Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Der Freistaat Sachsen ist meiner Information nach immer noch mit seinem Verbindungsbüro chronisch unterbesetzt, und wir warten bis heute auf eine Strategie, wie wir uns dort als eine von über 200 Regionen aufstellen wollen, um diese Mittel in der Zukunft für Sachsen und die wirtschaftliche Entwicklung zu akquirieren. Das sind die Themen, die wir hier in Sachsen besprechen müssten. Das andere ist eine Schaufensterdebatte, und die Medienmeldung über die Ansiedlung von Bosch, meine Damen und Herren, die rein zufällig zwei Tage vor dieser Aktuellen Debatte lanciert wurde, spricht eigentlich Bände über die Frage, welche Dimensionen dieses Thema in der Sächsischen Staatsregierung wirklich hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Mann sprach jetzt gerade für die SPD-Fraktion. Gibt es Redebedarf bei den GRÜNEN? – Es ergreift erneut Frau Kollegin Hermenau das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Erst vor Kurzem gab es eine neue Verteilrunde im entsprechenden EU-Programm europaweit, und Globalfoundries hat aus dem Gesamtvolumen, das mit 100 Millionen Euro auch nicht sehr hoch war, 1 % bekommen, in Worten: ein Prozent. Das heißt, wir haben keine Lobby in Brüssel. Das ist ganz klar, sonst sähen die Geldflüsse anders aus. Da die EU nun einmal, um es etwas salopp zu formulieren, nur dann Geld rausrückt, wenn der jeweilige Staat etwas dazugibt, muss ich einfach wieder auf Berlin verweisen, aber das hilft uns in Dresden nichts, die Berliner Regierung zu beschimpfen, auch wenn es Ihre eigene Truppe ist.

Sachsen und die EU: Die USA-Reise hat gezeigt, dass wir eine wirklich gute Chance haben. Diese besteht darin, dass wir uns an die USA dranhängen. Ich sehe eigentlich keine andere Möglichkeit, was Forschung, Entwicklung und Technologie betrifft; wir müssen da sehr eng kooperieren. Das birgt viele Schwierigkeiten in sich. Allein, was an finanziellen Vorstellungen die Runde machte in den Austauschen und Gesprächen, ist aus sächsischer Sicht unerfüllbar. Ich vergleiche mal mit dem, was Sie, Herr Morlok, in Ihrem Etat vorgesehen haben in Kapitel 20. Die Schlüsseletats für Pilotlinien haben Sie auf regionaler Ebene reserviert: für 2013 einen Leertitel und für 2014 6,5 Millionen Euro als Verpflichtungsermächtigung.

Wir haben in den USA Beträge gehört, die das um ein Hundertfaches getoppt haben, um das einmal klarzustellen. Das heißt, aus eigener Kraft wird das nichts.

Gehen wir nun noch einmal kurz auf Bosch zurück. Interessant fand ich einmal die Anwendungsbereiche, die bei Bosch Sensortec eine Rolle spielen sollen, nämlich die Frage, ob man mit mikroelektronisch-mechanischen Systemen kundenspezifische Schaltkreise herstellen kann. Das ist interessant für Computertelefone, für Tabletrechner, für Spielkonsolen, für Automotorsteuerungen. Da gibt es ganz viele Anwendungsbereiche. Das ist aus meiner Sicht etwas Spannendes. Die Begründung von Bosch ist gewesen, in Dresden habe man Zugriff auf das große akademische und Ingenieurpotenzial an einem der dynamischsten mikroelektronischen Standorte Europas. Ob das noch so zutrifft? Man muss ja auch die Firma ein bisschen beweihräuchern. Auf alle Fälle finde ich interessant: Zugriff auf ein großes akademisches und Ingenieurpotenzial.

