Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

Das, worüber wir diskutieren, hat in Tausenden Jahren Menschheitsgeschichte stattgefunden. Was Sie versuchen, ist eine Instrumentalisierung des Themas. Darauf hat, meine ich, der Ausländerbeauftragte abgestellt. Das wollen wir nicht. Wir wollen keine politische Instrumentalisierung einer sehr ernsten Debatte und Diskussion.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Zum Abschluss meines Redebeitrages – vielleicht bringen Sie ja noch etwas Substanz hinein, sodass es sich zu diskutieren lohnt – möchte ich darauf verweisen: Ja, wir stehen vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen, zum einen mit einer vor dem demografischen Wandel stehenden Gesellschaft und der Notwendigkeit von Zuwanderung und auch der Belebung von Kultur.

(Lachen des Abg. Andreas Storr, NPD)

Auf der anderen Seite stehen wir vor den Herausforderungen einer Zunahme von Asylverfahren. Wir müssen durchaus ernsthaft und auch ordnungspolitisch die Frage stellen, wie wir mit Asylfragen umgehen und sie gestalten, zum einen mit Blick auf unsere eigene Bevölkerung, für die wir Verantwortung tragen, und zum anderen mit Blick auf eine Verantwortung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien Sie sehr vorsichtig, wo Sie kratzen: Das Asylrecht ist ein Grundrecht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in Artikel 16 – und damit eine besondere Verantwortung. Deswegen ist es Zeit für eine ernsthafte Debatte von ernsthaften Menschen. Sie aber rufen im Wahlkampf einfach Ihre Sprüche in den Wald. Ich bin mir sicher, der sächsische Wähler wird es nicht hören wollen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das war Herr Hartmann für die CDU-Fraktion. Jetzt gibt es an Mikrofon 7 eine Kurzintervention durch Herrn Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für uns als NPD-Fraktion war es ausgesprochen interessant, diesen stümperhaften Ausflug in die deutsche Geschichte durch Herrn Hartmann zu erleben. Wir können nur feststellen, dass er damit eine grandiose Bauchlandung hingelegt hat. Ihr Versuch, die Aufnahme von 20 000 französischstämmigen Hugenotten in Preußen mit einer quantitativ und qualitativ ganz anderen Massenzuwanderung, wie sie heute stattfindet, gleichzusetzen, ist eine Ungeheuerlichkeit. Es zeigt, dass Sie von Geschichte nichts verstanden haben und völlig falsche Rückschlüsse ziehen.

Falsche Rückschlüsse ziehen Sie auch mit Ihrem Beispiel des Einwanderungslandes USA. Die USA sind durch Masseneinwanderung groß geworden. Im 19. Jahrhundert – das ist richtig – sind viele Deutsche ausgewandert, weil sie dort gebraucht wurden und weil man sie dort haben wollte. Aber Sie wissen doch selber, dass beispielsweise das klassische Einwanderungsland USA heute viel strengere Einwanderungsregelungen hat als wir in Deutschland.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Die Indianer wollten die Deutschen nicht!)

In den USA wird durch Behörden jedes Jahr festgelegt, wie viele Ausländer aus welchem Kulturkreis mit welcher Qualifikation in die USA kommen. Der eigentliche Skandal ist doch, dass die Einwanderungsstaaten Kanada, Australien, USA viel strengere Einwanderungsregelungen haben als wir. Mittlerweile darf jeder aus jeder Weltgegend nach Deutschland kommen.

Eine allerletzte Bemerkung: Bei Ihnen als ehemaligem Polizisten, Herr Hartmann, habe ich eines vermisst, und

damit kommen wir wieder zur Sachpolitik zurück: Die Staatsregierung hat in der Beantwortung einer Anfrage der NPD-Fraktion mitgeteilt, dass von Januar bis September letzten Jahres 127 Polizeieinsätze in der Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Chemnitz nötig gewesen sind. Erklären Sie als ehemaliger Polizist uns doch, warum von Januar bis September letzten Jahres Ihre ehemaligen Kollegen 127-mal ausrücken mussten, um dieses Völkergemisch in Chemnitz zu befrieden!

