Der Bericht macht uns den Umfang der Maßnahmen deutlich. Am 19. Februar wurden 138 000 Verkehrsdaten erhoben, dazu 896 000 Datensätze vom LKA später übermittelt, 41 000 Bestandsdaten enthielt das Ganze. Weiterhin wurden von den Ermittlungsbehörden noch über 10 000 Bestandsdaten im Verlaufe des Jahres abgefragt. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass das immer noch nicht alles gewesen ist.
So machten eine Pressemitteilung meiner Fraktion und die entsprechende Arbeit vor Gericht deutlich, dass neben der 12-stündigen Überwachung der Dresdner Südvorstadt, die im öffentlichen Interesse stand, am 18. Februar eine 24-stündige Überwachung des Hauses der Begegnung im Umfeld der Büros der Partei DIE LINKE – von null Uhr am 18. bis 24 Uhr am 19. – 48 Stunden lang nonstop erfolgte. Wir werden die Unrechtmäßigkeit dieser Maßnahmen gerichtlich feststellen lassen, ebenso die Unrechtmäßigkeit der Erstürmung des HdB durch ein Sondereinsatzkommando der Polizei. Hier sind Sie einfach zu weit gegangen. Dieses Vorgehen findet auch keine Unterstützung in der Bevölkerung. Das haben 10 000 Demonstrierende am Haus der Begegnung am 18. Februar in Dresden gezeigt. Ich sage Ihnen auch, dass sich LINKEOrganisierung nicht durch ein solches Vorgehen einschüchtern lässt.
Ganz davon zu schweigen, dass dieses ganze Vorgehen auch öffentliches Geld kostet. In entsprechenden Verträgen ist geregelt, dass die Telekommunikationsdienste entschädigt werden. Es sind etwa 10 000 Euro Schaden entstanden (aus dem Geld Entschädigung für Zeugen). Aber das alles ist jedoch nichts gegen den politischen Schaden im Verhältnis zu den Grundrechtsverletzungen. Auch die Feststellung der Unrechtmäßigkeit infolge einer Beschwerde und der dann eventuell anstehende Schadensersatz können nicht wirklich für den Verlust politischer Freiheit entschädigen. Es ist ein erheblicher politscher Schaden entstanden.
Zurück zum Bericht. Da mit einer Funkzellenabfrage notwendigerweise in die Grundrechte aller eingegriffen werden müsste, werden Forderungen formuliert. Der Datenbestand hätte unverzüglich reduziert werden müssen, Datensätze gelöscht. Das ist immer noch nicht passiert. Auf Nachfrage ist dieser Eindruck entstanden, und wahrscheinlich ist es auch Praxis, dass die Ermittlungsbehörden Daten bis zu diesem Jahr einfach weiter gesammelt haben. Das ist kein sachgemäßer und vorschriftsmäßiger Umgang. Das ist unsäglich. Zudem steht an oberer Stelle die Notwendigkeit der Benachrichtigung der Betroffenen, die seitens der Staatsanwaltschaft in dem Umfang verweigert wird, wie es die StPO eigentlich vorsieht.
Wir unterstützen hierzu die Rechtsauffassung des Datenschutzbeauftragten gegen die der Staatsanwaltschaft, die lediglich die 700 Antragssteller informieren möchte. Wir sind aber der Auffassung, dass alle Betroffenen informiert werden müssen. Statt Schaden zu begrenzen und Vertrau
en wiederherzustellen, setzten die Ermittlungsbehörden immer noch nach in ihrer Missachtung von Grundrechten. Aus unserer Sicht kann so kein Vertrauen wiederhergestellt werden.
Ein deutliches Zeichen der Zustimmung ist auch aufgrund der öffentlichen Debatten notwendig. Gerade ist die Frage der Gewaltentrennung von Herrn Hagenloch thematisiert worden. Wir meinen, dass ein deutliches Zeichen des Landtages nötig ist, um die Institution und das Wirken des Datenschutzbeauftragten zu stärken.
