sie ein Energieprogramm vor, in dem Stromproduktion und Stromverbrauch in Sachsen ausgeglichen sind, und richten Sie Ihren Blick auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Wenn Sie jetzt schon etwas tun wollen, fordern Sie Ihr Ministerium und Ihre staatlichen Einrichtungen auf, auf die Strombedarfsdeckung ohne Atomstrom umzustellen. Und, Herr Morlok, wenn Sie etwas für die Wirtschaft in Sachsen tun wollen, und die moderne Energiewirtschaft ist prosperierend – ich komme aus so einer Stadt; wenn Sie schon einmal in Freiberg waren, dann sehen Sie das –, dann gehen Sie auf die Kommunen, die regionalen Energieanbieter, die Stadtwerke in Sachsen zu und fordern Sie sie auf, den Atomstromanteil im gekauften Strommix umgehend durch regenerativen Strom zu ersetzen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Das war die Abg. Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion erneut der Abg. Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ersten Punkt nenne ich, dass wir in Deutschland ein hohes Gut haben, was die Energie anbetrifft, das ist Versorgungssicherheit. Kollege Lichdi hat darauf hingewiesen, dass trotz Abschaltung von Atomkraftwerken keine Lampe geflackert hat. Es ist wirklich erstaunlich, was wir an Versorgungssicherheit in Deutschland leisten. Das ist auch wichtig für unsere Wirtschaft. Insofern sollten wir dieses hohe Gut auch weiter verteidigen.

Der zweite wichtige Punkt ist, dass Energie nach wie vor bezahlbar bleiben muss. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich heute ursprünglich eine andere Debatte geplant hatte, aber es ist auch klar, dass wir gegen versteckte Preiserhöhungen vorgehen müssen. Es hat übrigens dem Verbraucher überhaupt nichts genützt, wenn sich die Bundeskanzlerin im Bundestag artikuliert, dass mit Strompreiserhöhungen zu rechnen ist. Ich will nicht sagen, dass das eine selbsterfüllende Prophezeiung wäre, sondern es ist geradezu die Einladung für einige Energieversorger, wiederum an der Preisschraube zu drehen.

Der dritte wichtige Punkt ist die Umweltverträglichkeit, die Klimaschonung, die wir bei der Energieerzeugung unbedingt berücksichtigen müssen. Für mich ist ganz besonders wichtig, wenn man zum Ziel vollständiger Stromversorgung mit erneuerbaren Energien gelangen will, dass man diesen Weg in mehreren Schritten durch die Erhöhung der Energieeffizienz erreicht.

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Es gibt Studien, dass wir bis zu 30 % unseres Energiebedarfs bereits heute einsparen könnten. Das beginnt bei der Nichtnutzung von Standby-Einrichtungen, zum Beispiel an Geräten der Unterhaltungselektronik über Maßnahmen zur Gebäudesanierung bis hin zur Stromerzeugung in Blockheizkraftwerken mit der Kraft-Wärme-Kopplung, die wesentlich effizienter ist als die getrennte Erzeugung von Wärme und Strom in einzelnen Einrichtungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten gerade vor dem Hintergrund unseres immer noch in Sachsen vorhandenen Problems der Arbeitslosigkeit darauf hinweisen, dass die erneuerbare Energie in der Vergangenheit einen enormen Zuwachs an Arbeitsplätzen beschert hat. Gerade deshalb ist es aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wichtig, dass wir uns den erneuerbaren Energien zuwenden. Wir haben mittlerweile ein fünfstelliges Beschäftigungspotenzial. Das gilt es für die Zukunft weiter auszubauen.

Ich habe gerade darüber gesprochen, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie schnell man zu 100 % erneuerbaren Energien kommen kann. Da gibt es Zwischenschritte. In Thüringen will man 2020 35 % der Energie aus erneuerbaren Energien erzeugen. Die Deutsche Energieagentur hat in einer Netzstudie kürzlich vorgelegt, dass deutschlandweit sogar 40 % möglich wären. Ich muss schon fast beschämt sagen, dass ich einstmals in der Staatsregierung ein Energieprogramm vorgelegt habe – jetzt fehlt Herr Schreiber, der sicherlich gerade Wichtigeres zu tun hat, als zu hören, was ich damals getan habe –, mit dem wir uns in Form eines Kompromisses darauf verständigt hatten, bis 2020 auf 25 % erneuerbare Energien zu kommen, um im Jahr 2050 60 % zu erreichen.

Bevor wir das Programm fertig hatten, verkündete der damalige Umweltminister Stanislaw Tillich, er könne sich vorstellen, dass wir in einem Jahrhundert, also bis zum

