Protokoll der Sitzung vom 11.07.2013

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Der Zweite!)

der Zweite, Entschuldigung – „In den Gerichtshöfen müssen die Gesetze sprechen, und der Souverän muss schweigen.“, da meinte er in diesem politischen Testament als Souverän sich. Das war nämlich die absolutistische Auffassung. Heute beginnt jede Entscheidung in jedem Gerichtssaal mit dem Wort: „Im Namen des Volkes“.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Der Souverän ist das Volk. Das Volk nimmt an diesem Prozess Anteil. Das Parlament hat sehr wohl unter diesem Aspekt eine dringende Berechtigung, diese Frage aufzuwerfen.

(Zuruf von der CDU: Aber wir beeinflussen das Verfahren!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Einen ganz kurzen Moment. Ich bin auf Ihrer Seite, Kollege Biesok. Es muss in jedem Fall ohne Ansehen der Person geschehen. Das ist überhaupt keine Frage. Gestern bei den Bankerprozessen hätten wir das gern weiter debattieren können.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: So ist es!)

Die Frage ist aber folgende: Es geht um das Problem, dass wir kritisieren, dass das Verfahren begonnen hat, ohne das Beweismaterial zu sichten. Ich beziehe mich jetzt auf die „FAZ“ vom 03.07.2013: „Rein formal ist der Prozess zwar noch nicht geplatzt. Richter Stein äußert jedoch, die Anklage und das Videomaterial seien – Zitat – ‚nicht in Übereinstimmung zu bringen‘.“ Wenn der Richter das am siebenten Prozesstag sagt, dann gibt es den bösen Anschein, dass im Raum steht, dass ganz entscheidend unterdrücktes,

(Proteste bei der CDU)

nicht aufgearbeitetes, nicht gesichtetes – wie auch immer, das lasse ich völlig offen – Material, unter Umständen zu einer Entscheidung des Richters geführt hätte, das Verfahren nicht zu eröffnen.

Nebenbei bemerkt, Kollege Hartmann, geht es beim Strafverfahren überhaupt nicht um einen Anfangsverdacht. Ich brauche im Strafverfahren mindestens einen hinreichenden Verdacht.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Wenn ich, wie im Falle von Pfarrer König, das Haus durchsuche, dann brauche ich sogar einen dringenden Verdacht.

(Frank Heidan, CDU: Das war zu Ihrer Zeit anders, Herr Bartl!)

Herr Bartl, darf ich Sie noch an die Zwischenfrage erinnern? Geht es jetzt?

Ja, jetzt geht es.

Bitte, Herr Hartmann.

Herr Abg. Bartl, der Souverän ist heute das Volk. Geben Sie mir recht, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren eine öffentliche Meinung

nicht Grundlage der Entscheidung der gerichtlichen Instanzen sein darf?

(Beifall des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Ich gebe Ihnen darin uneingeschränkt recht, und ich möchte an der Stelle einmal ganz ausdrücklich sagen: Ich gehe bei Gerichten – wenn ich nicht in diesem Haus bin – nicht gerade selten aus und ein. Ich treffe dort auf viele qualifizierte souveräne Richterinnen und Richter, auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Ich glaube überhaupt nicht, dass sich Richter Stein nun maßgeblich davon beeinflussen lässt, ob das Parlament heute darüber spricht oder nicht.

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Gerade Richter Stein wird darüberstehen. Um die Frage geht es nicht.

Es geht darum, ob in diesem Prozess tatsächlich von der der Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht der Staatsregierung unterliegenden Staatsanwaltschaft – in einem von der Staatsregierung selbst als herausgehoben bewerteten Prozess und in Gang gesetzter Berichterstattung über den Leitenden Oberstaatsanwalt, den Generalstaatsanwalt, den Minister – in einer nicht vertretbaren, nachvollziehbaren Weise vorhandenes Beweismaterial vorher nicht hinreichend gesichtet wurde,

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

unter Wahrnahme der Leitung als Staatsanwaltschaft/Ermittlungsführer. Um diese Frage geht es.

