Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Sie haben die Industriebetriebe angesprochen. Richtig ist, dass Industriebetriebe – zum Teil – befreit sind. Das ist übrigens eine Entscheidung, die Rot-Grün getroffen hat.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Allerdings werden es immer mehr Unternehmen!)

Sie haben allerdings nur Großbetriebe – wie BASF – befreit. Die kleinen und mittelständischen Betriebe haben Sie überhaupt nicht interessiert; das ist nämlich nicht Ihre Klientel. Schwarz-Gelb hat gesagt: Auch die Mittelständler sollen davon profitieren können. – Das war das Einzige. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und den Eindruck erwecken, die Befreiung der Großunternehmen sei von der jetzigen Bundesregierung eingeführt worden, dann sind Sie schief gewickelt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Man kann gern über eine Änderung der Kriterien nachdenken. Damit habe ich kein Problem. Wenn eine Kaufhauskette ihre Rolltreppen in eine eigene Gesellschaft ausgliedert, um sich von der EEG-Umlage befreien zu lassen, dann ist das nicht legitim, und ich finde, dass man das verändern kann.

Ich möchte jedoch nicht, dass die EEG-Umlage auf alle Industriebetriebe Anwendung findet. Was hieße das denn für die Gießereien und die Papierindustrie in unserem Land? Die wären von heute auf morgen tot. Von heute auf morgen könnten diese Betriebe schließen, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Wir haben mit die höchsten Strompreise in der Europäischen Union. Strom ist jedoch in einem energieintensiven Bereich ein wichtiger Produktionsfaktor. Was hätten wir denn davon, wenn diese Betriebe schließen würden? Die Leute würden alle auf der Straße sitzen. Das kann doch nicht unsere Absicht sein!

Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es eine Strompreisbremse gibt. Es reicht nicht, an den Symptomen herumzuoperieren, sondern man muss an der Wurzel ansetzen. Es kann nicht mehr so weitergehen.

(Andreas Storr, NPD: Und was macht die CDU/FDP-Regierung?)

Die Strompreise dürfen nicht weiter durch die Decke gehen. Wir müssen auch den ungebremsten Ausbau von Solarstromanlagen endlich stoppen. Der Ausbau muss in einem ordentlichen Rahmen erfolgen, nämlich so, dass er verträglich ist, nicht aber so ungebremst wie derzeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden den Antrag der GRÜNEN selbstverständlich ablehnen, weil er das Problem nicht löst. Sie sind es, die mit Ihrer Politik den Strompreis in die Höhe treiben. Jetzt beschweren Sie sich über die Folgen. Das ist sehr unredlich. Wir lassen Ihnen das nicht durchgehen. Ich bin mir auch sicher, dass die Bürger in Sachsen Ihnen das nicht durchgehen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Frau Dr. Pinka, Sie wollen garantiert das Instrument der Kurzintervention nutzen?

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ja!)

Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit. Bitte.

Vielen Dank, Herr Prof. Schmalfuß. – Ich finde es einfach nur eklig, wie Sie einen der großen privaten Investoren, Herrn Dr. Asbeck, hier angegriffen haben.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Zurufe von der CDU: Oh!)

Dieser Mann hat in Freiberg Großes geschaffen. Ich weiß das; denn ich bin Freibergerin und kenne viele Menschen, die in dem Unternehmen Deutsche Solar arbeiten. Er hat an diesem Standort eine eigene Forschungseinrichtung geschaffen und ist damit sachsenweit der Einzige.

(Alexander Delle, NPD: Fragen Sie mal die Leute, die die Anleihen gezeichnet haben!)

Ich muss Ihnen sagen: Es ist für uns in Freiberg ganz furchtbar, dass diese Solarindustrie gerade zusammenbricht. Sie wissen, dass er ums Überleben kämpft. Unsere Stadt Freiberg hat in den vergangenen Jahren von den entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen vorzüglich

gelebt. Wir konnten Straßen bauen, Schulen sanieren usw.

Ich finde es einfach nur furchtbar, privates Engagement in der Marktwirtschaft zu diffamieren. Unsere Fraktion und ich, wir sind sicherlich keine Verfechter der freien Marktwirtschaft. Aber Sie sind es! Und Sie greifen diesen Mann an? Ich finde, das ist eine Frechheit und Unverschämtheit.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Christian Piwarz, CDU: Bemerkenswert! Vielleicht gibt es ja eine Spende!)

Herr Krauß, Sie antworten jetzt auf die Kurzintervention.

In der Tat: Wir sind Anhänger einer freien Marktwirtschaft, einer sozialen Marktwirtschaft.

(Stefan Brangs, SPD: Ach so? „Sozial“ wurde aber nachgeschoben! – Antje Hermenau, GRÜNE: Frei oder sozial – was denn nun?)

Wenn etwas bis zum Umfallen subventioniert ist, fällt das bei mir nicht unter „freie Marktwirtschaft“.

(Unruhe bei den LINKEN)

Entschuldigung, aber wenn Sie heute ein Förderprogramm dafür auflegen, Straßen mit Fingernagellack zu lackieren, dann werden Sie sofort eine entsprechende Nachfrage haben, wie unsinnig das auch ist. Das ist aber nicht unser System.

Sie nehmen sich Herrn Asbeck anscheinend zum großen Vorbild. Ich kenne Menschen, die dort als Leiharbeiter tätig waren und die er rausgehauen hat; dann hat er sich sein Schloss gekauft. Ich kenne auch Unternehmen, die nach Tarif bezahlen – er gehört nicht dazu.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Sie können doch die Leiharbeit abschaffen!)

