Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

(Christian Piwarz, CDU: Sie selbst wollten sie doch noch viel weiter verlängern! – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sie hat auch zugestimmt!)

Das ergibt sich aus der Arbeitsweise dieser EnqueteKommission. Diese unterscheidet sich sehr wohl von der Arbeitsweise der Vorgänger-Enquete-Kommission.

Damit keine Missverständnisse auftreten: Wir stimmen der Verlängerung der Arbeit mehrheitlich zu.

Gut. Sie haben schon zugestimmt.

Gibt es weitere Erklärungen zum Abstimmungsverhalten? – Herr Meyer, bitte.

Auch ich möchte mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich war zunächst einmal skeptisch, die Arbeit der Enquete-Kommission zu verlängern. Auf der anderen Seite haben wir festgestellt, dass dieses Themenfeld sehr, sehr umfangreich ist und sich in dem bisher beschlossenen Zeitfenster nicht abarbeiten lässt. Deswegen war in der Runde der Obleute klar, dass wir verlängern müssen. Von daher verwundert mich ein Stück weit die Reaktion der Linksfraktion. Frau Dr. Runge hatte sogar darauf gedrungen, dass wir bis Juni 2013 verlän

gern; zumindest war das am 19. Dezember 2011 so. Wir haben uns alle im Konsens darauf verständigt zu verlängern. Wir stehen dazu. Ich hoffe, dass die Arbeit zielführend fortgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Prof. Dr. Andreas Schmalfuß, FDP)

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Geschlechtergerechte Verwendung von Haushaltsmitteln – Gender-Budget

Nutzenanalyse in der Haushaltsaufstellung 2013/2014 des Freistaates Sachsen

Drucksache 5/8380, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es beginnt natürlich die einreichende Fraktion. Danach folgen die CDU, DIE LINKE, die SPD, die FDP, die NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Frau Abg. Herrmann hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerin hat es gesagt: Morgen jährt sich der „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ – so heißt er nämlich ganz genau –, kurz: der Internationale Frauentag, zum 101. Mal. Noch länger, liebe Kolleginnen, währt unser Einsatz für die Rechte der Frauen. Hin und wieder hört man die Frage: „Reicht das nicht endlich mal?“ Oder man hört: „Ich nehme doch auch die zwei Vätermonate Elternzeit.“ Oder: „Es bewerben sich einfach keine Frauen; wir würden sie ja gern einstellen.“ Das sind Stimmen, die die Gleichberechtigung, die wir heute – vielleicht – erreicht haben, belegen sollen. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass wir noch weit davon entfernt sind.

Wir haben es gerade diskutiert: Frauen verdienen weniger als Männer. Frauen sind stärker im einkommensschwachen Dienstleistungssektor beschäftigt. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit und sind damit eher von Altersarmut bedroht. In Spitzenpositionen sind Frauen eher eine Seltenheit. Warum? Weil zum Beispiel die zwei Monate „Vollzeitvater“ nicht ausreichen, um den Frauen den Rücken freizuhalten. Schlimmer noch, weil allein die Tatsache, dass Frauen ihre Rolle als Mutter, vielleicht noch alleinerziehend, ernst nehmen, ein Hindernis für den beruflichen Aufstieg ist. Die Tatsache, Mutter zu sein und diese Rolle ausfüllen zu wollen, ist ein Hindernis für den beruflichen Aufstieg.

Offensichtlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es Strukturen, Verhaltensweisen und Denkansätze, die eine tatsächliche Gleichstellung und Gleichberechtigung

immer noch verhindern. Dafür gibt es viele Beispiele. Denken Sie an die letzte Debatte. Anders als die CDUFraktion, bei der ich den Gedanken nicht loswerde, dass

sie mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit Frauen vor allem als Wählerinnen gewinnen will und auch anders als die FDP-Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, die zuallererst an eine grenzenlose Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt denkt, will unsere Fraktion Frauen und Männer in gleicher Weise in die Lage versetzen, selbstbestimmt ihre Lebensentscheidungen zu treffen, und zwar unbehindert vom Geschlecht.

Die Einführung einer Gender-Budget-Analyse für den sächsischen Haushalt kann eine wesentliche Möglichkeit sein, das zu erreichen; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Entscheidungen im Hohen Haus und vor allen Dingen unsere Finanzentscheidungen wirken sich auf die Lebenssituation von Frauen und Männern aus. Das ist ganz klar so. Aber sie wirken sich unterschiedlich auf die Lebenssituation von Frauen und Männern aus. Diese unterschiedlichen Wirkungen gilt es bewusst zu machen, und zwar nicht mit dem Ziel, Männern und Frauen das Geschlecht abzusprechen – ich habe da eine ganz unrühmliche Erinnerung an Frau Kuby im Ausschuss –,

(Demonstrativer Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

sondern mit der Frage zu verbinden, ob wir diese unterschiedlichen Wirkungen tatsächlich wollen. Dann können wir auch zielgerichtet steuern, um Ungerechtigkeiten im Erwerbsleben zu verringern oder bewusst Freizeitangebote in der Jugendhilfe zu schaffen, die von männlichen Jugendlichen angenommen werden. Unser langfristiges Ziel an dieser Stelle ist die geschlechtergerechte Verwendung von Haushaltsmitteln. Das ist eine Möglichkeit, struktureller Ungleichbehandlung zu begegnen.

