Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Auf einen Aspekt, den die FDP gerne vergisst, möchte ich schon noch einmal hinweisen, auch wenn wir nicht mehr die absolute Parität beim Sozialversicherungssystem haben.

Herr Mann, Sie beziehen sich ja immer noch auf den vorhergehenden Redebeitrag von Frau Kollegin Herrmann. Machen Sie es oder machen Sie es nicht?

Ja, ich mache es.

Bitte.

Ich erkläre noch einmal die Systematik. Nun zur Ausführung von Frau Herrmann. Es ist so, dass in der Sozialversicherung nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Arbeitgeber einzahlen. Wenn wir jetzt sagen, wir senken die Beiträge oder die Einzahlungen, dann ist es natürlich so, dass wir damit einseitig auch in Zukunft die belasten, die es privat leisten müssen, weil wir auf die Einzahlungsanteile der Arbeitgeber verzichten. Das ist nicht der Weg der SPD und wohl auch kein erfolgreicher Weg in der Sicherung der Sozialversicherungssysteme.

(Beifall bei der SPD)

Frau Herrmann, Sie hätten erneut Gelegenheit, auf diese Kurzintervention zu reagieren. – Sie verzichten darauf. Bitte, Kollege Wehner, zu Ihrer Kurzintervention.

Ja, Herr Präsident, wenn ich das darf.

Ich wollte noch einmal auf den Redebeitrag von Frau Herrmann eingehen, als sie darauf hinwies, dass die Praxisgebühr eingeführt wurde, um eine Steuerungsfunktion zu haben.

Meine Fraktion hier im Landtag und auch die im Bundestag haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass sie das nicht haben wollen und dass es viel besser wäre, das Hausarztprinzip konsequenter durchzusetzen, damit über dieses die Steuerung durch andere Regelungen besser laufen kann und nicht über diese Praxisgebühr, denn tatsächlich ist diese Praxisgebühr nichts weiter gewesen als eine Alibifunktion und eine Auflösung der paritätischen Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nichts anderes war das, und dazu sollten Sie sich heute alle bekennen.

(Beifall bei den LINKEN)

Möchten Sie darauf reagieren, Frau Herrmann? – Nein. Das waren eine Kurzintervention und einige Reaktionen.

Wir gehen jetzt weiter in der Rednerreihe der zweiten Rednerrunde. Gibt es dazu aus den Fraktionen Redebedarf? – Die NPD sagt Nein. Wir könnten jetzt eine dritte Rednerrunde eröffnen. Diese wird auch durch die einbringende Fraktion der CDU in Anspruch genommen. Bitte, Frau Kollegin Strempel.

Eigentlich wollte ich keine dritte Runde eröffnen. Herr Mann, ich glaube, Sie leben nach Federico Fellini: „Bescheidenheit ist eine große Tugend – besonders bei anderen Menschen“. Was Sie hier geleistet haben, nämlich die Debatte als überflüssig zu thematisieren, halte ich für untragbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich finde es gegenüber denjenigen, die jeden Tag am Patienten arbeiten, und gegenüber den Patienten, die jeden Tag ihr Vertrauen in das sächsische Gesundheitssystem einbringen, einfach vollkommen deplatziert.

Ich bleibe dabei, dass wir hier die Aufgabe haben, sachlich und klar zu definieren, dass wir in Sachsen gut aufgestellt sind und darauf achten müssen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Das ist unsere Aufgabe. Dazu gehört, dass wir abwarten, was bei der ganzen Untersuchung in Leipzig am Universitätsklinikum herauskommt, und dann darüber sprechen.

Dass jetzt die Maßnahmen, die notwendig sind, schon eingefordert werden – ich habe einige genannt: verstärkte und straffe Kontrollen, das Organisieren der ganzen Angelegenheiten direkt unter dem Vorstand, dass spezielle Kommissionen jetzt in die einzelnen Zentren gehen –, ist doch nur die richtige Konsequenz. Danach können wir darüber reden, was wir in Sachsen machen, um das System der Organ- und Gewebetransplantation wieder so aufzustellen, dass es so wenig wie möglich Manipulationen erfährt.

Es ist nie ausgeschlossen, dass mal irgendjemand so etwas begeht; das kann man nie ausschließen. Aber wir haben die Aufgabe – und das habe ich vorhin mit Zitaten von wirklich bundesweit anerkannten Menschen rüberzubringen versucht –, darüber nachzudenken, was jeder Einzelne von uns für eine ethische Pflicht hat, für den Anderen da zu sein und auch so zu leben, dass er seiner Gesundheit nicht entgegenwirkt. Jeder hat diese Verantwortung, und dazu dient diese Debatte: Dank zu sagen dem System – allen, die in diesem Gesundheitssystem wirken –; aber auch einmal zu fragen: Was habe ich für eine eigene Verantwortung?

Ich kann mit Stolz sagen: Ich habe seit mehreren Jahren meinen Organspendeausweis. Ich frage gern mal in die Runde: Wer von Ihnen hat auch einen?

(Eine Reihe von Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen signalisiert dies durch Handzeichen.)

Danke, das ist gut. Und wer von Ihnen hat sich mal mit dem Thema beschäftigt? Jeder kann in diese Situation kommen – oder Ihre Angehörigen –, und zwar spätestens dann, wenn man im Krankenhaus einen Angehörigen in dieser Situation weiß – was ich wirklich keinem wünsche.

