Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Der Ehrlichkeit wegen darf zudem nicht verschwiegen werden, dass die Einstellungszahlen etwas verzerrt werden. So befanden sich beispielsweise von 15 im Jahr 2015 als Spezialisten eingestellten Mitarbeitern von beabsichtigten 100 Spezialisten – Sie wissen das – bereits 13 in einem Dienst-, Arbeits- oder anderen Vertragsverhältnis mit dem Freistaat – siehe Drucksache 6/881. Von den 383 Studenten der Polizeihochschule waren nur 226 Polizeikommissaranwärter. Die restlichen 157 Studenten waren Aufstiegsbeamte, also bereits im System vorhanden – siehe Drucksache 6/882.

Ein hoher Krankenstand und eine nicht unerhebliche Zahl von nur bedingt dienstfähigen Kollegen spitzen zudem die Lage zu. Es ist alles in allem höchste Zeit gegenzusteuern, zumal, wenn Sie die Zielzahl von 12 erreichen wollen, also Kompensation.

Angemerkt sei auch, dass die Ausbildungskapazitäten offenbar für den steigenden Bedarf nicht ausreichend sind und ausgebaut werden müssen. Dem folgt logischerweise auch der Bedarf bei der Sachausstattung. Die IT-Technik ist – das haben wir schon einmal erörtert – teils abenteuerlich und veraltet. Mit einem Betriebssystem Windows Vista in Verbindung mit einem zu geringen Arbeitsspeicher ist die Technik sehr langsam. Sobald mehrere erforderliche Programme geöffnet sind, wird es so langsam, dass der Postreiter als schnellere Alternative gelten dürfte. Der Internetexplorer 9 darf durchaus als nicht mehr aktuell gelten.

Wer aber wirklich für verdächtig gute Jobs werben will, der muss etwas für die Attraktivität des Polizeidienstes in Sachsen tun. Sicherlich stehen dabei nicht zuallererst die Bekleidungskonten auf dem Programm. Sie sind dennoch in den ersten drei Jahren nach der Erst- bzw. Neuausstattung mit 95,10 Euro – wenn man sich die Preise anschaut – und danach mit 190,20 Euro deutlich zu gering ausgestattet.

Es gibt eine Reihe von Stellschrauben für die Attraktivität des Dienstes in der sächsischen Polizei. Lassen Sie mich einige anreißen. Es wird in den Haushaltsverhandlungen an der einen oder anderen Stelle nötig sein, hier einiges zu vertiefen. Bereits in der Anhörung zum Haushaltsentwurf wurden dabei genannt: ein gutes und personell gut ausgestattetes Gesundheitsmanagement, endlich eine angemes

sene und im Vergleich zu anderen Bundesländern gleichwertige, leistungsgerechte Besoldung mit Sonderzahlungen und auch Erschwerniszulage für die Bereitschaftspolizei, Mehrarbeitsvergütung, Beförderungskorridor, sodass Beförderungen in angemessenem Umfang real werden können; ferner eine Hebung der Stellen in der Laufbahngruppe 2.1 auf über 40 % der Gesamtstellen.

Lassen Sie mich noch eines zu Cybercrime sagen: Wenn Sie dafür tatsächlich die Spezialisten holen wollen – zusätzlich zu denen, die Sie schon unter Vertrag haben –, dann sollten Sie Geld in die Hand nehmen, um eine marktgerechte Besoldung, Entlohnung oder wie auch immer sicherstellen zu können, weil Sie ansonsten diese Spezialisten nicht bekommen werden.

Um es klar zu sagen: Wir sehen den Handlungsbedarf genau wie Sie. Darin sind wir uns einig. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Koalition dieser Aufgabe nähert. Deshalb ist es erforderlich, bis das Ergebnis der geplanten Evaluierung vorliegt, den nach wie vor laufenden Stellenabbau umgehend zu stoppen. Dazu werde ich zum Änderungsantrag noch sprechen. Wir können uns durchaus vorstellen, wenn die nötige Änderung zu Ihrem Antrag heute vollzogen wird, Ihrem Ansinnen entsprechend zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die AfD Herr Abg. Wippel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Kollegen Stange kann ich an keiner Stelle widersprechen.

(Enrico Stange, DIE LINKE: An einer?)

An keiner! – Nein, es war alles so weit richtig.

(Heiterkeit bei der AfD und den LINKEN)

Es bleibt mir nicht viel übrig, als das eine oder andere zu wiederholen. Zum Antrag von CDU und SPD möchte ich mich selbstverständlich gern äußern. Zum ersten Teil sei Folgendes gesagt: Was wäre man für eine Rechtsstaatspartei, wenn man es ablehnen würde festzustellen, dass die Polizei entsprechend ihren Aufgaben aufgestellt sein muss? – Die Ablehnung dieses Teils würde schlicht und ergreifend bedeuten, dass man a) entweder keine Sicherheit will, dass man b) keine Polizei möchte oder dass man c) von der Polizei schier Unmögliches verlangt.

