Ich begrüße die Einstellung der CDU-Fraktion, die Herr Patt eben zum Ausdruck gebracht hat, dass man Arbeitszeitmodelle bei Betrieben fördern will, die den Bedürfnissen von Kindern entsprechen. Ich habe den Eindruck, dass hier ein Lernprozess stattgefunden hat. Ich denke, dass das Lieblingsprojekt der FDP, nämlich flexible Öffnungszeiten in den Kindertagesstätten, in denen Öffnungszeiten bis spät abends angeboten werden, genau nicht den Bedürfnissen der Kinder entspricht, sondern dass es in die andere Richtung gehen muss und wir versuchen sollten, eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen und nicht die Familie und die Kinder an die Betriebe bzw. an die Bedürfnisse der Betriebe anzupassen.
Gibt es darauf eine Reaktion? Das bezog sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollege Patt. – Das kann ich nicht erkennen. So gehen wir jetzt in der Rednerreihe weiter. Für die einbringende Fraktion FDP spricht jetzt Frau Schütz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit noch einmal nutzen, um aus dem Papier des Verbandes der sächsischen Wirtschaft zu zitieren: „Familienfreundlichkeit ist wesentlicher Baustein für die Zukunftsfähigkeit sächsischer Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Sachsen. Familienorientierte Personalpolitik ohne zusätzliche Bürokratie für Unternehmen, flexible, innovative Arbeitszeitmodelle anstatt starrer Teil- und Vollzeitstellen, Ausbau an Betreuungsplätzen weiter fortsetzen.“ Das ist eine Forderung an uns und an die Regierung. „Berufstätige Eltern mit flexibler öffentlicher Kinderbetreuung unterstützen“ und letzten Endes festzustellen: „Von betrieblicher Kinderbetreuung profitieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber.“
Herr Gebhardt, wenn ich Sie mit den Verweisungen auf die Vergangenheit gehört habe, dann kann ich Ihnen sagen, wie die Vergangenheit aussah. Das war immer nur Zwang, und zwar gegen die Unternehmen, Zwang gegen die Leute, Zwang gegen diese Unternehmer als Ausbeuter. So zitieren zum Beispiel in Görlitz Ihre Kollegen im Stadtrat sogar schon die Bibel, um gegen Sonntagsöffnungszeiten zu wettern. Alle Achtung!
Frau Neukirch, Sie sprechen von Freiwilligkeit. Wo sind denn Ihre Konzepte von Freiwilligkeit? Es sind doch tatsächlich nur die Vorgaben von Arbeiten in Teilzeit. Was ist denn dann mit dem geringeren Lohn? Gut, der soll wahrscheinlich wieder über Steuern ausgeglichen werden. Aber damit wären auch wieder geringere Rentenpunkte erwirtschaftet. Das heißt, wir verlagern ein Problem wieder in die Zukunft hinein. Das kann doch nicht der richtige Weg sein. Wenn wir heute unsere Arbeitnehmer sehen, dann wollen sie ihre Arbeitszeiten im gegenseitigen Verständnis von Unternehmen, von Verständnis für Familie und für das Unternehmen auf der anderen Seite souverän selbst gestalten.
Ich möchte hier noch einmal deutlich sagen, dass Familienzeit nicht alleine von der Quantität abhängig ist, sondern vor allem von der Qualität. Ich kann mich frustriert mit meinem Kind drei Stunden vor den Fernseher setzen, oder ich kann eine Stunde ganz intensiv mit ihm lesen, Spiele durchführen, in seine Rollenspiele mit einsteigen. Das ist dann eine Frage, wie Familienzeit tatsächlich gelebt werden kann. Dann sind wir auch wieder bei den Bedürfnissen der Kinder, denn ich sage immer wieder: Zufriedene Eltern, das sind auch zufriedene und glückliche Kinder.
Es sprach gerade Frau Schütz für die FDP-Fraktion. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Gläß.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem nun Väter und Mütter hier ihre Erfahrungen in der Familienarbeit und in
der Kinderbetreuung von sich gegeben haben, möchte auch einmal eine Großmutter ihre Gedanken dazu äußern,
also eine Generation, die von Ihnen, Frau Staatsministerin, gestern immer wieder in vielen Beispielen genannt wurde, die sehr viel dazu beiträgt, dass Familien funktionieren können.
