Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Meine Damen und Herren! Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Die Reihenfolge für die Aussprache ist wie gehabt: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Schiemann; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir danken sehr herzlich der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter für die geleistete Arbeit. Ich möchte nochmals herausstellen, dass Folter das größte Verbrechen gegen die Würde des Menschen darstellt und deshalb als menschenverachtend anzusehen ist. Staaten, die foltern, haben elementare Menschenrechte und die Demokratie längst verlassen.

In Anbetracht der Zeit und verbunden mit dem Dank an die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter werde ich meine Rede zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Schiemann. – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Herr Bartl; bitte.

(Jens Michel, CDU: So wichtig ist das nicht!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sehen gleichermaßen diese Unterrichtung als außerordentlich bedeutsam an. Es ist ein Dokument, das mit allen Anlagen 144 Seiten umfasst. Es ist es auch wert, dass sich das Parlament detaillierter damit befassen sollte, weil hier konkrete Aufgaben für die Länder enthalten sind, was den Personalbedarf dieser Kommission und auch den Anteil der Länderkommission betrifft.

Aus Gründen der Zeit werde ich meinen Redebeitrag auch zu Protokoll geben. Wir halten es aber für notwendig, dass wir hierüber nicht abstimmen, ohne zumindest die verschiedenen Standpunkte der Fraktionen verschriftlicht im Protokoll zu haben. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Bartl. – Die nächste Rednerin ist Frau Friedel. – Sie verzichten. Die FDP verzichtet ebenfalls. Die GRÜNEN? – Frau Herrmann, Sie möchten reden.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lege Ihnen diesen Bericht ans Herz, aber ich sage gleich dazu: Im letzten Bericht sind keine Einrichtungen in Sachsen besucht worden. Deshalb kann ich es verantworten, dass ich meine Rede auch zu Protokoll gebe,

(Beifall des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

und die Fragen, die ich darin aufgeworfen habe, werde ich der Staatsregierung bei einer anderen Gelegenheit stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Die NPD verzichtet auf ihren Redebeitrag. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit werde auch ich den Redebeitrag der Staatsregierung zu Protokoll geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich frage der Form halber: Wünscht die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Friedel, das Wort? – Nein.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses in der Drucksache 5/12661 ab. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen ist damit der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, Drucksache 5/12661, zugestimmt und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärungen zu Protokoll

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Artikel 14. Abs. 1 Sächsi- sche Verfassung). Die Menschenwürde ist das zentrale Element und Grundlage unseres Rechtssystems. Die Verfassung schützt sie absolut, das heißt, es gibt keinerlei Ausnahmen. Folter verstößt gegen die Menschenwürde. Folter ist barbarisch, menschenverachtend und ein Verbrechen. Durch Folter werden Menschen gedemütigt, eingeschüchtert und zerstört. Deshalb ist das weltweit geltende Folterverbot eines der wichtigsten Menschenrechte. Auch das Folterverbot gilt absolut. Staaten, die foltern, haben elementare Menschenrechte und die Demokratie längst verlassen.

Es ist deshalb wichtig, dass es Einrichtungen gibt, die unabhängig von staatlichen Behörden kontrollieren, ob dieses Verbot eingehalten wird. Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist so eine Einrichtung. Sie hat nach dem Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 18. Dezember 2002 (OP-CAT) die Aufgabe, zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe an Orten der Freiheitsentziehung regelmäßige, präventiv wirkende Besuche durchzuführen.

Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete das Fakultativprotokoll am 20. September 2006 und ratifizierte es am 4. Dezember 2008. Die Nationale Stelle besteht aus der Bundesstelle, die für Einrichtungen des Bundes und der Länderkommission, die für Einrichtungen der Länder zuständig ist. Hier wird wertvolle Arbeit geleistet, die wir auch künftig brauchen.

Die Länderkommission hat zwar 2012 weder Justizvollzugseinrichtungen noch Dienststellen der sächsischen Polizei besucht. Ungeachtet dessen ist auf folgende Ausführungen hinzuweisen:

Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Nationale Stelle auf keine Anzeichen von Folter gestoßen ist. Sie hat aber bei

ihren Besuchen eine Reihe von Missständen festgestellt. Viele der von der Länderkommission ausgesprochenen Empfehlungen stehen im Zusammenhang mit dem baulichen Zustand der besuchten Einrichtungen.

Ein eklatanter Fall war die Doppelbelegung eines Haftraumes ohne baulich abgetrennte Toilette. Die Gefangenen müssen dabei die Toilette in Anwesenheit ihrer Mithäftlinge benutzen, Vorhang oder Schamwand schützen die Intimsphäre nicht. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht hinnehmbar.

Andere wiederholt vorgefundene Missstände betreffen langandauernde, in einigen Fällen über viele Jahre währende Einzelhaft, bei der Gefangene aus Gründen des Selbst- oder Fremdschutzes von anderen Mitgefangenen sozial isoliert werden. Die Kommission regte in solchen Fällen an, mit externer Beratung zu prüfen, ob die Einzelhaft aufrechtzuerhalten ist oder ob deren Bedingungen verbessert werden können.

