Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns die heutige Situation deutschlandweit anschauen, dann stehen wir wahrscheinlich vor drei größeren Problemen.
Erstens, wir haben eine Finanzkrise. Seit vielen Wochen halte ich viele Vorträge im Land und versuche den Bürgern zu erklären, was dort gerade passiert. Nur so viel: Die Finanzkrise ist nicht vorbei, obwohl sie zurzeit publizistisch nicht im Vordergrund steht; wenn wir die Zahlen nüchtern beurteilen, dann haben wir noch nicht einmal die Hälfte der Finanzkrise abgearbeitet. Das heißt, in den nächsten Monaten wird – je nachdem, wie die
Öffentlichkeit reagieren wird – die Finanzkrise zumindest unterschwellig weiterlaufen und abgearbeitet werden müssen. Dieser Prozess wird uns noch lange beschäftigen.
Das zweite Problem, das wir haben, ist – das wissen wir auch alle –: Die Finanzkrise hat sich inzwischen zu einer Wirtschaftskrise ausgewachsen. Wir sehen das täglich im Land, ich sehe es täglich im Finanzministerium. Zum Beispiel ist die Nachfrage nach Bürgschaften gegenüber Vergleichszeiträumen deutlich erhöht. Das heißt, jeden Tag werden wir mit der Wirtschaftskrise konfrontiert.
Wir haben gerade in der letzten Woche die neuesten Schätzungen erhalten. Hier sieht die Wirtschaftskrise etwas optimistischer aus. Anstelle von ursprünglich 6 % Schrumpfung unseres Bruttoinlandsproduktes gehen wir inzwischen für dieses Jahr von „nur noch“ 5 % Schrumpfung aus. Für das nächste Jahr war ursprünglich ein 0,5%iges Wirtschaftswachstum prognostiziert; inzwischen sagen wir, es könnten auch 1,2 % sein. Aber – wir müssen es ganz klar sehen – den Level haben wir in diesem Jahr deutlich nach unten gesetzt. Um aus diesem Loch wieder herauszukommen, wird es noch einige Zeit benötigen.
Das dritte Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen – neben vielen anderen –, ist auch eine nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik. Ich will es noch einmal deutlich sagen, wie die Auffassung hier in Sachsen ist. Wir möchten keine Verschuldung auf Kosten der nachwachsenden Generation haben.
Ich gestehe zu, dass wir hier einen Spagat machen müssen: auf der einen Seite Finanzkrise, Wirtschaftskrise und auf der anderen Seite keine Neuverschuldung und die Bedürfnisse unserer jungen Generation im Auge zu behalten. Man kann unterschiedliche Strategien verfolgen. Eine Strategie wird unter anderem im Koalitionsvertrag in Berlin aufgenommen, nämlich die Bürger und die Unternehmen zu entlasten. Welche Auswirkungen das auf die Länderhaushalte haben wird, wissen wir nur global. Ich werde gleich noch auf die Zahlen zurückkommen. Welche Auswirkung das allerdings hier in Sachsen haben wird, kann ich Ihnen heute noch nicht hundertprozentig sagen. Auch das werde ich gleich noch einmal ausführen. Wir müssen abwarten, wie die Gesetzentwürfe im Bund aussehen werden.
Ein erster Gesetzentwurf liegt nun seit Beginn der Woche vor. Sie kennen diesen alle, das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Die Kernelemente kennen Sie auch: Erhöhung der Kinderfreibeträge, Erhöhung des Kindergeldes, Erleichterung und Verbesserung bei der Unternehmensbesteuerung usw.
Das Erste ist, dass wir uns die Auswirkung der November-Steuerschätzung erst einmal genau anschauen müssen. Die globalen Zahlen sind veröffentlicht worden. Für Sachsen werden die Zahlen zurzeit berechnet; denn eines möchte ich deutlich machen: Es gibt verschiedene Aspek
te, die wir hier in Sachsen berücksichtigen und die bei den Bundeszahlen nicht berücksichtigt sind. Erwähnen möchte ich beispielsweise den Einfluss der Demografie, den wir hier traditionell immer berücksichtigen.
