Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Wir müssen denen Grenzen zeigen, die ihre Grundfreiheiten missbrauchen, die sich an symbolischen Orten inszenieren und die Würde der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg mit Füßen treten. Hier nicht untätig danebenzustehen gehört nach meiner Überzeugung zu einer wehrhaften Demokratie.
Meine Damen und Herren! Wenn es keine Wortmeldungen von den Fraktionen gibt, kommen wir zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen, Sächsisches Versammlungsgesetz, Drucksache 5/6390, Gesetzentwurf der
Staatsregierung. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses in Drucksache 5/7927 ab.
Meine Damen und Herren! Entsprechend § 46 Abs. 4 der Geschäftsordnung stimmen wir zunächst über die Änderungsanträge in der Reihenfolge des Eingangs ab. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir zum ersten Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/8016. Ist er schon eingebracht? –
Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Einbringung ermöglichen. – Wir wollen in § 12 die Videoüberwachung anlässlich von Versammlungen novellieren. Kollege Biesok ist darauf eingegangen und hat gesagt, auch die FDP-Fraktion erkennt hier Änderungsbedarf. Er möchte aber gern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abwarten. Wir stellen dazu fest, dass der Sächsische Datenschutzbeauftragte sich dazu des Längeren geäußert und entsprechende Vorschläge eingebracht hat. Wir stellen fest, dass es seit
Daher wollen wir jetzt keine Verzögerung bei dieser doch sehr wichtigen Frage mehr dulden. Unser Änderungsantrag ist darauf gerichtet, einerseits Übersichtsaufnahmen der Polizei vom Versammlungsgeschehen, soweit sie zur Absicherung der Sicherheit notwendig sind, zu gewährleisten, andererseits die identifizierende Aufnahme einzelner Demonstrierender an verschärfte Voraussetzungen zu binden und zugleich auch die Rechte auf Benachrichtigung und auf Löschung dieser Aufnahmen strikter zu fassen.
Ich denke, das ist ein guter Vorschlag, der im rechtsstaatlich-freiheitlichen Sinne ist. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.
Der Änderungsantrag enthält noch etwas mehr. Der erste Änderungsvorschlag bezieht sich darauf, beim Begriff „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ die Worte „und Ordnung“ zu streichen. Wir hatten eine ähnliche Diskussion beim Polizeirecht. Das kann man machen, das muss man aber nicht machen. Der Begriff „öffentliche Ordnung“ ist in der Rechtsprechung hinreichend konkretisiert. Dass es einen selbstständigen Anwendungsbereich neben der öffentlichen Sicherheit gibt, kann man so sehen. Es ist zumindest nicht schädlich. Deshalb sehe ich hier im Moment keinen Änderungsbedarf. In anderen Polizeigesetzen – ich kenne das aus Niedersachsen, wo eine CDU-geführte Landesregierung dran ist – ist der Begriff „Ordnung“ drin, bei von der SPD geführten Landesregierungen ist die „Ordnung“ draußen, und ändern tut sich nichts. Also müssen wir das nicht machen.
Die nächste Sache: Aufnahmen sind offen vorzunehmen. Dem Anliegen, hier Konkretisierungen vorzunehmen, stehe ich positiv gegenüber, aber ich möchte wirklich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abwarten. Wir sollten danach im Sächsischen Landtag eine Anhörung durchführen, wie wir konkret diese Anforderungen umsetzen. Das hier ist ein Ansatz. Es gibt sicherlich auch noch andere Möglichkeiten, das zu nutzen. Deshalb ist es uns zu einfach, hier diesen Änderungsantrag zu machen und mit dieser Formulierung ins Gesetz hineinzugehen.
Herr Präsident, wir unterstützen diesen Antrag ausdrücklich. Kollege Lichdi hat noch einmal eingehend erläutert, dass die jetzige Formulierung, die in § 1 Abs. 1 Buchstabe b enthalten ist, die Rechtsprechung der letzten Jahre direkt aufnimmt. Es ist tatsächlich
zu erwarten, dass dies gewissermaßen dann mehr oder weniger generell die einschränkende Voraussetzung für die Verfassungskonformität, für die Rechtskonformität ist.
