Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

(Lachen bei der NPD – Jürgen Gansel, NPD: Mannomann!)

Sie können lachen. Es ist und bleibt aber so. Ja, wir haben offene Fragen zu klären. Ja, es wird Veränderungen im Landesamt für Verfassungsschutz geben. Sicherlich ist nicht alles und jedes in der Vergangenheit so gelaufen, wie man es erwarten kann. Trotzdem arbeiten dort Menschen und stellen sich einer Aufgabe, die unseren Respekt und unsere Unterstützung verdient.

(Jürgen Gansel, NPD: Das haben die Mitarbeiter von Erich Mielke auch so gesehen! – Sebastian Fischer, CDU: Das ist unerhört!)

Die Luft ist abgelassen. Führen wir die Ausführungen weiter. Ich finde, dass den Mitarbeitern nach wie vor unser Dank und Respekt gilt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie leisten nach wie vor eine wertvolle und unverzichtbare Aufgabe. Meine Damen und Herren! Wir werden es nicht zulassen, dass Sie eine Diskussion, die sich mit der Frage nach der Verbesserung des Verfassungsschutzes beschäftigt, dazu nutzen, dessen Abschaffung von hinten herum in die Debatte hineinzuführen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Landesamt für Verfassungsschutz muss sich den Veränderungen stellen, in der Tat. Dafür sind wir, dazu dient auch diese unabhängige Expertenkommission. Der Minister hatte deutlich gemacht: Ende Februar werden wir mit einem Bericht rechnen können. Er ist einer der Bausteine für die Diskussion, die wir in den Ausschüssen und in den parlamentarischen Gremien zu führen haben. Ob im Innenausschuss, im Untersuchungsausschuss, in der Arbeit der Staatsregierung oder auch mit Diskussion im Parlament und dann in der Folge der praktischen Umsetzung werden wir analysieren, bewerten und Änderungsoptionen für das Landesamt für Verfassungsschutz diskutieren und vornehmen.

Ich würde mir wünschen, dass solche Diskussionen auch tatsächlich in den Gremien stattfinden, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition. Ihr Antrag dient dazu, das Landesamt für Verfassungsschutz zu diskreditieren. Er hat nicht die Frage einer sachgerechten Aufklärung im Mittelpunkt, und deswegen werden wir ihn ablehnen.

Herr Staatsminister, wir danken Ihnen für diese unabhängige Expertenkommission und hoffen, dass die Empfeh

lungen eine sinnvolle Ergänzung im laufenden Diskussionsprozess sind. Die Zukunft werden wir gemeinsam diskutieren und gestalten.

Dazu brauchen wir Ihre Fensteranträge nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die SPD Frau Abg. Friedel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe die Aufregung, die jetzt entstanden ist, gar nicht so ganz. Man kann sicher ohne Frage darüber streiten, in welcher Art und Weise der Antrag hier eingebracht worden ist. Aber wenn ich mir einmal den Antrag hernehme und schaue, was dieser Antrag will, dann sind das zwei Punkte. Der Antrag sagt, der Staatsminister möge zum einen dem Landtag über die Arbeit der eingesetzten Expertenkommission berichten und er möge zum anderen dem Landtag spätestens im März die Ergebnisse der Arbeit dieser Expertenkommission vorstellen.

Das ist allein noch gar kein Grund, um aufgeregt zu sein.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich verstehe es nicht. Auf beiden Seiten.

(Christian Piwarz, CDU: Sie wissen es schon!)

Der Innenminister hat im Juli/August 2012 eine Expertenkommission eingesetzt, die Vorschläge machen soll, wie das Landesamt für Verfassungsschutz verbessert werden kann, um aus den Fehlern zu lernen, die im Zuge des Umgangs mit neonazistischen Terrornetzwerken passiert sind. Die Einberufung dieser Kommission ist grundsätzlich eine vernünftige Sache. Genauso vernünftig ist es, nach einem halben Jahr einmal nachzufragen: Wo sind wir denn gerade? Welche Ergebnisse gibt es denn? Was machen die überhaupt? Wann können wir damit rechnen, dass es zu einem Abschluss kommt?

Insofern habe ich Verständnis für den Antrag. Ich habe wenig Verständnis dafür, wieso es nicht viel einfacher und souveräner gewesen wäre, erste Ergebnisse anzukündigen, statt zu sagen, dass der Antrag zu früh kommt und erst alles aufgeklärt werden muss; denn die Arbeit des Untersuchungsausschusses wird auch Ende Februar nicht abgeschlossen sein.

