1. Hält die Staatsregierung eine Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten
2. Wie verhält sich die Staatsregierung zur Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Hamburg und Sachsen-Anhalt für Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilter?
Zu Frage 1: Die Staatsregierung geht davon aus, dass aus heutiger Sicht den aufgrund der bis 1969 in der Bundesrepublik wegen der Strafnorm des § 175 StGB (alt) verurteilten Männern Unrecht widerfahren ist.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren vor dem Hintergrund der damaligen Sitten- und Moralvorstellungen auch einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern strafbar, wobei man in der BRD auch nach 1945 die erst von den Nationalsozialisten verschärfte Fassung der §§ 175, 175a StGB Geltung beibehalten hatte.
Auch in der ehemaligen DDR kehrte man im Zeitraum 1950 bis 1968 zur materiell-rechtlichen Regelung des § 175 StGB in der Fassung von vor 1935 zurück, wonach zumindest beischlafähnliche Handlungen unter Strafe gestellt waren. Die Kriminalisierung einvernehmlich sexueller Handlungen zwischen erwachsenen Männern wäre heute als Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz zu werten.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits mehrfach festgestellt, dass eine Gesetzgebung, die einvernehmlich homosexuelle Handlungen von Erwachsenen unter Strafe stellt, gegen das Recht auf Privatleben verstößt.
Mit der Ergänzung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 23. Juli 2002 wurden pauschal alle diejenigen Urteile aufgehoben, die unter nationalsozialistischer Herrschaft nach den §§ 175, 175a Nr. 4 RStGB ergangen waren.
Dies führt heute zu dem Widerspruch, dass diejenigen, die nach den gleichen Bestimmungen im Nationalsozialismus verurteilt wurden, rehabilitiert sind und unter Umständen auch ein Recht auf materielle Entschädigung haben. Wer hingegen später auf Grundlage der identischen Strafrechtsregelung verurteilt wurde, ist hingegen bis heute nicht rehabilitiert.
Das Staatsministerium der Justiz und für Europa hält daher eine Prüfung der Frage nach Rehabilitierung – nicht aber eine Entschädigung – für angebracht.
Zu Frage 2: Der Freistaat Sachsen hat sich im Rahmen der Sitzung des Bundesrates vom 12. Oktober 2012 zum Entschließungsantrag der Stimme enthalten.
Durchsetzung der europa- und bundesrechtlich gebotenen Gleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in Sachsen (Frage Nr. 9)
1. Welche konkreten Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 19. Juni 2012 (Aktenzeichen: 2 BvR 1397/09) zur Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Rahmen des beamtenrechtlichen Familienzuschlags für das sächsische Besoldungsrecht?
2. Welche konkreten Aktivitäten in der Verwaltung des Freistaates Sachsen sind zur Umsetzung des Beschlusses besonders hinsichtlich seiner Festlegungen über die Rückwirkung der Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft seit dem 1. August 2001 vorgesehen?
Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich Ihre Mündliche Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Im Rahmen der Reform des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts ist die umfassende Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im sächsischen Landesrecht vorgesehen.
Zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 ist eine gesetzliche Regelung geplant, die die Gleichstellung im Besoldungsrecht und darüber hinaus auch im Versorgungsrecht rückwirkend ab dem 1. August 2001 vorsieht. Ein Anspruch auf Nachzahlung der entsprechenden Leistungen besteht, wenn die Berechtigten ihre Ansprüche zeitnah, das heißt im jeweils laufenden Haushaltsjahr, geltend gemacht haben.
Zu Frage 2: Nach dem Inkrafttreten der geplanten Regelung wird in den betreffenden Einzelfällen eine Nachzahlung der zustehenden Leistungen ab dem Haushaltsjahr erfolgen, in dem der Antrag gestellt wurde.
Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE: Umstände der Errichtung von Staatsbetrieben des Freistaates Sachsen (Frage Nr. 11)
1. Zu welchem Zeitpunkt und Kraft welchen konkreten Rechtsaktes wurden der Staatsbetrieb Staatsschauspiel Dresden und der Staatsbetrieb Sächsische Staatsoper errichtet und in welcher Weise sind Dritten diese Informationen öffentlich zugänglich?
