Protokoll der Sitzung vom 08.03.2011

Wir sitzen hier im Ausschuss und wir reden hier von der Legislative, Herr Dr. Hahn.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Unglaublich!)

Es ist nicht unglaublich. Ich rede hier von der Legislative, vom Ausschuss und davon, was hier geschehen ist und was im Ausschuss gelaufen ist bis zur 38. Sitzung. Im Übrigen hat in jeder Ausschusssitzung – das sei auch angemerkt – Herr Schurig klargestellt, dass der Bericht in dieser Form abgeschlossen sei. Trotzdem wurde der Tagesordnungspunkt immer weiter verschoben, da noch Fragen offen und die Fristen noch nicht abgelaufen seien.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Im Februar wurde im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss der Bericht mit dem Kenntnisnahmebeschluss abgeschlossen – meiner Ansicht nach mit Recht. Der Datenschutzbeauftragte hat seinen Bericht abgegeben. Die Konsequenzen daraus hat der Landtag nun selbst zu treffen und gegebenenfalls eigene, geeignete Maßnahmen zu beschließen.

(Sabine Friedel, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Modschiedler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Friedel, ja.

Frau Friedel, bitte.

Herr Kollege, vielen Dank. – Stimmen Sie mit mir darin überein, dass zwar der Datenschutzbeauftragte für seinen Teil bemerkt hat, dass die Arbeit mit diesem Bericht abgeschlossen sei, dass aber die Staatsregierung uns noch nicht darüber Bericht erstattet hat, wie sie gedenkt, damit umzugehen, und welche abschließenden Maßnahmen sie getätigt hat?

Erstens ist das geschehen. Die Staatsregierung hat sich geäußert. Zweitens ist das der Prozess, den der Datenschutzbeauftragte – das habe ich soeben ausgeführt, 10.10.2011, inhaltliche Beanstandungen zum 31.12.2011 – vorzunehmen hat. Drittens ist das eine Geschichte: Hier geht es um die Drucksache des Berichtes und der Bericht selbst hat mit den Folgen nichts zu tun.

(Sabine Friedel, SPD: Der Bericht ist folgenlos! – Gelächter bei den LINKEN und der SPD)

Nein, er ist nicht folgenlos. Er wird abgegeben und wir haben ihn zur Kenntnis zu nehmen. Nun kommt die Folge, dass wir jetzt im Rahmen der Möglichkeiten, die wir als Legislative haben – dazu gehört übrigens der Datenschutzbeauftragte nicht –, geeignete Maßnahmen ergreifen können. Das heißt, wir können mit Anträgen aus der Folge des Berichtes in die Ausschüsse bzw. in diesem Fall in unseren Ausschuss gehen.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Modschiedler, es gibt den Wunsch nach einer zweiten Zwischenfrage. Würden Sie diese zulassen?

Herr Bartl, bitte schön.

Bitte, Herr Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Modschiedler, dass Sie die Frage zulassen. Ist es richtig, dass wir uns im Ausschuss darauf verständigt haben, dass wir wissen wollen, wie die einzelnen Adressaten der Unterrichtung reagiert haben? Ist es weiterhin richtig, dass es Einigkeit im Ausschuss darüber gab, dass sich die betreffenden Minister, in diesem Fall der Staatsminister der Justiz, dazu äußern mögen und dass ursprünglich die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Dresden als eine der Adressaten vorgelegt werden sollte und davon dann Abstand genommen worden ist? Ist das richtig, dass wir dankenswerterweise eine Zusammenfassung des Ministers bekamen, die reflektierte, wie in etwa die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Dresden aussah und dass deshalb mehrfache Befassungen notwendig

waren? Die Stellungnahme, die der Minister abgab, war meines Wissens vom 28.11.2011 datiert.

