Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Darüber hinaus bleibt mir zu Punkt 1 des Antrages nur zu konstatieren: Das ist eine Aneinanderreihung von Selbstverständlichkeiten und gleichzeitig ein archetypisches Beispiel für das Agieren der CDU in Sachsen; denn erst wird das Problem geschaffen – Stellenabbau bei der Polizei, Zerstörung der Revierstrukturen im ländlichen Raum durch das Standortekonzept und Streichung des Weihnachtsgeldes –, dann fällt plötzlich auf, dass Sachsens Polizei nicht mehr vor Ort ist und die restlichen Polizistinnen und Polizisten ein Motivationsproblem haben, und schon bietet man der Bevölkerung als Heilsbringer eine Kommission an. Das kann ja nun nicht die Lösung sein. Man verkauft also hier die Politik als die Lösung der zuvor selbst geschaffenen Probleme. Ich nenne das eher eine Form der Arbeitsbeschaffung, auch noch den Punkt 1, der eigentlich klar sein dürfte, hineinzupfriemeln.

Von daher: Wenn man sich in den letzten Jahren an den Aussagen des Punktes 1 orientiert hätte, dann brauchte es heute diesen Antrag nicht und dann müssten wir auch keine umfassenden Debatten über die Polizeistruktur führen. Wir werden daher diesem Antrag nicht zustimmen; wir werden uns aber enthalten, denn prinzipiell ist er ein Weg in die richtige Richtung. Er bringt uns aber nichts, wenn der Stellenabbau nicht sofort gestoppt wird. Er schadet nicht aktiv, und wir werden im weiteren Haushaltsverfahren dafür kämpfen, dass diese Kommission überhaupt einen Sinn hat, und dafür, dass der Stellenabbau bei der Polizei sofort umfänglich gestoppt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Hartmann für die CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist das Schöne an der Opposition: Egal, was jener, der in der Regierungsverantwortung ist, sagt – man kann immer noch eins draufsetzen und man kann immer noch etwas mehr Erwartungshaltung erzeugen und erst einmal recht einfach über die eigenen Positionen sprechen, denn man muss nicht befürchten, dass das Konsequenzen hat.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Aber zurück zum Thema. Welch ein Selbstverständnis der sächsischen Polizei wurde hier zum Teil gezeichnet! Ich will deutlich sagen: Aus meiner Sicht ist der Beruf eines Polizisten attraktiv. Wir haben gut qualifizierte, gut ausgebildete Polizeibeamte, die mehrheitlich engagiert in ihrem Beruf stehen; und es gibt viele Menschen, die sich

dafür interessieren, den Polizeiberuf zu ergreifen. Wenn man sich das Ergebnis der jetzigen Kampagne anschaut, kann man feststellen, dass die Bewerberzahlen deutlich gestiegen sind. Nun können Sie trefflich darüber streiten, ob dies trotz oder wegen der Kampagne passiert ist: Wir haben einen Zulauf in den Bewerberzahlen, und das vor dem Hintergrund der Herausforderungen des demografischen Wandels, von dem wir nicht frei sind. Wir wollen das Bild nicht zu schönmalen, aber vor diesen Herausforderungen ist die Bewerbersituation in der Polizei immer noch deutlich besser, als wir das heute in vielen anderen, auch gewerblichen und privatwirtschaftlichen Unternehmen verzeichnen können.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie können trefflich auch über das Thema Besoldung sprechen. Ja, die letzte Koalition – nicht mit der SPD – hat damals die Streichung der Sonderzahlung zum Jahresende 2011 beschlossen. Das ist ein Thema, das bis heute beschäftigt und verärgert. Das ist so. Aber es gab einen Grund für diese Entscheidung, und man kann sie unterschiedlich bewerten. Aber nun so zu tun, als ob die sächsische Polizei schlecht besoldet wäre und wir einen Aufholwettkampf für demotivierte, unterbezahlte Polizeibeamte führen müssten, das führt zu weit. Ich sage Ihnen auch, warum: weil es neben der Grundbesoldung, mit der wir uns durchaus im gesamtdeutschen Durchschnitt sehen lassen können, auch ein Selbstverständnis in Sachsen ist, dass die freie Heilfürsorge noch Bestandteil der Leistungen für Polizeibeamte ist.

