Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Für die FDP-Fraktion sprach der Kollege Biesok. Jetzt frage ich die Fraktionen: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Kollege Bartl erhält das Wort für die Fraktion DIE LINKE. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hartmann, von dem, was Sie in der zweiten Runde gesagt haben, kann ich gut und gerne zwei Drittel unterstreichen und unterschreiben. Das ist nicht das Problem. Niemand in diesem Hohen Hause – ich gehe von den demokratischen Fraktionen aus – sieht darin einen Dissens, dass Polizistinnen und Polizisten in der Dienstausübung durch den Gesetzgeber, das Gesetz und die Politik geschützt werden müssen. Das ist doch völlig klar.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD)

Unser Problem ist folgendes: Wenn Sie eine solche Meinung vertreten, wie bei Ihrem ersten Beitrag, und das Thema politisieren – die Auseinandersetzungen hier in das Haus hineintragen, in die Wertgefüge der Polizeiarbeit –, erweisen Sie den Polizistinnen und Polizisten einen Bärendienst. Sie erweisen einen Bärendienst.

Das Problem ist letzten Endes folgendes: Unsere Polizei wird am allerbesten ihre Aufgaben erfüllen können, wenn man ihr die Chance gibt, möglichst politikfern zu agieren. Sie soll letzten Endes agieren, wie das Gesetz es verlangt – ohne Ansehen von Personen –, und gegen Rechtsverletzungen eintreten und auftreten. Sie soll keine Rang- und Reihenfolge vorgegeben bekommen; je nachdem, wer etwas in irgendeiner Form unternimmt, ist das entweder akzeptabel oder nicht akzeptabel.

Aber dann hinzutreten und einem Mitglied dieses Hohen Hauses zu unterstellen, dass es, wenn es eine Demonstration anmeldet, billigend in Kauf nimmt, dass von dieser Demonstration Gewalt ausgeht, ist minimal gesagt – das sage ich jetzt als Jurist – riskant. Wenn Sie dann nicht ganz klare Belege für diese Behauptung haben, sind Sie auf einem gefährlichen Terrain.

(Christian Piwarz, CDU: Das hat er so nicht behauptet!)

Das hat er so behauptet. Das werden wir im Protokoll sehen.

Wir können beim allerbesten Willen in der Gesellschaft, in der – darüber haben wir gestern gesprochen – das Versammlungsrecht eines der höchsten Rechtsgüter ist, nicht sagen: Wer von der Ecke anmeldet, dem gebe ich von vornherein in irgendeiner Form den Verdacht mit auf dem Weg, dass er Gewalt will.

(Marko Schiemann, CDU: Das haben wir nicht gesagt, das wissen Sie! Sie sollen hier nicht wieder Unwahrheiten sagen! – Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Schiemann, ich habe Ihnen gestern wenigstens fünf Unwahrheiten nachgewiesen. Dass Sie heute aus dem Glashaus heraus Steine werfen wollen, begreife ich überhaupt nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Unser Problem ist folgendes, und das hat meiner Meinung nach Frau Jähnigen klipp und klar gesagt: Wir brauchen eine Situation bei der Polizei, in der die Polizistinnen und Polizisten von der fachlichen Seite aus, von der Ausbildung her, von der personellen Seite und letztendlich auch von der gesetzgeberischen Seite aus gesehen in der Lage sind, entsprechend den Konstellationen, wie sie sich in der Gesellschaft darstellen, ihren Dienst zuverlässig zu erfüllen.

(Robert Clemen, CDU: Dann meldet doch keine gewaltbereiten Demonstrationen mehr an!)

Das setzt letzten Endes selbstverständlich voraus, dass Polizistinnen und Polizisten auch strafrechtlich geschützt

sind. Wir wissen aber alle gemeinsam, dass die Erhöhung des Strafmaßes zum Beispiel von zwei auf fünf Jahre bzw. zehn Jahre, wie es vorgesehen ist, in der Regel keine Straftaten verhindert. Das ist doch eine historische Erfahrung. Auf diesen Weg zu setzen ist verkehrt. Wir brauchen die Debatte in der Haushaltsberatung darüber, wie wir die Polizei besser ausrüsten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dort müssen wir ansetzen, weil dann jeder in der Gesellschaft mitbekommt, dass der Arbeit von Polizistinnen und Polizisten die notwendige Aufmerksamkeit und der notwendige Respekt entgegengebracht werden. Stellenabbaupläne auf der einen Seite, sie aber auf der anderen Seite für die Wichtigkeit ihrer Arbeit zu feiern – das beißt sich. Das geht so nicht!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die erfahrenen Polizistinnen und Polizisten gerade im Bereich der Bereitschaftspolizei wissen, dass neben der Frage des rechtlichen Strafrahmens, der sie schützt, ganz wesentlich die Frage ist: Wie bin ich denn ausgebildet, zum Beispiel auf dem Gebiet der Deeskalationsstrategie? Wie bin ich ausgebildet auf dem Gebiet der Kooperationsbereitschaft? Wie bin ich selbst von vornherein mit der Versammlungsbehörde gemeinsam mit Anmeldern im Gespräch und komme zu Deeskalationsmodellen? Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.