(Staatsminister Markus Ulbig: Das habe ich doch gesagt!)

Herr Staatsminister, Sie wollen ja selbst die Ergebnisse der Kommission Ende Februar vorstellen. Auch dann hat der Untersuchungsausschuss seine Arbeit noch nicht beendet, auch dann ist das Verfahren gegen Frau Zschäpe noch nicht fertig. Das Argument, dass der Antrag zu früh kommt, weil erst alles aufgearbeitet werden muss, bevor

Ergebnisse vorgestellt werden können, wie Sie es in Ihrer Rede dargestellt haben, trifft nicht so ganz.

Sie hätten doch sagen können: Erstens. Ich informiere euch über die derzeitige Arbeit. Zweitens. Der Landtag wird Ende Februar die Ergebnisse vorgestellt bekommen. Damit ist der Antrag im Grunde erledigt. Das wäre die viel unaufgeregtere Variante gewesen.

Warum ist es wichtig – das möchte ich gern noch einmal in Erinnerung rufen –, so etwas zu machen? Wenn Sie sich mit offenen Augen durch die Welt begeben, wenn Sie Zeitung lesen, wenn Sie mit Menschen reden, die an sich gar nicht so viel mit dem konkreten Thema oder mit Politik zu tun haben, und da hineinhorchen, wie es um die Meinung über den Verfassungsschutz gestellt ist, dann kann man nur sagen: Fürchterlich, ganz schlimm. Da ist so viel Vertrauen kaputt, so viel Misstrauen in der Bevölkerung, dass es unser oberster Wille sein müsste, so bald wie möglich, so konkret wie möglich sagen zu können: Erstens. Welche Fehler sind gemacht worden? Zweitens. Wie wollen wir dafür sorgen, dass diese Fehler nie wieder passieren?

Insofern freue ich mich, dass Sie jetzt angekündigt haben, dass wir Ende Februar genau das bekommen werden. Ende Februar bekommen wir Aussagen dazu, was im Landesamt künftig anders gemacht werden soll. Wir haben unsere eigenen Vorstellungen dazu bereits im letzten Jahr öffentlich gemacht.

Ich freue mich, dann darüber mit den Fraktionen und dem Staatsminister zu diskutieren, was denn nun tatsächlich an den Vorschlägen, die aus den verschiedenen Richtungen kommen, machbar und umsetzbar ist, was hilfreich sein wird und was vielleicht weniger. Ich halte es für falsch, diese Diskussion wegzuschieben und im Geheimen zu belassen. So gewinnt der Verfassungsschutz, so gewinnen die Sicherheitsbehörden in Deutschland das Vertrauen der Bevölkerung eben gerade nicht zurück. Aber es ist eine der vordringlichsten Aufgaben, durch gute Arbeit und durch Transparenz dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Insofern stimmen wir dem Antrag zu. Wir haben gehört, dass das der Innenminister im Grunde auch macht, weil er genau das erledigt, was eingefordert wird. Das ist schön. Wir freuen uns auf Ende Februar und die Vorstellung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die FDP Herr Biesok, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutz bedarf meines Erachtens einer grundlegenden Reform. Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode erhebliche Probleme im Landesamt für Verfassungsschutz feststellen können. Die FDP-Fraktion hat sich schon damals für Reformen ausgesprochen. Unsere Forderung war, das Landesamt für Verfassungsschutz als selbstständige

Behörde aufzulösen und die Aufgaben als Abteilung in das Innenministerium zu integrieren. Diese Forderung der FDP ist nach wie vor aktuell.

Wir als FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag haben eine klare Vorstellung zur Neuordnung des Verfassungsschutzes in ganz Deutschland. Extremisten machen an Landesgrenzen nicht halt. Wir brauchen daher eine Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und eine Einheit vor Ort, die die örtlichen Probleme bekämpft. Die sehen wir im Innenministerium.

(Beifall bei der FDP)

Gleichwohl habe ich die Entscheidung des Innenministers begrüßt, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen, die Vorschläge zur Neuordnung des Landesamtes für Verfassungsschutz erarbeitet. Mit der ehemaligen Generalbundesanwältin Monika Harms hat Herr Ulbig eine Expertin gewonnen, bei der ich sehr froh bin, dass sie sich in den Dienst von Sachsen gestellt hat.