2. Zu welchem konkreten Zweck und auf welcher konkreten Rechtsgrundlage wurden der Staatsbetrieb Staatsschauspiel Dresden und der Staatsbetrieb Sächsische Staatsoper seinerzeit errichtet?
Sowohl die Sächsische Staatsoper Dresden als auch das Staatsschauspiel Dresden wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1997 durch Beschluss des Sächsischen Landtages vom 13. Dezember 1996 zum Haushaltsgesetz 1997 in Staatsbetriebe des Freistaates Sachsen nach § 26 SäHO umgewandelt. Das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für das Haushaltsjahr 1997 vom 13. Dezember 1996 wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt 1996, Nr. 25, S. 531 veröffentlicht.
Als Zweck der Staatsoper wurde seinerzeit die Produktion und Aufführung von musikdramatischen Werken, Ballette und Konzerten bestimmt. Beim Staatsschauspiel richtete sich die Zweckdefinition insbesondere auf Produktionen und Aufführungen von dramatischen Werken und Lesungen in hoher künstlerischer Qualität.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Verständnis. Bei Tagesordnungspunkt 9 ist mir ein Versehen unterlaufen. Ich habe eine Wortmeldung übersehen und rufe diesen Tagesordnungspunkt deshalb noch einmal auf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Möglichkeit, dass auch die SPD-Fraktion Gelegenheit hat, dem wichtigen Thema des Berichtes des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses zum Jugendstrafvollzug die
Vielen Dank, Herr Dulig. – Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 9 nun wirklich beendet.
Ich bedanke mich im Namen der SPD-Fraktion für den vorliegenden Bericht. Wir alle haben bei der Verabschiedung des Jugendstrafvollzugsgesetzes diese Berichtspflicht gemeinsam beschlossen. Das
war eine gute Entscheidung. Denn so ist gesichert, dass dieses Thema regelmäßig unsere parlamentarische Aufmerksamkeit erhält. Wir wünschen uns eine solche Berichtspflicht auch beim Strafvollzug an Erwachsenen.
Über ein sächsisches Strafvollzugsgesetz werden wir in den nächsten Monaten diskutieren. Wir regen schon jetzt an, auch dort die Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung im Gesetz zu verankern.
Ich möchte auf einen Punkt kurz eingehen. Wie Sie alle wissen, ist der Jugendstrafvollzug in Sachsen zentralisiert: Nahezu alle jugendlichen Strafgefangenen sind in unserer Jugendstrafvollzugsanstalt in Regis-Breitingen untergebracht. Das hat natürlich Vorteile: So können speziell auf Jugendliche zugeschnittene Betreuungs- und Behandlungsangebote gemacht werden. Da ist der sächsische Jugendstrafvollzug beispielgebend und wird zu Recht von vielen Seiten gelobt. Es hat aber auch den Nachteil, dass die Jugendlichen nicht heimatnah untergebracht sind. Denn natürlich stammen sie nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Sachsen.
Zum Stichtag 1. November 2011 waren in RegisBreitingen beispielsweise 31 Jugendliche aus Chemnitz, 49 Jugendliche aus Dresden und 58 Jugendliche aus Leipzig inhaftiert. Aus dem Landkreis Görlitz kamen 27 Insassen.
Warum ist das wichtig? Ein wesentliches Ziel des Strafvollzuges ist die Resozialisierung, also die Befähigung der Insassen, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern und künftig in eigener Verantwortung ein straffreies Leben zu führen. Dabei spielt ein geordnetes Umfeld eine ganz entscheidende Rolle. Es ist wichtig, dass die familiären Bindungen in der Haftzeit aufrechterhalten werden, dass ein positives soziales Umfeld aufgebaut wird und dass die Entlassung gut vorbereitet werden kann: mit Lockerungen und Hafturlaub, mit einer Wohnung, einer Arbeit und einem sozialen Netz, das bei der Resozialisierung hilft.
