Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

Für die NPD-Fraktion ist klar: Der Nationalsozialismus und das Dritte Reich sind für uns Bestandteile der deutschen Geschichte, die eben unteilbar ist. Die Geschichte unserer Nation ist kompliziert, manchmal und sehr oft war sie auch tragisch. Sie verträgt auf jeden Fall keine Schwarz-Weiß-Malerei. Unser Partei- und Fraktionsvorsitzender Holger Apfel hat im Gespräch mit dem „Spiegel“ deutlich erklärt, dass er den Holocaust für ein Ver

brechen hält. Ich glaube, dass damit alles gesagt ist. Klar ist für uns aber auch: Wer darüber anderer Meinung ist, der gehört nicht hinter Gitter, sondern er ist ein Andersdenkender, dessen Ansicht man von Ihrer Seite genauso zu erdulden hat, wie wir Ihre einseitigen Schuld- und Bußbekenntnisse tagtäglich erdulden müssen.

Ich komme jetzt zum letzten vermeintlichen Ideologiefragment, der angeblichen Verächtlichmachung von Verantwortungsträgern und Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates. Dazu heißt es auf Seite 11 der Großen Anfrage: „Der demokratische Rechtsstaat sowie seine Repräsentanten und Einrichtungen werden von der NPD vielfach diffamiert, um das Vertrauen in die demokratische Staatsform zu untergraben.“ Zum Vertrauensverlust, meine Damen und Herren, tragen doch vor allem Sie selbst und Ihre Politik bei.

(Beifall bei der NPD)

Da bedarf es doch gar keiner Agitation durch die NPD. Dieser Punkt ist besonders demokratie- und freiheitsfeindlich und auch besonders lächerlich, weil hier auf plumpe Weise Kritiker an den gegenwärtigen politischen Zuständen zu Verfassungsfeinden gestempelt werden. Wenn hier jemand diffamiert, dann ist es der sogenannte Verfassungsschutz und die hinter ihm stehende Staatsregierung.

Noch ein letztes Zitat, nämlich eine Definition zum Thema Opposition von Claus Leggewie und Horst Meier in ihrem Buch „Nach dem Verfassungsschutz“: „Von Opposition, die der Regierung aus der Hand frisst, ist nichts zu erwarten. Mit Opposition, die nicht schlimmer ist als der Verfassungsschutz erlaubt, ist etwas faul. Kurz und gut – Opposition, die nicht entschieden zu weit geht, ist keine, so wie Demokratie keine ist, die solche Opposition nicht zu integrieren versteht.“

Meine Damen und Herren! Egal, wie oft die AntifaOpposition hier noch Anfragen stellen wird und wir uns mit Aussagen der Staatsregierung auseinandersetzen müssen, die dem gleichen Ungeist entspringen – Sie werden die nationale Opposition weder hier im Haus noch draußen im Land kaputtmachen können, wie es sich Innenminister Markus Ulbig neulich gewünscht hat und womit er im Grunde genommen ein knallhart totalitäres Weltbild offenbart hat. Der Einsatz von Lebensinteressen des deutschen Volkes lässt sich nicht verbieten.

Um noch einmal auf meine Vorredner, Frau Köditz und Herrn Homann, einzugehen: Beide sind jetzt natürlich nicht mehr da, weil Sie es sich nicht mehr anhören wollen. Ich wollte beide einladen, dass sie in der von mir herausgegebenen Zeitschrift „hier & jetzt“ jederzeit gerne publizieren können. Denn wir legen im Gegensatz zu Ihnen auf eine wirkliche Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links noch wert. Ich freue mich also immer, wenn ich andere Argumente hören kann. Das unterscheidet uns von der sogenannten Mitte, von der sogenannten LINKEN, dass wir noch Lust am Konflikt, Lust am Streit, an der demokratischen Auseinandersetzung haben. Das

werden wir uns auch nicht von dem Gesinnungsstaat, der sich hier mittlerweile etabliert, nehmen lassen.

Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Jennerjahn, möchten Sie eine Kurzintervention abgeben oder einen Redebeitrag halten?

(Miro Jennerjahn, GRÜNE: Einen Redebeitrag!)

Dann würde ich eine zweite Runde aufrufen. Herr Jennerjahn, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank. Da ich den ungewohnten Luxus habe, noch einige Minuten Redezeit übrig zu haben, nutze ich diese für eine zweite Runde. Ich möchte auf einige wenige Aspekte noch einmal eingehen.

Herr Hartmann, Sie haben selbstverständlich recht. Vieles von dem, was wir abgefragt haben, kann man auch im Verfassungsschutzbericht nachlesen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Sie können davon ausgehen, dass ich die einschlägige Literatur zur Kenntnis nehme und auch ein Stück weit verinnerlicht habe. Worum es mir aber mit den Fragestellungen im Kern geht, ist: Bekommen wir auf diese Fragestellung hin mehr Wissen präsentiert, als in dem spärlichen Verfassungsschutzbericht steht? – Da muss ich feststellen: Wir bekommen leider nicht wirklich mehr Wissen präsentiert. Das finde ich durchaus problematisch.

