Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Es ist mir aber auch wichtig, darauf hinzuweisen: Aus der UN-Konvention ist nicht ableitbar, dass Sonderschuleinrichtungen anzuschaffen sind. Das sollten wir nicht außer Acht lassen. Wenn es um das Kindeswohl geht, ist der Schulwunsch sehr hochrangig zu beachten. Wer sagt, ich will nicht in diese Schule gehen, ich brauche jetzt erst einmal die andere Sicherheit, soll das tun können.

Ich hatte es hier schon einmal gesagt: Ich hatte das große Glück, nachdem ich als Einjähriger an Kinderlähmung erkrankt war, dann behindert war, zunächst in Heimen groß geworden bin, bis zur 8. Klasse eine normale Schule besuchen zu können. Das hat mich, aber auch die Schülerinnen und Schüler um mich herum geprägt. Wir haben gemerkt, wie normal wir eigentlich sind und dass wir uns nur in kleinen Details unterscheiden, dass ich vielleicht nicht ganz so hoch auf den Baum geklettert bin, dass meine Hose eher zerrissen war als bei denen, die ein wenig fitter waren. Danach habe ich für mich festgestellt, dass es mir zu anstrengend wird, und mich dafür entschieden, eine Sonderschuleinrichtung zu besuchen, damit ich eben auch ein Abitur absolvieren kann.

Herr Staatsminister, ich möchte den Blick noch auf Folgendes lenken: In der Großen Anfrage, Frage Nr. 163 meinen Sie, dass ein einklagbarer Anspruch auf einen gemeinsamen Unterricht nicht besteht, und sagen auch zu Recht, dieser lasse sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention nicht ableiten. Sie sagen aber leider auch, dass Sie keine weiteren Regelungen vorhaben. Wir sollten sehr wohl diskutieren, ob wir auf diesem Standpunkt stehen bleiben wollen. Denn nach Artikel 24 haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Das ist insoweit nicht ausreichend gegeben.

Ich habe die Sorge, dass Sie es im Augenblick noch so sehen, dass die Inklusion für Sie nur bedeutet, jedem Kind den Zugang zu schulischer Bildung und Erziehung zu ermöglichen, und dass sichergestellt werden müsse, dass jedem Schüler ein Abschluss ermöglicht werde. Dies sei ja an Förderschulen viel besser möglich. Hier, meine ich, sitzen Sie einem fatalen Irrtum auf, denn Inklusion im

Schulwesen bedeutet gerade, Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in die Gemeinschaft aller hineinzuholen. Wenn Sie den Aspekt weiter verfolgen würden, hätte das zur Folge, dass Sie mehr Separation betreiben als Inklusion. Darüber müssen wir unbedingt diskutieren und Sie überzeugen, dass wir das verändern.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben das in diesem Jahr schon ein wenig anklingen lassen, sodass ich vermute, dass Sie nicht mehr so an Ihrer Aussage festhalten, wie Sie das noch vor einem Jahr getan haben. Ich bin auch sicher, dass Sie Schlechtes für die Schüler nicht wollen. Sie wissen natürlich, dass die Quote der Abgänger ohne Abschluss an den sächsischen Förderschulen am höchsten ist. Das ist ja auch gesagt worden. Natürlich wissen Sie, dass die Wissenslücke größer wird, wenn man lernschwache Kinder von sogenannten normal entwickelten Kindern trennt. Sie wissen auch, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit einem Förderschulabschluss eigentlich gen Null tendieren. Deshalb ist es gerade jetzt an der Zeit zu handeln, so wie wir das heute mit dem Antrag auf den Weg bringen wollen.

Ein ganz entscheidendes Kriterium ist die Barrierefreiheit an öffentlichen Gebäuden, natürlich auch an Schulen. Die letzten Anfragen hierzu haben die Enttäuschung zutage treten lassen, dass sich in den letzten 20 Jahren noch nicht viel geändert hat, wenn es darum geht, die Voraussetzungen für alle Schüler zu schaffen. Da fällt mir ein, nur wenige Schulen sind rollstuhlgerecht und nahezu keine Schule ist auf die Bedürfnisse von Sinnesbeeinträchtigungen vorbereitet. Hier haben wir also sehr viel zu tun und wir sollten nicht so lange damit warten.