Nun habe ich vorhin als Beispiel den Landkreis Görlitz angesprochen. Zwischen Görlitz und unserer Jugendstrafvollzugsanstalt in Regis-Breitingen liegen 230 Kilometer. Das ist eine große Entfernung. Nicht allen Familienmitgliedern ist es möglich, diese Strecke für den Besuch mehrmals im Monat zurückzulegen. Ausgänge, beispielsweise zur Erledigung von Terminen bei Behörden, sind bei der Entfernung kaum machbar. Gerade wenn wir bedenken, aus welchen sozialen Verhältnissen die Inhaftierten kommen, wird hier ein Nachteil der zentralisierten Unterbringung deutlich.
Es ist deshalb wichtig, dass wenigstens in den letzten Haftmonaten darauf geachtet wird, die Jugendlichen heimatnah unterzubringen. Nur so ist eine tatsächliche Wiedereingliederung möglich.
Der Bericht zeigt auf, dass durchschnittlich nur rund zehn Inhaftierte in eine Anstalt nahe ihrer Heimat verlegt werden. Er zeigt auch, dass nur ein ebenso geringer Teil der Inhaftierten im offenen Vollzug untergebracht ist. Wir denken, dass das zu wenig ist. Wir wünschen uns, dass die
heimatnahe Unterbringung zur Entlassungsvorbereitung und dass der offene Vollzug künftig mehr Gewicht bekommen. Das wurde auch in der Anhörung zum 1. Bericht über den Jugendstrafvollzug deutlich. Dort haben die Sachverständigen die Wichtigkeit des offenen Vollzuges und der heimatnahen Unterbringung sehr betont.
Ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen. Im Bericht sind die Delikte aufgeführt, wegen derer die Jugendlichen einsitzen. Es gibt zwei große Bereiche, die zusammen fast drei Viertel aller Straftaten ausmachen. Das sind zum einen Gewaltdelikte, also Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, und zum anderen – grob gesagt – Eigentumsdelikte, also Diebstahl, Betrug und dergleichen. Diese Straftaten sind immer auch ein Spiegel unserer Gesellschaft.
Als Anstaltsbeirätin habe ich oft die Gelegenheit, mir die Biographien von Straftätern näher zu Gemüte zu führen. Sehr oft begegnen mir dabei Menschen, deren Leben schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt sehr weit unten war: zerrüttete Familienverhältnisse, kaum Einkommen, schlechte Schulbildung, keine Zukunftsperspektiven und solche Dinge. Nicht, dass wir uns missverstehen: Schlechte soziale Verhältnisse sind keine Entschuldigung für Straftaten, aber sie sind Teil einer Erklärung.
Wenn wir die Kriminalität in unserer Gesellschaft wirkungsvoll bekämpfen wollen, dann sind nicht nur eine funktionierende Polizei, arbeitsfähige Gerichte und ein guter Strafvollzug notwendig, sondern genauso wichtig ist es, die Ursachen für Kriminalität anzugehen. Nicht alle Menschen schaffen es, mit ungerecht verteilten Lebenschancen, mit Perspektivlosigkeit, mit Armut, mit Ohnmachts- und Gewalterfahrungen unbeschwert umzugehen. Und das ist ja auch klar: Je größer die Ungerechtigkeit wird, je stärker Perspektivlosigkeit um sich greift, desto größer ist auch die Gefahr, dass Menschen straffällig werden.
Unser gutes System des Jugendstrafvollzuges kann man hier und da verbessern. Die Punkte offener Vollzug und heimatnahe Unterbringung habe ich angesprochen. Genauso müssen wir aber auch daran arbeiten, unsere Gesellschaft im Ganzen zu verbessern. 10 % aller jugendlichen Sachsen verlassen die Schule ohne Abschluss. Das muss sich ändern. 23 % aller Jugendlichen in Deutschland sind armutsgefährdet. Das muss sich ändern. Nur wenn wir auch diese Risiken sehen und durch kluge Politik vermindern, wird unser Jugendstrafvollzug durch Prävention wirksam ergänzt.