Vielen Dank, Frau Kallenbach. – Nun für die CDU-Fraktion Herr Abg. Pohle; bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, recht vielen Dank. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Pflege und Erhaltung des baukulturellen Erbes stellt zweifellos einen sehr hohen Wert dar und, richtig, dieses Erbe ist von immenser Bedeutung für die Ausprägung regionaler, nationaler und europäischer Identität.
Diese Bedeutung wurde im Freistaat Sachsen frühzeitig erkannt. Der Zustand der Innenstädte von Dresden, Chemnitz, Leipzig, von Plauen und Görlitz, unserer klein- und Mittelstädte, unserer Dörfer, eines großen Teils unserer Schlösser und Burgen legt darüber Zeugnis ab. Sowohl unsere Bürger als auch die glücklicherweise wachsende Zahl der Touristen nimmt diesen Umstand anerkennend zur Kenntnis.
Hinter diesem Ergebnis steht eine gewaltige gesellschaftliche Kraftanstrengung. Nach 60 Jahren Zerstörung und Vernachlässigung durch Krieg und sozialistische Planwirtschaft war, und ist das eine große Herausforderung. Ohne den Einsatz von Landes-, Bundes- und europäischen Fördermitteln wäre dies so nicht zu bewältigen gewesen. Der Freistaat wurde hier von der ersten Stunde an seiner Verantwortung gerecht. Die Pflege des baukulturellen wie des gesamten kulturellen Erbes war, ist und bleibt Regierungshandeln der Sächsischen Staatsregierung.
Die Intention Ihres Antrages – der im Übrigen fast wörtlich aus dem Schreiben der Denkvereinigung und Netzwerke der Bundesrepublik Deutschland an EU-Kommissar Hahn vom 29.02.2012 abgeschrieben ist; hier wäre kreatives Weiterdenken sicher angebracht gewesen – wird von der Staatsregierung bereits erfüllt.
Nach meinem Kenntnisstand ist die Pflege des kulturellen Erbes bereits Bestandteil des Entwurfes der EFREVerordnung für die Förderperiode nach 2014 – wenn auch für Sachsen aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation mit
Einschränkungen versehen. Alle dahin gehenden Initiativen von Bundesrat und Bundesregierung wurden von der Staatsregierung mitgetragen und unterstützt. Abgesehen von dem – sagen wir einmal – nicht sehr kreativen Zustandekommen Ihres Antrages möchte ich hier einem weiteren Gedanken nachgehen: So erfreulich es ist, dass wir bei der Erfüllung unserer wichtigen Aufgaben auf EUFördermittel zurückgreifen können, so ist es doch kein Geheimnis, dass diese stetig sinken werden – nicht zuletzt aufgrund der erfreulichen Entwicklung unserer Wirtschaft.
Es stünde Ihnen deshalb nicht schlecht zu Gesicht, sich vielmehr Gedanken darüber zu machen, wie es in unserem Land zukünftig gelingen kann, diese wichtigen Aufgaben zunehmend aus eigener Kraft zu bewältigen. Da ist unsere Politik der Haushaltsdisziplin und -konsolidierung wohl das probateste Mittel. Vielleicht werden wir Sie in den anstehenden Haushaltsberatungen auch im Sinne der Erhaltung unseres kulturellen Erbes hinter uns haben.
Einen weiteren Gedanken möchte ich der Leipzig Charta an sich widmen. Ein sehr lobenswerter Gedanke besteht für mich – neben dem integrierten Stadtentwicklungsansatz – in der Betonung der Notwendigkeit der Selbst- und Mitbestimmung der Bürger. Das ist ein interessantes Gebiet, und da hat unsere versammelte Opposition gelegentlich noch einigen Nachholbedarf. In Dresden fällt mir dazu der Bau der Waldschlößchenbrücke ein. Die GRÜNEN zeigten sich seinerzeit keineswegs bereit, das überzeugende Bürgervotum für den Brückenbau zu akzeptieren und zum Ziel ihres politischen Handelns zu machen.
Aber auch der Blick auf meine noch von einem sozialdemokratischen Oberbürgermeister geführte Heimatstadt – ein sozialdemokratischer Bauminister hatte seine EUKollegen 2007 nach Leipzig eingeladen – ist in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. Allein aus meinem Wahlkreis kann ich zwei leuchtende Beispiele anführen, wie hoch regierende Sozialdemokraten den mündigen Bürger schätzen: Bei der Festlegung eines Gymnasialstandortes im Leipziger Osten werden die Bürger nahezu organisiert aus der Beteiligung ausgegrenzt und die Neuregelung der Unterbringung der Asylbewerber in Leipzig ist ein Musterbeispiel für Desinformation und Intransparenz. In beiden Fällen wird den Bürgern das Recht auf Selbst- und Mitbestimmung strikt verweigert.