Meine Damen und Herren, ich finde sehr bemerkenswert, dass wir jetzt die UN-Konvention zum Anlass nehmen, uns neu aufzustellen. Ich sage Ihnen, eigentlich hätten wir sie nicht gebraucht, wenn wir die Regelungen, die es in Deutschland gibt, tatsächlich umgesetzt hätten. Da fällt mir der Artikel 3 des Grundgesetzes ein „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ oder unsere Sächsische Verfassung, in der steht, dass gleiche Lebensverhältnisse für alle hergestellt werden müssen. Das haben wir in den letzten 20 Jahren versäumt.

Gut. Jetzt nehmen wir die UN-Konvention zum Anlass, unsere Rechtsposition, die wir schon einmal in Deutschland erarbeitet haben, tatsächlich umzusetzen. Insofern freue ich mich auf die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angeregte Diskussion und die Initiative der Abgeordneten, mit denen wir neue Weichen auf dem Weg zur Inklusion stellen werden. Die Forderung an andere ist leicht, die Forderung an uns selbst ist viel schwieriger. Dazu wünsche ich uns viel Erfolg.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Kliese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So viel und so intensiv wie heute ist in diesem Haus, soweit ich mich entsinne, noch gar nicht über Inklusion diskutiert worden. Das finde ich ganz toll und das freut mich. Das ist nicht nur sehr schön, sondern auch der Thematik angemessen, dass wir uns in dieser Form und auch in dieser Einigkeit darüber auseinandersetzen. Und es wurde höchste Zeit. So bescheinigte man uns in einer wissenschaftlichen Studie, „der Hardliner am untersten Ende der Länderskala“ zu sein, wenn es um Inklusion an Schulen geht. Das Deutsche Institut für Menschenrechte sah es so: „Beunruhigend sind die Zeichen aus einem Bundesland (Sachsen), das sich im Schulbereich dem Auftrag der Konvention weitgehend verschließt.“ Diese Zeiten sollen jetzt vorbei sein. Wir haben heute ein ganz tolles Aufbruchsignal. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ausdrücklich den engagierten Abgeordneten aller Fraktionen zu danken, die dazu beigetragen haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, der FDP und den GRÜNEN)

Beim Lesen der Antworten auf die Große Anfrage hatte ich manchmal das Gefühl, dass der verbindliche Charakter des Vertragswerkes der UN-Konvention noch nicht ganz erkannt worden ist. Deshalb möchte ich gern darauf eingehen. Die Konvention mit ihrem Artikel 24 stärkt inklusive Schulen auf mehreren Wegen. Sie hat zum einen eine Debatte über Wege zum gemeinsamen Lernen neu entfacht. Das sieht man auch an der heutigen Debatte im Sächsischen Landtag. Zum anderen enthält sie Verpflichtungen und Rechte. Die UN-Behindertenrechtskonvention stellt klar: Teilhabe behinderter Menschen ist ein Rechtsanspruch. Die Konvention verpflichtet die Länder, angemessene Vorkehrungen nach den Bedürfnissen der Einzelnen für gemeinsames Lernen zu schaffen, ohne Haushaltsvorbehalt.

Immer noch gibt es aber Bildungspolitiker – und das spiegelt auch die Große Anfrage wider –, die diesen Rechtsanspruch verneinen. Dabei hat bereits einer der anerkanntesten deutschen Völkerrechtler, Prof. Eibe Riedel, in seinem Gutachten festgestellt, dass es einen individuellen Rechtsanspruch gibt und dass die UNKonvention eine grundlegende Wertentscheidung für ein inklusives Bildungssystem trifft.

Doch in der sächsischen Realität wird immer noch geschaut, warum ein Regelschulbesuch nicht geht, anstatt zu fragen, wie er ermöglicht werden kann. Diese Ablehnungshaltung und das Suchen nach Gründen, warum etwas nicht geht, ist immer noch weit verbreitet. Immer noch wird die Förderschule als der richtige Förderort betrachtet. Wenn aber 65 % oder sogar 75 % – ich habe da zwei unterschiedliche Zahlen vorliegen – der sächsischen Förderschulabsolventen keinen Abschluss machen, dann muss doch die Frage nach der Qualität gestellt werden dürfen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Fakt ist: Gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung stärkt alle Schülerinnen und Schüler. Alle Erfahrungen mit gemeinsamem Unterricht zeigen, dass eine Gruppe die geringsten Probleme damit hat: die Kinder selbst. Gemeinsames Lernen setzt individuelle Förderung und differenzierten Unterricht voraus, was dann durch das vorhandene Lehrpersonal sowohl jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten als auch hochbegabten Kindern zugute kommen kann. Das ist doch das Ziel aller Bildungspolitiker: individuelle Förderung für alle Kinder.

