Frau Kollegin, ist Ihnen aus dem Polizeirecht die Unterscheidung zwischen einer konkreten, einer abstrakten und einer akuten Gefahr geläufig?
Die Informationen, die wir bekommen, sind meist sehr dünne Sätze, mit denen man meint, das Nötigste gesagt zu haben. Bei jährlich fast 65 000 Flugbewegungen und knapp 2,3 Millionen Passagieren, davon nach Berichten eine sechsstellige Anzahl von Soldaten, ist nicht Geheimniskrämerei, sondern Transparenz und Öffentlichkeit unbedingte Pflicht. Dieses öffentliche Interesse, nehme ich wahr, stößt bei Ihnen als Staatsregierung einfach auf taube Ohren. Sie geben nur zu, was engagierte Journalisten Ihnen nachweisen können, ansonsten mauern Sie und verharmlosen.
Auf meine Frage nach dem Vorhandensein und der Umsetzung eines Trennungskonzeptes zwischen ziviler und militärischer Nutzung haben Sie sich auf das Luftverkehrsgesetz und die entsprechenden Rechtsvorschriften zurückgezogen. Im Rahmen der Betriebspflicht bestünde keine Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung. Von einer verantwortungsvoll handelnden Staatsregierung erwarte ich mehr. Sie wissen genau, dass das Luftverkehrsgesetz zwischen Flughäfen für den normalen Verkehr und Sonderflughäfen unterscheidet. Eine dauerhafte Nebeneinandernutzung zwischen Militär und Zivil ist ohne entsprechende differenzierte betriebliche Regelung im Kern des Gesetzes nicht vorgesehen. Darüber gibt es eben, Kollege Biesok, unterschiedliche juristischen Auffassungen.
In den Antworten der Regierung schwingt allerdings hintergründig mit, dass Sie sich gar nicht so recht mitverantwortlich fühlen, und verweisen sehr gern auch noch auf den Bund. Dabei wissen Sie: Sie sind Hauptgesellschafter, Sie stehen in der Verantwortung und vernachlässigen nach unserer Auffassung Ihre öffentliche Aufklärungspflicht. Wenn laut MDR-Bericht – das wurde heute schon zitiert – die Anschlagsgefahr als wahrscheinlich eingestuft wird, dann besteht Handlungsbedarf, Erklärungsbedarf gegenüber der Öffentlichkeit, aber als ersten Schritt gegenüber diesem Parlament. Bisher wird uns vermittelt, dass die Sicherheit den höchsten Standards genügt. Wie passt das mit den MDR-Recherchen zusammen? Gibt es neue Gutachten, neue Gefährdungsanalysen? Ist das Gutachten von 2008 tatsächlich überholt? Vielleicht kann uns Herr Seidel entsprechende Informationen nachreichen.
Was sagen Sie zu der Pressemitteilung unserer Parlamentarischen Kontrollkommission vom 13.04.2010, in der es heißt: „Zur Frage, ob durch die militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle für die Menschen im Freistaat Sachsen zum Beispiel durch militärische Unfälle oder auch eventuelle Anschläge erhöhte Sicherheitsgefährdungen bestehen, konnten weder das Innenministerium noch das Landesamt für Verfassungsschutz in ihrer Zuständigkeit klare Angaben machen.“ Ich höre auf. Sie merken, es gibt erhebliche Informationslücken. Hoffentlich führen die journalistischen Rechercheergebnisse und die heutige öffentliche Debatte endlich zu dem nötigen Umdenken.
Es soll wirklich nur sehr kurz sein. Die Begrifflichkeiten, die hier scheinbar gleichwertig nebeneinander gestellt wurden, haben doch einen anderen Aussagegehalt. Jeder Flughafen ist abstrakt gefährdet, weil er ein Anschlags- oder Entführungsobjekt
sein kann, egal ob er militärisch oder zivil genutzt wird. Eine konkrete Gefährdung bedeutet, dass konkrete Anhaltspunkte von Sicherheitsbehörden vorliegen, dass ein Anschlag geplant ist. Wenn wir allein die Begriffe auseinanderhalten würden, könnten wir uns manche Debatte im Parlament sparen.
