Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Ja, ich würde gern eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben. interjection: (Beifall bei der CDU und der FDP)

Bitte. Präsident Dr. Matthias Rößler: Vielen Dank. – Ich sehe jetzt keinen weiteren Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 39. Sitzung ist damit bestätigt,und wir können in diese Tagesordnung eintreten.

Herr Präsident! Wir steigen jetzt gleich in die Tagesordnung ein und werden uns zum Thema Mauerbau in den Fünfzigerjahren in der DDR unterhalten. Ich rufe auf

(Zuruf von der SPD: Sechzigerjahre!)

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: 50. Jahrestag Mauerbau

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

2. Aktuelle Debatte: Leipzigs Bürger schützen – Staatsregierung muss innere Sicherheit in der Messestadt gewährleisten!

Antrag der Fraktion der NPD

(Unruhe)

Darf ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen um eine Absenkung des Geräuschpegels bitten. –

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten,

DIE LINKE 20 Minuten, SPD 12 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 10 Minuten, NPD 15 Minuten; Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

50. Jahrestag Mauerbau

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen der CDU und der FDP das Wort, ich trage aber die weitere Reihenfolge der Redner gleich vor. Es folgen DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile das Wort für die einbringende CDU-Fraktion dem Kollegen Peter Schowtka.

(Jürgen Gansel, NPD: Der Mann von der Ost- CDU, die den Mauerbau damals begrüßt hat! – Zuruf von der CDU: Vorsicht!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ein Tag der Schande, der 13. August vor 50 Jahren,

(Karl Nolle, SPD: Das hat sich aber damals anders angehört!)

ein Tag, an den sich die Älteren unter uns – ich war damals 16 Jahre alt –nur ungern und wenn, dann mit Verbitterung und Abscheu erinnern. Die Partei der Arbeiterklasse ließ den Teil des deutschen Volkes, den sie auf Weisung der Sowjetführung beherrschen durfte, einfach einmauern, damit er ihr nicht davonlief. Immerhin hatten bis zu diesem Zeitpunkt 3,5 Millionen Menschen dem real existierenden Sozialismus den Rücken gekehrt und einem nicht risikofreien Leben in Freiheit jenseits der Zonengrenze den Vorzug gegeben.

Nachdem er noch auf einer Pressekonferenz zwei Monate vorher lauthals erklärt hatte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“, ließ Walter Ulbricht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Tausende NVA-Soldaten, Polizisten und Mitglieder der Betriebskampfgruppen in

und um Berlin zusammenziehen, um den sogenannten antifaschistischen Schutzwall von fast 170 Kilometern Länge rings um die Berliner Westsektoren zu errichten. Die im Umkreis von Berlin stationierten, zahlenmäßig starken Verbände der Roten Armee wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

Da die innerdeutsche Grenze von fast 1 400 Kilometern Länge bereits vorher befestigt worden war, bestand nunmehr für die 17 Millionen Bewohner der DDR keinerlei Möglichkeit mehr, das „Paradies der Werktätigen“ zu verlassen, ohne ein tödliches Risiko einzugehen. Ungefähr 75 000 Menschen, die es trotzdem versuchten, wurden wegen sogenannter Republikflucht – damals ein Staatsverbrechen – verurteilt, wofür Freiheitsstrafe bis zu acht Jahren drohte. Dennoch: 5 075 Menschen gelang trotzdem die Flucht,

(Andreas Storr, NPD: Heute gibt es auch Staatsverbrechen, die ähnlich streng geahndet werden!)

darunter immerhin 575 Grenzsoldaten, die die Gelegenheit nutzten, dem SED-Staat den Rücken zu kehren. Zwischen 136 und 245 Menschen – die genaue Zahl ist nicht bekannt – bezahlten den Wunsch nach Freiheit mit ihrem Leben und wurden bei Fluchtversuchen an der Berliner Mauer erschossen. Insgesamt verloren an den mit teuflischer Fantasie perfektionierten innerdeutschen Grenzanlagen über 1 000 Menschen ihr Leben, erschossen durch Grenzsoldaten und automatische Schutzanlagen oder zerfetzt durch heimtückisch verlegte Minen – wohlgemerkt: Angehörige des eigenen Volkes, das die SED beglücken wollte.