(Beifall bei der NPD)

Herr Gansel hat seine Kurzintervention vorgetragen. – Auf diese reagiert Herr Kollege Hartmann. Er geht zum Mikrofon 4.

Herr Gansel, es ist nett, dass Sie mir die Gelegenheit geben, noch einmal etwas zu erläutern.

Ich fange mit Ihrem zweiten Punkt an, dem ordnungspolitischen Ansatz. Genau das ist eines der Themen. Sie haben über Zuwanderung reden wollen und reden jetzt über Asylrecht.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist Bestandteil des Problems!)

Ja, wir hatten über 100 Einsätze der Polizei. Es ist durchaus zu hinterfragen, warum das erforderlich ist. Ich kann auch hinterfragen, warum wir bei so vielen Demonstrationen und sonstigen Aktivitäten, die durch Sie initiiert sind, Polizeieinsätze brauchen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Aber das ist eine andere Frage.

Der Kern ist, dass ich vorhin deutlich gemacht habe, dass das Thema Asyl auch ordnungspolitisch zu diskutieren ist. Ja, die Fragen, wie man sich im Asylbewerberheim benimmt und welche Straftaten dort begangen werden, muss man diskutieren, aber bitte nicht populistisch und nicht nur, indem Sie hier die Fahne hochhängen.

Zum Thema Zuwanderungsländer. Herr Gansel, wenn Sie Geschichten erzählen, dann erzählen Sie sie richtig! Die Menschen sind nicht auf Einladung der Vereinigten Staaten dorthin gewandert und haben ordnungspolitisch, den amerikanischen Behörden folgend, die Möglichkeiten der Angebote des amerikanischen Arbeitsmarktes des 19. Jahrhunderts genutzt. Diese Menschen sind ausgewandert, weil die Rahmenbedingungen in Deutschland so schlecht waren und sie davon nicht leben konnten. Deswegen haben sie eine Perspektive in den Vereinigten Staaten gesucht.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das ist der Kern der Frage, warum gerade andere Menschen versuchen, aus ihren Ländern hierherzukommen: weil wir so eine Art Segnung der Neuen Welt für sie sind; und das Problem ist doch jetzt: Das, was sich Deutsche damals herausgenommen haben, um sich eine Perspektive

zu geben, das kann ich doch nicht verneinen, wenn andere Menschen das tun. Ich muss die Frage ernsthaft beantworten, wie ich mich ordnungspolitisch dieser Herausforderung stelle und zum einen die Fragen von Asyl, und Verantwortung wahrnehme und zum anderen die Rahmenbedingungen für meine Gesellschaft organisiere.

Wenn Sie dieses Niveau der Debatte erreichen, bin ich gern bereit, mich auch tiefer mit Ihnen auseinanderzusetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und des Staatsministers Markus Ulbig)

Das waren Kurzintervention und Reaktion darauf. – Nun fahren wir in unserer Rednerliste fort. Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Jennerjahn.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wahlkampf-Tabu Zuwanderung“, so ist die Aktuelle Debatte der NPD überschrieben, und an diesem Titel stimmt zunächst einmal überhaupt nichts.

Ich werde jetzt einmal formalistisch. Wenn ich in die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages schaue, so gibt es dort einen § 55, der sich mit der Aktuellen Stunde auseinandersetzt. Darin heißt es: „Eine Fraktion kann zu einem bestimmt bezeichneten Gegenstand der Landespolitik von allgemeinem und aktuellem Interesse eine Aktuelle Debatte im Rahmen der Aktuellen Stunde beantragen.“ – Diesen Sinn und Zweck erfüllt Ihre Debatte definitiv nicht. Die Landtagswahl findet am 31. August statt, die Aktualität kann man damit durchaus in Zweifel ziehen, und einen konkreten Gegenstand der Landespolitik haben Sie mit dem Debattentitel ebenfalls nicht benannt.

(Lachen und Zuruf des Abg. Holger Szymanski, NPD)

Sie haben dann etwas mühsam versucht zu konstruieren mit dem Schlenker zu einem Interview des Ausländerbeauftragten. Aber gut, sei’s drum, Formalismus hin oder her: Die Aktuelle Debatte findet jetzt statt, deshalb doch noch einige inhaltliche Anmerkungen von mir.