Dazu gehört auch, dass wir entsprechende Anpassungen beim Zulage- und beim Schichtsystem vorgenommen haben. Das sind alles nur Bausteine und berechtigt, und ich bin den Fachgewerkschaften sehr dankbar, die diese Positionen immer wieder formulieren und darauf hinweisen, beispielsweise bei der Frage der Stellung von Polizisten der Bereitschaftspolizei und der Frage der Wechseldienstzulage. Das sind berechtigte Positionen, und ich verrate Ihnen kein Geheimnis: Wir werden das auch mit Blick auf den Haushalt in der Koalition beraten und uns damit auseinandersetzen. Pauschal ein Bild zu zeichnen, das den demotivierten, unterbezahlten sächsischen Polizisten mit schlechter Ausrüstung, traurigem Blick und höchsten Krankenständen darstellt, mag Ihnen ja für eine politische Debatte sehr nützlich sein, aber das ist nicht das Selbstverständnis der sächsischen Polizei und schadet dem Ansehen eines ganzen Berufsstandes.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Stange hat zu Recht einige Punkte angesprochen, auch was die Frage der Sachausstattung betrifft. Wir werden uns auch mit dem Thema Sachausstattung beschäftigen. Der Kern des heute vorliegenden Antrages beschäftigt sich aber mit der Frage: Welche Aufgaben nimmt die Polizei wahr? Welche polizeilichen Aufgaben soll sie wahrnehmen? Im Übrigen beschäftigt er sich auch mit einer Abgrenzungsdiskussion, die diese Debatte erforderlich macht. Tun Sie doch bitte nicht immer so, als ob die Staatsregierung in den letzten Jahren ihrer Verant

wortung nicht gerecht geworden wäre! Es ist immer ein Ausgleich zwischen Ressourcen, Kapazitäten sowie Notwendigkeiten und sich verändernden Situationen, und in der Beurteilung der Aufgabenkritik spielt auch eine Rolle, wie die Aufgaben der Orts- und Kreispolizeibehörden in diesem Land wahrgenommen werden und welche Intentionen und Unterstützung die Polizei zu geben hat, da die Aufgabenwahrnehmung auch Bestandteil der Sicherstellung und der Sicherheitsarchitektur sein muss.

Natürlich haben wir eine veränderte Situation. Themen wie die zunehmende Drogenkriminalität beschäftigen uns seit zwei, drei Jahren. Die Frage von Internet- und Cyberkriminalität ist eine immer mehr aufwachsende Problemlage. Auch die Organisationsstrukturen der Organisierten Kriminalität bis hin zur Gewalt gegen Polizeibeamte und die Zunahme von Aggressivität und Gewalttaten sind Themen, denen man sich neu stellen muss.

Es herunterzubrechen und zu versuchen, die Regierungskoalition als ein bisschen unterbelichtet darzustellen, weil wir angeblich nach einer schönen Märchengeschichte in Glaskugeln schauen und jetzt die Polizei bitten würden zu prognostizieren, welche Großeinsatzlagen in nächster Zeit anstehen, das ist überhaupt nicht gemeint. Das wissen Sie auch.

Es geht darum, dass die Fachbereiche unter Beurteilung der Entwicklung der letzten Jahre von Großeinsatzlagen, von der Zunahme von Personal- und Kräfteansätzen auch mit überarbeiteteten Strategien, die Sie sonst hier alle so hochlöblich fördern – – Sonst sagen Sie, Sie wollen keine Polizei, die aggressiv gegen Demonstranten losgeht. Sie wollen die Deeskalationsstrukturen. Wenn das der Kern des Themas ist, dann ist es ein Unterschied, ob Sie mit drei Bereitschaftspolizeiabteilungen konsequente Einsatzmaßnahmen umsetzen oder ob Sie dann über fünf, sechs Abteilungen eine Deeskalationsstrategie fahren müssen. Das sind Betrachtungen, die Sie insgesamt vornehmen müssen.

Das heißt, Sie reden über sich wandelnde und verändernde Strukturen in einer sich wandelnden und verändernden Welt und der damit verbundenen Herausforderung eines sich ständig verändernden Gestaltungsprozesses und sich ständig verändernden Herausforderungen. Das ist doch die Verantwortung von Politik. Wenn Sie dann immer ein Gestern zum Argument für morgen machen, um zu attestieren, dass seit 20 Jahren nichts passiert ist, dann sei es Ihnen als Opposition zugebilligt, aber es diskreditiert Sie in der Frage, ob Sie überhaupt in der Lage sind, Regierungsverantwortung zu tragen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich komme zum letzten Punkt, den ich ansprechen möchte: die Legende der Überstunden. Ja, Herr Stange, die Polizei leistet Überstunden. Ja, sie leistet an manchen Stellen verdammt viele Überstunden. Wenn wir ihre 71 435 Überstunden statistisch auf die Anzahl der Poli

zeibeamten herunterrechnen, dann heißt das eine Durchschnittsprognose von fünf Überstunden im Jahr.