Das Zweite ist, dass unsere Schätzungen nie so optimistisch wie anderenorts sind. Bisher sind wir damit gut gefahren, und wir sollten auch immer versuchen, den Blick für die Realitäten offenzuhalten.
Kommen wir nun zu diesem Gesetzentwurf zurück. Hier sind die Steuermindereinnahmen der Ländergesamtheit kalkuliert worden. Die Zahlen sind öffentlich, deshalb kann ich sie hier auch in aller Deutlichkeit formulieren. Wir gehen davon aus, dass die Ländergesamtheit durch dieses Gesetz rund 2,3 Milliarden Euro pro Jahr weniger haben wird, und die Kommunen müssen mit Mindereinnahmen von rund 1,6 Milliarden Euro rechnen. Ich sage hier ganz offen, dass diese Mindereinnahmen schmerzhaft sind.
Auf der einen Seite – das habe ich vorhin versucht deutlich zu machen – müssen wir sehen, welche Auswirkungen das jetzt auf Sachsen hat. Es kann ja sein, dass wir das eine oder andere schon berücksichtigt haben. Das müssen wir natürlich jetzt prüfen, wenn wir unsere Novemberschätzung aktualisieren und Bezug nehmen auf unser Land. Es gibt auch noch einen zweiten – das will ich auch nicht verhehlen –, nämlich einen positiven Effekt. Wenn man Steuern erleichtert und Unternehmen die Nachfolgeregelung vereinfacht, dann hat das auch positive Effekte, die zu bewerten sind.
Ich möchte hier noch auf den Zeitablauf eingehen, mit dem wir in den nächsten Wochen rechnen können. Ich möchte am 24. November im Kabinett die NovemberSteuerschätzung, aber auch die Auswirkung der Gesetzentwürfe, die zurzeit in Berlin verhandelt werden, veröffentlichen, zunächst im Kabinett besprechen, am Folgetag dem HFA zur Verfügung stellen und dann auch in der Öffentlichkeit diskutieren lassen. Ich möchte allerdings hier schon betonen, dass wir bemüht sein werden, weiterhin den sächsischen Haushalt zusammenzuhalten, um hier dem Land, aber auch den Kommunen eine vernünftige Finanzierung nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den Folgejahren zu gewährleisten.
Ich glaube, es ist nicht angebracht, die Gesetzentwürfe der Bundesregierung heute schon abschließend zu beurteilen, denn die Gesetzentwürfe werden zurzeit erst beraten. Wir sind auch dort in einen intensiven Diskussionsprozess eingebunden. Die Gespräche laufen auf den verschiedensten Ebenen. Sie sind noch nicht abgeschlossen, und erst, wenn sie abgeschlossen sind, ist es an der Zeit, die Ergebnisse zu bewerten.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Wir schließen jetzt eine weitere Runde an. Ich weise darauf hin, Herr Staatsminister, dass Sie
Ich komme jetzt zur zweiten Runde und blicke auf die weiteren Wortmeldungen: Frau Köpping, bitte, für die SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es um die Auswirkung von Koalitionsverträgen geht und damit um die Rolle der Städte, Gemeinden und Landkreise in Sachsen, hält es mich nicht am Platz. Gestatten Sie mir, dass ich hier doch ein paar Worte sage, da ich zumindest in der Vergangenheit immer da oben gesessen, die Debatten des Landtages von der Besuchertribüne aus verfolgt und manchmal gedacht habe: Wovon reden die eigentlich? Wissen die eigentlich, was die beschließen? – Entschuldigung, wenn ich das so sage.
Umso aufmerksamer habe ich gestern die Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident Tillich gehört, weil ich schon neugierig war, was er die nächsten fünf Jahre vorhat. Außer einer Bestandsaufnahme – es tut mir leid – habe ich nicht viel gehört. Ich war nie in der komfortablen Situation, dass ich als Landrätin oder als Bürgermeisterin einen Gemeinderat oder einen Kreistag hatte, der von Mehrheiten bestimmt war.