Wenn ich mir ansehe, was dann seit Qimonda passiert ist in den letzten Jahren: Wir hatten in den Neunzigerjahren einen Standort, der europaweit oder auch weltweit von Gewicht war – jetzt ist das nicht mehr so. Die mikroelektronischen Forschungszentren, also CNT und Namlab, sind damals für 30 Millionen Euro Fördergelder vom Staat nach der Qimondapleite gefördert worden. Man hat also PPPs gemacht; Public Private Partnership heißt das. Man hat sich mit Privaten zusammengetan, und der Staat hat mit 30 Millionen Euro gefördert. Diese PPPs haben nicht funktioniert. Nach dem Rückzug von Infineon und AMD aus der Prozessorfertigung hat es dann Finanzierungsprobleme gegeben. Zwischenzeitlich ist mal Qimonda reingegangen, dann war Qimonda pleite, und Globalfoundries hat 2011 auch eingestellt. Das heißt, im Prinzip sitzt jetzt die Uni allein auf diesen Geschichten und muss sehen, wie sie das hinbekommt. Die Eigenmittel, die dafür eingeworben werden, sind nicht der Rede wert,. Die eigene Kraft ist offenbar nicht da. Wie bekommen wir Investoren hierher und wie bekommen wir Brüssel bewegt? – Das sind die Fragen, die ich von Ihnen beantwortet haben möchte.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion die GRÜNE war das Frau Hermenau. Möchte die NPD nochmals das Wort ergreifen zu diesem Thema in dieser Runde? – Nein. Wir könnten jetzt eine dritte Rederunde eröffnen; und wir tun das auch. Für die einbringende Fraktion der CDU erhebt sich Kollege Heidan von seinem Platz und ergreift jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In allen Ehren, Herr Mann und auch Frau Dr. Pinka, aber ich habe eine andere Wahrnehmung in den letzten Jahren durch unsere Staatsregierung vernommen. Offensichtlich scheinen Sie nicht einmal die Pressemitteilungen der Staatsregierung zu lesen. Es war nicht nur der Wirtschaftsminister, sondern allen voran unser Ministerpräsident, der in vielen Gesprächen – Frau Hermenau hat das ja gerade bestätigt – auch um Investo

ren geworben hat. Ich war selbst bei einer solchen Reise dabei. Wenn Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender etwas aufgepasst hätte, dann hätte er das bestätigen können, was Sie hier Falsches vorgetragen haben, meine Damen und Herren.

Ich muss noch einmal deutlich sagen, Frau Dr. Pinka, wenn Sie so finanzpolitisch unterwegs sind, dass Ihnen wenige Hundert Millionen kein Problem darstellen, dann zeigt das Ihre laienhafte Verantwortungslosigkeit, die Sie in diesem Hohen Haus an den Tag legen, dass wir hier eben nicht mal schnell Hundert Millionen staatliche Förderung hinüberschieben können, um so einen wichtigen Industriestandort und so eine wichtige Branche zu unterstützen. Das ist nicht unsere Meinung über Wirtschaftspolitik, und das kann auch nicht Zielsetzung dieses Hohen Hauses sein, mit Geld so umzugehen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Anfang 2007 gab es weltweit insgesamt 40 Halbleiterfabriken, die sich im Bau befunden haben, zwei in Europa, drei in Amerika, sprich: USA, und 35 in Asien. Ich will es noch einmal deutlich machen: Wenn hier nicht gemeinsam der europäische Gedanke erkannt wird, dass wir die Unterstützung von allen brauchen und das nicht nur ein sächsisches Thema ist, dann haben wir einen Wettbewerbsnachteil für unsere Wirtschaft selbst produziert, und zwar für die Wirtschaft nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, sondern für die Wirtschaft in Europa.