Frau Kallenbach, möchten Sie darauf reagieren? – Wird weiter das Wort von den Fraktionen gewünscht? –
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte auf den Beitrag meiner Fraktionskollegin eingehen. Herr Kollege Biesok hat versucht, Sie mit den juristischen Fachbegriffen aufs Glatteis zu führen. Allerdings ist ihm das nicht gelungen, weil er ebensowenig wie der Herr Seidel von der CDU-Fraktion auf den Kernvorwurf eingegangen ist, nämlich darauf, ob es tatsächlich ein LKA-Gutachten mit dem von Herrn Bartl zitierten Inhalt gibt, ob es dem Innenministerium vorgelegen hat und warum es weder den Abgeordneten des Sächsischen Landtags noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. In diesem Gutachten ist er nach Auskunft von Kollegen Bartl – mir selbst liegt es nicht vor – von einer konkreten Gefährdung ausgegangen. Von daher ist das, was der Herr Kollege Biesok hier treibt, Vernebelungsstrategie, um sich eben dieser zentralen Frage nicht stellen zu müssen.
Gibt es bei den Fraktionen im Rahmen der Redezeiten noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Ulbig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Tatsächlich haben wir über dieses Thema im Plenum mehrfach diskutiert, und viele Anfragen haben sich auch mit diesem Thema beschäftigt. Übrigens hatte die NPD – zuletzt im April – dieses Thema im Plenum thematisiert.
Ich möchte gern noch einmal einige Punkte aus dieser Diskussion aufgreifen. Natürlich gibt es eine Gefährdungsanalyse, die dem Innenministerium vorliegt. Das ist nie bestritten worden. Es ging nur um die konkret bezeichnete und dem MDR vorliegende Gefährdungsanalyse. Natürlich ist es richtig, dass über Gefährdungsanalysen in der Öffentlichkeit nicht gesprochen wird. Herr Biesok hat gesagt, aus welchem Grund sie dem Grunde nach VS-VERTRAULICH, nur für den Dienstgebrauch, eingestuft sind.
Aber ich möchte, weil die Diskussion in der Öffentlichkeit geführt wird, hier so viel sagen: In dieser Gefährdungslage, Bewertung des Landeskriminalamts aus dem Jahr 2008 gab es eben keine konkreten Erkenntnisse für eine unmittelbare Gefährdung.
Nein, ich möchte erst zu Ende ausführen. – Herr Mann, Sie versuchen einen Widerspruch zu konstruieren, indem Sie gesagt haben: Aber warum sind denn dann Sicherheitsempfehlungen gegeben worden? – Diesen Widerspruch erkenne ich nicht. Es wurden tatsächlich baulichtechnische Sicherungsempfehlungen erstellt – Herr Bartl, das will ich auch aussprechen, weil das bisher nicht geklärt werden konnte –, die mit dem Betreiber auf der einen Seite und mit der obersten Luftsicherheitsbehörde, dem SMWA, erörtert wurden.
Und dann gibt es regelmäßig Gefährdungslagefortschreibungen für den Flughafen. Die letzte ist aus dem Jahr 2011. Dort ist klar zu erkennen, dass die empfohlenen baulichen Veränderungen – hier konkret aus dem Jahr 2008 – umgesetzt worden sind. Ich will das gern noch einmal aussprechen, weil das auch dieses neue Papier dokumentiert: Die Gefährdung von US-Militärangehörigen im Transitbereich des Flughafens Leipzig/Halle ist unwahrscheinlich, und dasselbe gilt selbstverständlich auch für die Passagiere im öffentlichen Bereich. – Bezogen auf die Diskussion, die wir geführt haben – Sie haben gesagt, da werden Verantwortungen verschoben – bedeutet das: Es gibt klare Zuständigkeiten von Verantwortung. Das bedeutet, dass generell die Bundespolizei für die Sicherheit auf dem Flughafen verantwortlich ist; im Außenbereich ist die Landespolizei zuständig. Diese führt in Abstimmung mit der Polizei lageangepasst geeignete Maßnahmen durch, um in diesem äußeren Bereich – nicht in dem Bereich im Inneren, in dem die Bundespolizei zuständig ist – die Sicherheit zu gewährleisten. Es gibt regelmäßige Sicherheitsgespräche des Flughafenbetreibers mit der Bundes- und der Landespolizei, und das entsprechende Sicherheitskonzept wird abgestimmt,
Frau Präsidentin! Herr Staatsminister! Ich habe aus dem LKA-Gutachten 2008 zitiert, den vermeintlichen Inhalt mit der Formulierung, dass also eine Terrorgefahr als wahrscheinlich eingestuft wird. Zitat: „Es ist kein größeres Problem, die völlig unvorbereiteten US-Truppen mit einem Anschlag zu treffen.“ – Haben Sie als SMI ein Gutachten vom LKA bekommen, in dem diese Aussagen getroffen wurden?
Falls ja, warum ist das Parlament 2010 bei der Behandlung des damaligen Antrags über diese Tatsache nicht in Kenntnis gesetzt worden? Es ist erklärt worden: Es gibt mit der militärisch-zivilen Mischnutzung keinerlei erhöhte Sicherheitsrisiken.