Weitere Fragen sind zu thematisieren, und die der Gewaltentrennung und der Wirksamkeit des Richtervorbehalts ist im Nachgang dieser Vorgänge weiterhin zu stellen. So wies der Bericht darauf hin, dass es in Sachsen üblich zu sein scheint, dass staatsanwaltliche Anträge auf eine gerichtliche Anordnung bereits in Beschlussfassung auf Briefbögen des zuständigen Amtsgerichts formuliert werden. Das wirft eindeutig die Frage auf; das ist ja nun wirklich der ganz kurze Dienstweg. Eine Bundesratsinitiative allein reicht hier nicht aus. Ich bin gespannt, was der Staatsminister jetzt in der Debatte zu den von Ihnen, Herr Modschiedler, zitierten weiteren Maßnahmen zu sagen hat.
Die deutlichen Worte mögen Ihnen, meine Damen und Herren von Staatsregierung und Koalition, schwer im Magen gelegen haben. Es mag in diesem Zusammenhang zu verstehen sein, dass zur Plenartagung im September die anberaumte Pressekonferenz des Innenministers zur Vorstellung der Expertise von Prof. Battis anberaumt wurde. Zum Glück ist Ihnen dieses Ablenkungsmanöver nicht gelungen. Statt politischer Verantwortungsübernahme und dem öffentlichen Eingeständnis, dass hier einiges aus dem Ruder gelaufen war, wurden Vorwürfe gegenüber Herrn Schurig laut, aber der Überbringer schlechter Nachrichten ist nicht der Verantwortliche,
und auch deshalb ist eine deutliche Stärkung für die Institution des Datenschutzbeauftragten und sein Wirken notwendig.
Ich resümiere: Die Funkzellenabfragen waren unverhältnismäßig. Die Untersuchungserfolge vor Gericht mit gerichtlicher Bestätigung fallen eher spärlich aus. Der Datenschutzbeauftragte ist seiner Aufgabe nachgekommen.
Sehr gern. – Ein tatsächlicher Aufklärungswille seitens der Staatsregierung, der beteiligten Ministerien und der Staatsanwaltschaft war und ist nicht zu erkennen. Dies alles sollten wir nicht nur zur Kenntnis nehmen. Der Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit würde politisches Handeln, politische Offenheit erfordern. In diesem Sinne haben auch wir Anträge gestellt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern noch einmal daran erinnern, was der Anlass des Berichts war, der uns hier vorgelegt worden ist. Es ist ja keiner der regulären Berichte, die der Datenschutzbeauftragte schreibt und die wir hier im Plenum zu beraten haben, weil die Zeit herangekommen ist, sondern es war eine außerordentliche Unterrichtung, die der Datenschutzbeauftragte hier vorgenommen hat.
Was war der Anlass? Es war eigentlich ein Zufall, nämlich durch den Blick in eine Akte eines Angeklagten herausgekommen, dass am 19. Februar 2011 in einem großen Umfang Handydaten, Funkzellendaten erhoben worden sind. Das war einige Monate später, nachdem das überhaupt stattfand. Das wurde erst im Juni 2011, glaube ich, durch den Bericht einer Tageszeitung öffentlich.
Ich sagte Tageszeitung, Herr Lichdi. Es lag an diesem 19. Februar ein Demonstrationsgeschehen hinter uns, das niemanden in diesem Saal besonders glücklich gemacht hat – wir haben oft genug alle miteinander darüber geredet –: ein Demonstrationsgeschehen mit Gewalttätigkeit einzelner Demonstrationsteilnehmer; ein Demonstrationsgeschehen mit einem massiven und auch sehr eskalierenden Polizeieinsatz; ein Demonstrationsgeschehen, das von einer Funkzellenabfrage begleitet war, wie sich im Nachhinein herausstellte.
