Nach dem Satz. – Wir überlegen, welche Folgen das für den Personalbedarf, für die Sachausstattung und für die Organisationsstruktur der Polizei hat. – Jetzt habe ich Zeit für eine Zwischenfrage.
Kollege Pallas, Sie lesen auch die Kleinen Anfragen, die gestellt werden. Zum Beispiel habe ich in Drucksache 6/941, bezüglich derer ich nachgefragt habe, ob der Erlass noch weiter gilt, die Antwort bekommen: Die CDU Sachsen und die SPD Sachsen haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Polizeiorganisation zu evaluieren.
Insofern ist von einer Anpassung der bisherigen Zeitplanung auszugehen. – Das heißt für mich, dass alles so weiter gilt, und wir passen nur die Zeit an. Ist das richtig?
Das heißt es eben nur für Sie, Herr Wippel. Was machen wir hier? Wir sind das Parlament. Wir beschließen heute einen Antrag, in dem wir die Staatsregierung beauftragen, diese Evaluation, diese Aufgabenkritik durchzuführen, um die entsprechenden Schlussfolgerungen rechtzeitig ziehen zu können.
Herr Kollege Pallas, nachdem nur noch Sie sich zur Standortfrage – zumindest im Ansatz – geäußert haben, frage ich noch einmal dezidiert nach: Bisher wurde – zumindest öffentlich – in Bezug auf den Koalitionsvertrag kommuniziert, dass sich die hier zu bildende Kommission explizit nicht mit dem Standortkonzept befassen soll. Ich entnehme jetzt sowohl den Äußerungen von Herrn Hartmann als auch von Ihnen, dass es anders ist. Können wir also erwarten, dass diese Kommission zu der Schlussfolgerung kommt, dass das Standortekonzept bei der Polizei – zumindest in Teilen – zu revidieren ist, obwohl das hier nicht explizit als Arbeitsauftrag enthalten ist?
Ich nehme Ihre Frage in den Rest meiner Rede auf, weil ich darauf noch zu sprechen kommen wollte. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart – das ist ein Punkt gewesen, zu dem wir uns als SPD durchringen mussten –, dass wir im Grundsatz zunächst einmal das Standortkonzept akzeptieren, haben aber auch deutlich gemacht, dass, wenn eine Evaluation durchgeführt wird, das eben auch konsequent gemacht werden muss, dass man natürlich die Organisationsstruktur und damit auch – im Fall der Fälle – einen Standort infrage stellen können oder definieren muss, an welchen Ecken Sachsens es möglicherweise doch noch eine weitere Polizeidienststelle geben muss. Aber auch das wird erst am Ende dieses Prozesses feststehen können. Und dann
Einen Satz zum Abschluss, der auch damit zusammenhängt: Eine persönliche Erfahrung, die ich im Laufe meiner Dienstjahre bei der Polizei gemacht habe, war, dass nichts so sehr Unruhe hineinbringt und die Kollegen so sehr verunsichert wie permanentes Reformieren, die Reform der Reform usw. Das ist – für mich persönlich – der Hauptgrund, weshalb ich akzeptieren konnte, dass wir jetzt nicht vorschnell Entscheidungen in Bezug auf Standorte und Strukturen treffen, sondern dass wir den Weg der Reihe nach gehen, das Pferd von der richtigen Seite aufzäumen und vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg mitnehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hartmann, ich danke Ihnen erst einmal. Wenn Sie tatsächlich der Auffassung sind, dass sich staatspolitische Verantwortung dadurch auszeichnet, dass man mit der einen Koalition – also mit dieser blau-gelben Truppe da – ein wenig mehr Personalabbau beschließt, um hinterher zu sagen „Na ja, jetzt nehmen wir es wieder zurück.“, dann setzen Sie auf partielle Amnesie der Wählerinnen und Wähler. Das ist auf jeden Fall nicht staatspolitische Verantwortung. Mit anderen Worten: Ich darf Ihre Fähigkeit zur Verantwortung genauso in Zweifel ziehen wie Sie meine.
Zweitens: Sie haben die Zugangskriterien verändert, damit mehr junge Menschen bereit und in der Lage sind, in den Polizeidienst zu gehen. Jetzt sagen Sie mir aber bitte nicht, weil die Sächsinnen und Sachsen biologisch zunehmend kleinwüchsiger werden,
dass Sie die Zugangsgröße nach unten ausgeweitet haben. Das ist ja Unsinn! Das ist doch Unsinn! Es ist doch die pure Not, dass Sie diesen Schritt so gegangen sind – die pure Not, weil nicht genügend Leute in das System gegangen sind. Und da sind wir bei dem Punkt, dass Sie nicht ausreichend zu motivieren in der Lage waren. Das ist der Punkt, und das muss man ehrlich ansprechen. Da hilft auch nichts mit Glaskugeln oder sonst was, dieser ganze Zinnober, den Sie abgeliefert haben. Das hilft kein Stück weiter. Also bitte schön: Bleiben wir bei den Fakten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zur Besoldung: Wenn jemand Arbeit für die Besoldungsgruppe A9 leistet, dann sollte er nicht mit der Besoldungsgruppe A7, sondern auch mit der Besoldungsgruppe A9 bezahlt werden; darum geht es bei Besoldungsfragen. Das hat natürlich etwas mit Motivation zu tun, und das
hat etwas mit sachgerechter Besoldung zu tun. Da können Sie sich hier gegenseitig loben, mit dem Staatsminister lobhudeln, meinetwegen noch mit dem Herrn Unland – nein, der gibt nicht genug Geld.
