Ein starkes Deutschland kann es nur in einem starken Europa geben. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist verantwortliche Politik. Das ist verantwortliches Handeln, das ist eine klare Haltung für Europa.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa ist die beste Idee, die die Europäer hatten. Ich glaube, daran kann auch in diesem Haus kein Zweifel bestehen; denn Europa und die Europäische Union sind der in die Lebenswirklichkeit übersetzte Friedens- und Freiheitswille der Europäer.
Gerade wir als Deutsche müssen sehr dankbar sein den Gründungsvätern der Europäischen Union in Westdeutschland nach dem Krieg und vor allem den vielen europäischen Völkern, die zugelassen haben, dass wir nach dem Krieg dabei mitmachen konnten. Das steht für mich weit über den vielen anderen Dingen, die wir besprechen müssen, und das ist auch wichtiger als die oftmals wirtschaftlichen Vorteile, die wir als größte Nation Europas in und mit der Europäischen Union genießen. Deshalb ist es richtig, dass wir in Deutschland Solidarität zeigen in einem Moment, in dem es anderen in Europa schlechter geht als uns.
Gerade wir in Ostdeutschland und hier in Sachsen sollten daran keinen Zweifel haben, weil wir diese Solidarität in den letzten 20 Jahren selbst im Übermaß erhalten haben und sie noch einige Zeit erhalten werden – zum großen Teil von den westdeutschen Bundesländern, die sich auch Mühe geben müssen, das Geld für uns bereitzustellen. Auch dort fließt es längst nicht im Überfluss. Sie haben es getan. Mehr als insgesamt 60 Milliarden Euro haben wir seit den Neunzigerjahren an innerdeutscher Solidarität erfahren, wenn man den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt betrachtet. Auch aus den EU-Töpfen haben wir jede Menge Geld bekommen: mehr als 10 Milliarden Euro. Das ist Geld, das uns hier in Sachsen geholfen hat. Dafür sollten wir dankbar sein, meine Damen und Herren.
Diese Solidarität hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich unser Land so stark zum Guten verändert hat. Da sind wir an einem entscheidenden Punkt angelangt, meine Damen und Herren: Wir haben das Geld nicht einfach nur genommen, um alles so zu lassen, wie es ist, sondern wir haben aus dem Geld, aus der Solidarität etwas gemacht. Wir haben unser Land umgebaut. Wir haben es von einer maroden sozialistischen Planwirtschaft zu einer immer mehr wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft umgebaut mit allen Erscheinungen, die dazugehören. Wir haben Infrastruktur aufgebaut und unser Land fundamental verändert. Genau das muss man tun, wenn man die Hilfe von anderen bekommt: seine Strukturen anpacken und verändern. Wir in Sachsen haben das vorbildlich getan, meine Damen und Herren.
Wir haben investiert und modernisiert. Die Menschen in Sachsen haben den Freistaat zu einem der dynamischsten Wirtschaftsräume Europas gemacht, und das alles, weil man hier bereit gewesen ist, sein Land von Grund auf umzukrempeln.
Übrigens geschah das – und das wissen wir alle – mit allen negativen Begleiterscheinungen, die dieser Transformationsprozess mit sich brachte. Das waren der vorübergehende Zusammenbruch unserer Wirtschaftsstrukturen und die hohe Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren. Das sind schwere soziale Verwerfungen gewesen, der Wegfall von Liebgewonnenem und von Besitzständen, von Strukturen, an die man sich in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt hatte. Der persönliche Preis, den fast jeder hier zahlen musste, war enorm. Das waren oft Einkommensverluste, der Verlust des Arbeitsplatzes und eine bis zur Wende nicht gekannte Unsicherheit in der eigenen Biografie. Das war die Abwanderung. Familien sind dadurch zerrissen worden; das wissen Sie alle selbst. Viele Sachsen mussten komplett neue Berufe lernen, manchmal nicht nur einen. Oftmals waren es zwei oder drei und es folgte eine Umschulung der anderen. All das ist gewesen. Nahezu jede Biografie hier hat sich verändert und jede Biografie hat seit der Wende erhebliche Einschläge erfahren.
Genau das, meine Damen und Herren, beschreibt das europäische Dilemma, in dem wir uns zurzeit befinden; denn diese Staatsschuldenkrise kommt nicht vom Himmel, sondern sie ist selbst verursacht. Diejenigen, die jetzt unter den Rettungsschirm schlüpfen wollen, haben diese Krise selbst gemacht. Sie haben selbst die Gründe dafür geliefert, dass es ihren eigenen Ländern so schlecht geht. Sie haben – anders als wir hier – keine Reformbereitschaft gezeigt. Sie haben die Währungsunion dazu benutzt, um weiter über ihre eigenen Verhältnisse leben zu können, um weiterhin notwendige Strukturen nicht verändern zu müssen und Reformen nicht durchzuführen. Während die Politik hier mit dem durch Solidarität zur
Verfügung gestellten Geld bereit war, den Menschen etwas abzuverlangen, ist das in manchen Ländern Südeuropas eben nicht passiert. Deshalb stecken wir jetzt in diesem Dilemma, meine Damen und Herren.