In der Leipzig Charta heißt es dazu sinngemäß: Die Städte gehören weder den Politikern und Verwaltungen noch den Investoren. Alle seien für die Zukunft der Städte verantwortlich und müssen sich engagieren. Demokratische Staaten brauchen Demokratie vor Ort. In meinem Wahlkreis wird das jetzt übrigens geübt: CDU-Stadträte und Bürgervereine fordern die Umsetzung demokratischer Willensbildungsprozesse, und – erfreulich – einzelne Stadträte der GRÜNEN und der LINKEN haben sich dem angeschlossen.
Sie sehen, meine Damen und Herren: Die Leipzig Charta bietet viel mehr als Hinweise zur Erlangung von Fördermitteln, und die Ergebnisse bürgerschaftlichen Engagements sind viel mehr wert, als uns Brüssel jemals überweisen kann. Aber sie werden auch dann noch wirken, wenn nicht nur Leipzig, sondern ganz Sachsen Phasingout-Region ist.
Meine Damen und Herren! Es ist leider wie so oft: Sie picken sich nur die Körnchen aus dem Futter, die Ihnen gerade passen. Genauso verhält es sich mit Ihrem Antrag: teilweise überholt und in weiten Teilen zu kurz gedacht.
Ich hatte eine Nachfrage; die kann ich nun nicht mehr stellen, wenn der Kollege schon davoneilt oder eher flieht. – Danke schön.
Ich dachte, Sie wollten kurzintervenieren. – Meine Damen und Herren, wir setzen in der Aussprache fort. Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Dr. Külow; bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion unterstütze ich das Anliegen des vorliegenden Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das baukulturelle Erbe als Fördertatbestand mit Nachdruck in die laufenden und emotional recht aufgeladenen Verhandlungen über die Neugestaltung der EU-Regionalförderpolitik aufzunehmen. Auch wenn die sächsischen EU-Abgeordneten im vorliegenden Antrag nicht explizit erwähnt sind, so werden auch sie diese Initiative hoffentlich registrieren; denn gegenwärtig arbeiten alle Fraktionen an ihren Änderungsanträgen zu den vorliegenden Verordnungsentwürfen.
Im Übrigen macht sich auch der Ausschuss der Regionen – dieser Hinweis geht an die Adresse der Staatsregierung – inzwischen für dieses Thema stark. Zumindest dort ist die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt vom 24. Mai 2007 angekommen.
Die vorgesehene politische Hauptrichtung des Antrages fügt sich ein in eine Reihe von Initiativen und Anträgen der Linksfraktion, die mit Nachdruck darauf gerichtet sind, die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft zu schlagen und dabei – bei aller Ästhetik des Bauwerks – den Nutzen der Brücke nicht aus dem Auge zu verlieren. Ich erinnere nur an unsere parlamentarischen Initiativen zum Thema Industriekultur, die, bildlich gesprochen, darauf zielten, sich natürlich am Dresdner Zwinger und an der Görlitzer Altstadt zu erfreuen, aber dabei all die Städte nicht aus dem Auge zu verlieren, an denen viele Generationen die Werte schufen, um überall in Sachsen bekannte Prachtbauten überhaupt
Wir bekennen uns daher analog zur Industriekultur zu einer vergleichbaren Vorgehensweise mit dem baukulturellen Erbe im Kontext der gewachsenen europäischen Stadt,
die in der Leipzig Charta von 2007 bekanntlich als – ich zitiere – „ein wertvolles und unersetzbares Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgut“ definiert wurde.
Allerdings waren die fünf Jahre, die seit Annahme dieser wichtigen Erklärung verflossen sind, keineswegs von beharrlicher, leidenschaftlicher Umsetzung der darin formulierten Nachhaltigkeitsziele geprägt. Im Gegenteil, viel zu oft begnügten sich die üblichen Sonntagsredner damit, formal an die Leipzig Charta zu erinnern, während es doch darauf angekommen wäre, auf die schrittweise Umsetzung der anspruchsvollen Ziele zu drängen.
Insofern sind die von Frau Kallenbach bereits erwähnten bürgerschaftlichen Initiativen der Denkmalvereinigungen, Netzwerke und Stadtforen zu begrüßen, deren Forderungen – das haben wir gerade von Herrn Pohle gehört – auch das inhaltliche Fundament des Antrags bilden. Nach meiner Auffassung haben sich jedoch – neben vielem Richtigen – durch unkritische Übernahme einige Unschärfen bzw. Defizite in die insgesamt zwölf in der Antragsbegründung formulierten Zielsetzungen eingeschlichen.