Das muss ich noch einmal deutlich sagen. Denn wenn wir uns abhängig machen hauptsächlich von den asiatischen Märkten oder von dem amerikanischen Markt, der jetzt mittlerweile die 450-Millimeter-Waferplatte führend in den Markt hineingebracht hat, dann haben wir eine Abhängigkeit, die wir für die Industriebereiche wie Automobil, Telekommunikation und viele andere Bereiche, in denen wir führend sind, nicht wollen. Deshalb ist diese Debatte an dieser Stelle so wertvoll. Wir müssen es nach draußen tragen. Es muss eine europäische Dimension werden. Silicon Europe – das ist das Thema, und ich danke auch noch einmal für diese Diskussion, diese Debatte. Wir werden weiterhin darum kämpfen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Sie haben eine Kurzintervention vorzutragen, Frau Pinka?

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Heidan hat mich ja gerade als finanzpolitischen Blindgänger herausgearbeitet. Daher möchte ich schon gern etwas erwidern.

Ich habe damit nur einen Vergleich ziehen wollen, dass es damals – wie gesagt – um „wenige 100 Millionen Euro“ ging. Jetzt erreicht es einfach eine ganz andere Dimension. Es sollen also mit einem Anreiz von 5 Milliarden Euro 100 Milliarden Euro für ganz Europa mobilisiert werden. Da muss man sich eben dann auf Bundes- und Landes

ebene über ganz andere Förderanreize unterhalten, als es damals der Fall war. Nichts anderes wollte ich mit diesem Vergleich aussagen. Ich habe das Ringen hier im Landtag nicht mitbekommen, nur von außen, nur, was die Presse gespiegelt hat. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich nicht ganz auf der Höhe bin wie Sie.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Das schaffen Sie nie!)

Kollege Heidan, wollen Sie darauf reagieren?

(Frank Heidan, CDU: Nein!)

Gibt es jetzt weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den kann ich sehen. DIE LINKE wollte nicht noch einmal sprechen, wenn ich es richtig gesehen habe. Das war nur eine Kurzintervention. Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will in den mir verbleibenden zwei Minuten noch auf zwei Aspekte eingehen.

Der erste Aspekt ist folgender: Man wird ja von den Zahlen erschlagen. Da sollen 10 Milliarden Euro aus privaten, regionalen, europäischen und nationalen Mitteln bereitgestellt werden, um 100 Milliarden Euro an neuen Investitionen zu mobilisieren. Das halte ich für einen spannenden Vorgang. Eine Verzehnfachung klingt sehr schön. Das hieße maximal eine Zehnprozentförderung. Ich will das nicht weiter ausführen. Ist damit aber wirklich dieser Anreiz geschaffen?

Wenn ich mir vorstelle, dass man diese Jubelmeldungen unter das Volk gebracht hat, aber nicht ganz genau sagt, wofür, weshalb, wieso, dann bekomme ich meine Zweifel. Es muss ganz klar sein, wofür wir an welcher Stelle dieses Geld aufwenden wollen, um in der Konkurrenz mit Asien und Nordamerika bestehen zu können. Ich habe einzelne Teilbereiche genannt; aber hier muss es um mehr gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt knüpft unmittelbar daran an. Wir haben in Asien einen Weltkonzern, der quasi unkaputtbar ist. Der nennt sich Samsung. Wer sich heute ein modernes Smartphone leistet, der schaut, was das beste auf dem Markt ist. Da muss man zugeben, dass sich die Koreaner hier unheimlich gut aufgestellt haben und weiter entwickelt sind als alle Wettbewerber.