Meine zweite Frage – wenn ich sie anschließen darf; ich kann sie auch hinterher stellen, wenn es der Herr Minister zulässt – lautet: Ist es richtig, dass die Bundespolizei dieses gepanzerte Fahrzeug 94 zum Einsatz bringen wollte und es nur an Personalfragen gescheitert ist, oder stimmt das nicht? Geben Sie dem Parlament doch dazu bitte eine klare Auskunft.
Zum Ersten möchte ich noch einmal ganz klar sagen, dass in dem Gutachten in der Gefährdungslage/Bewertung des LKA vom Jahr 2008, welches mir vorliegt, keine konkreten Erkenntnisse über eine unmittelbare Gefährdung gegeben sind.
Meine erste Frage hat sich damit erübrigt. Meine zweite Frage lautet: Herr Minister, trifft es zu, dass nach dem neuen Landespolizeikonzept nur noch ein Kontaktbeamter der Landespolizei am Flughafen Leipzig/Halle stationiert sein wird?
Herr Mann, diesbezüglich möchte ich gern noch einmal auf das Feinkonzept der sächsischen Polizei, welches mehrfach Gegenstand der Diskussion im Plenum gewesen ist, verweisen: Gemäß diesem Feinkonzept zur zukünftigen Organisation der sächsischen Polizei ist die Einrichtung der dem künftigen Polizeirevier Leipzig zugeordneten Polizeistandorte Leipzig Flughafen sowie Schkeuditz vorgesehen, welche entsprechend mit Bürgerpolizisten versehen sein werden. Diese sollen dort als Ansprechpartner für die Bürger vor Ort gelten.
Dessen ungeachtet können im Bereich des Flughafens bei der Erforderlichkeit des operativen Streifendienstes des Polizeireviers Leipzig Nord Kräfte des Einsatzzuges bzw. der Kriminalpolizeiinspektion der dann örtlich zuständigen Polizeidirektion Leipzig auch im Zusammenwirken mit der Bundespolizei zum Einsatz kommen.
Ich bin eigentlich am Ende meines Vortrags. Ich hatte nur noch die beiden Fragen zulassen wollen. – Deswegen empfiehlt die Staatsregierung, den entsprechenden Antrag abzulehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Seidel, nur am Rande: Es ist ziemlich profan, ohne jede Gegenargumentation korrekter Art einfach zu erklären: Diejenigen, die das vom MDR recherchiert haben, hätten schon immer schlechte Sendungen und schlechte Recherchen gemacht. – Das halte ich für schwierig.
Zweitens: Der gängigste Kommentar zum Luftverkehrsgesetz stammt unter anderem von Professor Elmar Giemulla – ihn haben wir bereits 2010 zitiert, leider konnten wir ihn als Sachverständigen durch Verhinderung, aus anderen Gründen damals nicht gewinnen. Er hat sich nun, nachdem die Auseinandersetzung um den neuen Antrag vom MDR aktuell gemeldet wurde, erneut geäußert. Er sagt wörtlich: „Die Vermischung von zivilen und militärischen Transporten auf dem Flughafen Leipzig/ Halle hätte längst beendet werden müssen. Sowohl Zivilisten als auch Militärangehörige sind extrem gefährdet. Der bevorstehende Abzug der Truppen aus Afghanistan wird die militärischen Flugbewegungen in Leipzig nicht nur erhöhen, es ist zudem nicht auszuschließen, dass Terroristen nach derartig offenen Flanken suchen werden. Wer das für Panikmache hält, der sollte sich überlegen, welche Argumentationsbasis als politisch Verantwortlicher er denn hätte, wenn tatsächlich etwas passiert.“
Darüber hinaus sagt Giemulla: Wir brauchen eine andere Widmung für den Flughafen, so wie die Realitäten sind. Es lässt sich nicht abwiegeln: Mit der Frage des Rückzugs aus Afghanistan wird das militärische Segment noch zunehmen.
Es ist kaum zu fassen – das sage ich an der Stelle auch –: Ich habe heute früh auf der Herfahrt nach Dresden beim MDR Info die Position des hochverehrten Kollegen Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der mitregierenden Fraktion der FDP, gehört, der auf die heute angekündigte Debatte sinngemäß erklärt hat, dass, wenn die amerikanische Fußballnationalmannschaft in Deutschland bzw. in Sachsen spielt, sich ebenso eine erhöhte Verkehrssicherheitslage ergebe, aber daraus doch nicht gleich resultiere, dass man auf dem Flughafen etwas zur Erhöhung der Sicherheit unternehme.