Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Ich kann der LINKEN sagen: Im Grundanliegen kann ich Ihren Antrag in gewissem Maße nachvollziehen. Allein das Problem ist – das hat Kollegin Fiedler bereits gesagt –: Der Adressat ist der falsche; denn weder die Staatsregierung noch die Landespolitik entscheidet in diesem Interessenkonflikt zwischen Urhebern – die Organisation, die die Urheber vertritt – auf der einen Seite und den Nutzern von Musik – auf der anderen Seite.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: Aber wir könnten ja eine Meinung haben! – Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Eine Meinung habe ich und die würde ich jetzt auch gern vortragen, wenn Sie mich lassen.

Herr Herbst, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Was man nicht alles macht für die Kollegen; aber selbstverständlich.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Kollege Herbst, geben Sie mir darin recht, dass die Länder im föderalen System die Möglichkeit haben, auf ein Bundesgesetz, hier das Urheberrechtsgesetz, mit Bundesratsinitiativen entsprechend Einfluss zu nehmen und dass mehrere Landtage erst jüngst im Zusammenhang mit der GEMA-Debatte beschlossen haben, dass, wenn das Schiedsstellenverfahren negativ ausgeht, eine solche Bundesratsinitiative durch die entsprechende Staatsregierung ausgelöst werden soll?

Rein rechtstechnisch besteht sicher diese Möglichkeit. Ich sehe aber nicht, dass es eine Mehrheit auf Bundesebene dafür gibt, bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens im Juni nächsten Jahres eine politische Veränderung beim Thema Urheberrecht herbeizuführen. Mag sein, dass man das danach neu diskutiert. Momentan sehe ich diese Mehrheit auf Bundesebene nicht.

Bei der Aktuellen Debatte im Juli habe ich hier klargestellt, dass wir uns als Liberale sehr klar zu Eigentums- und Urheberrechten bekennen, und das gilt auch für den immateriellen Bereich. Das sehen ja viele ganz anders. Die Diskussion der Piraten „Alles umsonst“ erleben wir auch in der Öffentlichkeit.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Die GEMA nimmt die Verwaltung von Nutzungsrechten im Auftrag der Urheber wahr. Ob uns das gefällt oder nicht, aber es ist so. Der Interessenausgleich zwischen den Urhebern und den Nutzern ist eben deshalb nicht Aufgabe der Politik. Die Politik hat ohne die Veränderung der gesetzlichen Grundlagen auf Bundesebene überhaupt nicht die Möglichkeit, an dem Tarifsystem Veränderungen herbeizuführen.

Für die Überprüfung ist das Deutsche Patent- und Markenamt zuständig; das wurde bereits gesagt. Wir sollten abwarten, wie die entsprechende Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes ausfällt. Unabhängig davon – das sage ich auch – sehen wir als FDP einiges, was bei der GEMA läuft, sehr kritisch, unter anderem das Tarifsystem. Dabei muss man fairerweise sagen, dass mit den neuen Tarifen einige entlastet und einige sehr stark belastet werden. Licht und Schatten sind sehr eng beieinander.

Ich sage auch klar: Die wirtschaftliche Überforderung von Spielstätten nützt auch den Künstlern nichts; denn sie verdienen nur, wenn ihre Musik gespielt wird. Das ist relativ klar.

Über die Maßstäbe der GEMA-Verteilung kann man mit Sicherheit diskutieren. Unter den Künstlern – auch unter denjenigen, die die Urheberrechte besitzen – entbrennt eine heftige Diskussion, ob das System so gerechtfertigt

ist, ob die Richtigen am Ende davon profitieren und ob ein Monopolsystem das einzig Richtige ist. Auch da gibt es guten Grund zu diskutieren, welche Alternativen es unter Umständen gibt.

Der Lichtblick ist, dass die neuen GEMA-Tarife erst einmal nicht eingeführt wurden, sondern die Einführung wurde verschoben. Man wartet jetzt auf das Urteil im laufenden Schiedsstellenverfahren. Ich hoffe, dass dieses Urteil zu einer Bewegung in der Sache führt, die auch die Interessen der Beteiligten näher zusammenbringt. Denn ich glaube, wir alle erwarten für alle Beteiligten eine akzeptable Tarifgestaltung. Dies zu bewerten und zu beurteilen ist nun die Aufgabe des Deutschen Patent- und Markenamtes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Herbst. – Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert, auch die Art, wie Musik entsteht und wie sie veranstaltet wird. Die GEMA hat das in vielerlei Hinsicht noch nicht begriffen, und das ist auch ein Grund dafür, dass wir heute noch einmal darüber diskutieren müssen.

Wie immer bei solchen Gelegenheiten, sage ich vorweg: Wir GRÜNE halten das Modell der Verwertungsgesellschaften für reformbedürftig, aber grundsätzlich für geeignet, einen Interessenausgleich zwischen den Urhebern bzw. Verwertern auf der einen Seite und den Nutzenden auf der anderen Seite zu schaffen.