Das Schöne ist: Der Debattenbeitrag von Herrn Szymanski war so inhaltsleer, dass ich doch noch etwas grundlegender werden kann, weil wir es letztendlich mit einer sehr typischen NPD-Debatte zu tun haben. Sie bauen hier einen veritablen Pappkameraden auf, und den schießen Sie dann mit viel Getöse wieder über den Haufen, inszenieren sich dabei als mutiger Tabubrecher und alles, was übrig bleibt, ist das klassische Argumentationsmuster der NPD, das sich bekanntermaßen immer in drei Schritten vollzieht:

Da ist Schritt 1: Sie benennen ein Problem, hier das vermeintliche Wahlkampf-Tabu Zuwanderung.

Der zweite Schritt: Sie versuchen krampfhaft, ein Feindbild aufzubauen, wer angeblich an diesem Problem schuld sein soll. Das sind dann typischerweise die etablierten Parteien oder die Systemmedien. Das Wort „Gutmensch“ haben Sie ja dankenswerterweise heute auch noch fallen lassen. Das sind so die typischen Aufzählungen, die immer kommen, die nicht fehlen dürfen.

(Andreas Storr, NPD: Das hätte aber auch noch seine Berechtigung! – Jürgen Gansel, NPD: Merke: Gutmenschen sind keine guten Menschen!)

Punkt 3 ist dann die Selbstinszenierung als angeblich einzige politische Kraft, die das Problem lösen kann.

Das Schwierige ist nur: Das Tabu, das Sie hier mühsam aufgebaut haben, existiert überhaupt nicht. Ich erinnere an Kampagnen wie „Kinder statt Inder“, an Unterschriftenkampagnen gegen doppelte Staatsbürgerschaften. Ich erinnere an Thilo Sarrazin; auch er hat versucht, mit dem Mythos der Selbstinszenierung als Tabubrecher seine rassistischen Thesen unters Volk zu bringen.

(Andreas Storr, NPD: Das ist durchaus der Fall! Das ist kein Mythos, das sind Tatsachen!)

Auch er hat so getan, als würde er Wahrheiten aussprechen, die in Deutschland verboten sind, die man nicht aussprechen dürfe, die von den Systemmedien unterdrückt werden. Das Peinliche war nur: Er hat diese Thesen über „Bild“ und „SPIEGEL“ verbreitet und damit seine eigenen Behauptungen schon von vornherein ad absurdum geführt.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: So ist es!)

Ähnlich ist es bei Ihrer Debatte. Es ging hier nicht um ein tatsächliches Tabu. Sie wollen einfach nur Ihre rassistische Dreckschleuderei vornehmen können, ohne dass dem widersprochen wird. Nichts anderes ist der Hintergrund.

(Holger Szymanski, NPD: Wer hat denn das gesagt?)

Ihre heutigen Ausführungen haben aber eines gezeigt: Sie haben keinerlei Interesse an einer sachlichen Debatte. Das hat der Kollege Hartmann dankenswerterweise schon ausgeführt. Sie appellieren einfach nur an niedere Instinkte, Sie säen Hass und Missgunst und schaffen ein Klima der Gewalt.

Dabei gibt es wirklich viele fundierte Auseinandersetzungen zum Thema Zuwanderung, und dazu sind auch viele interessante Publikationen in jüngerer Zeit erschienen. Ich erinnere nur an ein Positionspapier des Deutschen Städte- und Gemeindetages aus dem Jahr 2013. Darin wurden sehr konkrete Probleme benannt, die einige Kommunen tatsächlich mit Zuwanderung haben. Aber dieses Dispositionspapier wurde nicht geschrieben, um Stimmung gegen Zuwanderer zu machen, sondern um konkrete Lösungsvorschläge aufzuzeigen mit dem Ziel, die Aufnahme von Zuwanderern mit Respekt und Würde bewältigen zu können.

(Holger Szymanski, NPD: Das sind Illusionen! – Andreas Storr, NPD:... und noch zu erhöhen!)

Sie hingegen malen gern Horrorszenarien an die Wand über Armutszuwanderung.