Sie fragen, wie es dann damit weitergeht. Das war auch die Diskussion, die wir hatten. Wir hatten uns vom Ausschussvorsitz darauf verständigt und gesagt: Okay, dann warten wir das mal ab. Wir hatten dann die Diskussion mit dem Datenschutzbeauftragten, als sich die Frage stellte, was denn nach dem 31.12.2011 ist. Es war, glaube ich, in der letzten Ausschusssitzung, als er gesagt hat: Das ist erst einmal eine grundsätzliche Absprache, wie weiter vorgegangen wird. Es gibt eine inhaltliche Äußerung seitens der Behörden, wie sie mit den Beanstandungen umgehen. Prozessleitend ist der Datenschutzbeauftragte. Das war übrigens auch der Grund, weshalb gesagt wurde: Jetzt nehmen wir nun endlich den Bericht zur Kenntnis. Der Datenschutzbeauftragte sagte – das ist auch im Protokoll nachzulesen –: Ich werde Ihnen weiter darüber berichten.

Das eine hat also mit dem anderen nichts zu tun. Er wird es tun und wir werden die Berichte und die Antworten bekommen. Aber den Bericht können wir trotzdem zur Kenntnis nehmen und abschließen.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Das war aber Dissens, und zwar im Ausschuss.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Wir haben es nun verzögert!)

Verzögert, okay.

Die Beanstandungen haben wir vom Datenschutzbeauftragten zur Kenntnis genommen. Hier besteht durchaus Handlungsbedarf und darüber besteht auch Konsens; dazu komme ich noch. Die Datenschutzprobleme – damit kommen wir zu dem, was angesprochen wurde – kontrolliert der von uns gewählte und mit wesentlichen, eigenen Rechten ausgestattete Datenschutzbeauftragte selbstständig. Dazu mussten wir – deshalb stehen wir im Konsens – nicht warten, was mit den von ihm gesetzten Fristen nun geschieht. Er selbst erklärte in der Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses am 07.12.2011 das erste Mal, dass er als Datenschutzbeauftragter nicht ausschließe, dass es noch weitere Kontrollverfahren geben könnte. Wir haben ihm mit der Wahl das Vertrauen gegeben und nehmen nun seine Berichte zur Kenntnis – mehr nicht. Danach müssen wir selbst gestalten.

Ich bin mir im Übrigen sehr sicher, dass sich der Datenschutzbeauftragte die Arbeit der Behörden weiterhin mit Argusaugen anschauen und bei konkreten Fällen in Maßnahmen einbinden lassen wird. Das hat er im Nachgang zum 18. Februar 2011 gemacht und wird dies bei konkreten Anzeichen auch wieder tun.

(Lachen des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich bin mir auch sicher, dass zum Beispiel die Staatsanwaltschaft von sich aus – das hat sie nämlich auch getan – den Datenschutzbeauftragten bei sensiblen Themen einbeziehen wird. Die Entscheidung, diese Drucksache im

Ausschuss zu beschließen, war geboten und nicht, wie immer wieder ausgesagt wurde, übereilt. Wir sollten uns jetzt mehr damit befassen, was der Datenschutzbeauftragte fordert. Das war schon Thema in der Plenardiskussion am 14.09.2011 auf der Grundlage der Anträge von den LINKEN und den GRÜNEN. Bereits damals hatte der Justizminister, Dr. Martens, die Bundesratsinitiative „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der nicht individualisierten Verkehrsdatenerhebung“ durch die Staatsregierung vorgestellt.

Ich zitiere aus dem Protokoll die Aussage des Herrn Staatsministers: „Wir wollen im Einzelnen den Begriff der erheblichen Straftat im § 100g StPO durch eine Strafandrohung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe ersetzen. Wir wollen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung durch Anfragen gesondert prüfen lassen. Die Zahl der Funkzellenabfragen sollen in einer Statistik gesondert erfasst werden. Der Datenschutzbeauftragte soll nach Funkzellenabfragen grundsätzlich informiert werden, um seine Kontrollrechte effektiv wahrnehmen zu können. Er soll weiterhin informiert werden, wenn von Massenbenachrichtigungen unbeteiligter Dritter abgesehen werden soll. Weiter soll ein Richtervorbehalt im § 477 Abs. 2 StPO auch bei der Weitergabe von Daten aus Funkzellenabfragen eingeführt werden. Die Speicherung der Daten soll zudem alle drei Monate auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden. Dies ist auch dann zu dokumentieren. Schließlich werden bei der Staatsanwaltschaft Konzepte zur Löschung nicht notwendiger Daten erarbeitet und die Polizei erhält klare Regelungen zum Umgang mit dem Ermittlungsergebnis der Funkzellenabfragen.“ Das war im September des letzten Jahres.