Was die Frage „Ordnung“ betrifft, so ist sie eigentlich seit Brokdorf geklärt. Dass der Begriff der Ordnung im Versammlungsrecht nicht als relevanter Begriff gelten kann, ist eigentlich logisch. Wir haben heute schon einmal in der Begründung von Kollegen Modschiedler gehört, dass es unschädlich sei, wenn man gewissermaßen ein Gesetz hat, das extra erläutert werden muss. Es gebe auch noch Rechtsprechung dazu.
für Adressaten, für Normen. Die Bürgerin, der Bürger muss das Gesetz verstehen können. Darauf muss man abstellen. Deshalb hat der Begriff „Ordnung“ nichts mehr in dem Gesetz zu suchen.
Da es keine weiteren Wortmeldungen zu dem ersten Änderungsantrag gibt, würde ich die Abstimmung eröffnen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/8016. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei 4 Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Änderungsantrag mehrheitlich nicht beschlossen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag 5/8017, Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Lichdi, Sie bringen den Änderungsantrag ein.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Es handelt sich hier um das Kernstück des Gesetzes, wie auch die Debatte noch einmal gezeigt hat. Es geht hier um den missglückten Versuch der Koalition, das Versammlungsrecht unter dem Vorwand des Schutzes der Würde der Opfer einzuschränken. Das ist aus unserer Sicht ein Paradebeispiel für schlechte Gesetzgebung. Es ist eine Ansammlung von Gummiparagrafen, von unbestimmten Rechtsbegriffen, die äußerst weit gefasst sind und die in einer unendlichen Kombinatorik, wie es Herr Prof. Poscher so schön zum Ausdruck gebracht hat, aber auch wirklich jedes Ergebnis, das der Interpret wünscht, hervorbringt. Es ist also wirklich ein Beispiel für schlechte Gesetzgebung.
Ich verweise nur darauf, dass hier ein kollektiver Würdeschutz und dann noch ein postmortaler Würdeschutz beispielsweise zugunsten der Opfer eines Krieges vorgesehen ist. Ich frage mich, ob damit auch die letzten Keilereien in der Steinzeit gemeint sind – nach dem Wortlaut des Gesetzes durchaus. Also, so können wir
keine Gesetzgebung ernsthaft betreiben. Es handelt sich – um einen anderen Rechtsprofessor zu zitieren – um „jämmerliche Scheintatbestandlichkeit“, die weder für Demonstrierende noch für Versammlungsbehörden
irgendeine Regelungskraft hat. Es handelt sich um eine rein ideologische, symbolische Gesetzgebung. Das ist verwerflich. Deswegen beantragen wir hier die Streichung.
Ich möchte nur auf eines verweisen: Sie zitieren mit einer Vehemenz immer wieder Prof. Poscher. Das ist nämlich der Einzige, der das so gesagt hat, sowohl in der Anhörung als auch sonst. Sie zitieren ihn nochmals aus seinem eigenen Buch, was immer gut ist. Aber wenn man sich aus seinem eigenen Buch zitiert, ist es auch schwierig, denn wir haben in der Anhörung von anderen Sachverständigen gehört, dass dies möglich sei, dass das hinreichend konkret sei und dass die Auslegung auch verfassungsgemäß gewesen sei.
Das kurz zusammengefasst. Ich habe das in meiner Rede schon gesagt. Aus diesem Grunde gibt es für uns keinen Anlass, diesem Antrag stattzugeben.
Ich frage die Fraktionen, ob es noch Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag gibt. – Das ist nicht der Fall. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag Drucksache 5/8017, Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei 5 Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der vorliegende Änderungsantrag mehrheitlich nicht beschlossen.
Ich rufe den Änderungsantrag 5/8019, Änderungsantrag der SPD-Fraktion, auf. Frau Friedel, Sie bringen den Änderungsantrag ein.