Ich behaupte auch nicht, dass wir mit der Großen Anfrage in der Lage wären, ein vollumfängliches Bild der extremen Rechten in Sachsen zu zeichnen. Darum geht es auch gar nicht. Die Große Anfrage war aus meiner Sicht vor allem dazu da und dafür geeignet, Rückschlüsse auf die Problemwahrnehmung bezüglich der extremen Rechten in Sachsen durch sächsische Behörden zu ziehen. Wenn Sie sagen, Herr Hartmann, wir brauchten eigentlich einen gesellschaftlichen Diskussionsprozess, stimme ich Ihnen auch da sofort zu. Das ist ja der Kern unseres Anliegens, das wir hier immer wieder formuliert haben.

Aber es gibt doch einen Lücke bzw. eine Diskrepanz zwischen dem Anspruch, den wir beide formulieren, und der Realität, dass de facto das Landesamt für Verfassungsschutz eine Deutungshoheit darüber hat, was rechtsextremistisch ist und was nicht. Das ist ein Problem, und diese Deutungshoheit müssen wir ein Stück weit aufbrechen und hinterfragen.

Dann zu Herrn Karabinski. Sie haben darauf abgestellt, dass Sie nachvollziehen könnten, dass die Staatsregierung an der einen oder anderen Stelle nicht geantwortet hat, und haben dabei auf die Frage der V-Leute abgezielt. Da frage ich mich doch ernsthaft: Bekommen Sie eigentlich mit, was wir seit dem 4. November 2011 in diesem Land diskutieren?

Wir kennen aus Thüringen das Beispiel von Herrn Brandt, der lange Jahre V-Mann des thüringischen Verfassungs

schutzes war, der offensichtlich mindestens 200 000 DM bekommen hat und mit diesen 200 000 DM eifrig seine Nazistrukturen aufgebaut hat – mit Steuergeldern. Wir kennen das Landser-Verfahren, bei dem Neonazis, die an der Produktion der Landser-CD beteiligt waren, V-Leute waren – mit Steuergeld finanziert. Selbstverständlich möchte ich gern wissen, was mit meinem Steuergeld passiert. Deswegen frage ich nach, welche Qualitätskriterien für die Führung von V-Leuten existieren.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Dass nicht jedes einzelne Detail in der Antwort auf eine Große Anfrage präsentiert wird, das ist mir, verdammt noch einmal, auch klar. Aber es ist doch wohl möglich, allgemeine Grundsätze dazu zu präsentieren, welche Qualitätsstandards dort überhaupt angelegt werden.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich könnte weitermachen. Ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben. Seit gestern oder vorgestern geistert durch den Raum, dass ein Mitarbeiter des badenwürttembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz einem Mitglied des Ku-Klux-Klans, das gleichzeitig V-Mann in Baden-Württemberg war, über Observationsmaßnahmen unterrichtet hat. Passenderweise war zu dieser Zeit gerade Helmut Rannacher LfV-Präsident. Helmut Rannacher ist ein Mitglied der unabhängigen Untersuchungskommission in Sachsen, einberufen von Herrn Markus Ulbig,

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

die uns Vorschläge unterbreiten soll, wie das LfV in Sachsen neu zu strukturieren ist. Da frage ich mich doch: Wo sind wir hier eigentlich?

Wir hatten das Beispiel Berlin. Herr Körting hatte den Anstand, aus der Bund-Länder-Kommission zur Aufklärung des NSU freiwillig auszutreten, weil Aktenvorgänge bekannt geworden sind, die möglicherweise in seiner Amtszeit angelegt worden sind, die nicht rechtzeitig dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Verfügung gestellt worden sind. Ganz ehrlich, ich erwarte von Herrn Rannacher, dass auch er sein Mandat im Rahmen der Kommission in Sachsen niederlegt. Wenn er das nicht tut, dann ist Herr Ulbig in der Pflicht, Herrn Rannacher aus dieser Kommission zu entfernen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wünscht noch ein Abgeordneter in der zweiten Runde das Wort? – Das kann ich erkennen. Herr Hartmann für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die wir über die Frage des Extremismusbegriffes führen, die Befürchtung des fließenden Übergangs von rechtsradikalen, rechtskonservativen Strukturen, ist

gesellschaftspolitisch verständlich, sie ist vielleicht parteipolitisch auch nützlich, ich denke aber, sie hilft in der Sache nicht weiter. Wir sind an diesem Punkt einfach in drei zentralen Diskussionen. Die eine betrifft die Frage: Was ist die Aufgabe des Staates im Umgang mit Extremismus, was ist sein Bewertungsmaßstab? – Da wiederhole ich mich: Maßstab der Bewertung staatlichen Handelns ist an dieser Stelle die Frage, ob es einen Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung, einen Angriff auf die Ausübung von Grundrechten, auf unsere gesellschaftliche Kultur gibt. Die Aufgabe der Bewertung des Staates ist nicht die Frage der Ausübung der Meinungsfreiheit, ob diese mir passt oder nicht. Auch bei der Feststellung von Straftaten ist es nicht Sache staatlichen Handelns, Gerichtsverfahren zu beurteilen und zu beschleunigen, sondern wir sprechen über eine unabhängige Justiz und nach Artikel 97 Grundgesetz auch über eine richterliche Unabhängigkeit.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Unter dem Blick der politischen Neutralitätspflicht des Staates und seiner Institutionen und der Frage der Bewertung, ist es ein zentraler Unterschied, ob der Vorgang extremistisch, nämlich ein Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung ist, oder eine politische Meinungsäußerung, die mir vielleicht gesellschaftlich nicht passt. Deswegen müssen wir die Diskussionen auch in zwei unterschiedlichen Räumen führen.