Weder Staatsminister Martens noch Staatsminister Ulbig haben in diesem Prozess etwas beeinflusst. Das ist überhaupt nicht die Frage. Die Frage ist letzten Endes: Wenn wir eine Häufung solcher Vorwürfe haben – nicht nur in dem Verfahren von Pfarrer König, sondern auch in anderen herausgehobenen Verfahren –, dass Beweismaterialien in der Anklageschrift vorenthalten werden, dann ist etwas faul im Staate Dänemark, und dann muss man sich damit befassen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Kollege Biesok, ich habe den Beitrag, den Sie in der „SZ“ veröffentlicht haben, mit der Maßgabe aus meiner Sicht überschrieben „Im Recht gegen rechts“ durchaus nicht in irgendeiner Form desavouieren wollen. Das ist das Recht eines Mitbürgers, auch eines Abgeordneten, der Mitbürger ist. Aber auch in diesem enden Sie mit der Fragestellung: Ich finde es richtig, dass die Staatsanwaltschaft auch einen Geistlichen, der sich gegen rechts engagiert, anklagt, wenn sie überzeugt ist, genügend Beweise für seine Schuld zu haben. Das ist auch ihre Voraussetzung. Nun sagt aber Pfarrer Stein: Die Beweise, die ihr vorgelegt habt, stimmen mit dem, was an Beweisen da ist – –

(Heiterkeit und Zurufe)

Das war jetzt ein freudscher Versprecher. Aber auch Richter Stein hatte am siebten Prozesstag eine Erleuchtung.

Ich bitte einfach darum, nicht zu unterstellen, wir wollten uns in irgendeiner Form in die dritte Gewalt einmischen. Das will nach meiner Auffassung die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Antrag nicht. Das wollen wir definitiv auch nicht. Wir wollen schlicht und ergreifend lediglich Folgendes: Es sollte uns tatsächlich unter die Haut gehen, wenn in den verschiedensten Medien mit den verschiedensten Schattierungen die Auffassung besteht, dass in diesem Prozess eine Entwicklung eingetreten ist, die infrage stellt, ob elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt sind.

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Bitte zum Ende kommen.

– Ja, ein letzter Satz. – Auch wenn Sie es nicht glauben, Kollege Hartmann, der Abteilungsleiter Schär ist weisungsunterliegend gegenüber seinem Leitenden Oberstaatsanwalt und dem Generalstaatsanwalt. Ich habe nie herauszubekommen versucht, ob denn der Leitende Oberstaatsanwalt Mitglied der CDU oder der FDP ist.

Herr Bartl, bitte zum Ende kommen.

Weshalb Sie das bringen, kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat noch 2 Minuten. Wird von ihr das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Danach kommt die FDP. Herr Biesok, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bartl, ich begrüße ausdrücklich, dass Sie feststellen, dass weder Staatsminister Dr. Martens noch Staatsminister Ulbig begonnen haben, das Verfahren zu manipulieren oder politische Einflussnahme zu nehmen. Das begrüße ich ausdrücklich.

Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen: Ein Strafverfahren ist ein Prozess, und in einem Prozess kann sich etwas entwickeln. Wenn man zu Beginn einen Anfangsverdacht hatte, dass eine entsprechende Straftat bestanden hat, kann es dazu kommen – deshalb haben wir ein Gerichtsverfahren –, dass man irgendwann in dem Prozess klüger wird und feststellt, dass die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

Deshalb gibt die Strafprozessordnung ganz unterschiedliche Möglichkeiten vor. Diesbezüglich erzähle ich Ihnen als Strafverteidiger sicher nichts Neues, dass Strafverfahren auch einfach eingestellt werden können. Sie werden

unterbrochen, wenn man es vielleicht noch nicht genau weiß, wie man es bewertet.

(Zuruf von der SPD: Nach zwei Jahren!)

Das alles ist aber Ausdruck des Rechtsstaates und nicht eines Unrechtsstaates.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Frau ist selbst Strafverteidigerin. Sie hat es bereits häufiger geschafft, Verfahren zur Einstellung zu bringen und Freisprüche zu erhalten. Das ist für mich etwas ganz Normales. Wer seinen Job als Verteidiger gut macht, der muss genau das machen: Er muss seinen Finger in jede Wunde, die sich auftut, bohren, darauf aufmerksam machen, Anträge stellen, es revisionssicher machen, damit es notfalls vorm BGH aufrechterhalten wird. Das ist das Geschäft der Strafverteidigung.

Es ist aber nicht unser Geschäft. Wir sind Parlamentarier, die im politischen Raum diskutieren und eine politische Bewertung vornehmen müssen und – Sie weisen darauf hin – die Regierung zu kontrollieren haben. Ein Systemversagen bei der sächsischen Justiz im Umgang mit Rechtsradikalen oder im Protest gegen Rechtsradikale kann ich nicht feststellen.

Ich danke Ihnen.