Man hat über viele, viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Was passiert, wenn man über seine Verhältnisse lebt, das sehen wir in vielen Ländern. Das sehen wir in Spanien, in Italien, jetzt in Zypern und vor allem in Griechenland. Wer sich anschaut, was die politisch gemacht haben, der weiß, dass das eine Warnung ist – auch für den einen oder anderen Umverteiler hier in diesem Haus oder in Deutschland. Wenn in Griechenland jeder Fünfte im öffentlichen Dienst arbeitet, dann hat das eben Konsequenzen. Wenn in Griechenland über die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst Konsumanreize geschaffen werden, dann endet das genau dort, wo Griechenland momentan steht. Wenn ich keine vernünftige Finanzverwaltung und Kontrolle der Steuereinnahmen habe, dann geht das nicht. Wenn ich mir einen Lebensstandard leiste, der nicht durch meine Arbeitsproduktivität, die ich im Land schaffe, abgedeckt ist, dann endet es in dem griechischen Problem.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Deutschland und gerade hier in Sachsen explizit einen anderen Weg gehen.
Meine Damen und Herren! Deshalb liegt es in unserem nationalen Interesse und deshalb ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass, wenn wir Solidarität zeigen, wir diese Solidarität an Bedingungen knüpfen. Ja, wir helfen, aber wir verlangen auch, dass die anderen Länder ähnliche Reformen angehen, wie wir sie hier in Ostdeutschland seit der Wende durchgeführt haben. Das ist das Mindeste, was wir verlangen können, wenn wir helfen.
Wie das geht, zeigen ja andere Länder in Europa. Ich warne davor, immer nur nach Westeuropa zu schauen, darauf zu schauen, was Frankreich, Spanien und Italien machen – die großen Nationen, na klar! Schauen wir nach Osteuropa! Dort haben wir eine ganz andere Situation. Wir sehen Völker und Nationen, die genau wie wir in Sachsen diese schmerzlichen Prozesse hinter sich haben, die nicht nur nach Hilfe gerufen und diese auch bekommen haben, sondern die auch selbst bereit waren, Einschnitte vorzunehmen, um ihr Land wieder besser zu organisieren und zu reformieren.
Das Beispiel Lettland kennen Sie. Was dort passiert ist, waren dramatische Veränderungen: 2009 18 % Einbruch der Wirtschaftskraft. Inzwischen hat man wieder ein Wachstum erreicht. Wodurch wurde das geschafft? – Der Staatshaushalt wurde um 17 % heruntergefahren. Man hat die öffentlichen Gehälter um 40 % beschnitten. Das muss
erst einmal ein Land aushalten! Das war mit Sicherheit keine Entscheidung, die man dort gerne getroffen hat. Man hat die Zahl der Staatsbediensteten in Lettland um 30 % reduziert. Was dazu für Mut gehört, das zu tun, insbesondere für so ein kleines Land wie Lettland, ist beachtlich.
Jetzt zu fordern, dass osteuropäische Staaten, die so harte Reformen gemacht haben wie zum Beispiel Lettland, Tschechien, Polen und die Slowakei, für Griechenland zahlen sollen, obwohl die Durchschnittseinkommen in Tschechien, in Polen, in der Slowakei und im Baltikum immer noch niedriger sind als in Griechenland, wo die Pensionsansprüche ein Bruchteil davon sind, das kann nicht Sinn der europäischen Idee sein. Eigenverantwortung muss wieder gestärkt werden, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Zastrow, können Sie mir beantworten, wer die Verursacher dieser Misere sind, die Sie gerade in Osteuropa beschrieben haben und die sich heute hier als die Retter der Nation aufspielen, als die Retter, die beim Bürger sind, die diese Dinge heute am liebsten gar nicht geschehen lassen wollten? Welche Ursachen gibt es dafür?
Ich kann sie namentlich benennen. Jemand, der eine Verantwortung in Deutschland und auch für die gesamteuropäische Misere trägt, das ist die frühere rot-grüne Bundesregierung, die verursacht hat, dass wir in Deutschland zuerst die Maastrich-Kriterien selbst gerissen haben. Das ist die Wurzel allen Übels, und das wollen wir doch einmal festhalten.
