Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alles, was kurzfristig möglich war, wurde gemacht. CDU und FDP haben dafür auch die finanziellen Mittel bereitgestellt. Wir stellen so viel Lehrer und auch Referendare ein, wie seit Langem nicht mehr. Mein Kollege Thomas Colditz hat es genannt: 632 neue Lehrer fangen dieses Schuljahr an. Bedenklich daran ist allerdings, dass der Arbeitsmarkt im Bereich Grundschulen gar nicht mehr hergegeben hat. Es zeigt auch die Versäumnisse der Lehrerausbildung in den vergangenen Jahren. Das macht mir Sorgen für die Zukunft. Wir bilden teilweise völlig am Bedarf vorbei aus. Wenn ich das Bild der Geisterfahrer aufgreifen darf, dann sind es doch eher die ehemaligen SPDMinisterinnen Ludwig und Stange gewesen, die mit ihrer

Geisterfahrt, also mit der damaligen Reform der Lehrerausbildung, eine ganz Menge Schaden verursacht haben und leider weiter verursachen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Im Rahmen des Kabinetts! Da waren die Koalitionspartner dabei!)

Besonders ärgert mich, dass Sie sich jetzt darüber beschweren, dass das, was aufgetischt wurde, nicht schmeckt, obwohl Sie früher selber Koch waren.

Sehr geehrte Frau Dr. Stange, Sie beklagen jetzt, dass die Ausbildungskapazitäten falsch sind. Sie beklagen beispielsweise in einer Pressemitteilung, dass die Staatsregierung auf eine Studie des Jahres 2003 nicht reagiert hat. Ich frage Sie: Wie haben Sie auf diese Studie in den Jahren 2004 aufwärts reagiert?

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Indem Dresden nicht geschlossen wurde!)

Dass die Zentralisierung rückgängig gemacht wurde, war ein Beschluss der jetzigen Regierung.

(Gelächter bei den LINKEN und der SPD)

Natürlich, nehmen Sie einfach die Wahrheit zur Kenntnis.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt ist es notwendig, den mittel- und langfristigen Bedarf abzusichern und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Die ersten Schritte wurden gemacht. Das ist die Aufstockung der Referendarzahlen und der Schritt zur Dezentralisierung an – ich betone – mindestens zwei Standorten, aber natürlich reichen diese Maßnahmen noch nicht aus. Wir müssen die im vergangenen Jahr vorgestellte Reform der Lehrerausbildung zügig umsetzen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir beispielsweise ein Seiteneinsteigerprogramm etablieren können. Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie wir die neue Lehrergeneration, die Lehrergeneration 60 plus einsatzfähig halten und an den Schulen motivieren können – –

(Uta-Verena Meiwald, DIE LINKE: Neue Lehrergeneration 60 plus?)

Ja, es wird die neue Lehrergeneration 60 plus geben. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir sie einsatzfähig und motiviert an den Schulen halten. Das ist Realität, der wir uns stellen müssen. Das ist notwendig, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird bei der Lösung dieser Fragen keinen Stein der Weisen geben. Es wird ein Bündel von Maßnahmen sein, die dazu führen, dass wir mittel- und langfristig dafür sorgen, dass genügend Lehrer an den Schulen sind. Das ist Pflichtaufgabe der Bildungspolitik. Dieser Aufgabe werden wir uns als CDU/FDP-Koalition mit aller Kraft stellen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion sprach Herr Bläsner. – Für die Fraktion GRÜNE tritt jetzt Frau Kollegin Giegengack ans Mikrofon.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt immer wieder pfiffige Kerlchen. Ich habe ein bisschen gegoogelt und jemanden aufgetan, der ein sogenanntes Geisterfahrerfangnetz anbietet. Ich dachte, das passt ganz gut zu dieser Debatte. Wenn jemand in die Ausfahrt einer Autobahn einfährt, fällt da ein Netz herunter und er kann nicht weiter.