Die Konvention und damit die inklusive Bildung geht aber nicht von zwei Gruppen aus, die einen mit und die anderen ohne Förderbedarf, sondern alle Kinder sollen eine an ihre Fähigkeiten und Neigungen angepasste hochwertige Bildung bekommen; das Kind soll nicht dem Förderbedarf folgen müssen, sondern der Förderbedarf muss dem Kind folgen.

Meine Damen und Herren! Gemeinsamer Unterricht setzt aber auch die notwendigen Ressourcen voraus. Inklusion als Billiglösung wird es nicht geben. Aber teurer werden muss es auch nicht. Man muss auch jetzt nach den Kosten des Förderschulsystems fragen, da es eine Menge Geld beim Fahrdienst quer durch die Landkreise bis hin zur baulichen Unterhaltung der Gebäude verbraucht. Ich bin fest davon überzeugt, dass schon allein wegen der demografischen Entwicklung der Schülerzahlen der gemeinsame Unterricht nicht nur die gesellschafts- und bildungspolitisch bessere Lösung ist, sondern auch die haushalterisch bessere.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Auch die absolute Zahl der Förderschüler wird langfristig abnehmen. So, wie wir die Diskussionen um einzelne Schulen im ländlichen Raum haben, wird auch die Existenz der zentralen Förderschulen bei sinkenden Schülerzahlen infrage zu stellen sein, es sei denn, das System schafft sich weiter, wie es bisher tut, seinen eigenen Nachwuchs, wie man in den letzten Jahren an den stetig steigenden Zahlen der Förderschüler im Bereich geistige Entwicklung und Sprache und Verhalten vermuten konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss meiner Rede noch etwas sagen, was einigen von Ihnen, die genau wie ich das Thema Inklusion befürworten, vielleicht nicht so sehr gefallen wird, mir persönlich aber sehr am Herzen liegt. Für mich bedeutet die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention die Schaffung von Wahlfreiheit, nicht aber zwangsläufig die Abschaffung von Förderschulen. Mir geht es um das selbstbestimmte Leben für Menschen mit Behinderungen. Eine Abschaffung von Förderschulen kann auch eine Einschränkung der Selbstbestimmung bedeuten. Wir müssen mit unseren hehren Zielen aufpassen, nicht die Lebenswirklichkeit von Kindern mit Behinderung zu verfehlen. Ich denke da zum Beispiel an gehörlose Menschen – gehörlose Menschen, die übrigens am Samstag auf einem

Kongress betont haben, dass sie diese Debatte heute sehr gern verfolgt hätten, was ihnen aber leider nicht möglich ist, weil wir keine Gebärdendolmetscher zur Verfügung haben. Das möchte ich an der Stelle gern einmal anmerken. Darüber kann man auch einmal nachdenken; statt die 5. oder 10. Imagebroschüre für den Sächsischen Landtag mit bunten Bildchen herauszugeben, könnte man vielleicht einmal Geld für Gebärdendolmetscher in die Hand nehmen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Gehörlose Menschen haben zum Beispiel Sorge, was den Prozess der Inklusion angeht; denn sie müssen sich von heute auf morgen in einen Raum begeben, in dem sie nicht verstanden werden und sich nicht ohne fremde Hilfe bewegen können. Sie haben Angst davor, dass damit auch eine Zurückdrängung ihrer Sprache, nämlich der Gebärdensprache, und ein Zurückdrängen ihrer eigenen Kultur einhergehen. Ich denke, dafür müssen wir Verständnis haben. Wir können Gehörlosen anbieten, mit hörenden Kindern gemeinsam zu lernen, zwingen dürfen wir sie aber nicht. Das kann auch eine Art der Bevormundung sein, Kindern keinen Schutzraum zu gewähren. Es sollte doch unser großes Ziel sein, dass wir Menschen mit Behinderung befähigen, selbst zu wählen.