Ansonsten, meine Damen und Herren, sind es oftmals diejenigen, die unter dem Deckmantel, wir bräuchten jetzt zur Bewältigung der Krise „mehr Europa“, ihre eigenen Absichten ja nur tarnen; denn mit „mehr Europa“ meinen ja die meisten gerade aus den links-grünen Parteien weniger Eigenverantwortung. Das ist die Wahrheit! „Mehr Europa“ heißt, ich delegiere Verantwortung in irgendeinen imaginären Raum, aber selber persönlich stehe ich nicht dazu. Genau das ist falsch, und das ist eine Ursache für die Krise in Europa, meine Damen und Herren.
Sie von der SPD schütteln gerade den Kopf. Es ist zum Beispiel Ihr Herr Gabriel. Ich kenne Herrn Gabriel, er ist ja der Gesandte des französischen Präsidenten in Berlin.
Ich kenne niemanden in Deutschland, der leidenschaftlicher fremde, französische Interessen vertritt.
Aber seine Politik bedeutet für uns die größte Gefahr, auch für Sachsen. Er spricht von der Vergemeinschaftung der Schulden. Er ist derjenige, der das falscheste Instrument, das man gerade aus Sicht deutscher Interessen nehmen kann, die Eurobonds, wie eine Monstranz vor sich herträgt, der am Ende all denjenigen, für die Eigenverantwortung keine Rolle spielt, den roten Teppich ausrollt. Genau das ist der Totengräber der europäischen Idee. Zur europäischen Idee gehört Eigenverantwortung.
Wer mit „mehr Europa“ die Vergesellschaftung von Verantwortung meint – das meinen ganz, ganz viele –, das ist das, was Steffen Flath vorhin organisierte Verantwortungslosigkeit aus der Endphase der DDR beschrieben hat. Genau das ist das Dilemma. Keiner ist mehr für irgendetwas verantwortlich in der Gesellschaft. Das haben wir auch an vielen anderen Stellen. Ross und Reiter zu benennen, selber zu haften für das, was man tut, das muss privat gelten, das muss in der Wirtschaft gelten, aber auch für Staaten, meine Damen und Herren.
Ich bin auch nicht bereit zu akzeptieren, dass man die tatsächliche demokratische Kontrolle, wie wir sie hier im Land und im Bund haben, in eine europäische Staatsbürokratie überführen will, wo am Ende der Bürger keine Chance mehr hat zu sehen, wie Entscheidungsprozesse wirklich laufen. Wir kennen das ja jetzt schon aus Brüssel. Wenn der Bürger keine Chance hat mitzubestimmen und wir am Ende eine europäische Staatsbürokratie haben, die in jeden Lebensbereich hineinregieren will, das würde für mich, meine Damen und Herren, bedeuten, dass wir ein Weniger an Freiheit haben, und wir als FDP können ein Weniger an Freiheit nicht akzeptieren.
Ich weiß, dass einige von Ihnen von den Vereinigten Staaten von Europa träumen, quasi als Vollendung der sozialistischen Internationale. Das hat ja zuletzt nicht so richtig geklappt, aber jetzt gibt es eine neue Chance, das Projekt noch einmal anzugehen. Ich weiß, dass es Länder in Europa gibt, im Übrigen liegen komischerweise alle in West- und Südeuropa, in Ländern, die niemals Sozialismus kennengelernt haben und niemals im Sozialismus leben mussten, die jetzt planwirtschaftliche Lösungsvorschläge vorbringen. Warum kommen diese Ideen nie aus Polen, aus dem Baltikum, aus Tschechien, Rumänien oder der Slowakei, meine Damen und Herren? – Weil all diese
Länder wissen, wohin das führt. Wir wissen es auch. Deswegen lehnen wir ein solches Europa, lieber Martin Dulig, ab.
Wir sollten mehr nach Osteuropa blicken. Da sind unsere Verbündeten. Die ticken wie wir. Sie wissen nämlich, was kommt. Deswegen ist es wichtig für uns, und ich bin auch sehr stolz, dass wir jetzt die Verbindungsbüros in Prag und Breslau haben. Das ist mein Europa, ein Europa, in dem Regionen eine viel größere Rolle spielen. Es ist genau das richtige Signal. Es kommt zur richtigen Zeit.
Weil das vorhin von der SPD angesprochen worden ist – nein, Deutschland kann in Europa nicht der Moderator sein. Europa ist kein Arbeitskreis, und die größte Nation in Europa wird sich nicht auf die Moderatorenrolle zurückziehen. Wir haben Führungsverantwortung in Europa zu übernehmen, und dieser werden wir gerecht, meine Damen und Herren. Nichts anderes!