Übertragen auf die Politik wäre es eine lustige Diskussion bei Bier oder Wein, wer wie oft in der Politik in diesem Netz hängen bliebe. Ich glaube, dass Herr Prof. Wöller und Frau Prof. Schorlemer nicht in diesem Netz hängen bleiben würden, weil wir uns nicht erst seit diesem Schuljahr im Bereich Lehrerplanung in der falschen Spur befinden. Schon vor Jahren wurden Hinweise und Warnschilder in diesem Bereich ignoriert. Die jetzt durch die Opposition mühsam mittels Anfragen herausgekitzelten Statistiken zu den Schülerprognosen, zur Altersstruktur der Lehrer und der Studierendenzahlentwicklung liegen seit Jahren vor. Die haben beide Häuser immer selber erfasst.

Die Wendemöglichkeiten, die sich in den letzten Jahren geboten hatten, wurden ebenfalls nicht genutzt. Man hätte schon längst die Zahl der Referendarstellen erhöhen können. Man hätte die Lehrerausbildungsstätten wieder einrichten können, wie jetzt erst in Chemnitz geschehen. Man hätte das Grundschullehramtsstudium in Westsachsen wieder einführen können. Man hätte die Studienplatzkapazitäten über eine Zielvereinbarung mit den Universitäten Leipzig und Dresden erhöhen können. Man hätte auch umfangreiche Altersteilzeitregelungen in Erwägung ziehen können.

Inzwischen ist wie bei Geisterfahrern Hektik ausgebrochen. Für mich ist die Reform der Lehramtsausbildung ein Zeichen von Hektik. Hier wird schnell wieder das Staatsexamen eingeführt. Wenn man sich mit den Fachleuten von der Uni Leipzig unterhält, wird deutlich, dass sie überhaupt nicht wissen, wie sie es bis März schaffen sollen, irgendwelche Prüfungsordnungen hinzubekommen. Wenn ich junge Leute dazu bewegen will, Lehrer zu werden, muss ich ein absehbares Lernziel vor Augen führen und darf nicht alle zwei bis drei Jahre die Lehramtsausbildung reformieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Szenario, das ich in Bezug auf die Geisterfahrt gezeichnet habe, ist so irrational, dass es nicht glaubwürdig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ministerium nicht weiß, was es tut. Ich habe Herrn Hüchelheim als einen guten Rechner kennengelernt. Ich kann nicht glauben, dass es fahrlässig ist, was hier passiert. Ich glaube, es ist ganz kühle Berechnung und es wird Haushalts- und Personalpolitik auf dem Rücken der Schüler und Lehrer am Parlament vorbei gemacht. Hier wird durch eine langfristig verzögerte Wiederbesetzungspolitik

freiwerdender Lehrerstellen schleichend der inoffiziell geplante Abbau von 6 000 Lehrerstellen vollzogen. An uns vorbei! Das Parlament hat nie darüber entschieden, ob es wirklich in diesen Größenordnungen Lehrerstellen abbauen und zum Personalabbau in Sachsen in dieser Art und Weise beitragen will.

Für mich ist das ein Ausdruck des immer wieder in der Diskussion stehenden mangelhaften Demokratieverständnisses der Koalition. Ich hoffe, dass die Lehrer, Eltern und Schüler aufgrund der schwierigen Situation in den Schulen massenhaft protestieren. Ich bin persönlich als Mutter betroffen. Meine Tochter geht in Chemnitz in die Grundschule, wo heute wunderbar in der „Freien Presse“ beschrieben worden ist, wie schwierig die Situation ist. Ich hoffe auf den Protest der Eltern, Lehrer und Schüler, damit wir hier eine Bremse reinhauen und wieder ordentliche Lehrbedingungen in Sachsen schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war für die Fraktion die GRÜNE Frau Kollegin Giegengack. Als Nächster spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits der Debattentitel zeigt, dass es den LINKEN nicht um eine sachlich zu nennende schulpolitische Diskussion geht, sondern um Polemik.

Wenn es in dieser Republik eine Geisterfahrt gibt, dann ist es eine finanz- und europapolitische Geisterfahrt, die Deutschland zuerst in die Sackgasse der Europäischen Währungsunion geführt hat und als Transferunion nun zur Ausbeutung des deutschen Steuerzahlers und zur Enteignung der deutschen Sparer führt.

Sprechen Sie bitte zum Thema.