Meine Damen und Herren! Wahlfreiheit wird es auch dann nicht mehr geben, wenn wir alle Förderschulen abgeschafft haben.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Deshalb eine Bitte an alle Inklusionsförderer und die, die es noch werden wollen, wie Sie, Herr Wöller: Lassen Sie uns achtsam mit den Bedürfnissen und Ängsten der Kinder und Eltern umgehen und gemeinsam prüfen, was möglich ist. Das ist oftmals viel, viel mehr, als was wir uns vorstellen können.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Bläsner spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es waren nicht nur zahlreiche Fachgespräche, sondern insbesondere auch die persönliche Erfahrung bei den Förderschulen vor Ort, aber auch bei den Gesprächen mit Betroffenen, die mich dazu veranlasst haben, auch Mitantragsteller des Gruppenantrages zu sein. Viele Besuche an Förderschulen, aber insbesondere ein Besuch an einer Förderschule hier in Dresden ist mir in Erinnerung, wo ich Zeuge sein durfte, wie eine Unterrichtsstunde für Schüler mit körperlicher und geistiger Behinderung gestaltet wird, eine Musikunterrichtsstunde, wo Kinder mit völlig unterschiedlichem Förderbedarf und völlig unterschiedlichen Voraussetzungen ein gemeinsames Erlebnis von Musik hatten. Das hat mich tief beeindruckt und ich kann nur

sagen, Hochachtung vor diesen Lehrern und Hochachtung vor den Unterrichtshilfen, die hier tätig sind.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben alle auch die Landesblindenschule in Chemnitz besucht. Dort konnten wir sehen, wie engagiert die Lehrer tätig sind und welche Konflikte natürlich bei dem Thema Integration insgesamt auf der Tagesordnung stehen.

Ich habe gemeinsam mit meinem Kollegen Thomas Colditz eine Förderschule in Dresden besucht, wo wir nicht nur einen Schulhund kennengelernt, sondern insbesondere zu hören bekommen haben, dass es auch Fälle gibt, wo selbst die Integration in Förderschulen schwierig ist. Auch diese Fälle gibt es, Kinder, die überhaupt keine Schule besuchen können. Auch das dürfen wir bei der Diskussion nicht vergessen.

Zudem hat mich während meines Urlaubs ein Gespräch mit Bekannten doch sehr bewegt. Es ging eigentlich gar nicht um ein behindertes Kind, sondern es ging um ein Kind, das in einer Familie aufwuchs, in der es keine Bücher gab. Das Kind hatte Probleme in seiner sprachlichen, aber auch motorischen Entwicklung. Die Entscheidung nach der Diagnose ergab: Das Kind besucht ab der 1. Klasse eine Förderschule. Ich glaube, alle können sich vorstellen, was das für Auswirkungen auf das Kind, aber auch welche Bedeutung das eigentlich für die Gesellschaft hat, die das mehr oder weniger zulässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Erfahrungen aus den vergangenen Monaten und Jahren haben gezeigt, dass in unseren Förderschulen eine wichtige und sehr gute Arbeit geleistet wird. Aber diese Erfahrungen haben auch gezeigt, dass viele Kinder gemeinsam mit anderen Kindern eine allgemeine Schule besuchen könnten, wenn die äußeren Umstände andere gewesen wären.

Auch die Zahlen der Großen Anfrage der GRÜNEN zeigen, dass Sachsen mehr Förderschüler als andere Länder hat. Sachsen steht in der Pflicht, den Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Allerdings wissen wir alle, dass derzeit dafür noch Hürden existieren. Der Anteil derjenigen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die an einer Regelschule unterrichtet werden, liegt derzeit bei etwa 21 % im Freistaat. Das lässt doch noch deutlichen Raum zur Verbesserung.

Insbesondere das Recht der Eltern bei der Wahl des Ortes der Förderung muss mehr als bisher im Vordergrund stehen. Ich bin auch sehr dankbar, dass meine Kollegin Hanka Kliese darauf hingewiesen hat, dass das natürlich auch bedeuten kann, dass der Förderort die Förderschule ist. Das enthält das Elternwahlrecht, aber auch das Kindeswohl.