Erstens ist das von der Statistik her nicht richtig, und zweitens ist das eine Situation, bei der Sie für jeden Beruf dieses Landes die Frage stellen können, ob die Menschen in den Unternehmen, in den Betrieben fünf Überstunden im Jahr geleistet haben oder nicht. Das ist keine besondere, große Lage.

Es ist berechtigt zu hinterfragen, ob in Einsatzstrukturen der Bereitschaftspolizei, die zum Teil 50, 60 Überstunden haben, eine entsprechende Belastungssituation gegeben ist, dass über Kräfteansätze diskutiert werden muss. Aber diese Zahl, die zum Schluss dazu führt, dass die Polizeibeamten pauschal fünf Überstunden haben, ist eine nichtssagende Nummer. Sie bringt uns nicht weiter. Es gilt ganz gezielt – –

(Jörg Urban, AfD: Das ist Ihre Zahl!)

71 435, so ist es auch in der Kleinen Anfragen formuliert, angesetzt auf die 13 000 Polizeibeamten. Sie können durchrechnen, wo Sie herauskommen. Das ist die Situation.

Aber, es heißt im Detail und konkret, sich des Themas anzunehmen. Ich lade Sie nochmals ein: Beschreiten Sie mit uns einen Prozess, in dem wir uns als Erstes die Aufgabe ansehen.

Ich möchte noch einmal die GRÜNEN ansprechen: Ja, der Begriff der Standorte ist hier nicht aufgenommen. Aber in diesem Antrag ist die Frage der Organisationsstrukturen aufgenommen. Die Frage nach einer Organisationsstruktur ist doch die folgerichtige Fragestellung, welche Aufgabe ich in welchem Umfang und an welcher Stelle erfülle.

(Sebastian Wippel, AfD, steht am Mikrofon.)

Welcher Personalansatz ist dazu an welcher Stelle erforderlich? Wo dislozieren wir die entsprechenden Kräfte und die entsprechenden Standorte? Wir schließen nicht aus, dass es entsprechende Korrekturen bei der einen oder anderen Polizeidienststelle geben kann, aber nicht geben muss. Das ist das Ergebnis eines Prozesses, und deshalb beteiligen wir uns nicht an der Glaskugel.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Sebastian Wippel, AfD, steht noch immer am Mikrofon.)

Tut mir leid. Möchten Sie eine Kurzintervention vornehmen? Ich konnte die Frage nicht mehr zulassen, weil Herr Hartmann mit seiner Rede fertig war.

Okay. Kurzintervention, Frage – wie auch immer. Sie können ja antworten. Wenn wir über die Überstunden reden, haben Sie da im Blick, dass wir einen Krankenstand haben, dass es Kollegen gibt, die abgeordnet sind? Haben Sie im Blick, dass es Kollegen

im höheren Dienst gibt oder in anderen Dienststellen, die vielleicht strukturgemäß weniger Überstunden oder Mehrarbeitsstunden – es ist im Grunde genommen ein technischer Begriff – haben? Haben Sie vielleicht auch im Blick, dass es Kollegen gibt, die eine ganze Menge Ansparurlaub haben? Wie soll denn das in den nächsten Jahren aussehen?

Herr Hartmann.

Ich möchte die Gelegenheit zur Antwort nutzen. Ich habe sehr wohl im Blick, dass die Organisation der Polizei wie jede andere Organisation der Staatsverwaltung, aber auch der kommunalen und Landesverwaltung unter der Situation leidet, dass der Iststellenplan mit dem Sollbestand nicht in jedem Fall übereinstimmt – weil es in der Tat Abordnungen gibt, an mancher Stelle mehr, an mancher Stelle weniger –, dass es in der Tat Ansparung von Urlaub über Jahre gibt, um einen längeren Urlaub zu nehmen, dass wir derzeit im Polizeibereich einen hohen Krankenstand, insbesondere lebensälterer Polizisten, aus unterschiedlicher Motivation haben, bis hin zu der Frage der verspäteten Verbeamtung im Jahr 1993, der reflektierten Ruhestandsregelung und des Übergangs zur Rentenzahlung.

Es gibt viele Herausforderungen. Selbstverständlich ist es ein Thema, nachzuzeichnen, was der Unterschied zwischen Ist- und Sollstellenplan ist. Ich weiß aber auch, dass die Belastung nicht einfach so pauschal in den Raum zu stellen ist, sondern dass ich sie, bezogen auf Dienststellen und Struktureinheiten, unterschiedlich bewerten muss. Deshalb bedarf es an dieser Stelle einer differenzierten Betrachtung.