Mithin hat die Staatsregierung in Abstimmung mit dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten eine Handreichung zur Erhöhung der Handlungssicherheit der Polizeibeamten beim Umgang mit anonymisierten Funkzellenabfragen erarbeitet und ausgegeben. Damit sind wesentliche Punkte der Forderung des Datenschutzbeauftragten aus seinem Bericht erfüllt bzw. auf der Agenda. Wir haben nur ein Problem: Erste Kontakte mit Parlamentariern und Mitgliedern der Landesregierung anderer Bundesländer ergaben, dass Teile der Parteien, die in Sachsen in der Opposition sitzen, den Gesetzentwurf nicht unterstützen wollen.

Das ist kein Problem der schwarz-gelben Koalition, sei es in Dresden oder Berlin. Nein, wir alle, die Koalition wie auch die Opposition, müssen aktiv für den Gesetzentwurf werben. Die §§ 100 und folgende StPO sind ein bundesrechtliches Problem, das im Bundesrat nur mit allen Stimmen gemeinsam gelöst werden kann. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte begrüßt übrigens in seinem Bericht die Bundesratsinitiative. Sorgen wir also alle dafür, dass diese Initiative auch ratifiziert werden kann.

Ihnen, Herr Schurig, möchte ich für Ihren kritischen Bericht herzlich danken. Er hat zur Sensibilisierung aller Behörden beigetragen. Das merkt man im Ausschuss an den verschiedensten Äußerungen. Informieren Sie uns

weiterhin über die Beanstandungen, geben Sie uns Ihre Anregungen weiter und berichten Sie uns vor allem über den Fort- bzw. Ausgang des aktuellen Kontrollverfahrens. Diese Form der sachlichen Zusammenarbeit schätze ich persönlich sehr an Ihnen.

Ich schlage vor, den Bericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten zur Kenntnis zu nehmen. Das heißt: Folgen Sie bitte dem Beschluss des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Die nächste Rednerin für die Fraktion DIE LINKE ist Frau Bonk.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein die Kenntnisnahme ohne die entsprechenden Kommentare kann hier nicht genügen, denn zu groß ist der Schaden, der gegenüber den Grundrechten von Bürgern am Rande des Versammlungsgeschehens im Februar 2011 entstanden ist. Zu groß ist auch der berechtigte Vertrauensverlust gegenüber den Ermittlungsbehörden. Wir haben viele tiefgehende Debatten im Ausschuss geführt. Es ist nun an der Zeit und notwendig, auch eine Bewertung im Plenum vorzunehmen. Das haben wir hier schon mit einigen eigenen Anträgen gemacht. Vor allem ist es nun an der Zeit, auf die noch offenen aktuellen Fragen einzugehen.

Eines möchte ich vorwegschicken: Ein deutliches Zeichen der zustimmenden Kenntnisnahme des Landtages ist notwendig, um die Unterstützung und Anerkennung des Landtages für den Datenschutzbeauftragten als Institution und in seinem Wirken zu zeigen. Es ist auch notwendig, nachdem das Verhalten der Staatsregierung – ich erinnere an das Sondergutachten des SMI – und der Staatsanwaltschaft Zweifel am Respekt gegenüber der Institution des Datenschutzbeauftragten aufkommen ließ.

Die Bundeskonferenz der Datenschutzbeauftragten stärkte ihren sächsischen Kollegen ausdrücklich den Rücken. In diesem Sinne setzt sich meine Fraktion für einen veränderten Beschlusstext ein.