Im Ergebnis all dessen ist auf einmal doch sehr großes Misstrauen entstanden zwischen dem Staat und denen, die ihn bei einer solchen Demonstration vertreten, auf der einen Seite und den Strafverfolgungsbehörden und vielen Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite, die doch gekommen waren, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, und die auf einmal das Gefühl hatten, als Täter gesehen zu werden.
Das war der Hintergrund des Berichtes, den uns der Datenschutzbeauftragte vorgelegt hat. Vor diesem Hintergrund entstand der Anlass.
Heute führen wir, wenn wir über diesen Bericht sprechen, eigentlich eine verspätete Debatte, denn im Februar 2012 hat sich uns ein ganz anderer Hintergrund geboten: Da hatten wir es mit friedlichen Blockaden, mit einem sehr besonnenen, mit einem deeskalierenden, mit einem sehr guten Polizeieinsatz zu tun und nicht mit einer Funkzellenabfrage;
sondern im Gegenteil, die Staatsregierung konnte uns versichern, dass solche Maßnahmen nicht notwendig werden. Wir hatten keine Pepperball-Einsätze, wir hatten keine Gewalttätigkeit am Rande von Demonstrationen oder Blockaden.
Dass sich die Situationen in den Jahren 2011 und 2012 deutlich voneinander unterschieden haben, ist nicht nur Verdienst der Demonstrantinnen und Demonstranten, ist nicht nur Verdienst der Polizeibeamten oder der Polizeiführung, auch nicht nur Verdienst der politischen Parteien, die versucht haben, sich zusammenzuraufen, sondern das ist zum Teil auch Verdienst des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, der mit seinem Bericht Sensibilität geweckt hat – bei den Justizbehörden, bei der Strafverfolgung, bei der Polizei, bei der Staatsregierung und nicht zuletzt vielleicht auch bei der einen oder anderen Fraktion im Sächsischen Landtag –; Sensibilität dafür, dass Grundrechtseingriffe, die immer mit dem Misstrauen des Staates in den Bürger zu tun haben, unverhältnismäßig sein und fatale Folgen für unsere politische Kultur haben können.
Ich will nicht falsch verstanden werden: Der gute Verlauf des Februar 2012 macht die Fehler, die im Februar 2011 passiert sind, ohne Zweifel nicht ungeschehen.
Ich freue mich sehr, dass Herr Modschiedler für die CDUFraktion erklärt hat, dass der Bericht sehr überzeugend sei, dass nachvollziehbar begründet wird, dass das Ergebnis des Berichtes anerkannt wird. Das hörte sich in den Ausschusssitzungen noch etwas anders an; aber ich freue mich, dass auch Ihre Debatte in der Fraktion inzwischen soweit gediehen ist, dass Sie die Einschätzung des Datenschutzbeauftragten bezüglich der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen teilen.
Hier ist in den letzten Monaten von den Institutionen einiges gelernt worden und ich freue mich, dass der Bericht des Datenschutzbeauftragten hierzu beigetragen hat. Ich würde mich freuen, wenn wir uns immer wieder daran erinnerten, wenn es darum geht, die Stellung des Datenschutzbeauftragten zu besprechen; wenn das Gelernte vielleicht auch wieder im Konfliktfall, wenn mal einer eintritt, dazu dient, den Datenschutzbeauftragten ernster zu nehmen; wenn es auch dazu dient, den Datenschutzbeauftragten gegen ungerechtfertigte Kritik als wichtiges Organ unseres Parlaments – denn er gehört zu uns – auch zu verteidigen.
2012 macht die Fehler nicht ungeschehen. Es geht schon noch darum, jetzt ganz nüchtern und gerade in der Erleichterung der besseren Situation 2012 das, was von 2011 übrigbleibt, abzuarbeiten.