Wir wollen Sicherheit und wir wollen eine Polizei. Diese soll ihre Aufgaben auch erfüllen können. Deshalb können wir dem Teil vollumfänglich zustimmen.

Zum zweiten Teil Punkt 1 ist zu sagen, dass man sich schon an den Kopf fassen muss, wenn das hier ernst gemeint sein soll. Mir stellt sich die Frage, wie die „Reform 2020“ eigentlich zustande gekommen ist, wenn man sich über die konkreten Aufgaben der Polizei nicht im Klaren war. Die Beurteilung der Lage nach Lagefeldern,

wie Bevölkerung, Kriminalität, Fläche, Einsatzlagen – das ist Standardwissen jedes Kommissaranwärters und eine Selbstverständlichkeit in der Entscheidungsfindung. Wer das nicht macht, der fällt in jeder Einsatzlehrerprüfung durch.

Wenn Sie nun eine Selbstverständlichkeit als große Neuerung verkaufen, dann spricht das dafür, wie schlecht die „Reform 2020“ eigentlich gemacht sein muss.

(Beifall bei der AfD)

Das ist der Beweis dafür, dass es Ihnen nur darum ging, auf Kosten der Polizei und damit auf Kosten der Sicherheit Geld zu sparen.

Ich hoffe übrigens, dass Sie bei der Aufzählung der Lagefelder in Ihrem Antrag nicht abschließend gewesen sind und zum Beispiel die Entwicklung anderer Behörden mit im Blick behalten. Damit meine ich beispielsweise den Stellenabbau bei der Bundespolizei.

Einen Punkt in Ihrer Aufzählung betrachten wir mit besonderer Spannung: die prognostische Entwicklung von Großeinsatzlagen. Aus dieser eher kryptisch anmutenden Formel lese ich die Frage: „Wie entwickeln sich Pegida und die Gegendemonstrationen, und wie reagiert die Polizei darauf?“ – Ich brauche aber keine Glaskugel, um zu wissen, dass man gesellschaftliche Missstände niemals allein durch Polizisten lösen kann, wenn wir Politiker unsere eigene Rolle nicht erkennen. Wenn wir sie erkennen, dann müssen wir sie auch selbstkritisch wahrhaben wollen. Die Polizei ist weder der Fußabtreter noch der Reparaturbetrieb der Gesellschaft, das muss einmal ganz klar gesagt werden.

(Beifall bei der AfD)

Zu Punkt 2. Die Einbeziehung der Mitarbeiter und Berufsvertretungen in diesen Prozess begrüßen wir ausdrücklich. Wir hoffen, dass die Berufsvertretungen nicht nur beratend wirken, sondern wir erwarten, dass sie auch Stimmrechte in den entsprechenden Gremien haben. Die Mitarbeiter hätten sich auch im Jahr 2014 schon gefreut, wenn sie bei der Evaluierung der Struktur etwas hätten zum Thema Personal sagen dürfen. Dann würden wir vielleicht jetzt nicht circa anderthalb Jahre hinterherhängen.

Dazu zitiere ich aus einem Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums vom 20. Dezember 2013, unterschrieben vom Polizeipräsidenten Rainer Kann: „Laut Feinkonzept der zukünftigen Polizeiorganisation der sächsischen Polizei soll die Polizeiorganisation in den Jahren 2016 und 2017 evaluiert werden. Da die sächsische Polizei seit nunmehr über einem Jahr in ihrer neuen Struktur arbeitet, liegen aus hiesiger Sicht schon zum jetzigen Zeitpunkt genügend Erfahrungen für eine objektive Bewertung der Organisation vor. Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, die Evaluation auf Basis des beigefügten Konzepts bereits in den Jahren“ – hier ist ein Fehler im Original – „2014/2015 durchzuführen.“

Also, worüber reden wir hier eigentlich? Das ist nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen.

Die im Antrag geforderte Berichtspflicht gegenüber dem Parlament begrüßen wir selbstverständlich. Sie wollen auch die Ergebnisse der Evaluation künftig im Haushalt berücksichtigen. Ich stelle fest: Das ist auch wieder eine Frage der Selbstverständlichkeit. Wozu eine Evaluation, wenn man die Ergebnisse nicht berücksichtigen möchte? Leider endet Ihr Antrag damit auch schon. Ich nutze die Gelegenheit, um einigen Ergebnissen der Evaluierung vorzugreifen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Der Personalmangel ist schon seit Jahren offensichtlich. Insofern ist es der falsche Weg, die kw-Vermerke weiter durchzuziehen und Personal abzubauen, während Sie gegenüber der Öffentlichkeit vollmundig verkünden, dass wir mehr Personal bekommen werden. Wenn Sie eine leistungsfähige Polizei möchten, dann stoppen Sie die „Reform 2020“, und zwar sofort. Machen Sie ein Moratorium. Auf jeden Fall kann es so nicht weitergehen. Wenn Sie am Ende der Meinung sind, dass wir mehr Personal brauchen oder zu viel haben, dann kann man das immer noch umsetzen.