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Kommission im letzten Jahr keine sächsischen Einrichtungen besucht hat. Ungeachtet dessen liefert der Bericht für uns natürlich wichtige Hinweise auf in anderen Besuchsorten festgestellte Missstände. Deshalb ist es auch wichtig, diesen Bericht zu analysieren und ihn mit der Situation im Freistaat abzugleichen.

Von dieser Stelle aus deshalb mein Dank an die Verfasser des Berichts.

Damit die Nationale Stelle wirksam arbeiten kann, wird künftig eine personelle Aufstockung erforderlich sein. Mit nur fünf ehrenamtlichen Mitgliedern und Mitteln für drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine Fachangestellte für Bürokommunikation sind die Kapazitäten für regelmäßige Besuche in den Gewahrsamseinrichtungen als unzureichend anzusehen.

Wir begrüßen es deshalb, dass die Justizministerkonferenz in ihrer Juni-Sitzung 2013 beschlossen hat, die Länderkommission zur Verhütung von Folter mit zusätzlichem

Sachverstand aus den Bereichen des Freiheitsentzugs auszustatten, die nicht in der Verantwortung der Justiz stehen. Sie strebt zu diesem Zweck an, die Anzahl der ehrenamtlichen Mitglieder auf insgesamt acht zu erhöhen. Die dazu notwendige Finanzierung muss sichergestellt werden.

Wir hoffen sehr, dass es zu einer schnellen Einigung kommt. Die Nationale Stelle für Folter ist zu wichtig, als dass es jetzt andauernde Auseinandersetzung zur Finanzierung von drei weiteren ehrenamtlichen Mitgliedern kommen sollte.

Mit der vorliegenden Unterrichtung kommt die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter einer Verpflichtung nach, die sich aus der am 20. September 2006 erfolgten Unterzeichnung des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt.

Das Zusatzprotokoll, als auch Fakultativprotokoll bezeichnet, sieht die Errichtung nationaler Mechanismen zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vor. Diese Mechanismen sollen die Behandlung von Personen prüfen, denen die Freiheit entzogen ist. Da die Zuständigkeit für freiheitsentziehende Maßnahmen in Deutschland überwiegend bei den Ländern liegt, ist von den Ländern durch Staatsvertrag eine Länderkommission geschaffen worden. Daneben hat der Bund als weiteren nationalen Mechanismus eine Bundesstelle zur Verhütung der Folter eingerichtet, die die entsprechenden Aufgaben für Personen, denen im Zuständigkeitsbereich des Bundes die Freiheit entzogen ist, wahrnimmt. Zwischen beiden gibt es eine enge Zusammenarbeit, insbesondere auch bei der Berichterstattung.

Die Länderkommission und die Bundesstelle bilden zusammen als „Nationale Stelle" den deutschen Präventionsmechanismus zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Die Nationale Stelle hat die Aufgabe, zur Verhütung von Folter und Misshandlung regelmäßig Orte der Freiheitsentziehung im Sinne des Zusatzprotokolls zur UN-Antifolterkonvention aufzusuchen. Dabei soll auf vorgefundene Missstände aufmerksam gemacht und den betroffenen Behörden gegebenenfalls Vorschläge zum Abstellen von Missständen und Unzulänglichkeiten im Umgang mit Personen, denen die Freiheit entzogen ist, unterbreitet werden.

Die Nationale Stelle hat jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten, und zwar gegenüber der Bundesregierung, den Landesregierungen, dem Bundestag und den Länderparlamenten. Der uns in der Unterrichtung der Nationalen Stelle vorliegende Jahresbericht über die Tätigkeit der Bundesstelle und der Länderkommission im Jahre 2012 gibt ausführlichen Aufschluss über die rechtlichen Grundlagen und die inhaltliche Ausrichtung der Nationalen

Stelle, über deren Bildung und Zusammensetzung sowie die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit.

Die von der Länderkommission und der Bundesstelle besuchten Einrichtungen, die dort vorgefundenen Bedingungen und Missstände werden detailliert aufgelistet sowie diesbezüglich gegebene Empfehlungen an die entsprechenden Einrichtungen und Behörden geschildert; auch bereits erfolgte Abhilfen werden ebenso dargelegt wie positive Beispiele benannt.

Hervorzuheben ist, dass die Nationale Stelle auf keine Anzeichen von Folter gestoßen ist, aber eine Reihe von nicht hinnehmbaren Missständen festgestellt hat. Als solche Missstände werden genannt: der bauliche Zustand von Einrichtungen (Doppelbelegung eines Haftraums ohne baulich getrennte Toilette); langandauernde, in einigen Fällen über viele Jahre währende Einzelhaft, bei der Gefangene aus Gründen des Selbst- und Fremdschutzes von anderen Mitgefangenen sozial isoliert werden; in JVAs sowie in Polizeidienststellen werden metallene Hand- und Fußfesseln teilweise nicht nur zur Fesselung, sondern auch zur Fixierung von Personen eingesetzt; fehlende ständige Beobachtung bzw. Überwachung von Fixierten (Sitzwache) in JVAs und Polizeidienststellen; vereinzelt defekte Notrufanlagen.