Ich habe vorhin von einem Misstrauen, von einer Kluft zwischen den Demonstranten auf der einen Seite und den Behörden auf der anderen Seite gesprochen. Ich denke,
dieses Jahr hat schon einen guten Schritt dazu beigetragen, diese Kluft zu schließen. Sie ist aber noch nicht ganz geschlossen. Wir haben nach wie vor Verfahren anhängig, die sich auf den Februar 2011 beziehen. Wir haben nach wie vor eine Forderungsliste des Datenschutzbeauftragten, die noch lange nicht abgearbeitet ist. Das fängt mit der Benachrichtigung der namentlich bekannten Betroffenen an; es geht weiter mit der Beantwortung von Auskunftsersuchen und mit der Frage, wie mit dem Datenbestand umgegangen wird. Mittlerweile sind die erhobenen Bestandsdaten der mit Name und Adresse erfassten Personen auf über 55 000 angewachsen und nach wie vor ist unklar, was mit diesen Daten passiert und wie die Behörden damit umgehen.
Deshalb sind wir noch nicht am Ende, Herr Modschiedler, und noch nicht am Ende, Herr Staatsminister, sondern wir müssen schon noch in den Ausschüssen oder im Plenum – das ist mir eigentlich ganz gleich – von der Staatsregierung erfahren, wie die Dinge jetzt zu Ende gebracht werden und wie die Fehler, die 2011 begangen worden sind, die nicht nur der Datenschutzbeauftragte aufgelistet hat, sondern die Sie jetzt auch eingeräumt und die wir alle gemeinsam 2012 erfreulicherweise vermieden haben, in den übrigbleibenden Resten geheilt werden können.
Deswegen hätte ich es gut gefunden, wenn die Stellungnahme der Staatsregierung genauso wie der Bericht des Datenschutzbeauftragten hier Gegenstand der parlamentarischen Erörterung gewesen wäre. Das gehört doch dazu: die eine Seite wie die andere zu hören, wenn wir als Landtag ermessen wollen, was nun zu tun ist, um die Dinge zu einem vernünftigen Abschluss zu bringen.
Dass wir das heute nicht haben, weist darauf hin, dass wir in den nächsten Monaten noch weiter im Ausschuss zu tun haben werden und damit arbeiten, und ich hoffe, dass die konstruktive Grundhaltung, die Sie heute als Koalitionsfraktionen an den Tag gelegt haben, für die nächsten Wochen in der weiteren Bearbeitung des Themas noch trägt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr haben wir in Dresden eine Erfassung von Telekommunikationsdaten in bis dahin nicht bekanntem Umfang erlebt. Es ist das Verdienst des Datenschutzbeauftragten, diese Datenerhebung aufwendig dokumentiert und bewertet zu haben. Im Namen meiner Fraktion spreche ich Ihnen, Herr Schurig, hierfür meinen herzlichen Dank aus.
Der Bericht ist meines Erachtens ein wichtiges Dokument, das zeigt, wie Überwachung mit moderner Technik möglich ist. In einer Überwachungsmaßnahme wurden
138 630 Verkehrsdaten erhoben. Ein zweiter gerichtlicher Beschluss führte zur Gewinnung von 896 072 Verkehrsdaten, 257 858 Rufnummern und 40 732 Bestandsdaten.
Beide Maßnahmen schossen nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten weit über das Ziel hinaus. Ich schließe mich dieser Bewertung ausdrücklich an.
Meine Damen und Herren! Wir müssen aber aufpassen – wenn wir an die kritische Berichterstattung anknüpfen –, dass auch wir nicht über das Ziel hinausschießen. Ich möchte davor warnen, den Bericht so hinzustellen, als ob mit dieser Telekommunikationsüberwachung, die zur Bekämpfung schwerster Kriminalität – Landfriedensbruch und Bildung einer kriminellen Vereinigung – und zur Aufklärung dieser angeordnet wurde, ein Demonstrationsgeschehen überwacht werden sollte. Friedliche Demonstranten sollten weder überwacht noch zu Tätern gestempelt werden. Insoweit sollten wir mit unserer Wortwahl etwas vorsichtiger sein.