Herr Präsident, vielen Dank. – Das Stichwort zu diesem Änderungsantrag ist in der Debatte schon gefallen und lautet „Sitzblockaden“. Wir haben die Hoffnung, dass wir das Thema Sitzblockaden mithilfe unseres Änderungsantrages auf eine sehr sachliche und nüchterne Weise in diesem Hause debattiert bekommen. Diese Hoffnung wurde leider in den Ausschüssen noch nicht so ganz erfüllt, aber ich hoffe hier noch auf die Redebeiträge der geschätzten Kollegen.
Unser Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht
hat wiederholt festgestellt, dass der Grundrechtsschutz sich auf vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens erstreckt. Zu den vielfältigen Formen gemeinsamen Verhaltens zählt das Bundesverfassungsgericht sogenannte nichtverbale Ausdrucksformen und ganz explizit und wörtlich: „Darunter fallen auch Sitzblockaden.“
Das ist die Lage, die Wirklichkeit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Die andere Seite der Wirklichkeit ist, dass wir wieder ein Versammlungsgesetz verabschieden wollen, in dem Sitzblockaden als Straftaten bewertet werden. Beides passt nicht zusammen, beides ist nicht sinnvoll, um einen angemessenen Umgang mit solchen Protestformen zu finden.
Wir plädieren in unserem Änderungsantrag deshalb dafür, die Blockadeversuche bei Demonstrationen als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Warum? Weil dann die Polizei tatsächlich angemessen reagieren kann. In der Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht jede Sitzblockade rechtswidrig. Aber auch nicht jede Blockade ist rechtskonform, sondern es kommt auf den Einzelfall an. Diesen Einzelfall zu prüfen und im pflichtgemäßen Ermessen zu behandeln ist Sache der Behörden vor Ort, der Polizei. Deswegen halten wir es für sinnvoll, den Behörden und der Polizei auch dieses Instrument in die Hand zu geben.
Durch unseren Antrag entsteht keine Strafbarkeitslücke. Herr Modschiedler, Sie haben Sachverständigenmeinungen gefordert. Ich zitiere jetzt nicht Herrn Prof. Poscher, sondern Herrn Prof. Dr. Aden, Herrn Prof. Dr. Geis, Herrn Prof. Battis, die alle in den Anhörungen bestätigt haben, dass durch diesen Antrag keine Strafbarkeitslücke entstehen würde.
Wenn Sie sich erinnern, Herr Ulbig hatte unter dem Eindruck des 19. Februar am Anfang der Debatte sehr oft gesagt, es bestehe offenbar eine Kluft zwischen dem Rechtsverständnis der Bevölkerung und dem Rechtsverständnis der Behörden und unserer Rechtslage. Unser Antrag ist ein Beitrag dazu, diese Kluft zwischen Bevölkerung, Gesetzeslage und Behörden zu verringern. Deshalb bitte ich Sie herzlich, dem Antrag zuzustimmen.
Es gibt noch Wortmeldungen zu dem vorliegenden Änderungsantrag. Herr Biesok für die FDP-Fraktion. Herr Biesok, Sie haben das Wort.
Frau Friedel, Sie bringen diesen Änderungsantrag hier erneut ein, und die Argumente sind die gleichen wie die, die wir schon im Ausschuss gewechselt haben. Sie beziehen sich hier auf eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung aber nicht zum Versammlungsgesetz erbracht, sondern zum Nötigungstatbestand in § 240 StGB.
Es ergibt sich sehr wohl auch eine Strafbarkeitslücke gegenüber der Regelung, die wir jetzt aus dem Bundesgesetz übernehmen. Bei der Regelung in § 240 StGB ist es erforderlich, dass die Nötigung mit einer verwerflichen Grundhaltung vorgenommen wird. Das heißt, das Gericht hätte zu prüfen, ob derjenige, der blockiert, verwerflich handelt. Das ist genau der Unterschied zum Versammlungsgesetz. Es ist nicht so simpel, wie Herr Lichdi behauptet hat, dass wir jetzt praktisch das Hinsetzen auf der Straße unter Strafe stellen wollen – Sie können sich hinsetzen, wo sie wollen –, sondern Sie müssen beabsichtigen, eine Demonstration damit zu sprengen oder zu vereiteln. Das ist es uns wert, es unter Strafe zu stellen, weil das Demonstrationsrecht für uns ein sehr hohes Gut ist.