Damit meine ich zum einen die Doppelung mit nationalen Ansätzen. Es gibt zu Altbauerhalt und Klimaschutz bereits diverse Bundesprogramme und KfW-Kredite. Deswegen wird nicht ganz ersichtlich, wo hier eigentlich die Spezifik der EU-Förderung angesiedelt ist. Dort, wo nationale Programme nicht greifen, fehlt – umgekehrt – die konkrete Benennung einer notwendigen EU-Förderung, wie bei der Anpassung der Altbaubestände an den demografischen Wandel.
Jetzt komme ich auf den Wahlkreis von Herrn Pohle zu sprechen: In ganz Volkmarsdorf-Nord und in großen Teilen Lindenaus gibt es beispielsweise keine Aufzüge.
Herr Pohle, ich weiß nicht, ob Ihr verkappter Ausflug in den aufziehenden Leipziger OBM-Wahlkampf besonders glücklich war; vielleicht war es auch eine Bewerbungsrede.
Im Gegensatz zu Ihnen haben wir schon einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin. Die CDU sucht ja verzweifelt seit fünfzehn Monaten.
(Christian Piwarz, CDU: Vorsicht! Die Entwicklung ist wohl an Ihnen vorbeigegangen – wie so vieles!)
Gut. – Baukulturelles Erbe bilden für DIE LINKE eben nicht nur die vornehmen bürgerlichen Quartiere in unseren Städten, sondern auch die vielen einstigen Arbeiterquartiere, die heute oftmals ein Mauerblümchendasein führen, weil sie schlichter gebaut wurden.
Im Sinne der Nachhaltigkeit halten wir es für angebracht, ja ratsam, bei aller Akzeptanz von städtebaulichen Umbrüchen nicht immer nur vordergründig an Abriss zu denken, sondern alle geeigneten Gebäude an gut erschlossenen, also nachhaltig optimierten Standorten zu erhalten und mit modernem, zeitgemäßem Wohnstandard und einem lebenswerten Umfeld aufzuwerten, damit sich die Bewohner dort wohlfühlen.
Dieser soziale Aspekt des Umgangs mit dem baukulturellen Erbe ist meiner Fraktion ein wichtiges Anliegen. Deshalb sollte in den anstehenden Verhandlungen über die künftige Verteilung der EU-Regionalfördermittel die ganz alltägliche Nutzung des modernisierten Vorhandenen eine zentrale Rolle spielen. Das ist umso wichtiger, als die ressourcengedüngten Bäume nun wirklich nicht mehr in den Himmel wachsen werden. Das ist auch wichtig, weil wir mit der Modernisierung unserer ererbten Bausubstanz zugleich die Voraussetzung dafür schaffen, dass sie, wie schon angedeutet, an die Anforderungen einer alternden Gesellschaft, die nun einmal andere Nutzungsmöglichkeiten und -kriterien erfordert, angepasst werden kann. Ein erhaltenswerter Altbau mit anzubauendem Lift und zeitgemäßem Klimaschutz, an einem integrierten Standort gelegen, ist gelebte Nachhaltigkeit in einer lebendig bleibenden Stadt. Das ist zugleich eine politische Zielvorstellung, für die wir uns nachdrücklich einsetzen. Für diese Strategie der Aufwertung des Vorhandenen wären europäische Fördermittel bestens eingesetzt.
Noch ein Aspekt ist aus unserer Sicht wichtig: „Wohnen im Baudenkmal“ war das Thema des Tages des offenen Denkmals 2003. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat schon damals den Denkmalbegriff – aus meiner Sicht: völlig zu Recht – sehr weit gefasst. Wir sollten uns daran orientieren und einen aktiven, keineswegs nur musealen Umgang mit dem baukulturellen Erbe pflegen.
Wie das konkret geht, kann man an der in Leipzig entwickelten Messe „denkmal“ sehr anschaulich sehen, einer Veranstaltung, die es längst zu europäischer Geltung geschafft hat.
Diesem in unserer Vergangenheit wurzelnden, sehr praktischen Zukunftsthema – baukulturelles Erbe –, zu dem sich europäische Experten alle zwei Jahre in Leipzig versammeln, um ihre besten Erfahrungen auszutauschen – im November 2012 ist es wieder so weit –, würde es gut zu Gesicht stehen, wenn Sachsen eine aktive Rolle bei der gebührenden Berücksichtigung des baukulturellen Erbes im neu zu justierenden europäischen Förderkanon spielen würde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Baukulturelles Erbe als wesentlichen Bestandteil bei der Überarbeitung der EU-Förderverordnung – dem können wir, liebe GRÜNE, voll zustimmen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, zumal Sachsen in einer ganz besonderen Situation ist: Hier gibt es im Vergleich zu anderen Bundesländern überdimensional viele Denkmale, baugeschützte Häuser und Grundstücke. Deswegen haben Sie, lieber Herr Minister Ulbig, viele Aufgaben, die Sie angehen müssen.