Ich komme sofort zum Thema. – Das ist nach unserer Auffassung die wahre Geisterfahrt, die in dieser Republik stattfindet.

Erst vor wenigen Wochen, meine Damen und Herren, hat der Bildungsmonitor 2011 festgestellt, dass Sachsen ein vorbildliches Bildungssystem hat, und dessen Vorbildcharakter für die Bundesrepublik herausgestellt. Es ist ein zweigliedriges, leistungsorientiertes Schulsystem, das auch deswegen im Schulvergleich der Länder relativ gut abschneidet, weil es seit 20 Jahren nicht totreformiert wurde, weil es seit 20 Jahren von Bildungsexperimenten verschont blieb.

Es gibt allerdings Probleme, die die Bildungsqualität in Sachsen nachhaltig gefährden. Aber darauf hat DIE LINKE als Antragstellerin ganz bestimmt kein Erkenntnismonopol. Zu nennen ist hier die Überalterung der Lehrerschaft, die mit steigenden Verrentungen und höherem Krankenstand einhergeht und für einen massiven Lehrermangel sorgen wird. Bis 2030 gehen in Sachsen

von derzeit 32 400 Lehrern 22 000 in den Ruhestand. Das heißt, von den heute tätigen Lehrern werden in 19 Jahren mehr als zwei Drittel verrentet sein. Um das aufzufangen, müssten die sächsischen Universitäten in die Lage versetzt werden, wesentlich mehr Lehrer als bisher auszubilden und diese dann auch im Freistaat zu halten.

Die demografische Katastrophe sorgt aber auch in den Studiengängen für geringere Bewerberzahlen, die zum Lehramt hinführen. Anfang September nannte der Dekan der Erziehungswissenschaften der Universität Leipzig, Prof. Thomas Hofsäss, die aktuellen Zahlen. Um die entstehende Lehrerlücke zu schließen, bräuchte Sachsen 1 600 neue Lehrer. An den Universitäten Leipzig und Dresden gibt es momentan allerdings nur 550 Lehramtsstudienplätze. Zur Abwendung des Lehrernotstandes müsste also die Zahl der Lehramtsstudienplätze deutlich erhöht und der Lehrerberuf attraktiv genug gemacht werden, damit die Hochschulabsolventen dann auch im Freistaat Sachsen bleiben und nicht in die westdeutschen Länder abwandern.

Die zu geringen Studentenzahlen im Lehramt hängen aber nicht nur mit dem demografischen Niedergang infolge von Abwanderung und Geburtenmangel zusammen. Sie sind auch eine Folge der schwachsinnigen Hochschulreform im Zuge des sogenannten Bologna-Prozesses. Auf Druck der Eurokraten haben sich deutsche Politiker der Gleichschaltung des europäischen Hochschulraumes verschrieben und damit auch die bewährten deutschen Studieninhalte und Studienabschlüsse nicht nur entwertet, sondern abgeschafft. 2006 wurde deswegen auch in Sachsen der Lehramtsstudiengang EU-konform reformiert. Doch inzwischen – Sie haben es bereits gehört – gibt es eine Reform der Reform. Ab dem Semester 2012/2013 sollen Sachsens zukünftige Lehrer nun doch wieder Staatsexamina ablegen. Die vermurkste Umstellung der Studienordnung auf Bachelor- und Masterstudiengänge hat nicht nur viele Studenten verunsichert, sondern sowohl die Studienplanung als auch den innerdeutschen Studienortwechsel massiv erschwert.

Das europäische Hochschuldiktat von Bologna sowie seine absehbare Negativauswirkung für Studierende hat die NPD in diesem Landtag immer wieder kritisiert, ist aber auf taube Ohren gestoßen. Aber was aus Brüssel kommt, meine Damen und Herren, wird von den regierenden Erfüllungspolitikern ja bekanntlich immer durchgewinkt, egal, ob es Lehramtsstudenten durch eine absurde Hochschulreform oder ob es den deutschen Steuerzahler und Sparer durch milliardenschwere Rettungspakete für südeuropäische Pleitestaaten betrifft.