Der für die DDR-Grenzsoldaten geltende rigorose Schießbefehl, den bestellte Winkeladvokaten bei den Prozessen gegen die Mauerschützen und ihre Auftraggeber wiederholt infrage stellen wollten, machte die perfide Menschenfeindlichkeit des SED-Regimes besonders deutlich. Deshalb sollten uns jedwede SozialismusExperimente in Zukunft erspart bleiben. Nationalsozialismus und real existierender Sozialismus haben in Deutschland genug Schaden angerichtet.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Andreas Storr, NPD: Die CDU aber auch! Die CDU richtet den Schaden heute an!)

Die Erinnerung an den 13. August 1961 sollte uns deshalb Mahnung sein, den Wert der 1989 errungenen Freiheit stärker zu schätzen und die freiheitlich demokratische Grundordnung gegen ihre extremistischen Feinde von Links und Rechts noch entschlossener zu verteidigen.

Ich danke Ihnen.

(Starker Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP)

Für die einbringende CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Schowtka. Für die miteinbringende FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir gedenken heute des 50. Jahrestages des Mauerbaus. 12 Jahre kam die DDR damals aus, ohne die Menschen einzusperren, dann war es klar: Es laufen alle weg. Nach 12 Jahren musste der Sozialismus die Menschen einmauern – mit Mauern, Stacheldraht und Minen. Klar ist: Kein Land auf dieser Welt, in dem Sozialismus bzw. Kommunismus regiert, kommt aus, ohne die eigenen Menschen einzusperren. Sozialismus und Stacheldraht sind die zwei Seiten einer Medaille.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

1961 sperrte die SED die DDR-Bürger ein, und dann traf die volle Wucht der Diktatur des Proletariats die Menschen. Es wurde gedroht, es wurde gelogen, gestohlen, eingesperrt, gefoltert, bespitzelt, getötet und gemordet – und das alles im Namen des Arbeiter-und-Bauern-Staates.

Wenn wir unseren Blick auf die Mauer richten, dann wissen wir von besonders perfiden Methoden. 1966 wurden zwei Kinder im Alter von 10 und 13 Jahren am Grenzstreifen durch insgesamt 40 Schüsse getötet – Kinder! –, sie wurden zerfetzt. Angst, Demütigung, Erpressung, die Stasi war vollständig dabei. Niemand von uns hätte je gedacht – auch ich zum Beispiel nicht –, dass er jemals die Alpen sehe wird. Das hätte ich nie gedacht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir hatten alle lebenslang DDR.

Wenden wir unseren Blick einmal ganz konkreten Dingen zu. Ich habe vor Kurzem mit Jürgen Martens das Frauen

gefängnis Hoheneck besucht. Was wir dort gesehen haben, war schrecklich. Wir sahen, in welch engen Zellen die Frauen zusammengepfercht sitzen mussten.

(Zuruf der Abg. Uta Windisch, CDU)

Ich habe die Luftlöcher gesehen, durch die sie atmen konnten. Ich habe die Eimer gesehen, auf denen sie ihre Notdurft verrichten durften.

Lenken wir unseren Blick auf eine Person. Ich habe hier ein Buch „Durchs Rote Meer und andere Wüsten“, mein Jugendwort. Eberhard Heiße hat es geschrieben, sein Leben niedergelegt. Ohne Eberhard Heiße wäre ich heute nicht hier. Er berichtet von einer Situation aus seinem Leben. Sein Sohn war eingesperrt, und dann gibt es Susanne Heiße. Von Susanne Heiße möchte ich jetzt erzählen.

Der Sohn war eingesperrt. Susanne Heiße liebte die Freiheit. Sie liebte es, frei zu sein, in andere Länder reisen zu wollen. Susanne Heiße war ein jugendhafter Typ. Ich zitiere aus dem Buch: „… erfüllt von großem Fernweh. Sicher hat sie das von ihrem Vater geerbt. Erfüllt vom Drang nach Freiheit. Nicht der Lebensstandard war ihr Fluchtmotiv. Nie hat sie gesagt, ich möchte nach dem Westen. Vom Süden hat sie geträumt.“ Als Ehre für Susanne Heiße gehe ich dann auch in die zweite Runde und werde berichten, wie das Drama ausgegangen ist, nachdem sie versucht hat, die Mauer zu überwinden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die miteinbringende Fraktion der FDP sprach Herr Kollege Günther. – Als Nächstes spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Klinger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat sich von allen nicht demokratischen sozialistischen Modellen distanziert, –