Ich weiß, wovon ich rede, denn ich kenne Menschen, die darauf warten, dass sie ein Organ bekommen. Ich kenne Menschen, die damit leben. Und ich besuche Einrichtungen, in denen Menschen im Prinzip jeden Tag versorgt und kontrolliert werden, weil sie mit Krankheiten geboren wurden, die dringend einer Versorgung bedürfen, um überhaupt eine Lebenschance zu haben.

Das leistet jeden Tag – Gott sei Dank – unser Gesundheitssystem, weil wir so gute Gesetze und ein so gutes solidarisches System haben. Unsere Aufgabe ist es, dieses zu bewahren. Ja, dafür steht meine CDU-Fraktion.

Ich möchte mit einem chinesischen Sprichwort enden, das ich auf dem Neujahrsempfang der Universitätsklinik Leipzig gehört habe – es hat Herr Zimmer gesprochen, der kaufmännische Vorstand – und das uns zum Nachdenken anregen sollte: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“

Unsere Aufgabe ist es, positiv zu denken und Windmühlen zu bauen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war Frau Strempel für die CDU-Fraktion. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Strempel, es ist ja der Sinn von Aktuellen Debatten, dass man aufeinander eingeht. Deswegen habe ich mich noch einmal spontan zu Wort gemeldet.

Ich stimme Ihnen völlig zu: Die Debatte, die wir bisher geführt haben, war keineswegs sinnlos, und jede Debatte, die wir zur Verbesserung unseres Gesundheitswesens führen, ist eine sinnvolle Debatte.

(Ganz vereinzelt Beifall bei den LINKEN und Beifall der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Was ich allerdings sage: Dazu gehört auch ein klares Thema für eine solche Aktuelle Debatte seitens der Antragsteller.

(Beifall bei den LINKEN)

Eine gewisse Verwirrung haben Sie mit diesem Thema erzeugt;

(Christian Piwarz, CDU: Das sagt der Richtige!)

nicht mit dem Willen, sinnvoll über Gesundheitsversorgung in unserem Lande zu reden. Dass Sie das wollen, nehme ich Ihnen ab – genau wie wir das wollen –; aber stellen Sie dann bitte ein klares Thema und vermischen Sie nicht das Problem Organspende, bei dem wir wirklich nachlegen müssen, mit einem – Gott sei Dank abgegessenen – Thema Praxisgebühr, an deren Abschaffung Sie nun wahrlich keinen Anteil haben, gerade Sie nicht. Ich stand seit zehn Jahren hier mehrfach am Pult und habe Sie dringend aufgefordert, die Praxisgebühr abzuschaffen. Was haben Sie gemacht? – Ständig gegen unsere Anträge gestimmt. Das können Sie nun wirklich nicht feiern.

(Beifall bei den LINKEN und ganz vereinzelt bei der SPD)

Ich will Ihnen noch zwei Dinge mit auf den Weg geben. Sie haben, liebe Frau Strempel, jetzt noch einmal auf das solidarische Gesundheitswesen in unserem Land aufmerksam gemacht. Ja, ich wünschte mir, es wäre bis zum Letzten so auch gestaltet. Deswegen unterstreiche ich noch einmal: Es ist erst dann ein solidarisches Gesundheitswesen, wenn alle gleichermaßen davon partizipieren und auch dazu beitragen – deshalb Bürgerversicherung; keine andere Debatte dazu.

(Beifall bei den LINKEN)

Dass wir leider über Skandale reden müssen, ist sicher menschliches Versagen. Aber die Staatsanwaltschaft und auch das Ministerium werden hoffentlich weiter zur Aufklärung beitragen. Ich will hier nicht spekulieren. Aber vielleicht sollten wir am Ende einer solchen Debatte ganz leise darüber nachdenken, ob es nicht vielleicht auch Ergebnis oder Begleiterscheinung einer zunehmenden Ökonomisierung in unserem Gesundheitswesen ist,

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

wo manchmal Krankenhäuser in einen Wettbewerb gedrängt werden, den wir eigentlich so nicht brauchen. Es ist oftmals ein Konkurrenzwettbewerb. Dass es dann dort zu menschlichem Versagen kommen kann, das billige ich nicht, das verurteile ich auch. Aber denken wir bitte darüber nach, dass wir möglicherweise auch die Rahmen

bedingungen, dass so etwas eingeschränkt werden kann, verbessern sollten. Daran haben wir alle einen Anteil, den wir noch einzulösen haben.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Herr Dr. Pellmann sprach erneut für die Fraktion DIE LINKE. – Gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den kann ich nicht erkennen. Damit erhält die Staatsregierung das Wort und es spricht Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Auch von mir die gute Nachricht zuerst: Vier von fünf Deutschen sind mit unserem Gesundheitssystem zufrieden. Das hat die aktuelle Umfrage des Allensbach-Instituts zum Ergebnis gebracht. Das Vertrauen in unsere Gesundheitsversorgung ist so groß wie schon lange nicht mehr. Das ist wichtig, ein hoher Anspruch, aber gleichzeitig auch eine große Verantwortung. Auch meinerseits ein herzliches Dankeschön an all diejenigen, die dieses Ergebnis letzten Endes ermöglicht haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wie schnell aber auch dieses Vertrauen verspielt sein kann, zeigen die aktuellen Zahlen der derzeit bereiten Organspender.

Ja, die Transplantationsmedizin und das hohe Ansehen der Transplantationsmediziner hat einen herben Schlag einstecken müssen. Die Manipulationen in München, Göttingen, Regensburg und Leipzig erschweren die Vertrauensbildung und die Vertrauenssicherung, und das in einem ganz sensiblen Bereich.