Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der klimapolitisch motivierten schwedischen Entscheidung zum Rückzug aus der Braunkohle hat sich Ministerpräsident Tillich mehrfach sowohl schriftlich als auch direkt vor Ort für die Fortführung eines ganz besonderen Investitionsvorhabens eingesetzt. Das Investitionsvorhaben ist die Erweiterung des Tagebaues Nochten II. Das ist ein so besonderes Investitionsvorhaben, weil dafür 1 700 Menschen aus Ortschaften der sächsischen Lausitz ihre Heimat verlassen müssten und verlieren könnten. Ihnen liegt dieses Investitionsvorhaben offensichtlich so sehr am Herzen, dass man meinen könnte, Ihre politische Glaubwürdigkeit hinge zum großen Teil an der Realisierung dieses einen Projektes.
So ging am 5. Februar 2015 erneut ein Brief der Ministerpräsidenten Dr. Woidke und Tillich im Schwedischen Reichstag ein, im Komitee für Handel und Industrie, und wurde öffentlich bekannt. Darin machen sie schnell klar, was sie mit der langfristigen Ablösung der fossilen Brennstoffe meinen, von der sie zunächst schreiben. Sie argumentieren nämlich, die deutsche Energiewende sei in Gefahr, wenn angesichts des Atomausstieges nicht weiter auf die Braunkohle gesetzt werde; und Voraussetzung sei, dass die Investitionstätigkeit nicht nachlasse.
Nun sind Investitionen in die Braunkohleverstromung durch extrem lange Kapitalbindungszeiten charakterisiert – wir sprechen hier von Jahrzehnten –, und es wäre geradezu widersinnig, derartige Investitionen zu dem Zweck zu tätigen, der sie anschließend, lange vor ihrer Amortisation, überflüssig macht und sie damit entwertet. Genau das wäre aber das Resultat, wenn tatsächlich, wie Sie schreiben, diese Investitionen erfolgen würden, um eine Brücke in eine Zukunft zu bauen, die durch einen wesentlich höheren Deckungsgrad an erneuerbaren Energien charakterisiert ist.
Sie ficht dieser Widerspruch nicht an, und Sie behaupten, ausgerechnet mit langfristigen Braunkohleinvestitionen die Energiewende retten zu müssen. Machen Sie sich um die Energiewende keine Sorgen! Sie wird durch Millionen engagierter Bürgerinnen und Bürger vorangebracht, und es genügt bereits, wenn man sich ihr nicht in den Weg stellt.
Sie, Herr Ministerpräsident, bauen darauf, dass – ich zitiere – „Vattenfall die notwendigen Investitionen für
eine kontinuierliche Fortführung seiner Tagebaue und Kraftwerke unabhängig von den Verkaufsabsichten fortführt“,
und Sie behaupten, dies würde helfen, den Umstrukturierungsprozess in der Braunkohleregion zu verstetigen. Das krasse Gegenteil ist richtig: Dies würde den notwendigen Umstrukturierungsprozess über Jahrzehnte verzögern, und überhaupt: Von welchem existierenden Umstrukturierungsprozess schreiben Sie da eigentlich?
Nun kommen wir zu dem umstrittenen Tagebauerweiterungsprojekt. Dazu versprechen Sie gemeinsam mit Ministerpräsident Dr. Woidke, Sie würden alles tun, um die notwendigen Verwaltungsverfahren zur Fortführung der Tagebaue Welzow-Süd und Nochten unabhängig von den Verkaufsabsichten zügig zu führen. Dies würde, so schreiben Sie, dazu beitragen, den Unternehmenswert von Vattenfall zu erhalten und so die Verkaufschancen für das Unternehmen und damit zusammenhängende mögliche Erlöse für den schwedischen Staat zu erhöhen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Hier verspricht man als Staatsregierung, beispielsweise im angelaufenen bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren für Nochten II im Sinne des maximalen Unternehmenswertes zu agieren.
Tatsächlich haben die einzigen Kriterien in solchen Verfahren die sorgfältige Prüfung aller Antragsunterlagen, Anwendungen und Risikoabschätzungen und die Güterabwägung zwischen den Betroffenen, der Umwelt und dem Gemeinwohl der heutigen und der künftigen Generationen zu sein.
Zügig oder nicht zügig, das hat bei der enormen und langfristigen Tragweite überhaupt kein Kriterium zu sein. Gründlich und verantwortungsvoll hat so ein Verfahren zu laufen. Das Versprechen eines zügigen Verfahrens für Nochten II wirft nebenbei die Frage auf, wie denn eigentlich ein normales Genehmigungsverfahren für industrielle Aktivitäten in Sachsen läuft. Etwa nicht zügig? Ich dachte immer, das sei eine Selbstverständlichkeit.
Wenn der Ministerpräsident die Zusage machen kann, für zügige Verfahren zu sorgen, liegt da nicht auch die Schlussfolgerung nahe, er habe es in der Hand, Verfahren eventuell nach Gutdünken auch zu verzögern,
In unserem zweiten Beitrag werden wir uns noch mit den Umsiedlungserfordernissen und dem offenbarten Gemeinwohlverständnis beschäftigen.
