Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Danke, Herr Präsident. Herr Heidan, Sie sind Chef der Vergabestelle in Plauen gewesen. Haben Sie als Stadtrat bei der Vergabe von Aufträgen in Plauen nach Tarif gefragt?

Und das nicht nur einmal, Herr Zais. Das ist nämlich die ureigenste Aufgabe einer Vergabestelle, die Angebotspreise daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Regelungen eingehalten werden.

Haben Sie nach Tarif vergeben?

Wenn der Tarif unter dem Mindestlohn liegt. Das ist ja das Problem, das wir hier haben.

Ich sage Ihnen noch eines: Wir haben im Reinigungsgewerbe im Außenbereich einen Mindestlohn von 9 Euro.

Herr Heidan, ist die Zwischenfrage beantwortet?

Nein, die ist noch nicht beantwortet.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident, dass Sie hier meine Arbeit machen.

Im ganzen Leben ist sie noch nicht beantwortet. Ich wollte das gerade noch einmal ausführen. Wir haben einen Mindestlohn im Reinigungsgewerbe für die Außenreinigung von 9 Euro. Das ist die Lohngruppe VI, Herr Zais. Wir haben für die Innenreinigung einen Mindestlohn von 7,56 Euro. Das entspricht ungefähr der tariflichen Lohngruppe I im Gebäudereinigerhandwerk. So, und nun erzählen Sie mir bitte, wo wir dieses Tohuwabohu im Mindestlohnbereich einordnen. Ich komme da gern noch einmal auf Herrn Brangs zurück. Sie haben mich regelrecht dazu herausgefordert, weil Sie den Leuten draußen erzählen wollen, dass Sie mit einem Gesetz diese Dinge regeln wollen, die eigentlich tarifvertragliche Vereinbarungen sind. Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren.

Jetzt setzen Sie ihren Redebeitrag fort.

Ja, jetzt setze ich meinen Redebeitrag fort. Jetzt komme ich auch gleich zu Herrn Brangs, weil das sehr gut passt. Herr Brangs, was Sie hier beschrieben haben, ist doch das Versagen der Tarifparteien.

(Stefan Brangs, SPD: Ach nein!)

Ja, doch! – Friseure werden wahrscheinlich nicht über die VOB oder über die VOL angefragt. Sie haben jedoch tarifvertragliche Vereinbarungen unterzeichnet, in denen Friseure in der untersten Lohngruppe eine Vergütungvon 3,82 Euro haben, Herr Brangs.

(Stefan Brangs, SPD: Ja!)

Das sind Tarifverträge. Und für die Friseure – das darf ich Ihnen auch einmal sagen – ist in der oberen Tarifeingruppierung 5,16 Euro Stundenlohn mit Ihren Gewerkschaften vereinbart worden. So sieht es aus. Das müssen Sie auch einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Heidan, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Brangs, bitte.

Lieber Kollege Heidan, ich habe ein kleines Déjà-vu. Wir hatten das schon einmal. Ich habe schon einmal versucht, Ihnen das zu erklären. Ich mache es noch einmal.

Können Sie sich vorstellen, dass Tarifautonomie immer das Ergebnis von Verhandlungen zwischen zwei Partnern ist, wobei man sich darauf verständigt, was machbar ist und was nicht? Können Sie sich vorstellen, dass neben der Lohnhöhe auch die Stärke der Gewerkschaften, Nichtmaßregelungsklauseln, Streikrecht und Streikfähigkeit eine Rolle spielen? Können Sie sich vorstellen, dass es dort, wo es solche Ergebnisse gibt, dann Sinn macht, dass der Staat darüber nachdenkt, einen Mindeststandard per Gesetz zu beschreiben? Können Sie sich das vorstellen, sich dem gedanklich annähern?

Ich kann mir das sehr gut vorstellen, Herr Brangs. Jedoch haben wir deswegen Tarifautonomie, und Sie tragen die Verantwortung. Um die können Sie sich nicht herummogeln. Das Problem ist, dass es das ist, was Sie auch den Leuten draußen erzählen wollen. So sieht es doch aus.

(Beifall bei der FDP)

Herr Heidan, hier muss noch einmal nachgefragt werden. Wollen Sie das zulassen?

Wenn es die letzte Frage ist. Ansonsten hätte ich gern an meinem Redekonzept weitergearbeitet.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Sie haben ein Konzept? – Ach, das war nicht meine Frage.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Dann müsste ich Ja sagen, und Sie könnten sich dann wieder hinsetzen.

Ich habe das Fragewort nicht gehört. Herr Brangs, bitte.

Können Sie sich vorstellen, dass ich hier meine Verantwortung als Landtagsabgeordneter – denn der bin ich – wahrnehme, indem ich einen Gesetzentwurf vorgelegt habe, der genau das regelt?

(Beifall bei der SPD – Zuruf von den LINKEN: Kann er noch nicht!)