Die aktuelle Tarifreform der GEMA jedoch bringt durch unverhältnismäßige Erhöhungen viele Veranstaltungen in ernsthafte Schwierigkeiten. Das Problem wurde inzwischen bundesweit gesehen, diskutiert, auch seitens der Politik bearbeitet, und zwar parteiübergreifend.

Der Antrag der Linksfraktion zielt ja im Kern auf günstige Tarife vor allem im gemeinnützigen Bereich. Es ist immer schwierig zu definieren, was ein sinnvoller Interessenausgleich ist, Herr Kollege Bartl – das muss ich Ihnen als Jurist nicht sagen. Die GEMA sollte sich aber zumindest damit befassen, welche Nebenwirkungen ihre Tarife entfalten.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Im Normalfall macht man das, bevor neue Tarife veröffentlicht werden, und wartet nicht erst, ob jemand protestiert und alles schiefgeht. Wenn also beispielsweise Großveranstaltungen von Vereinen unmöglich gemacht werden, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht. Im Juli gab es ja die stolz präsentierte Einigung auf einen ersten Gesamtvertrag mit dem „Bund Deutscher Karneval“. Dieser hat übrigens zwei Millionen Einzelmitglieder und scheint mit dem Vertrag ziemlich zufrieden zu sein.

Aber hier wird ein Problem deutlich. Kulturangebote finden nicht nur bei Großveranstaltungen, sondern auch in sehr kleinteiligen Strukturen statt. Auf diese muss die GEMA ebenfalls schauen. Da geht es um Vereine, um kleine Kulturinitiativen, die nicht von Verbänden vertreten werden. Sie leisten wichtige Arbeit vom innovativen Kulturprojekt bis hin zur Kinder- und Jugendbildung.

Kleinstveranstaltungen, auf denen es weder Eintrittsgelder noch nennenswerten gastronomischen Umsatz gibt, haben ja nicht mit Erhöhung zu kämpfen. Aber schon kleine Beträge wie 30 Euro können das Zünglein an der Waage sein, ob solche Veranstaltungen überhaupt stattfinden. Zugunsten einer lebendigen Kunst- und Kulturszene sind hier aus meiner Sicht Befreiungen angebracht.

Die GEMA würde jetzt garantiert auf die Härtefallregelung verweisen. Aber dahinter steht so viel bürokratischer Aufwand für Beantragungen und Nachweise, dass das Zahlen einer Gebühr oft das geringere Problem ist.

In den vergangenen Monaten haben die Musikklubs am stärksten gegen diese neuen Tarife protestiert. Zu Recht, denn die Vielfalt in der Klubkultur ist bedroht. Die GEMA sollte sich doch einmal gründlich in der Szene umschauen, die sie zu vertreten beansprucht. Die Klubs könnten auf die Tarife nur durch eine radikale Kommerzialisierung ihrer Geschäftsmodelle reagieren. Elektronische Musik im subkulturellen und im Independentbereich fände dann wohl kaum noch statt.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der massive Protest in den letzten Monaten hat durchaus etwas bewegt. Die GEMA stellt sich langsam von Ignoranz auf Dialog um. Die neuen Tarife sollen nun erst einmal ausgesetzt werden. Nicht ganz unwichtig dürften hierbei neben den massiven Protesten auch die Appelle aus der Politik gewesen sein. Natürlich können wir der GEMA als wirtschaftlichem Verein nichts direkt vorschreiben, aber viele andere Länder haben sich zumindest positioniert. Sie sind aktiv geworden. Kaum ein Ton kam hingegen aus Sachsen, schon gar kein entschiedenes Auftreten. Ich halte das für ein Trauerspiel, werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister Morlok, Sie haben im Juni in Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage noch betont, dass die Staatsregierung keine Einflussmöglichkeiten hat. Im JuliPlenum haben Sie es in der Aktuellen Debatte auf Antrag der Linksfraktion gerade so geschafft, Ihre Hoffnung zu äußern, dass die GEMA einlenkt. Sie schienen mir damals etwas verwundert, dass Sie überhaupt etwas mit diesem Thema zu tun haben. Nun hat sich die Wirtschaftsministerkonferenz Anfang Dezember in einem einstimmigen Beschluss für das Aussetzen der Tarifreform eingesetzt. Herr Morlok, warum müssen Ihnen Ihre Länderkollegen so etwas erst vormachen?

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Bitte, lassen Sie sich doch nicht immer und immer wieder zum Jagen tragen, wenn es um die wichtige Verbindung von Kultur und Wirtschaft geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die in Gang gekommene Diskussion darf auf keinen Fall wieder einschlafen, denn der Reformbedarf bei der GEMA geht weit über Tarifänderungen hinaus. Hier nur wenige beispielhafte Punkte.

Zum einen muss die GEMA Lehren aus diesen unsensiblen und unglücklichen Verfahren ziehen und sich endlich mit der Realität der Veranstalter befassen. Das beginnt doch schon bei der tariflichen Unterscheidung von Musikwiedergabe mit oder ohne Laptop, die sich niemand erklären kann.