Herr Dr. Hahn, ich teile Ihre Kritik an der Generalbundesanwältin a. D. Harms nicht. Ein Generalbundesanwalt muss manchmal eine Position beziehen, die in Kontraposition zum Bundesgerichtshof steht und dort wieder aufgehoben wird. Es ist seine Aufgabe, in der Strafermittlung bei ganz schweren Straftaten mitzuwirken. Ich habe Frau Harms als eine sehr kompetente und sachkundige Generalbundesanwältin erlebt. Ich freue mich, dass sie in dieser Kommission mitarbeitet.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich begrüße es, dass die Expertenkommission keinen konkreteren Auftrag bekommen hat, als ihn Markus Ulbig gerade geschildert hat. Die Kommission soll sich nach meiner Ansicht selbst Gedanken machen, wie die Neuordnung des Landesamtes für Verfassungsschutz zu erfolgen hat. Denkverbote, die durch einen eingeschränkten Auftrag hervorgerufen werden, darf es dabei nicht geben. Gerade weil es sich um ein unabhängiges Gremium handelt, sollten wir nicht mit einem engen Auftrag seine Arbeit beschränken. Sie ist eben gerade nicht an zeitliche oder eventuelle inhaltliche Vorgaben, beispielsweise durch einen Einsetzungsbeschluss des Sächsischen Landtages, gebunden. Deswegen ist auch der Hinweis im Antrag, der auf das Kontrollrecht des Parlaments abzielt, verfehlt. Artikel 39 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung bezieht sich nur auf die vollziehende Gewalt und nicht auf unabhängige Kommissionen.

Ich möchte es an dieser Stelle deutlich sagen: Es ist eine Expertenkommission, die Vorschläge erarbeitet. Entscheiden werden wir hier. Die drei Experten sollten sich auch Zeit nehmen, ihre Arbeit zu machen. Das ist nicht von heute auf morgen getan. Man muss sich erst in die Strukturen einarbeiten. Man muss sehen, was gewesen ist. Die gründliche Erfüllung dieses Auftrages hat bei mir Vorrang vor einem schnellen Abschluss. Die Organisationsstrukturen müssen ergebnisoffen geprüft und evaluiert werden. Erst dann kann man ein aussagekräftiges und zukunfts

weisendes Gutachten erstellen. Das braucht seine Zeit. Für mich ist es ein qualitativ hoher Anspruch, der an diese Kommission gestellt wird. Ich erwarte, dass sie ihrem Arbeitsauftrag gerecht wird und neue tragfähige Strukturen für den Verfassungsschutz erarbeitet, selbst wenn es andere als die sind, die wir bislang politisch vertreten haben.

Eines ist für mich klar: Ein einfaches „Weiter so!“ und ein paar kosmetische Korrekturen am bisherigen Landesamt für Verfassungsschutz reichen nicht aus.

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Ich bin optimistisch, dass wir auf diesem Weg weiter vorankommen.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Neustrukturierung des Landesamtes für Verfassungsschutz ist für mich jedoch ein grundlegender Mentalitätswandel bei den Mitarbeitern. Der neue Präsident des Landesamtes, Herr Meyer-Plath, hat mit dem Stichwort vom Nachrichtendienst für die Gesellschaft schon die richtige Richtung gewiesen und hier gute Denkanstöße gegeben. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Ich würde mich freuen, wenn er seine Arbeit fortsetzen würde.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Diese offene Mentalität muss sich gerade auch im Verhältnis zum demokratisch legitimierten Vertreter des Souveräns widerspiegeln. Deshalb ist es für uns als FDP nach wie vor eine Forderung, dass die PKK deutlich gestärkt wird. Die parlamentarische Kontrolle muss wieder auf die politische Agenda, und hier warten wir auch auf konstruktive Vorschläge aus der Expertenkommission.

Ich halte es auf der anderen Seite aber auch für richtig und wichtig, dass die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission in die Arbeit der Expertenkommission nicht eingebunden sind. Die PKK ist ein Kontroll- und kein Vorschlagsgremium. Wie soll ich als Mitglied der PKK anschließend kontrollieren, ob die Vorschläge gut waren und die erhoffte Wirkung gebracht haben, wenn ich sie selbst mit erarbeitet habe und somit praktisch Selbstkritik üben muss? Ich möchte außen vor sein, um kritische Distanz zu wahren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie die Expertenkommission in Ruhe ihre Arbeit machen. Wir sollten sie nicht unter zeitlichen Druck setzen. Wenn der Termin, den Markus Ulbig nannte, nicht zu halten ist, sollten wir ihn auch verschieben. Hier geht die Qualität vor. Wir sollten ihr keine inhaltlichen Vorgaben geben. Ihre Unabhängigkeit ist das größte Pfund, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.