Für die SPD Herr Pallas, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kurz noch einmal zur Überstundensituation: Zunächst ist ein Dank an Kollegen Stange zu richten für die fleißigen Anfragen, die es ihm jetzt ermöglicht haben, einige Situationen und Problemstellungen innerhalb der Polizei auf den Punkt zu bringen.

Anschließend an die Ausführungen von Kollegen Hartmann ist festzustellen, dass insbesondere der 31.12. letzen Jahres ein besonderer Fall ist, weil wir das Versammlungsgeschehen, über das wir auch reden, nicht erst seit diesem Jahr haben, sondern weil es sich im letzten Quartal ergeben hat.

Sie wissen vielleicht oder auch nicht, dass bei der Bereitschaftspolizei das letzte Quartal in den vergangenen Jahren dazu genutzt werden konnte, um angestaute Überstunden abbauen zu können. Das war konkret im letzten Jahr nicht in diesem Maße möglich. – So viel zu der Zahl, die Sie hier vorgetragen haben.

Gleichwohl sei an dieser Stelle betont, dass ich Ihnen, Kollege Stange, immer gern zuhöre. Ich wäre aber froh, wenn Sie auch in dem Maße recht hätten, wie ich Ihnen

gern zuhöre; denn in mehreren Punkten haben Sie meiner Meinung nach unrecht.

Bleiben wir bei den Versammlungen. Sie haben sozusagen der Kommission abgesprochen, dass sie für diese Entwicklung in der Gesellschaft und in der Folge für Einsatzgeschehen, das die Polizei bewältigen muss, Prognosen anstellen soll oder diese mögliche Entwicklung vorauszeichnen soll. Sie haben die Verantwortung dafür in das Parlament gegeben. Ich halte Ihnen entgegen: Wo soll es denn sonst betrachtet werden als in der Kommission, die alle Aufgaben betrachten muss und daraus die richtigen Schlüsse für den Personalbedarf ziehen soll? Wo sonst, wenn nicht dort?

Ich habe ja bereits gesagt, dass Sie mit der Beschreibung einiger Problemfelder durchaus recht haben. Insgesamt stelle ich fest – das gilt eigentlich für alle Vertreter der Opposition, die hier gesprochen haben –, dass Sie sich bemühen müssen, wirkliche Kritikpunkte zu dem, was wir im Antrag vorgelegt haben, vorzubringen.

Von keinem von Ihnen habe ich gehört, dass Sie das Vorgehen ablehnen. Leichte Zweifel habe ich beim Kollegen der GRÜNEN gehört, ob es jetzt wirklich so wirksam sei. Wir werden unter Beweis stellen, dass es wirksam ist. Letztendlich würden wir, wenn wir diesen Weg nicht gehen würden, in die gleiche Falle tappen und die gleichen Fehler wieder machen, die aus meiner Sicht in den letzten Jahren begangen wurden:

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

dass politische Zielzahlen festgelegt wurden ohne Ansehen der Aufgaben. Genau da wollen und müssen wir ran, lieber Kollege Lippmann. Ich freue mich schon auf die Debatten im Jahr 2016, wenn es dann so weit ist, mit den Ergebnissen umzugehen.

Ein Wort noch zu der in den Raum gestellten Evaluation 2014, die Kollege Wippel angesprochen hat. Auch hierbei muss man den Prozess sehen. Was ursprünglich noch von der alten Regierungsmehrheit in der letzten Legislaturperiode besprochen und geplant wurde, war eine Evaluation des Stellenabbaus. Auf gut Deutsch: Wie läuft es denn so mit dem Stellenabbau? Läuft alles wie geplant oder müssen wir irgendwo nachstellen?

Das, was wir hier vorschlagen, ist doch etwas völlig anderes. Wir wollen das Pferd von der richtigen Seite aufzäumen, um in dem Bild aus der gestrigen Debatte zum Standortekonzept zu bleiben. Genau das ist auch ein wesentlicher Punkt, weshalb ich dem Kollegen Hartmann in Bezug auf das vom Kollegen Lippmann kritisierte angebliche Fehlen von Strukturaussagen ausdrücklich zustimmen muss. Die Reihenfolge ist ganz klar, und da schließe ich an gestern an: Wir machen eine Aufgabenkritik. Welche Aufgaben soll Polizei lösen können?