Ermöglichen Sie es möglichst vielen Kollegen in den Jahren 2015 und 2016, die in den Ruhestand gehen würden, noch ein, zwei Jahre weiterzuarbeiten, um diesen Personalmangel abzuschwächen und ihr Wissen den Leuten weiterhin zur Verfügung zu stellen. Dafür kann man zum Beispiel auch einmal in den Prämientopf greifen und Aufschläge auf das Gehalt machen.

Werben Sie um neues Personal, indem Sie den Beruf des Polizisten attraktiv gestalten. Stichworte: Besoldung, Sonderzahlungen. Schützen Sie die Kollegen, indem Sie sie nicht ins offene Messer laufen lassen. Stellen Sie Stichschutz, und zwar sofort. Sorgen Sie für altersgerechte und „kundenfreundliche“ Dienstwagen. Berücksichtigen Sie dabei bitte, dass die Streifenwagen auf den Landdienststellen zunehmend die Büros ersetzen.

Sorgen Sie für ausreichende Lehrgänge und damit auch für ausreichende Motivation und einen richtigen rechtlichen Kenntnisstand bei den Kollegen. Dafür braucht es Personal, damit die Kollegen auch die angebotenen Lehrgänge wahrnehmen können. Erhalten Sie die Bereitschaftspolizei in Chemnitz. Verlagern Sie eine Hundertschaft an die Ostgrenze, um den Personalabbau bei der Bundespolizei zu kompensieren.

Da wir nun schon einige Ergebnisse der Evaluation kennen, können wir auch – frei nach Herrn Dulig – den Arbeitskreis zur Kommission machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion der GRÜNEN Herr Lippmann, bitte.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach den bisherigen Äußerungen bin ich geneigt, demnächst einen Handel für Glaskugeln zu eröffnen.

(Zuruf des Abg. Sebastian Wippel, AfD)

Dennoch begeben wir uns auch einmal in diese Richtung und schauen, was eigentlich mit diesem Antrag bezweckt wird. Sie liegt nun auf dem Tisch, die sagenumwobene und viel beschworene Kommission zur Ermittlung der Evaluation der Einsatz- und Leistungsfähigkeit der Polizei. Vorab: Wir begrüßen grundsätzlich, dass es diese Kommission jetzt gibt. Wir begrüßen auch, dass sie mit einer umfassenden Berichterstattung an das Parlament arbeiten soll, und wir begrüßen ausdrücklich, dass auch die Polizeigewerkschaft einbezogen werden soll.

Die GRÜNEN haben bereits vor zwei Jahren gefordert, eine solche Kommission einzurichten und den Stellenabbau bei der Polizei endlich zu evaluieren. Es hat bis jetzt gedauert, dass die Tatsache kam, obwohl wir damals vertröstet wurden, dass sie doch recht bald käme. Das Problem ist nur: Diese Kommission wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ergebnisoffen arbeiten können.

(Albrecht Pallas, SPD: Also doch Glaskugeln!)

Ich sage ja: Ich begebe mich auch einmal in Richtung einer Glaskugel.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Zum Ersten ist ein Problem, dass offensichtlich keine Evaluation der Standortstrukturen vorgenommen werden soll. Dies habe ich zumindest weder dem Antrag noch den bisherigen Äußerungen der Koalition entnehmen können. Folglich wird es an den grundsätzlichen Strukturentscheidungen des Polizeikonzeptes 2020 wohl keine Änderungen geben. Der Abbau der Standorte im Polizeikonzept 2020 ist aber Dreh- und Angelpunkt des Problems, und Sie beheben allerhöchstens eines der Probleme.

Zum Zweiten – der Kollege Stange hat es schon angesprochen – geht der Stellenabbau während der Arbeit der Kommission munter weiter. Bis diese Kommission ihre Arbeit abgeschlossen hat, werden im Freistaat weitere 270 Stellen bei der Polizei abgebaut werden. Die sind dann weg. Die Kommission hat ihre Arbeit beendet und wird sich dann noch weiter damit auseinandersetzen, wie sie die weiteren Kürzungen abfangen kann. So setzt sich die Kürzungspolitik der letzten Jahre weiter fort, obwohl Sie versuchen, der Bevölkerung etwas anderes zu vermitteln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wenn Sie den Stellenabbau jetzt nicht vollständig stoppen, dann wird diese Kommission im Wesentlichen ein Papiertiger bleiben; denn bis zum nächsten Doppelhaushalt wird sich die Situation weiter zuspitzen und es wird weiter mit dem Stellenabbau Porzellan zerschlagen. Die Frage ist: Wann haben wir hier eigentlich den Point of no Return erreicht? Kollege Stange hat die Problematik bei der Einstellung von Polizeibediensteten bereits erläutert. Irgendwann

werden Sie zur Kompensation der Kürzungen so viel Personal einstellen müssen, wie Sie gar nicht bekommen können. Das heißt, Sie werden vor einem großen Problem stehen, wenn Sie den Stellenabbau nicht sofort stoppen.

(Beifall bei den GRÜNEN)