Sie können ihn als großes Beispiel für sich hinstellen. Aber es kann doch wohl nicht sein, dass er die Leute vor die Tür setzt, aber vorher das Geld herausgezogen hat, um sich ein zweites Schloss zu kaufen. Das machen wir nicht mit, das ist für uns nicht soziale Marktwirtschaft. Solche Leute unterstützen wir nicht.

Dass Sie das machen, haben wir bei Herrn Gysi gesehen. Er hat sich an Herrn Maschmeyer gewandt, weil er jemanden vertreten hat, der „schwarzes“ Gold in die Schweiz transferiert hatte, und Herr Gysi musste es unbedingt zurückholen. Das sind Ihre Freunde, für die Sie sich einsetzen. Unsere Freunde sind das nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Herr Krauß!)

Wir fahren fort. Frau Dr. Runge spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Problemlage ist zu ernst, als dass wir hier in einen so billigen, demagogischen Wortwechsel verfallen sollten.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielleicht ist es doch einmal möglich, angesichts eines ernsten Problems mit sachlichen Argumenten über den besten Lösungsweg zu debattieren. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthält Vorschläge und konkrete Forderungen. Man kann sachlich darüber debattieren und bewerten, ob diese Vorschläge einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten oder nicht.

Alle Forderungen, die in dem GRÜNEN-Antrag aufgeschrieben sind, können wir von der Linksfraktion unterstützen, auch wenn sie mit unseren eigenen Vorstellungen nur teilweise übereinstimmen. Wir sind auch lernfähig.

Nur, Herr Lichdi, in einem Punkt sehe ich doch einen Unterschied: All die Vorschläge, die Sie bzw. Ihre Fraktion aufgeschrieben haben, können das Problem nur lindern, aber nicht wirklich in der Substanz lösen.

Worin liegen denn die Ursachen des permanenten Preisanstiegs? Ich unterscheide drei Teilprobleme:

Das erste Teilproblem besteht darin, dass das gegenwärtige Merit-Order-Handelsmodell in der Krise ist. Herr Lichdi hat es beschrieben: fallende Strompreise an der Börse, eine steigende Umlage durch das ErneuerbareEnergien-Gesetz, in dessen Folge es im nächsten Jahr wieder einen Anstieg geben wird; das hängt mit der Berechnungsmethode und dem erwähnten Merit-OrderEffekt an der Börse zusammen. Das sollten wir jetzt ausklammern, weil man das in einer fachpolitischen Expertenanhörung im Detail durchdebattieren müsste, um die Konflikte, die es tatsächlich gibt, auflösen zu können.

Ein zweiter Teilaspekt, was die Energiekosten angeht, ist das Verteilungsproblem. Insoweit hat Herr Lichdi völlig recht: Es kann nicht sein, dass die Befreiungen, die von Herrn Rösler für immer mehr Unternehmen durchgesetzt werden, auf die Schultern der kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie der privaten Verbraucherinnen und Verbraucher verteilt werden. Das macht mittlerweile eine erhebliche Summe aus. Das muss verändert werden. Die Befreiung darf sich wirklich nur auf energieintensive Unternehmen beziehen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Nur diese dürfen von der EEG-Umlage weitgehend entlastet werden.

Das dritte Problem, das mit dem Antrag angesprochen wird, besteht für einkommensschwache Personen, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Energiebedarf zu finanzieren. Es gibt eine interessante gesetzliche Selbstbindung des Sozialstaates in Umsetzung der europäischen Richtlinie von 2009, wonach jedes einzelne Land für schutzbedürftige Personengruppen eigene Lösungen zu finden hat. In den Eckpunkten der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Sozialgesetzgebung dafür zuständig ist, dieses Problem für einkommensschwache Haushalte und Personen zu lösen. Wie wir wissen, versagt genau diese Gesetzgebung, da wir es mit wachsenden Stromabschaltungen oder Gassperrungen zu tun haben.

Diese stille soziale Katastrophe darf uns nicht egal sein. Hier müssen wir etwas unternehmen, und da reicht es eben nicht, Herr Morlok, wenn Sie in Ihrer Antwort schreiben, dass die Durchschnittspreissteigerung bei den jeweiligen Regelsätzen angepasst wird. Nachgewiesenermaßen liegt der Regelsatz für Strom, den zum Beispiel ALG-II-Bezieher erhalten, bei circa 30 Euro, aber die Verbraucherzentralen haben errechnet, dass der Regelsatz eigentlich bei 37 Euro liegen müsste.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das haben wir ja drin!)

Genau.

Durch Sozialgesetzgebung muss hier nachgesteuert werden, wenn schon vom Gesetzgeber entschieden ist, dass für diese Personengruppen das Sozialgesetzbuch gilt. Ich appelliere an Sie, dass wir über die verschiedenen Möglichkeiten sachlich debattieren. Sehr schnell im Land umgesetzt werden könnte so ein Sozial-Contracting, indem der Freistaat einen Fonds bildet, speziell diese Personengruppen beraten werden und finanzielle Zuschüsse gegeben werden, damit energiesparende Elektrogeräte angeschafft werden können. Das wäre eine ganz konkrete Hilfe, die wir vom Land Sachsen aus umsetzen könnten. Insofern stimmt die Linksfraktion dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu, wohl wissend, dass wir etwas später mit unserem eigenen Antrag dieses Thema aufgreifen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)