Wenn ich im Landkreis Leipzig das erzählt hätte, was ich gestern gehört habe, hätte mein Kreistag mich ausgepfiffen.
Keine Lösungsansätze, keine Perspektive, Gürtel enger schnallen. Wir sind zwar eine – ich möchte fast sagen – Truppe; ich sage das deswegen, weil ich das Wort Familie nicht gehört habe, und ich bin immer davon ausgegangen, dass Bund, Land und Kommunen zusammenarbeiten müssen, dass sie gemeinsam Probleme lösen müssen. Das vermisse ich.
Herr Flath, Sie haben das gestern so herrlich gesagt. Wenn wir einen Apfel in der Schule anbieten wollen, sollen ihn die Eltern mitbringen. Sie haben auch gestern so herrlich gesagt, wenn wir erhöhte Schlüssel in den Kindertagesstätten wollen, sollen es doch die Eltern bezahlen.
Ich saß als Landrätin vor einem Kreistag, und ich hatte die Forderung immer vor mir. Aber ich habe keinen Abgeordneten gehört, auch nicht von der CDU, der das den Eltern gesagt hat.
Ich wünsche mir an dieser Stelle Ehrlichkeit. Ich bin auch dafür. Sie wissen das aus unserem Landkreis, dass ich sehr oft unpopuläre Maßnahmen durchsetzen musste, weil wir uns nämlich, lieber Herr Zastrow, an eine Entschuldung des Landkreises gehalten haben. Ich habe einmal mit 400 Euro angefangen. Der Landkreis Leipzig hat bis
Was ich in diesem Landtag noch lernen muss, ist, dass wahrscheinlich Vorschläge der Opposition keine Vorschläge sind, egal, ob sie gut sind oder schlecht. Lassen Sie uns doch überlegen, ob die Doppik-Umsetzung für die Landkreise wirklich jetzt die dringendste Aufgabe ist. Lassen Sie uns doch überlegen, wo wir mit unserem Förderprogramm hinwollen. Das ist ja gestern gesagt worden: zu umständlich, zu aufwendig, Entbürokratisierungsprogramme. Sehr gern! Es gibt von der kommunalen Ebene 2 300 Vorschläge zur Entbürokratisierung. Ich war 14 Jahre Kommunalpolitikerin, und ich kenne keinen, der davon umgesetzt worden ist.
Ich arbeite sehr, sehr gerne daran mit, dass wir jetzt zu Vorschlägen kommen und gemeinsam als Familie die Probleme des Landes Sachsen und damit die Probleme der Bürger lösen; denn diejenigen, die wirklich vor dem Bürger stehen, das sind die Bürgermeister und die Landräte. Diese haben niemanden mehr, dem sie sagen können: Geht doch einmal dahin! Insofern biete ich zumindest meine Zusammenarbeit an, um an neuen Lösungsvorschlägen für dieses Land zu arbeiten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Köpping. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Rohwer für die CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gerade gehört, dass in der vergangenen Legislaturperiode viele Ankündigungen nicht umgesetzt worden sind.
Ich kann mich erinnern, dass wir in diesem Hohen Hause eine Verwaltungs- und Funktionalreform und eine Landkreisreform diskutiert und beschlossen haben. Frau Köpping, ich glaube, Sie waren Landrätin eines Landkreises, der zusammengelegt worden ist. Also es ist etwas umgesetzt worden; so viel zu diesem Teil Ihrer Rede.
Frau Hermenau hat gesagt, wir sollten mehr bei Prof. Biedenkopf nachlesen. Das tun wir, Frau Hermenau.
Ich will Ihnen gleich ein Zitat von ihm vortragen. Kurt Biedenkopf hat gesagt: „In der Gesellschaft hat sich eine fatale Arbeitsteilung entwickelt. Für die Reformen ist die Rhetorik zuständig und für die Wirklichkeit sind es die beharrenden Kräfte.“ Und die beharrenden Kräfte sitzen nach meiner Überzeugung eben bei PDS und SPD.
Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Thema Steuern. Ich hatte vorhin bereits gesagt, dass wir uns dem Thema Steuern auch einmal in seiner zweiten Bedeutung nähern sollten.