Mit Herrn Apfel sind wir am Ende unserer Aussprache angekommen. Das Wort erhält jetzt der Sächsische Ausländerbeauftragte, Herr Prof. Gillo.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich freue mich über die sehr breite Anerkennung der Aufgaben des Sächsischen Ausländerbeauftragten und des Teams, das mich dabei unterstützt. Vielen Dank!
Die Unterstützung von allein demokratischen Fraktionen zeigt, dass wir einen Konsens haben und wir zu einer weltoffenen Gesellschaft werden wollen und müssen. Was wollen wir? Wir wollen Wohlstand für unsere Gesellschaft. Dafür brauchen wir auch Zuwanderung, denn ein Drittel aller Stellenangebote für Fachkräfte finden heute in Sachsen noch nicht mal einen Bewerber. Das heißt, wir haben eine echte Herausforderung.
(Andreas Storr, NPD: Das sind wahrscheinlich Überqualifizierte auf dem sächsischen Arbeitsmarkt! So ein Schwachsinn!)
Dazu gehört aber auch Weltoffenheit. Weltoffenheit ist uns nicht angeboren. Wenn man sich den Ausländeranteil in Sachsen anschaut, stellt man fest: Er beträgt unter 3 %. Jetzt rechnen wir Menschen mit Migrationshintergrund dazu – das sind auch noch einmal 2 % plus –, dann kommen wir auf insgesamt 5 % Menschen mit Migrationshintergrund. Das heißt, wenn wir diese Menschen alle erfolgreich in unsere Gesellschaft integrieren, haben wir kein Problem. Das ist eine ganz normale Situation.
(Beifall bei der CDU – Andreas Storr, NPD: Da kommt genügend Nachschub von neu integrierten Ausländern!)
Doch Weltoffenheit ist uns nicht angeboren, ganz im Gegenteil. Uns ist angeboren und in die Wiege gelegt eine ausdrückliche Fremdenangst, die sich durch Fremdenfeindlichkeit zeigt, wenn wir nicht lernen, sie zu überwinden.
Woran erkenne ich das? Ein kleines Beispiel: Im Jahr 1933 gab es 0,8 % Juden in Deutschland, also unter 1 %, und dennoch kam es zu entsetzlichen Rassismusauswüchsen, die uns heute noch Schaden bringen.
Im Schatten dieser Fremdenfeindlichkeit kämpfen wir auch heute um mehr Weltoffenheit, und wie der Vorredner gerade zeigte, lebt sie leider auch heute noch in kleinen Teilen in Sachsen. Deshalb sehe ich die Ermutigung zu mehr Weltoffenheit, für Vielfalt als den wichtigsten Teil meiner Aufgabe.
Einige kleine Beispiele: Da sagt mir zum Beispiel jemand, dass er im Alltag oft wegen seines Akzentes herabschätzend behandelt wird. Oder kommen wir auf den NSU-Prozess zu sprechen, wie gut wir ihn vorbereitet haben. Aber stellen wir uns mal ehrlich die Frage: Haben wir den Angehörigen der Familien signalisiert, dass Deutschland ihre Heimat ist und dass sie zu unserer Heimat gehören? Ich denke, wir haben da noch einiges zu lernen.
Angesichts dieser beiden Jahresberichte möchte ich heute drei Ermutigungen und Anregungen aussprechen. Wir Sachsen waren die Ersten, die die menschenunwürdige Unterbringung von Asylsuchenden in Gemeinschaftsunterkünften methodisch erfassten – wie einige meiner Vorredner sagten –, und haben dabei in drei Jahren durch diese Offenheit wesentliche Verbesserungen erreicht. Von 50 % „roten Heimen“ waren es im Jahr 2012 0 %. Das heißt, der Umgang mit Asylbewerbern in Asylbewerberheimen ist wesentlich besser geworden, und ich danke dafür ausdrücklich den Landkreisen und kreisfreien Städten.
In diesem Zusammenhang möchte ich der Staatsregierung, repräsentiert durch den Innenminister, ganz ausdrücklich danken, der die dezentrale Unterbringung von Familien in Wohnungen unterstützt, denn Gemeinschaftsunterkünfte sind nicht familien- oder kindergeeignet.
Die heutige Realität in Sachsen ist, dass Flüchtlingsfamilien in der Regel auch dezentral leben. Dafür möchte ich ausdrücklich danken, und ich hoffe, dass die steigende Zahl der Asylsuchenden, die wir ja nicht kontrollieren können, nicht vom Thema der menschenwürdigen Unterbringung ablenkt.
Was uns auch ermutigen sollte, sind die Fortschritte bei der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. Sachsen hat eine Bundesratsinitiative für die Erleichterung für zugewanderte Fachkräfte auf den Weg gebracht. Die heutige Blue Card hätten wir auch Sachsen Card nennen können, denn der Anstoß dafür kam ganz wesentlich aus dem Freistaat Sachsen. Dafür möchte ich die Staatsregierung ausdrücklich loben. Auch die Verabschiedung des Sächsischen Berufsqualifizierungsfeststellungsgesetzes für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen ist auf sehr gutem Weg. Dafür ist die Staatsregierung ebenfalls zu loben. Das sind erste Schritte.