Deshalb sage ich: Man kann diese Aktuelle Debatte führen, aber eigentlich gehört das Thema in die Haushaltsdebatte. Dann machen wir Nägel mit Köpfen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Kollege Bartl. Gibt es weiteren Diskussionsbedarf? – In der Reihenfolge kommt zuerst die NPDFraktion, wenn die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN keinen Redebedarf mehr haben. Also zuerst Herr Storr und dann erneut Herr Hartmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, meine Analyse noch ein wenig zu vertiefen. Ich denke, dass man die politischen Versäumnisse, auch die der Staatsregierung, im Umgang mit Ihrer Polizei sehen muss.

Ein Problem erscheint mir gerade vor dem Hintergrund von Versammlungen ganz maßgeblich zu sein. Es gibt nämlich in den Reihen der Polizei ein gewisses Maß an Verunsicherung, und zwar durch den permanenten Rechtfertigungsdruck, dem die Polizei ausgesetzt ist und dem die politisch Verantwortlichen – aus meiner Sicht auch der Herr Innenminister – ausweichen. Nach meiner Beobachtung ist es so, dass bei linksextremistischen Gewalttaten umgehend aus den Reihen der Politik, speziell aus dem linken Spektrum, bejammert wird, dass es ein zu hartes Vorgehen dagegen gäbe. Bei angeblichen Rechtsextremisten sei man stattdessen zu nachgiebig.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Das zeigt schon, dass man hier offenbar ganz unterschiedliche Maßstäbe ansetzt. Wenn man mit nationalen Demonstrationen normal umgeht, so wie es Recht und Gesetz ist, dann kommen schnell die Vorwürfe, dass man angeblich auf dem rechten Auge blind sei. Genau das, glaube ich, ist ein Problem bei der Polizei, denn eine Polizei muss sich sicher sein, dass sie das volle Vertrauen auch der politisch Verantwortlichen hat.

Es gibt meiner Meinung nach noch andere Schlaglichter, die man werfen kann, zum Beispiel darauf, wie in den Medien ältere Polizeibeamte als dick und unsportlich diskriminiert werden. Auch das ist sicherlich nicht dazu geeignet, die Autorität der Polizei zu stärken. Ein weiteres Beispiel ist für mich auch, dass der Personalabbau nicht das geeignete Mittel ist, um die Gewalt in den Griff zu bekommen.

Auch das muss gesagt werden: Es gibt in der Polizei, vielleicht nicht offiziell, aber inoffiziell, Maulkorberlasse. Die Polizei kann nicht unbedingt die Situation im Bereich der Kriminalität schildern, wie sie sich im Alltagsleben vieler Polizeibeamter darstellt. Auch hier soll die Polizei politische Rücksicht nehmen. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung der Kriminalität nach der Grenzöffnung. Es gab damals Maulkorberlasse. Zum Beispiel hat der Sprecher der Polizeigewerkschaft, Matthias Kubitz, das in einem Radiointerview zu Protokoll gegeben.

Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass Amtsträger ordnungsgemäß angemeldete Demonstrationen ganz klar behindern, blockieren und damit verhindern wollen.

Ein Beispiel dafür ist der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter, der als Bürgermeister von Jena an einer Sitzblockade teilgenommen hat und meiner Meinung nach sein Amt missbraucht. Er hat meiner Meinung nach damit seine Neutralitätspflicht verletzt.

(Stefan Brangs, SPD: Das nennt man Zivilcourage!)

Das ist meiner Meinung nach auch ein Problem.

Die Verwaltung hat sich politisch neutral zu verhalten. Wir leben nicht in einem Weltanschauungsstaat, sondern in einem Staat, in dem – sonst wäre es ja keine Demokratie mehr – ein Meinungswettstreit stattfindet, in dem sich der Bürger seine Meinung bilden muss und bilden können muss. Versammlungen sind gerade für diejenigen, die nicht den Zugang zu den Medien wie das Spektrum der etablierten Parteien haben, eine Voraussetzung, um sich überhaupt artikulieren zu können.

Insofern ist auch der Kampf gegen Rechts meiner Meinung nach eine bedenkliche Entwicklung. Ich nehme mit sehr großem Entsetzen immer wieder zur Kenntnis, dass sich der Innenminister offenbar als ideologischer Wächterrat versteht. Das tut weder Sachsen noch der Demokratie und auch nicht den Bürgern gut!