Wie beispielsweise inklusive Beschulung aussehen kann, zeigt uns ein Land wie Schleswig-Holstein, das über alle Schulformen hinweg inzwischen einen Inklusionsanteil von über 40 % erreicht hat. Bei einem durchschnittlichen Wert in Deutschland von etwa 20 % bis 25 % kann man dieses Land geradezu als vorbildlich bezeichnen.

Neben der Anpassung der gesetzlichen Regelungen war vor allem eines von entscheidender Bedeutung: die Akzeptanz des integrativen Weges bei Lehrkräften und Elternschaft, die Akzeptanz der Abordnung der Sonderpädagogen in Kollegien der allgemeinbildenden Schulen und angemessene Förderkonzepte der Lehrkräfte, was eine wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Integration und Inklusion ist.

Eine Überforderung, auf welcher Seite auch immer, muss im Interesse der Schüler mit und ohne Förderbedarf vermieden werden. Deshalb sollten wir in dieser Hinsicht einen Schritt vor dem nächsten setzen. Der erste Schritt ist heute hier dieser Gruppenantrag. Wir sollten diesen Gruppenantrag heute alle gemeinsam beschließen, um ein Zeichen zu geben, dass der Sächsische Landtag für Inklusion eintritt und dass wir dieses Thema auch abseits vom Parteienstreit beschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen es uns mit dieser Aufgabe nicht einfach machen. Wir müssen zahlreiche Fragen beantworten, Fragen, wie beispielsweise das Kindeswohl und das Elternwahlrecht als Grundprinzipien umgesetzt werden können. Wir müssen klären, welche organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen überprüft werden müssen und gegebenenfalls anzupassen sind. Und das Wichtigste: Wir alle müssen die gesellschaftliche Debatte für Toleranz und Akzeptanz führen. Für all das soll der heutige Antrag die Grundlage bilden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde in der Vergangenheit viel darüber gestritten, ob die Förderschulen künftig abgeschafft werden oder nicht. Diese Frage wird durch den heutigen Antrag nicht beantwortet. Selbst wenn ich persönlich auch zukünftig die Förderschulen als einen Ort der sonderpädagogischen Förderung sehe, muss diese Frage wie alle anderen ergebnisoffen diskutiert werden. Hier erhoffe ich mir von der Expertenkommission wichtige Hinweise. Es geht bei der Inklusion eben nicht einfach darum, dass alle Schüler gemeinsam lernen, sondern es geht darum, dass ihnen dort dann auch der optimale Förderbedarf zuteil werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von dem jetzt vorgeschlagenen Weg erhoffe ich mir vor allem praxisnahe und kindgerechte Vorschläge dafür, wie wir Inklusion und Integration in Sachsen umsetzen können. Wie kann das Diagnoseverfahren verbessert werden, und wie wird dann mit den Ergebnissen dieser Diagnose umgegangen? Wie können allgemeine Schulen bei der Integration und Inklusion unterstützt werden? Hier gibt es viele berechtigte Ängste. Wie kann ein lernzieldifferenzierter Unterricht bei uns im Freistaat Sachsen praktisch umgesetzt werden? Welche Vor- und Nachteile bringt es beispielsweise, wenn ein blinder Schüler nur unter sehenden lernt? Auch dieses Thema haben wir beispielsweise bei unserem Besuch im Chemnitz kennengelernt. Wie gehen wir mit Kindern um, die schon jetzt kaum in Förderschulen integriert werden können? Auch für diese Kinder müssen wir Lösungen finden. Und wie gehen wir mit den Kindern um, die aus

sozialen oder anderen Gründen vernachlässigt sind und die wir derzeit in Sachsen in sehr großer Anzahl auf den Förderschulen haben? Auch dafür müssen wir die entsprechenden Lösungen finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn wir von der Staatsregierung mit diesem Gruppenantrag schon zeitnah erste Berichte und Vorschläge erwarten, so wird die Umsetzung dieser Aufgabe viele, viele Jahre dauern, denn es wird nicht einfach nur mit neuen Verordnungen getan sein. Wir brauchen ein Umdenken in den Köpfen, und das braucht seine Zeit. Ich hoffe, dass das Umdenken heute mit dem Beschluss im Sächsischen Landtag auch im sächsischen Bildungswesen beginnen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)