Meine Damen und Herren! Die Fachkräfte, die wir suchen und wollen, kommen zu uns wegen der Karrierechancen, die wir ihnen anbieten. Aber sie bleiben abhängig davon, wie wir mit den Familien umgehen. Wir haben zwei Studien durchgeführt mit ausländischen Fachkräften und mit Unternehmen, die ausländische Fachkräfte einstellen. Sie haben uns einige Anregungen auf den Weg gegeben.
Zunächst einmal sind das Deutschkurse auch außerhalb der Geschäftszeiten; denn die Ausländer, die bei uns sind, möchten von sich aus die Chance haben, unsere Sprache zu erlernen, weil das die Grundvoraussetzung für Kommunikation mit den Menschen hier ist. Sie wünschen sich auch Bildungsempfehlungen, wenn es um den Zugang zu Gymnasien geht, die die Zweisprachigkeit der Kinder berücksichtigen, die im Alter von zehn Jahren sprachlich noch nicht auf der Höhe von einsprachigen Kindern sind. Sie sollen nicht zwangsweise in die Mittelschulen geschoben werden, auch wenn sie entsprechend qualifiziert sind.
Ein anderer Punkt ist die Zugangsmöglichkeit zu Gymnasien bei entsprechend vorgebildeten ausländischen Zuzüglern, indem wir Deutsch als Zweitsprache in Begleitung an Gymnasien anbieten. Ich denke, das würde sehr helfen.
Schließlich geht es um den Zugang zu Berufschancen auch für die mitreisenden Ehepartnerinnen. In vielen Familien ist es der Fall, dass beide Elternteile für Stellen qualifiziert sind. Wir sollten den Menschen eine Chance geben, das anzuwenden.
Ein dritter Punkt ist sehr ermutigend: Wir haben ein Netzwerk für Integration und Migration in Sachsen. Das ist ein Netzwerk von über 60 Initiativen. Es sind oft freiwillige Initiativen, die sich für Integration und für ein Vorwärtsbewegen der Gesellschaft engagieren. Denken wir einfach daran, dass sie auch weiterhin unsere finanzielle Unterstützung brauchen.
Die kommunalen Ausländerbeauftragten spielen eine wichtige Rolle. Doch sie sind in einigen Landkreisen nur ehrenamtlich tätig. Ich würde mir wünschen, dass das Beispiel des Landkreises Bautzen Vorbild wird, der sich entschlossen hat, die Ehrenamtlichkeit in eine Hauptamtlichkeit umzuwandeln.
Zu meinen drei Anregungen an die Politik. Hilfebedürftige brauchen auch Sozialarbeit. Das wissen wir und dazu bekennen wir uns.
Das gilt auch für den Umgang mit Flüchtlingen. Bisher ist die unterstützende Sozialarbeit für Flüchtlinge nicht Teil des Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Deshalb liegt die Bezahlung dieser Sozialarbeit bei den Landkreisen bzw. den kreisfreien Städten. Ich würde mir wünschen, dass sich der Freistaat mittelfristig an der Finanzierung von Sozialarbeit dieser Art beteiligt.
Der nächste Punkt ist Fördern und Fordern. Wer bei uns lebt, soll uns auch respektieren. Das kann er bzw. sie aber nur, wenn wir ihm bzw. ihr die Chance geben, unsere deutsche Sprache zu erlernen. Ich freue mich, dass die Integrationsministerkonferenz unter Leitung unserer
Oh, sorry. Unsere Sozialministerin, okay. – Das ist einstimmig Konsens. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass sich der Freistaat Sachsen an einer Bundesratsinitiative in dieser Richtung beteiligt. Ich denke, wenn sowohl A- als auch B-Länder sich an solch einer Bundesratsinitiative beteiligen würden, ist die Chance, dass daraus ein Gesetz auch auf Bundesebene wird und dass damit Deutsch für alle möglich wird, umso größer.
Der dritte Punkt ist: Gehen wir den Weg zur Willkommensgesellschaft erfolgreich weiter! Schaffen wir ganz konkret mehr interkulturelle Begegnung! Wir erkennen, dass unsere Fremdenangst in der konkreten Begegnung mit ausländischen Menschen nicht angebracht ist. Nutzen wir diese Chance. Fördern wir, dass andere Menschen diese Chance bekommen. Dazu würde vielleicht auch helfen, wenn sich der Freistaat und die Landkreise bzw. kreisfreien Städte zum Beispiel zu dieser Initiative der Bundesregierung „Charta der Vielfalt“ bekennen und ihr beitreten würden.
Wenn wir das tun, dann ermutigen wir auch unsere Unternehmen – auch die mittelständischen Unternehmen –, der Initiative „Charta der Vielfalt“ beizutreten.
Meine Damen und Herren! Machen wir weiter und machen wir Sachsen für alle Menschen bei uns lebenswert! Machen wir Sachsen für alle bei uns heimatwert, damit wir alle auf unsere bunte Heimat Sachsen stolz sein können!