Jahr 2100, jenes Ziel von 100 % erreichen könnten. Das ist alles überholt und Makulatur, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mein Energieprogramm verteidige ich immer noch, aber an der Stelle müssen wir sagen, dass wir durch die Wirklichkeit überholt worden sind, was die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien betrifft.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt freue ich mich über den Applaus von den GRÜNEN, will aber auch sagen, dass wir zur Überwindung der Lücke, die wir momentan bei der Energieerzeugung haben, noch andere Energiequellen brauchen. Ich weiß, dass Sie beispielsweise ein Freund des Erdgases sind, wo ich sage: Wenn der Bedarf so steigt und politische Unsicherheiten bestehen, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass dieser Importenergieträger schwer zu kalkulieren ist. Insofern werden wir in Sachsen mittelfristig weiter an der Braunkohle festhalten. Ich will sie überhaupt nicht verteufeln. Ich stehe nach wie vor zur heimischen Braunkohle.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Ein wichtiger Punkt ist für mich die Frage der Kosten des Netzausbaues. Es ist richtig, das kostet Unmengen von Geld. Ich glaube, das beginnt bei der Bundesnetzagentur, die reguliert, welche Durchleitungskosten gerechtfertigt sind, bis hin zu der Frage, wer das am Ende bezahlt; denn auch die Erzeuger müssen ein Interesse daran haben, dass der Strom zum Verbraucher kommt. Insofern müssen wir die Erzeuger mit in die Verantwortung nehmen. Ich war immer etwas skeptisch, wenn es um die Trennung von Erzeugung und Netz ging, weil ich mir sage, dass diejenigen, die bei der Erzeugung und beim Handel viel Geld verdient haben, diejenigen sein müssten, die den Netzunterhalt bezahlen. Wir könnten die überzogene EEGUmlage, die dem Kunden jetzt sowieso nicht ausgezahlt wird, durchaus nutzen, um beispielsweise in Erdkabel nach dem Prinzip von HochspannungsgleichstromÜbertragungstechnik zu investieren und damit der Frage einer umweltverträglichen Durchleitung des Stromes gerecht zu werden.

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich komme gleich zum Schluss.

Das EEG sollten wir unbedingt ergänzen. Das Thema der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist dabei der kritische Punkt. Diese Quellen sind diskontinuierlich verfügbar. Deshalb müssen wir aus meiner Sicht das EEG um einen Bonus für die Speicherfähigkeit von erneuerbaren Energien ergänzen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion setzt die allgemeine Aussprache Herr Hauschild fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf den Titel der Debatte zurückkommen. Atom ist meiner Ansicht nach keine Sackgasse, sondern nur ein Abschnitt in der Entwicklung der Menschen.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Die 100 % bei den erneuerbaren Energien sind das Ziel, an dem wir alle festhalten wollen. Darüber gibt es doch gar keine großen Diskussionen. Es ist nur die Frage des Wie und Wann. Die Ausgestaltung und die Kosten, um zu diesem Ziel zu gelangen, müssen von der Gesellschaft getragen werden und auch von ihr getragen werden können. Auch hier ist es wichtiger, eine klare, durchdachte Linie zu haben und nicht in Aktionismus zu verfallen. Wir müssen die Netze ausbauen – das ist allen klar –, aber es muss ein vernünftiges Verhältnis zwischen den Kosten und dem Nutzen sein. Die vielfach angesprochenen Erdkabel mit Magnetfeldern und hohen Kosten sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich wiederhole, was gesagt wurde: Man kann das Kabel nicht in Flora-Fauna-HabitatGebiete einbuddeln. Dort wird nie wieder ein Maulwurf graben oder ein Wurm das Kabel queren wollen. Das hat sehr viele negative Wirkungen, die wir alle so nicht wollen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die FDP war die Partei, die als erste den Naturschutz in ihrem Wahlprogramm festgeschrieben hat, Herr Lichdi. Da gab es die GRÜNEN noch nicht einmal.

Wir vertrauen auf die Innovationskraft der Menschen. Wir müssen darauf aufpassen, dass nicht die Wege zementiert werden, sondern dass das Ziel immer allen klar ist. Alle gemeinsam müssen wir die Aufgabe für die Zukunft erfüllen. Ich denke, dieses Thema ist nicht geeignet, ein Schauplatz für Gut und Böse zu sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Delle als abschließender Redner in der ersten Runde von der NPD-Fraktion. Herr Delle, ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen doch einmal ein paar kritische Anmerkungen zu der gesamten Debatte zum Thema „Atomausstieg“ usw. sagen.

Ich denke, die jetzige Debatte kann man nicht getrennt von der Debatte davor sehen. Beginnen möchte ich mit dem unsäglichen Verhalten einiger Politiker unmittelbar nach der Katastrophe in Japan.

Auch wenn es Herr Lichdi vorhin von sich gewiesen hat, so war es doch so – ich möchte es einmal zugespitzt sagen

, dass die Leichen in Japan noch nicht einmal kalt waren, da haben schon einige Politiker auch von den GRÜNEN, von der SPD und den LINKEN versucht, dieses Thema hier in Deutschland für sich, für die eigenen parteipolitischen Zwecke zu missbrauchen. Wie politische Aasgeier haben sie sich auf das Thema gestürzt in der Hoffnung, dass damit einige Prozentpunkte bei den bevorstehenden Landtagswahlen mehr zu ergattern sind. Im Falle der GRÜNEN in Sachsen-Anhalt ging das Konzept ja dann sofort auf. Aber, meine Damen und Herren, was will man von solchen Parteien erwarten, die heute Dinge von anderen einfordern, die sie selbst, als sie die Gelegenheit hatten, als sie hier in Deutschland die Macht hatten, nicht getan haben?

(Beifall bei der NPD)

Wer war denn sieben Jahre lang unter Rot-Grün Umweltminister und somit für die Reaktoren in Deutschland zuständig? Es war doch der heute landauf, landab so klug daherredende Herr Trittin. Welches AKW hat denn Herr Trittin in sieben Jahren de facto abgeschaltet? Kein einziges.

(Zuruf von den GRÜNEN: Eines!)

Er hat selbst Philippsburg, das im Rheingraben steht, in einem erdbebengefährdeten Bezirk, nach einer zugegeben kurzen Prüfung ans Netz gelassen. Rot-Grün hat sich doch genauso wie Schwarz-Gelb mit der Atomlobby ins Bett gelegt.