Das kann ich mir gut vorstellen, Herr Brangs.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Aber deswegen kommen Sie als Tarifvertragspartner aus dieser Nummer nicht heraus. Ich zitiere noch einmal wörtlich, was heute in der Zeitung stand, was der Präsident der Handwerkskammer Dresden wörtlich gesagt hatte: „Der Mindestlohn hat uns nicht geschadet.“ – Klammer auf, Klammer zu: Dr. Jörg Dittrich. Ja, der hat uns mit Sicherheit nicht geschadet. Ich habe in meinen Unternehmen auch Mindestlohn – wir zahlen über dem Mindestlohn. Das ist auch klar. Aber was hat es gebracht, Herr Brangs? Was hat es gebracht? Mindestlohnregelung gilt nicht nur für die öffentlichen Auftraggeber, sondern auch im Privatbereich. Wir haben durch die Mindestlohnregelung mehr in die Schwarzarbeit getrieben. Das sind doch die Ergebnisse einer Mindestlohnregelung. So sieht es doch aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Was?)

Herr Brangs, ich weiß nicht – 5,16 Euro für Friseure oder 3,82 Euro in der untersten Vergütungsgruppe –, ob das, was Sie hier den Leuten erzählen wollen, eine Mindestlohnregelung von 8,50 Euro – oder wie Sie es bezüglich der 13 Bundesländer gesagt haben: eine Mindestlohnregelung von 8,00 bis 8,88 Euro –, zielführend ist. Sie haben sich ja draußen Ihre Armada aufgebaut: Billig kommt teurer.

(Stefan Brangs, SPD: Zu viel der Ehre!)

Ja, natürlich. – Ich schätze die Gewerkschaften hoch ein, aber sie sollen auch ihre Arbeit machen.

(Heiterkeit bei der CDU – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sie haben nicht unbedingt die Ergebnisse erzielt, die sich andere vielleicht wünschen.

Ich will noch eines deutlich sagen: Jede vergebende Stelle hat eine Angebotsprüfung zu machen. Herr Zais, das lege ich ganz besonders Ihnen ans Herz. In dieser Angebotsprüfung heißt es, Einheitspreisanfragen abzugleichen. Die Einheitspreisanfragen haben einen Lohnanteil, einen Materialanteil, einen Fremdkostenanteil und eventuell sogar noch einen Gewinnanteil. Den kann man auch mal

rausrechnen, wenn man einen Auftrag ohne Gewinne machen will. Das soll ja vorkommen. Dann haben auch die Vergabestellen verantwortlich zu schauen, ob die Mindestlöhne gezahlt werden. Dann ist es eben nicht mehr das günstigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot. Damit haben wir auch eine Möglichkeit, diese Dinge so zu gestalten, wie es eine Vergabestelle verantwortlich machen muss.

Ich will noch einmal deutlich hervorheben, was auch die Sicherheitsleistungen betrifft: Wir haben eine Untergrenze von 250 000 Euro Sicherheitsleistungen. Wenn man nur 1 % Avalzinsen für 250 000 Euro im Jahr als Firma zu tragen hat, hat man jährliche Kosten in Höhe von 2 500 Euro. Das multipliziert man mit vier, weil nämlich vier Jahre in der VOB als Gewährleistung stehen – oder man multipliziert es mit fünf – das können Sie sich selbst ausrechnen –, wenn man als Firma über das Bürgerliche Gesetzbuch Gewährleistungen gibt. Nehmen wir einmal den günstigsten Fall: Vier mal 2 500 Euro. Das sind 10 000 Euro für die vierjährige Laufzeit. Das heißt, man muss seine Kalkulation um 10 000 Euro verteuern, und das zahlt letztendlich der öffentliche Auftraggeber. Da ist es doch legitimes Recht zu sagen: Wir bauen hier diese Untergrenze ein, weil bei solch geringen Aufträgen, die das beschreiben – 250 000 Euro –, vielleicht nur örtliche Handwerker, Baubetriebe, Firmen oder Unternehmen, die in der Örtlichkeit bekannt sind und wissen, wie leistungs- und wie qualitätsfähig sie sind, infrage kommen. Deswegen haben wir das hier eingeführt. Das hat seine Gründe.

Ich muss noch einmal auf den Zeitungsartikel zurückkommen: Wenn der Handwerkskammerpräsident, Herr Dr. Dittrich, sagt „Von eingesparten 20 000 Euro haben wir jetzt Mehrkosten von 2,1 Millionen Euro“, dann sage ich: Wer hat denn dort die Ursachen gesetzt? Doch sicherlich nicht das jetzt wirkende Vergabegesetz und das kommende Vergabegesetz, das wir heute hier in diesem Hohen Haus beschließen, sondern das waren diejenigen, die das vergeben haben. Sie haben nicht geprüft, ob es der wirtschaftlichste Anbieter ist, sondern sie haben vielleicht den billigsten gewählt – ich weiß es nicht, ich kenne die Zusammenhänge nicht. Das ist ein hoch komplizierter Prozess. Diesen hoch komplizierten Prozess können Sie nicht zerreden, indem Sie Mindestlohnforderungen und Ähnliches stellen, was nicht zielführend ist, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir wollen ein schlankes Vergabegesetz haben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war Herr Heidan für die CDU-Fraktion. – Gibt es weiteren Redebedarf? FDP? – Das ist nicht der Fall. DIE LINKE? – Möchte noch jemand aus den Reihen der Fraktionen sprechen? – Herr Pohle. Das ist jetzt schon die dritte Runde.

(Ronald Pohle, CDU: Ja! – Christian Piwarz, CDU: Wir haben ja die Zeit!)

Natürlich, Herr Piwarz, das haben alle gehört. Sie haben die Zeit. – Herr Pohle, bitte.