Und noch einmal: Wenn ich mich an die Ausschussdiskussion zum Gender Mainstreaming erinnere, dann bin ich sicher, dass wir als GRÜNE-Fraktion heute mit diesem Antrag das Lieblingsthema mancher Kollegen aus der Koalition getroffen haben. Aber erinnern wir uns an den Wortlaut des Artikels 8 der Landesverfassung. Dort steht: „Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen

Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes.“

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen die Verfassung und auch die Diskussion um eine Modernisierung der Verfassung oder die Einführung einer Schuldenbremse, wir nehmen die Verfassung in all ihren Punkten ernst. Wir nehmen sie sehr ernst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wir erwarten auch von Ihnen – und damit möchte ich vornehmlich die Koalition ansprechen –, dass Sie jeden Artikel in gleicher Weise ernst nehmen. Das bedeutet, dass wir in Umsetzung von Artikel 8 die erforderlichen Konsequenzen für die Haushaltsführung ziehen müssen. Gender-Budgeting bezeichnet nicht etwa eine Geschlechtsumwandlung, sondern die geschlechterdifferenzierte Analyse der öffentlichen Haushalte. Noch einmal: Wiederholungen helfen ja bei manchen Kollegen zum Verständnis. Dahinter steht die Annahme, dass die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Männern und Frauen wesentlich mitbestimmen und damit Einfluss auf die Geschlechtergerechtigkeit nehmen. Wer es mit Gleichstellungspolitik nach Artikel 8 der Verfassung ernst nimmt, der muss Gender-Budgeting zum integralen Bestandteil seiner Haushaltspolitik machen. Voraussetzungen sind geschlechterdifferenziert und kontinuierlich erhobene

Daten. Das ist in der vorherigen Debatte schon gesagt worden. Mit diesen Daten kann Gender-Budgeting mehr sein als Geschlechtergerechtigkeit. Es kann auch dazu dienen, dass wir, das Parlament, bessere Entscheidungsgrundlagen für unser Handeln erhalten. Wir erreichen mehr Transparenz in der Haushaltsplanung und in der Kontrolle. Folglich können wir Gelder gezielt und stärker wirkungsorientiert einsetzen. Das allein müsste doch auch die Kollegen von der CDU-Fraktion in Zeiten effizienter Ressourcennutzung überzeugen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dann hat diese viel zitierte Gießkanne als Verteilerprinzip ausgedient und Sie können sie endlich dort lassen, wo sie hingehört, nämlich im Garten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Länder wie BadenWürttemberg – dort im Übrigen noch unter CDURegierung –, aber auch Berlin und Bremen wenden Gender-Budgeting im Haushaltsverfahren an. RheinlandPfalz und Sachsen-Anhalt beabsichtigen die Einführung. Die Verwendung der ESF-Mittel auf Bundesebene erfolgt unter Berücksichtigung von Gender-Budgeting, und das bei einer Koalition aus CDU und FDP. Was soll uns in Sachsen also daran hindern?

Liebe CDU! Tatsächlich, Ihre Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg haben es erkannt: GenderBudgeting ist ein wesentliches Steuerungsinstrument, auf das wir gerade in Zeiten knapper werdender öffentlicher Kassen nicht länger verzichten sollten. Darüber hinaus regen wir mit unserem Antrag an zu überprüfen, ob wir

das Instrument der Budget-Nutzenanalyse auch auf andere Merkmale, wie zum Beispiel das Lebensalter, übertragen können. Damit könnten zielgerichteter öffentliche Mittel zum Umgang mit und zur Beeinflussung des demografischen Wandels eingesetzt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsplanung als zentrales politisches Steuerungselement und Ausdruck von politischer Prioritätensetzung darf nicht länger geschlechtsblind sein. Wir wollen und müssen zielgruppen- und wirkungsorientiert haushalten. Das ist effizient. Stimmen Sie deshalb heute unserem Antrag zu, auch mit Blick auf den morgigen Tag.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDU-Fraktion bitte; Herr Abg. Michel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube meist an das Gute im Menschen, deshalb unterstelle ich auch hier, dass es sich nicht um einen Klientelpolitikantrag handelt, sondern um das ehrliche Bemühen um eine geschlechtergerechte Budgetanalyse. Dann ist das Anliegen sehr spät eingebracht und es bezieht sich auf die falsche Stelle. Zu spät deshalb, weil die Haushaltsverhandlungen auf Referatsleiterebene gerade heute abgeschlossen wurden. Wenn der Hintergrund des Antrages die Neugier nach der Effektivität unserer Haushaltsansätze und Förderprogramme ist, dann aber zielt der Antrag auf die falsche Stelle. Der richtige Ort wären die Förderprogramme, die Ausführungsverordnungen oder Gesetze, aber nicht der Haushaltsplan selbst.