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Das war Herr Storr für die NPD-Fraktion. Ich sehe aus den anderen Fraktionen keinen Redebedarf mehr. – Herr Kollege Hartmann für die CDU-Fraktion eröffnet die dritte Runde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sagte schon, dass es schön ist, dass man zwischendurch immer einmal andere Meinungen hört. Die letzte – ich glaube, ich habe es schon gestern bei den GRÜNEN gehört – war aus der Rubrik Verfolgungswahn. Aber zur Sache zurück:

Herr Bartl, ich schätze das Engagement im Kampf gegen Rechts, ich finde es auch richtig, dass wir politische Meinungsbildung in einer Streit- und Demonstrationskultur leben. Fakt ist aber eins: Wenn Sie meinen, dass aus Polizeikreisen heraus unsachgemäße Diensthandlungen aufgetreten sind, dann beschäftigt sich dieses Hohe Haus reflexartig immer und ständig mit diesen Themen. Dann gibt es hier Anhörungen und umfassende Darstellungen. Was ich aber vermisse, ist, dass Sie genau diese Reflexartigkeit entwickeln, wenn aus Demonstrationen heraus Gewalttaten begangen werden. Das ist nun einmal nicht wegzudiskutieren, das ist eine Tatsache. Ich wiederhole es auch gern: Von Demonstrationen, die die Abg. Bonk in Dresden organisiert hat, sind Gewalt- und Straftaten ausgegangen. Das ist etwas, wo Sie auch die Polizei nicht mehr entpolitisieren können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Polizei nimmt im täglichen Geschäft doch wahr, wie Demonstrationen ablaufen, was dort passiert. Sie erweisen doch der gemeinsamen Sache einen Bärendienst, wenn Demonstrationen, bei denen wir uns zu den demokratischen Werten dieses Landes bekennen, dadurch konterkariert werden, dass aus solchen Demonstrationen heraus Gewalttaten ausgeübt werden. Da erwarte ich schon ein klares Bekenntnis von Ihnen wegen solcher Gewalttaten und gegen so ein Handeln. Leider lese ich heute in der „Bild“ ganz andere Worte Ihrer Vizebundesvorsitzenden Kipping. Da frage ich mich schon: Wie ist es denn mit der freundlichen Ansage? Da kann ich nur in Ihre Richtung appellieren: Formulieren Sie es klar!

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Noch einmal zu der Aussicht, wie es weitergehen soll: eine Situation erkennen, Positionen erarbeiten und Maßnahmen ergreifen, das Gewaltmonopol des Staates nicht infrage stellen und die Repräsentanten dieses Staates schützen.

Die Situation ist eine zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte. Die Hemmschwelle ist gesunken. Das Aggressionspotenzial hat sich gesteigert. Die Fallzahlen sind steigend und die Brutalität ist gewachsen. Angriffe auf Polizeibeamte sind nicht nur bei Demonstrationen ein Regelfall, sondern sie sind es vor allem im täglichen Dienst – das ist hier schon richtig dargestellt worden –: zunehmende Gewalt aus der Hooligan- und Ultrabewe

gung, zunehmendes Gewaltpotenzial von Links- und Rechtsextremisten.

Polizeibeamte müssen vor Gewalt geschützt werden. Einen Teil können wir leisten: situationsbezogene einsatztaktische Konzepte erarbeiten, so wie wir es im Freistaat auch schon tun, die Aus- und Fortbildung weiter verbessern, weitere Verbesserung der Fortbildung in unseren Einrichtungen, die Erarbeitung und Fortschreibung von Einsatztrainingskonzepten und nicht nur von Deeskalationskonzepten – das ist nur ein Teil –, aber auch von vernünftigen einsatztaktischen Erwägungen, bei denen wir mit dem gebotenen Maß auf die Situation reagieren können, sowie eine Verbesserung der persönlichen Ausstattung der Polizei. Hierzu haben wir in den letzten Jahren viel getan und hier werden wir in den nächsten Jahren weiter viel tun.

Wir werden uns auch mit dem Thema auseinandersetzen – das ist schon in der Diskussion –, wie hoch die erforderliche Polizeistärke des Freistaates Sachsen sein muss. Wir müssen hier nicht diskutieren, ob 2 000 Personen weniger oder mehr, sondern wir müssen klar formulieren, wie viel Polizei wir für den bestehenden Aufgabenbedarf brauchen. Das werden wir entsprechend tun.

Ferner ist wichtig: angemessene Fürsorgeleistungen für gewaltbetroffene Beamte, schärfere Sanktionsmöglichkeiten für die Fälle von Gewalt, nämlich auch im Bereich der Körperverletzungsdelikte, Dokumentationspflichten verbessern, die Justiz dazu motivieren, den Strafrahmen auch auszuschöpfen sowie die Untersuchung und die Ursachen der zunehmenden Gewalt zur Erarbeitung effizienter Handlungsmaßnahmen, und zwar nicht nur durch Fragenkataloge, sondern durch eine tiefgreifende Analyse in allen Bereichen. Dafür setzt sich die Union ein, dafür werden wir streiten. Wir werden das gemeinsam mit der FDP in dieser Koalition tun, und wir lassen uns dabei von Ihnen auf diesem Weg nicht beirren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)