Es ist nicht immer möglich, oft sind Omas und Opas weit weg – bei mir sind es über 600 Kilometer –, oder Omas und Opas müssen auch noch arbeiten, neuerdings ja bis 67, also ansteigend.
Der Vorschlag der neuen Familienministerin war schon richtig. Er wollte den Familien ein wichtiges Gut geben, das gestern immer als Zweites genannt wurde, nämlich Zeit: die Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden. Wenn Kinder betreut werden, sollte die Arbeitszeit reduziert und die Verdienstlücke geschlossen werden – das belastet kein Unternehmen – aus Steuermitteln. Der Aufschrei war groß.
Wenn Sie einmal die online-Diskussion der verschiedenen Medien verfolgt haben –das ging von begeisterter Zustimmung bis zu völliger Ablehnung, je nach ideologischer Ausrichtung der einzelnen Internetseiten.
Der Wunsch der jungen Eltern, der Eltern und auch der Großeltern, besonders aber der Wunsch junger Frauen nach Teilzeit wird schon erfüllt, aber auf Kosten der Frauen, auf Kosten der Familien, denn sie arbeiten freiwillig in Teilzeit. Oft, weil es für den Betrieb günstiger ist, wird dann ein Minijob angeboten. Das hat dann aber sehr viel damit zu tun, dass man Geld einbüßt, dass man in die Zukunft die Armut fortschreibt; denn was ein Minijob für die Rente einer Frau bedeutet, haben wir an diesem Pult schon ausdiskutiert.
Aber es ist auch noch etwas anderes. Die Auswirkungen der Teilzeit sind besonders bei Alleinerziehenden oft so groß, dass sie sich – das hat meine Kollegin Werner gestern dargelegt – oft entscheiden, doch nicht einen Arbeitsplatz anzunehmen, und dann versuchen, die Familie besser zu betreuen, und damit in den Sozialleistungen und Hartz IV landen. Fast 70 % der Alleinerziehenden in Sachsen sind auf Sozialleistungen, auf den Bezug von Arbeitslosengeld, Wohngeld und Ähnlichem angewiesen.
Im ländlichen Raum sind diese Prozesse noch einmal verschärft. Man kann die Familienzeit, Frau Schütz, auch damit verbringen, dass man mit seinen Kindern im Bus dann schöne Spiele treibt wie „Ich sehe was, was du nicht siehst“, wenn man den weiten Weg vom Arbeitsplatz über die Kita nach Hause zum Wohnort vor sich hat. Bei dem ÖPNV im ländlichen Raum kann das ein Problem sein.
Herr Patt, das sind sicherlich die Probleme der Entleerungsräume, die Sie hier ansprechen wollten. Die Öffnungszeiten der Kitas sind nicht an die Arbeitszeiten der in gewisser Entfernung arbeitenden Mütter und Väter
Über die Finanzierung durch Steuermittel wurde viel gewettert. Sie ist aber, glaube ich, der richtige Weg, denn die gesamte Gesellschaft hat etwas von Kindern, die gesamte Gesellschaft muss auch dazu beitragen, dass die Kinder in entsprechenden Lebensbedingungen aufwachsen können.
Das Verantwortungsbewusstsein der sächsischen Unternehmen ist gar nicht so groß, wie es hier von Frau Schütz und anderen Rednern immer dargestellt wurde. Ich habe auch gelesen, dass 75 % der Unternehmen zumindest flexible Arbeitszeiten für Eltern anbieten, wenn es nötig ist. Aber nur 25 % entscheiden sich für eine Flexibilisierung des Arbeitsortes, also das berühmte Homeoffice, das Herr Krauß angesprochen hat. Nur 1 % der sächsischen Unternehmen hat eine betriebseigene Kita. Frau Clauß, Sie haben gestern, glaube ich, die Zahl 26 genannt. 3 % haben Belegplätze in einer Kita und 4 % beteiligen sich an der Finanzierung einer Tagesmutter. Das ist die andere Seite.
Ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Arbeitgebern und Eltern sehe ich sehr problematisch, denn die Freiwilligkeit ist immer begrenzt. Ich nenne nur das Wort Frauenquote, da ist mit Freiwilligkeit nicht viel zu machen.