Dabei gebe ich Ihnen in der Sache sogar teilweise recht. Manches Programm sollte auf seine geschlechtergerechte Verwendung geprüft werden, aber eben bitte in der Auswertung des Programmes und nicht im Haushaltsplan. Der Haushaltsplan ist ein finanztechnisches Zahlenwerk, welches den Finanzrahmen für die verschiedensten Politikfelder vorgibt. Jetzt erinnern wir uns mal an die Debatte bei der Aufstellung des letzten Haushalts. Einigen im Hohen Haus, speziell GRÜNEN-Politikern, war der Haushaltsplan schon viel zu unübersichtlich und zu stark untergliedert. Wenn wir jetzt noch nach Er, Sie und später Es gliedern, wird das alles nicht einfacher und es öffnet die Tür für weitere Unterscheidungen, zum Beispiel nach dem Alter. Weder die von Ihnen vorgeschlagenen Unterscheidungen würden den bereits heute mehrere Hundert Seiten umfassenden Haushaltsplan übersichtlicher machen, noch würde er verständlicher für die Bürger werden. Und, falls Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, einen Alternativhaushalt aufstellen wollen, bin ich gespannt, wie Sie die Prämissen des Gender-Budgets einbauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal sind wir auch teilweise schuld an dem schlechten Ruf von Politik. Bei der Umsetzung des Antrags würden wir eine

Welle von Bürokratie lostreten. Die Menschen außerhalb des Hauses werden sich fragen, ob wir keine anderen Probleme haben. Recht haben sie. Jedes Wort zu dem Antrag ist zu viel. Deshalb beende ich meine Ausführungen, möchte aber geschlechterneutral formulieren: Wir lehnen es ab, zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Gläß.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun müssen Sie sich zu so später Stunde mit diesem Gender-Begriff, den Sie gar nicht lieben, herumquälen, diesmal in einer Form von GenderBudgeting. Mit dem Begriff Gender-Budgeting – das ist hier schon erwähnt worden und so finden wir es auch in Wikipedia –, ist die geschlechtsdifferenzierte bzw. geschlechtergerechte Budgetanalyse und die Betrachtung öffentlicher Haushalte im Bund, in den Ländern oder auch in Kommunen bezeichnet, um hier die Unterschiede oder auch Benachteiligungen herauszufinden.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Doch Gender-Budgeting beschränkt sich nicht nur auf die Analyse von Haushaltsplänen, sondern hat auch Einfluss auf die Haushaltsplanung. Wir haben es gerade gehört, es ist zu spät. Aber ich glaube, für eine Analyse ist es noch nicht zu spät, denn noch haben wir den Haushalt nicht.

Um bestehende geschlechterbedingte Ungleichheiten bei der Nutzung von Budgets zu beseitigen, ist es also wichtig zu zeigen, wie die Budgets eingesetzt sind. Dann können wir – wenn wir das analysiert haben – dazu beitragen, Geschlechtergerechtigkeit auch in der Haushaltsplanung zu erlangen. Dieses Ziel – wir hörten es von der einbringenden Fraktion – hat der vorliegende Antrag.

Übrigens hat unsere Fraktion schon im Entschließungsantrag zum Haushalt 2011/2012 die Einführung von GenderBudgeting als Prinzip beantragt mit dem bekannten Ausgang: Unsere Anträge sind abgelehnt worden. Wir werden diesem Antrag deshalb zustimmen. GenderBudgeting hat also den geschlechterbewussten Haushalt zum Ziel. Als Grundlage dienen geschlechterdifferenzierte Datenerhebungen, die den Haushalt in Bezug auf seine Auswirkungen auf Frauen und Männer überprüfen.

Für eine Gender-Budget-Analyse werden die Ausgaben- und Einnahmenseiten innerhalb eines bestehenden Haushalts untersucht und folgende Fragestellungen könnten dabei auch Orientierung sein: Welche Auswirkungen haben ressourcenwirksame Entscheidungen auf die vielfältigen Situationen von Frauen und Männern? Wer profitiert von welchen Ausgaben, direkt oder indirekt? Wer trägt wie zu welchen Einnahmen bei? Welche Auswirkungen haben Einsparungen und wer trägt entstehende zusätzliche Lasten? Welche ressourcenwirksamen Ent