Jetzt kommt genau für uns die spannende Frage: Wie stellt sich dagegen die Europäische Union auf? Wir haben keinen Staatskonzern. Bringen wir einen virtuellen zustande, bei dem wir einfach sagen, dass wir die Kräfte bündeln, wie es hier vielleicht angedacht ist, um tatsächlich auf Augenhöhe mit Samsung konkurrieren zu können? Oder verzichten wir auf dieses Geld und sagen: „Dann sollen sie doch für uns produzieren.“? Letzteres fände ich sehr fatal,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

weil es für mich außerordentlich wichtig ist, dass wir nicht nur auf den Dingern herumspielen und sehr schnell neues Wissen generieren können, sondern wir müssen auch noch wissen, wie dieses Wissen zustande kommt. Deshalb ist es für mich besonders wichtig, dass wir im Bereich Forschung und Entwicklung viel tun. Aber es muss uns eben auch gelingen, die Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung in die Produktion überzuleiten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Erfahrung aus dem Beispiel Qimonda ist, dass sie insbesondere bei einer Massenproduktion durch die Skaleneffekte Geld verdienen müssen, das sie anschließend als Investition wieder in den Kreislauf zurückbringen. Das kann ein Staat nicht leisten. Sie müssen über Produktion so viele Gewinne abwerfen, dass sie am Ende in großem Umfang Forschung und Entwicklung finanzieren können.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das ist der Punkt, den die EU noch beantworten muss.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Kollege Jurk hat die letzten Sekunden der Redezeit seiner Fraktion ausgeschöpft. Gibt es jetzt weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den sehe ich nicht. Damit ergreift die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Morlok.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Mikroelektronikstandort Sachsen ist aus meiner Sicht in der Tat gut aufgestellt. Wir haben über 300 Unternehmen in dieser Branche mit über 25 000 Beschäftigten. Wir sind inzwischen attraktiv geworden für Unternehmen, die hier zu uns in den Freistaat Sachsen kommen.

Das Engagement von Bosch ist bereits von verschiedenen Debattenrednern angesprochen worden. Ich möchte gern noch einmal näher darauf eingehen, weil es zeigt, was sich in den letzten 20 Jahren hier im Freistaat Sachsen verändert hat. Das Engagement von Bosch war nämlich das Ergebnis einer konkreten Anfrage der Staatsregierung bei Bosch, ob sie es sich denn nicht vorstellen könnten, sich hier im Freistaat Sachsen zu engagieren. Es war also nicht die Initiative eines Unternehmens, das für eine bestimmte Technologie, für eine bestimmte Forschungsarbeit einen Standort gesucht und das im internationalen Rahmen untersucht und bewertet hat und nach einem langen Prozess zu dem Ergebnis gekommen ist: Wir gehen nach Sachsen. Nein, es ist so gewesen, dass wir Bosch angesprochen haben. Wir haben das Interesse bei Bosch geweckt. Wir waren vor Ort und haben den Standort präsentiert. Das geschah in guter Abstimmung der beiden betroffenen Ressorts durch die Kollegin

Schorlemer und mich. Es ist gelungen, Bosch von der

Attraktivität des Standorts zu überzeugen. Das ist eben der qualitative Unterschied, den wir inzwischen hier im Freistaat Sachsen im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik erreicht haben, und zwar nicht nur in den letzten Jahren. Das ist das Ergebnis des Engagements von vielen, vielen Jahren, das sich hier inzwischen erfolgreich niederschlägt, sehr geehrte Damen und Herren.

Das wird inzwischen auf der europäischen Ebene wahrgenommen. Die Veranstaltung zur Präsentation der neuen europäischen Strategie ist schon angesprochen worden. Frau Kroes hat zur Präsentation dieser neuen EUStrategie sechs Organisationen eingeladen, eine Keynote zu sprechen.

(Holger Mann, SPD, steht am Saalmikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Ich möchte den Gedanken noch gern zu Ende führen.

Vier von den angesprochenen Keynotespeakern waren nationale Regierungen, zwei waren Regionen, eine davon der Freistaat Sachsen. Wir haben das als Staatsregierung durchaus als Auszeichnung betrachtet, dass ein Bundesland von der Europäischen Union zu einer solchen Veranstaltung eingeladen wird, um dort eine Keynote zu sprechen. Für uns, für den Ministerpräsidenten und mich, war es selbstverständlich, dass wir diese Einladung annehmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Jetzt die Zwischenfrage.