Herr Modschiedler, Sie sind ja sehr detailliert auf die Zeitlinie der Behandlung eingegangen. Das ist auch völlig richtig. Es war aber auch nötig, dass wir mit den verschiedenen Berichterstattungen zu den jeweiligen Zeiten umgegangen sind und dass auch die Forderungen über den 31.12. hinaus von uns abgefragt werden, wie sie umgesetzt werden, denn der Bericht kann nicht folgenlos bleiben. Deswegen haben wir immer wieder Fragen nach dem Stand der Bearbeitung und nach der Umsetzung der Forderungen gestellt. Jetzt können wir darüber reden. Auch hier im Plenum haben wir dem zugestimmt, dass der Bericht jetzt überwiesen werden soll. Das heißt noch lange nicht, dass er deswegen vom Tisch wäre oder diese Forderungen nicht weiter erfüllt werden müssten. Darauf werde ich noch eingehen.

Es wurde erst Mitte Juni 2011 öffentlich bekannt, dass im Zuge der Proteste gegen die Naziaufmärsche durch die Handyverbindungen Tausende Demonstranten und Anwohner ausgehorcht worden sind. Erst auf Druck der Opposition gab es am 24. Juni einen gemeinsamen Bericht von Justiz- und Innenministerium, der aber auch nur lückenhaft Auskunft gab und einen weiteren Bericht notwendig machte. Mit der darauffolgenden Ablösung – ich erinnere noch einmal daran – des Dresdner Polizeipräsidenten und dem üblichen Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren glaubte die Staatsregierung, die Sache gedeckelt zu haben. Das war aber weder der Fall angesichts der erdrückenden und weiter tröpfelnden Faktenlage noch angesichts des kritischen Bewusstseins der Öffentlichkeit. Das Thema war einfach nicht abgeschlossen.

Es ist dem Datenschutzbeauftragten zu verdanken, von sich aus im Juli zugesichert zu haben, einen Sonderbericht zu diesem Sachverhalt vorzulegen, nachdem die Fraktionen der Opposition sich dafür eingesetzt hatten, aber kein Einvernehmen mit der Koalition zu erzielen war. So ist es dem Datenschutzbeauftragten zu verdanken, dass er einen Sonderbericht vorgelegt hat.

Die Funkzellenauswertungen am Rande vom Versammlungsgeschehen im Februar 2011 in Dresden waren unverhältnismäßig. Zu dieser Aussage kommt der Sonderbericht in aller Deutlichkeit, den wir heute diskutieren, unverhältnismäßig gerade angesichts der verschiedenen Grundrechte, die dadurch betroffen wurden, nämlich die Versammlungsfreiheit, die Assoziationsfreiheit, die

Meinungsfreiheit und das Fernmeldegeheimnis. Alle diese Grundrechte, in einer Maßnahme betroffen und nicht in einer entsprechenden Verhältnismäßigkeitsabwägung,

waren laut Bericht nicht erkennbar.

Mir persönlich ist es dabei wichtig, auch auf die Auswirkungen hinzuweisen, die die elektronische Verarbeitung und grafische Darstellung dieser Datenerhebung haben können: komplette Bewegungsprofile, komplette Bekanntheitsnetze und das alles in schönen bunten Bildern. Das mag die Ermittlungsbehörden gefreut haben. Es ist aber ein schwerwiegender Einschnitt, ein großer Vertrauensverlust für die politische Freiheit in Sachsen. Nicht umsonst bestärken auch solche Vorfälle die Rede von besonderen Verhältnissen in Sachsen und der sächsischen Demokratie.

So heißt es im Bericht: „Die Funkzellenabfragen der ‚SoKo 19/2‘ schossen über das Ziel hinaus. Eine über die zeitliche und örtliche Beschränkung hinausgehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist nicht erkennbar“ Die Funkzellenabfragen schossen auch am 18. und 19. Februar in Dresden weit über das Ziel hinaus.

(Holger Apfel, NPD: Wie ist es mit der Gehirnzellenabfrage für Ihre Genossen von der Straße?)