Als Antragstellerin hatte die Fraktion GRÜNE das Wort; Herr Dr. Lippold sprach. – Wir kommen nun zu den weiteren Rednern. Die Reihenfolge ist: CDU, DIE LINKE, SPD, AfD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die CDU spricht nun Herr Kollege Rohwer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein grundsätzlich wichtiges Thema für Sachsen; aber es wird Sie nicht ganz verwundern, dass wir es anders betrachten als die GRÜNE-Fraktion.
Aus unserer Sicht wäre es geradezu unverantwortlich gewesen, wenn die Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen und des Landes Brandenburg nicht tätig geworden wären.
Vielmehr verstehe ich die Intervention beider Ministerpräsidenten als ein Werben von Sachsen und Brandenburg für die Einbindung in den Verkaufsprozess, in die Information und die gegenseitige Informationsweitergabe.
Schauen wir doch einmal kurz zurück. Wir hatten gerade eine Debatte zum Thema 25 Jahre StaatssicherheitsUnterlagenbehörde. Aber wir haben natürlich auch in der Industrie einen unwahrscheinlichen Transformationsprozess hinter uns. Vor 25 Jahren waren nahezu 80 000 Personen in der Lausitzer Braunkohlewirtschaft beschäftigt. Heute sind es noch 8 000 Personen und weitere 20 000 Beschäftigte profitieren von der Wertschöpfung in der Braunkohleindustrie.
Braunkohle ist noch heute eine stabilisierende regionalökonomische Industrie, und der Strukturwandel in der Lausitz braucht auch diese Zeit. In dieser Zeit, über die
ich jetzt spreche, haben Sachsen und Brandenburg zusammen über 7,9 Milliarden Euro für die Sanierung der Braunkohletagebaue ausgegeben. Ziel war und ist eine nachhaltige Regionalentwicklung, um Anreize zu schaffen, um private Unternehmen zu gewinnen, sich in der Lausitz zu engagieren.
Derzeit ist die Braunkohle eben noch eine tragfähige Perspektive für die Region, und sie ist Brückentechnologie im Prozess der Energietransformation sowie ein wichtiger heimischer Energieträger. Jede vierte verbrauchte Kilowattstunde in Deutschland kommt von der Nutzung der heimischen Braunkohle. Trotz Zunahme der erneuerbaren Energien wird die Braunkohle relativ konstant bleiben. 2014 stellten die erneuerbaren Energien insgesamt 160,6 Terawattstunden für den Energieverbrauch in Deutschland zur Verfügung. Laut einer Prognose der AG Energiebilanzen werden es im Jahr 2030 bei den erneuerbaren Energien 287,6 Terawattstunden sein. Also ist hier ein deutlicher Aufwuchs prognostiziert, und ich denke, wir alle in diesem Hause gehen davon aus.
Aber diese Referenzprognose besagt eben auch für die Braunkohle nur einen verhältnismäßig kleinen Rückgang. 2014 waren es 155,8 Terawattstunden und in der Prognose für 2030 sind es 141 Terawattstunden. Daran merken Sie, dass die Braunkohle eine große Bedeutung behalten wird.
2022 kommt die Abschaltung der Kernkraftwerke, und auch dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Braunkohle von großer Bedeutung für die Grundlastversorgung im Energienetz Deutschlands ist.
Nun zur Thematik des geordneten und zügigen Planungsverlaufs. Beide Ministerpräsidenten haben sich aus meiner Sicht für einen geordneten und zügigen Verkauf ausgesprochen, damit Planungssicherheit und -klarheit für die Beschäftigten und die gesamte Region herrscht. Zügig heißt auch, dass alle geltenden gesetzlichen Grundlagen beachtet werden müssen, Herr Dr. Lippold.
Die derzeit laufenden genehmigungsrechtlichen Verfahren wurden bereits 2007 eingeleitet und es wäre aus meiner Sicht unverantwortlich, diese jetzt einfach abzubrechen, zumal in der Region offensichtlich hohe Zustimmung vorhanden ist. Sie wissen auch, dass der Gemeinderat von Trebendorf soeben mit übergroßer Mehrheit den Grundlagenverträgen, die ausgehandelt worden sind, zugestimmt hat. Auch mit Schleife sind die Verträge nach unserem Kenntnisstand auf einem guten Weg.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe GRÜNEFraktion! Ich habe das Schreiben von Herrn Tillich und Herrn Woidke auch gelesen und zur Kenntnis genommen. Ich habe mich schon ein wenig gewundert, warum Sie gerade diesen Brief dafür benutzen, die Aktuelle Debatte anzusetzen.
Ich habe einmal versucht, in die Rollen der beiden Ministerpräsidenten zu schlüpfen und zu verstehen, warum sie das gerade schreiben. Denn der Brief wird eigentlich nur an einer einzigen Stelle interessant – ich möchte das kurz zitieren –: „die notwendigen Verwaltungsverfahren zur Fortführung der Tagebaue Welzow-Süd und Nochten zügig zu führen“.
Ehrlich gesagt, meiner Meinung nach kann man sich entspannt zurücklehnen; denn wir kennen doch die äußeren und inneren Rahmenbedingungen in dieser Bundesrepublik und auch im Freistaat Sachsen und wissen, was zügige Genehmigungsverfahren in solch einem Braunkohleverfahren sind.