Insgesamt enthält die Unterrichtung nach unserem Dafürhalten einen sehr guten und aussagefähigen Bericht über die Tätigkeit der Länderkommission und der Bundesstelle für das Jahr 2012, und man könnte einfach der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses folgen, die Unterrichtung zur Kenntnis zu nehmen, ohne hier im Plenum des Landtages eine Aussprache zu führen.

Aus der Sicht meiner Fraktion muss hier im Hohen Haus jedoch über die Unterrichtung beraten werden, weil der Bericht einen regelrechten Hilferuf enthält, und den kann der Landtag nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen. Unmissverständlich wird gegenüber den Adressaten der Unterrichtung zum Ausdruck gebracht, dass die Nationale Stelle ihrem gesetzlichen Auftrag, zur Verhinderung von Folter und Misshandlung regelmäßig Orte der Freiheitsentziehung aufzusuchen, nicht gerecht werden kann. Mit nur fünf ehrenamtlichen Mitgliedern und finanziellen Mitteln für drei wissenschaftliche Mitarbeiter und eine Bürokraft seien die Kapazitäten für regelmäßige Besuche in den Gewahrsamseinrichtungen völlig unzureichend. Dieses Dilemma in der personellen und materiellen Ausstattung der Nationalen Stelle widerspiegelt der Bericht schonungslos.

Zu den Einrichtungen, die regelmäßig zu kontrollieren sind, zählen neben Justizvollzugsanstalten, Dienststellen der Polizei, Einrichtungen der Psychiatrie, Hafteinrichtungen der Bundeswehr, der Bundespolizei und des Zolls auch Abschiebehafteinrichtungen und freiheitsentziehende Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Alten und Pflegeheime. Insgesamt sind dies – so die Nationale Stelle – rund 13 000 Einrichtungen.

Im Jahr 2012 konnten personalausstattungsbedingt lediglich 45 Einrichtungen besucht werden. Der Schwerpunkt bei den Kontrollbesuchen der Länderkommission lag auf Besuchen von Justizvollzugseinrichtungen und Landespolizeidienststellen. Nur vereinzelt konnten psychiatrische Kliniken besucht werden, weil ein eigener Fachexperte auf diesem Gebiet bislang nicht zur Verfügung steht. Alten- und Pflegeheime konnten bisher überhaupt nicht besucht werden.

Diese Bilanz ist auch deshalb alles andere als zufriedenstellend, weil eben die Nationale Stelle nach den Regelungen in den Artikeln 17 ff. des Zusatzprotokolls sowie nach deutschem Recht keine Ombuds- oder Beschwerdeinstanz für Einzelpersonen ist. Ihr ist ausschließlich die Aufgabe zugewiesen, präventiv im Sinne der Verhütung von Folter tätig zu sein. Die Kontrollbesuche in den einschlägigen Einrichtungen sind also die wesentliche Informationsquelle der Nationalen Stelle. Diese schätzt selbst ein, dass sie hiervon nur vergleichsweise wenige durchzuführen vermag.

Gleich im Vorwort zu der Unterrichtung (Seite 7) wird dies sehr plastisch geschildert: „Im Jahr 2012 besuchte die Nationale Stelle insgesamt 45 Einrichtungen, in denen Menschen die Freiheit entzogen wird. Bundesweit fallen rund 13 000 Einrichtungen in den Zuständigkeitsbereich der Nationalen Stelle. Um jede dieser Einrichtungen zumindest einmal in zehn Jahren aufzusuchen, müssten jährlich 1 300 Inspektionsbesuche durchgeführt werden.“

In der Unterrichtung wird auch dargelegt, dass der Vorsitzende der Länderkommission Anfang des Jahres 2012 offiziell an den Vorsitzenden der Justizministerkonferenz herangetreten ist, um eine Aufstockung der Nationalen Stelle zu erreichen. Konkrete Resultate haben diese Bemühungen jedoch nicht gebracht. Auf die Nachfrage im federführenden Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sowie im mitberatenden Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, ob und inwieweit es eine Verbesserung in der Ausstattung der Nationalen Stelle gegeben hat, konnte seitens der Staatsregierung keine befriedigende Antwort gegeben werden.

Im Grunde ist diesbezüglich nichts Nennenswertes geschehen. Hiermit kann sich der Landtag aus unserer Sicht nicht zufriedengeben; auch nicht mit der gegebenen Antwort, dass die Alten- und Pflegeheime ja bereits von der Heimaufsicht kontrolliert würden.

Wir erwarten von der Staatsregierung, dass sie ernsthafte Schritte unternimmt, um eine wirksame Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung der Nationalen Stelle zu erreichen. Dies ist erforderlich, damit diese die ihr durch internationales und nationales Recht zugewiesenen Aufgabe, als unabhängige Stelle die Behandlung von Personen zu prüfen, denen die Freiheit entzogen ist, auch erfüllen kann.