Ein anderes Problem ist die pauschale GEMA-Vermutung. Wenn Veranstalter Musik von Künstlern spielen, die gar nicht bei der GEMA angemeldet sind, dann ist es unzumutbar, dass sie das erst umständlich nachweisen müssen. Künstler, also die Urheber, müssen sich frei entscheiden können, welche Werke sie bei einer Verwertungsgesellschaft anmelden und welche sie frei veröffentlichen wollen, zum Beispiel unter einer CreativeCommons-Lizenz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entgegen den Behauptungen, die heute hier von der Koalition geäußert wurden, sind die Regeln der GEMA nicht in Stein gemeißelt. Ihre Rahmenbedingungen werden durch die Politik vorgegeben, insbesondere durch das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Auch innerhalb der GEMA ist im Keim eine Mitbestimmung angelegt, die dringend in Richtung Transparenz und paritätische Beteiligung ausgebaut werden muss. Dazu hat Kollege Panter Wichtiges ausgeführt.

Zurück zum Anliegen des heutigen Antrags. Die Staatsregierung kann dem Änderungsbedarf bei der Tariferhöhung auch jetzt nach ihrer langen Untätigkeit Nachdruck verleihen. Wir als Landtag sollten sie dabei unterstützen. Wir als GRÜNE stimmen dem Antrag zu. Das ist zugleich unsere Unterstützung für die bisher größte Petition in Deutschland, die heute mit über 300 000 Unterschriften im Bundesjustizministerium übergeben wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Gerstenberg. Nun die NPD-Fraktion, Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 2007 laufen nun zwischen der GEMA und dem Gastgewerbe Verhandlungen, ohne ein Ergebnis über die Veranstaltungstarife im Bereich der Gaststätten und vor allem der Diskotheken erzielt zu haben.

Eine neue Qualität erhielt dieser Streit nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der generellen Debatte des Schutzes der Urheberrechte im Zeitalter des Internets, besonders aber nach Bekanntwerden der einseitig festgelegten neuen Tarifstrukturen für Gaststätten, Diskotheken und andere Freiluftveranstaltungen wie Volksfeste oder Vereinspartys. In der Tat belasten die neuen GEMA-Veranstaltungstarife UV und MV laut verschiedener Beispielrechnungen von Betreibern von Diskotheken die Veranstalter mit Kostensteigerungen von bis zu 1 600 %.

Wo zum Beispiel bislang für eine kleine Diskothek zwischen 300 und 400 Quadratmeter Fläche bei einem Eintritt von 15 Euro etwa 10 000 Euro pro Jahr an die GEMA überwiesen werden mussten, sieht der neue Tarif Kosten bis zu 160 000 Euro vor. Nun sind dies natürlich Extremberechnungen der Diskothekenbetreiber, aber auch selbst unter der Annahme, dass der Wahrheitsgehalt dieser Berechnungen bei unter 50 % liegt, wäre dieser Anstieg exorbitant und nicht vertretbar.

Besonders negativ schlägt auch die Verhandlungstaktik der GEMA zu Buche. In einer regelrechten Salamitaktik versucht man, die Betroffenen gegeneinander auszuspielen. So wurde von der GEMA vor einigen Tagen eine Pressemitteilung lanciert, in der man bekannt gab, bei drei Verbänden eine Übereinkunft mit einem Rabatt von 20 % getroffen zu haben. Peinlich war nur, dass es sich dabei um drei Verbände eines einzigen Eigentümers und Dienstleistungsanbieters für Diskotheken und DJs, Klaus Quirini, gehandelt hat, der nur etwa 15 % der 2 300 Diskotheken in Deutschland vertritt.

Festzuhalten bleibt, dass auch eine derartige Rabattierung die in vielen Fällen existenzvernichtende Wirkung der Tariferhöhungen in keiner Weise auffängt. So ist es auch dann kein Wunder, dass der Bundestag mit Petitionen geradezu überhäuft wird.

Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen werden also mit aller taktischen Finesse geführt werden. Dazu gehört wohl auch die Meldung der vergangenen Woche, dass die geplante Erhöhung der GEMA-Gebühren nicht zum 1. April 2013, wie vorgesehen, sondern wohl drei Monate später stattfinden wird. Man wolle unbedingt die Verhandlungen der Schlichtungsstelle abwarten, in die sich ja auch die Antragstellerin nicht einzumischen gedenkt.

Der auf eine klare Klientel berechnete vorliegende Antrag der LINKEN versucht nun, mithilfe der Staatsregierung als einem Petenten über die Aufsichtsbehörde der GEMA Druck auf die Verhandlungen auszuüben. Ob das zielführend ist, sei einmal dahingestellt.

So wenig die Fraktion der NPD Mitleid mit den Diskothekenbetreibern oder gar der DEHOGA hat, so sehr unterstützen wir aber die Absicht der Antragstellerin, nichtkommerzielle Veranstalter von Kultur- und anderen Kleinveranstaltungen, wie etwa Straßenfesten oder Vereinsfeiern, von derartigen Erhöhungen auszunehmen.

Weil wir dieses Anliegen, wie gesagt, als sinnvoll erachten, werden wir den vorliegenden Antrag auch unterstützen.