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist aber auch die unzureichende Studienlenkung. Sie verursacht personelle Überhänge im Gymnasialbereich und personelle Defizite im Grund- und Mittelschulbereich. Die haben die ABC-Schützen in Sachsen bereits bei ihrem Schulanfang zu spüren bekommen. Zwar gibt es – Herr Colditz hat es erwähnt – zu Beginn des neuen Schuljahres in Sachsen 632 neue Lehrer. Allerdings sind gleichzeitig –

das hat Herr Colditz nicht genannt – mehr als 1 500 Lehrer aus dem Schuldienst ausgeschieden. Wer ein bisschen Arithmetik beherrscht, weiß, dass damit die ausscheidenden Lehrkräfte nicht annähernd wieder ersetzt worden sind. So erfahren schon die frisch eingeschulten Kinder in Sachsen Lehrervertretungen und Stundenausfälle, was nach NPD-Auffassung ein unhaltbarer Zustand ist.

Wenn die Sächsische Staatsregierung die objektiv hohe Bildungsqualität im Land erhalten will, muss sie schnell und konsequent gegen den Lehrermangel ankämpfen.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Ja. – Bis zum Jahr 2030 werden 70 % der bisherigen Lehrer aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Handeln Sie also, Herr Wöller, und das hoffentlich etwas gewissenhafter als bei der Anfertigung Ihrer Doktorarbeit!

(Beifall bei der NPD)

Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Gansel. Jetzt treten wir in eine neue Rederunde ein. Wir haben schon gehört, Frau Falken, Sie haben noch eine ganze Menge Stichwortzettel. Ich erteile Ihnen erneut das Wort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Kollegin Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war vorhin in der ersten Runde bei der Verdichtung von Klassen. Ich kann Ihnen die Beispiele nicht ersparen, weil ich glaube, dass sie in diesem Hohen Haus mehr Wirkung als allgemeine Punkte und Plätze haben, denn auch im Gymnasium in Freiberg hat es eine Verdichtung von Klassen gegeben. In einer 10. Klasse wurden die Schüler aufgeteilt. Für manche Schüler bedeutet es das letzte Schuljahr und für mich ist das eine Abgangsklasse. Ich finde es unverantwortlich, dass man Schüler in einer möglichen Abgangsklasse einfach einmal im letzten Jahr aufteilt und damit natürlich nach Aussagen des Kultusministers eine optimale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern bewirkt. Diese Klasse hat auch noch vor vier Jahren ein Kind gehabt, das zu Tode gekommen ist. Ich denke, dass das ein emotional sehr schwerwiegender Verlust für die Schülerinnen und Schüler gewesen ist. Die Aussage des Schulleiters: Das ist doch schon lange her!

Leistungskurse in der 12. Klasse werden aufgeteilt. Die Mutter eines Schülers aus einem Chemnitzer Gymnasiums hat sich an mich gewandt und gebeten zu verhindern, dass in einer 12. Klasse ein Leistungskurs aufgeteilt wird.

(Zuruf von der CDU: Warum wurde er aufgeteilt?)

Weil die Schülerzahl nicht mehr ausreicht. Das ist sehr günstig und vernünftig, das zu tun, anstatt zu sagen, in der 12. Klasse wollen wir Studienanfänger haben, die wirklich sehr gut vorbereitet sind. Das ist hier aus meiner Sicht nicht gegeben.

Wir haben die Fremdsprachenlotterie in Sachsen. Es hat sich ja auch durch die Presse weit herumgesprochen, dass Schüler Lose ziehen müssen, in welcher Fremdsprache sie in Sachsen unterrichtet werden dürfen oder nicht, obwohl wir Bewerber als Lehrer hatten, die eine Fremdsprachenausbildung haben, und nicht eingestellt worden sind. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Ich werde hier auch die Praxis der Abordnungen, Versetzungen und Einstellungen ansprechen. Ich möchte das, was Herr Colditz gesagt hat, ausdrücklich unterstreichen. Wir brauchen hoch motivierte Lehrer. Wenn wir die nicht haben, ist es auch nicht möglich, die Schüler zu motivieren, damit sie gute Lernergebnisse bringen.

(Beifall bei den LINKEN)