Diese zweite Diskussion über die Frage, was die Gesellschaft, was wir alle für eine Bewertung zum Umgang mit Rechtsextremismus, mit extremistischen oder auch rechten Positionen haben, müssen wir miteinander führen. Das bedarf einer wissenschaftlichen Bewertung, einer gesellschaftlichen Diskussion. Das muss getrennt werden.

Was wir nicht mittragen können, sind Ihre Versuche, das eine mit dem anderen zu verbinden. Der Staat ist nicht Erfüllungsgehilfe gesellschaftlicher Diskussionen, sondern er achtet darauf, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Grundrechte in diesem Land gewahrt werden.

Einen letzten Punkt erlauben Sie mir aufzunehmen. Mir ist völlig entgangen, ob Herr Jennerjahn den Entschließungsantrag schon eingebracht hat. Ich meine eher: nicht. Dann würde ich an dieser Stelle auf meine Ausführungen verzichten und entgegen den Vorrednern auf die Einbringung warten.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen habe ich in der zweiten Runde nicht erkannt. Ich frage trotzdem noch einmal. – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass es bei der Bewertung der Antwort zu dieser Großen Anfrage zu unterschiedlichen Bewertungsergebnissen kommt, war von vornherein abzusehen. Das gehört aber aus meiner Sicht zu einer demokratischen Auseinandersetzung.

Aber eines möchte ich für die Staatsregierung zu Beginn noch einmal klarstellen: Wir treten jeder Form von Extremismus, jeder Form von Gewalt und Terror entschieden entgegen. Mit Blick auf die Fallzahlen und auch aufgrund der Bewertung der Informationen des Landesamtes für Verfassungsschutz gilt nach wie vor unser besonderes Augenmerk der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus wird von uns ein ganzheitlicher Ansatz aus einer präventiven und einer repressiven Strategie verfolgt. Das heißt, wir setzen auf der einen Seite auf die konsequente Verfolgung von rechtsextremistischen Gewalt- und Straftaten. Aber auf der anderen Seite setzen wir auf Aufklärung, auf Information und auf die politische argumentative Auseinandersetzung.

Diese Strategie von Prävention und Repression hat sich dem Grunde nach bewährt und muss natürlich der Situation angepasst fortgesetzt werden. Gerade im Fallkomplex NSU ist deutlich geworden, dass es Defizite gab und dass Veränderungen notwendig sind. Einiges ist schon umgesetzt. Dazu werde ich noch etwas sagen. Anderes muss aus der laufenden Diskussion heraus noch entwickelt werden.

Eines muss uns klar sein: Wir befinden uns gerade hier noch in einem laufenden Prozess, und die Aufklärungen in diesem Fall NSU sind noch nicht abgeschlossen. Ebenso wenig sind die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden können, schon endgültig, auch wenn das derzeit in der Diskussion schon immer verlangt wird. Aus meiner Sicht hat es wenig Sinn, die Ergebnisse gerade dieser Diskussion schon vorwegzunehmen. Dabei ist natürlich die Zielrichtung klar, und die Bemühungen müssen hier in allen Bereichen verstärkt werden. Aber das Ergebnis der Diskussion muss sicherlich abgewartet werden.

Dazu gehören selbstverständlich Optimierungen, gerade beim Landesamt für Verfassungsschutz. Ich habe hierzu eine Expertenkommission eingesetzt. Diese soll die Strukturen und die Arbeitsweise gründlich prüfen und danach Handlungsempfehlungen einerseits zu Neustrukturierungen bzw. zur besseren Arbeitsweise gerade im Rechtsextremismus geben und andererseits natürlich auch noch einmal die Probleme, die in diesem Bereich vorhanden waren, aufklären. Ergebnisse können wir Anfang des kommenden Jahres erwarten.

Einen Punkt, der mir in der Diskussion, gerade was das Thema Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus

anbetrifft, zu kurz gekommen ist, möchte ich jetzt noch einmal ansprechen. Das ist das Thema Prävention.

Wir haben bereits im letzten Jahr mit dem Landesamt für Verfassungsschutz das Forum „Starke Demokratie“ und damit die Präventionsarbeit in diesem Bereich ausgebaut. Hier sind die wichtigsten Entscheidungsträger, nämlich die Landkreise, die Städte und Gemeinden, an einem Tisch. Zusammen mit den Experten des LfV und weiteren Fachleuten geht es darum, Aufklärung und Hilfestellung beim Umgang mit Rechtsextremismus zu geben.