Ich habe es in meiner Familie erlebt, wie zwei Fahrdienstleiter in Schichtarbeit versucht haben, ein Kind bis zum dritten Lebensjahr zu betreuen. Das ist ein Kraftakt. Da wären 16 Stunden schon ein großes Geschenk gewesen.
Wir hörten die Ausführungen von Frau Gläß, Fraktion DIE LINKE. – Jetzt spricht zu uns Herr Kollege Dulig für die SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch immer verlangen Arbeitgeber stark nach Flexibilität bei jungen Familien. Dabei müssten es doch Mütter und Väter sein, die diese Forderung stellen. Die Wahl darf doch nicht durch äußere Zwänge wie unterschiedliche Bezahlung, Karrierenachteile oder gar Karriereeinbrüche eingeengt werden. Es darf nicht sein, dass eine gut ausgebildete Frau heute immer noch vor der Entscheidung steht: Kinder oder Karriere. Der Wiedereinstieg darf keine Hürde, sondern muss Sprungbrett ins Erwerbsleben sein.
Der demografische Wandel wird den Wettbewerb um Fachkräfte verändern. Künftig wird der Bewerber den Unternehmer fragen: Wie flexibel sind Sie?
Wir brauchen Zeit fürs Familienleben. Wir müssen Familien und vor allem den Eltern das schlechte Gewissen und den damit verbundenen Druck nehmen, ständig überall zu spät zu sein. Mehr Zeit für Familien bedeutet, den Spieß umzudrehen. Dazu braucht es eine Grundhaltung, die fragt: Wie kann die Arbeitszeit oder die Betreuungszeit flexibler werden, damit es für Familien passt? Stattdessen heißt es: Wie kann das Familienleben an Arbeitswelt oder Öffnungszeiten des Kindergartens angepasst werden?
„Für Eltern sind Arbeitszeiten dann flexibler als heute, wenn sie endlich größere Spielräume über sehr viel längere Zeiträume bekommen, zum Beispiel, indem sie weniger arbeiten, wenn die Kinder klein sind, und später es wieder ausgleichen und mehr arbeiten, wenn die Kinder größer sind.“ – Ihr verunsichertes Schweigen nehme ich als Zustimmung.
Die Frage ist also nicht, ob wir dieselbe Analyse haben, ob wir nicht auf denselben Kern kommen, sondern die Frage ist: Was ist Ihre Antwort? Was ist Ihre Antwort darauf, dass Sie es richtig beschrieben haben, was die eigentliche Herausforderung an die Arbeitswelt ist? Ist es die ideologische Debatte, was Zwang und was freiwillig ist? Das geht doch voll an der Sache vorbei. Die Herausforderung, die bei uns und für die Politik steht, ist: Welche Rahmenbedingungen schaffen wir, damit Familien die Arbeit und die Familie unter einen Hut bekommen, und auch, damit Unternehmen die Sicherheit bekommen, die Möglichkeit zu nutzen, um familienfreundlich zu sein? Darüber muss man sich unterhalten.
Das Einzige, was ich jetzt konkret auf dem Tisch habe, ist der Vorschlag von Manuela Schwesig, die Familienarbeitszeit einzuführen. Das ist der einzige Vorschlag, der sich damit beschäftigt.
Moment! Haben Sie sich denn wirklich einmal mit Familienarbeitszeit auseinandergesetzt? Wissen Sie, was Familienarbeitszeit ist? Das heißt, nach der Elternzeit sollen die Väter und Mütter, die beide arbeiten wollen, beide voll berufsfähig sind, auf 32 Stunden Teilzeit gehen
können und gestaffelt einen Lohnausgleich als Lohnersatzleistung bekommen. Das heißt, nicht der Unternehmer wird belastet, sondern wir als Steuerzahler. Da frage ich Sie: Wenn wir uns einig sind, dass wir dort eine Lösung wollen, ist das nicht besser investiertes Geld? Ist es nicht besser, wenn wir genau da die Spielräume des Staates nutzen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Angebot. Wir wollen die Eltern nicht zwingen, in diese Teilzeit zu gehen, sondern ihnen das Angebot machen, damit sie endlich die Möglichkeit haben, bis zu vier Jahre Familie und Beruf zu vereinbaren. Auch die jungen Leute sind inzwischen moderner, als Sie es vielleicht wahrhaben wollen. Sie wollen gern aus den Rollen heraus.