Seien Sie ehrlich und sagen Sie einfach, wo aus Ihrer Sicht die Fehler liegen, wo der Hase im Pfeffer sitzt – oder wie das auch heißen mag.
Zu den Überstunden: Kollege Hartmann, statistisch gesehen war der Teich 80 Zentimeter tief, und trotzdem ist die Kuh ersoffen. Das Problem ist ganz einfach: Die bedingt Diensttauglichen, die also nicht mehr draußen herumrobben, machen natürlich weniger Überstunden. Schauen Sie sich doch einmal – in der Kleinen Anfrage wurde es auch schön dargestellt – das Verwaltungsamt an: eine Überstunde – im Durchschnitt. Da macht sicherlich der eine keine Überstunden, schon hat der andere – schwupp, statistisch – eine mehr am Hals.
Also: Sind wir, bitte schön, auch da ehrlich. Natürlich sammeln sich die Überstunden überdurchschnittlich bei der einen Gruppe; das wird dann mit Sicherheit die Kolleginnen und Kollegen der Bereitschaftspolizei treffen, aber auch im ländlichen Raum, wenn wir mal einen höheren Krankenstand haben, sodass wir da in einigen Revieren – das ist auch aufgelistet worden, sogar auf Reviere bezogen – eben mehr als bei anderen haben. Also da wünsche ich mir ein wenig mehr Ehrlichkeit und nicht dieses Unsachliche, was Sie, Kollege Hartmann, jetzt ausgeführt haben.
Ein Punkt noch: Kollege Pallas, wenn Sie fragen, wer sonst außer dieser Kommission das prognostisch machen soll, dann sage ich: Wenn man sagt „Na ja, wir ändern nichts in der Politik, es bleibt alles so, wie es ist.“, dann wackeln die – Pegida, Legida, Cegida, Digedags und Abrafaxe – noch die nächsten Jahre, dann wackeln die auch noch zehn Jahre durch die Kante – also wenn das Wetter schön ist. Ich weiß ja nicht, welche Prognose diese Fachkommission machen soll. Soll die zum Wetter prognostizieren, oder wozu soll die prognostizieren?
- Prognostische Entwicklung! Steht drin! Steht in Ihrem Antrag: prognostische Entwicklung! Ich habe doch nur gelesen, was da drinsteht. – Die können aber über politische Veränderungen nichts prognostizieren. Dazu sind die – Entschuldigung – Dienststellenleiter nicht ausgebildet: politische Prognosen abzugeben, das können die nicht.
Kollege Pallas, Einsatzgeschehen ist eine Folge von Demonstrationsgeschehen. Demonstrationsgeschehen ist eine Folge von Unzufriedenheit – oder wie auch immer. Das ist die Ursache für Demonstrationsgeschehen. Das können die Kollegen aber nicht prognostizieren. Deswegen ist das Rotz – entschuldigen Sie diesen Ausdruck –, ist das nicht sachgerecht, was an dieser Stelle da drinsteht. Darauf wollte ich hinweisen. Deshalb kann diese Kommission mit Sicherheit solche Prognosen, die Sie hier machen müssen, weil Sie Politik gestalten müssen, eben nicht anstellen. Darauf wollte ich hinweisen und damit beende ich jetzt auch meinen zweiten Redebeitrag. Lassen Sie uns dann in die Antragsbehandlung gehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Die Notlage der Polizei ist wieder einmal hinlänglich beleuchtet worden. Man fragt sich allerdings, warum die Polizei weiterhin so stark bespart wird,
im Land wie im Bund, der gerade auch in Sachsen an den Außengrenzen unverantwortlich Bundespolizei abbaut. Das geht nicht!
Wenn wir genau hinschauen, stellen wir fest: Eine Reduktion des Blickwinkels auf die Polizei ist schlicht und einfach zu kurz. Denn neben der präventiven Polizeiarbeit gibt es auch die repressiven Polizeiaufgaben, und das ist die Strafverfolgung. Hier arbeitet die Polizei Hand in Hand mit der Justiz. Es ist die Staatsanwaltschaft, die Herrin des Ermittlungsverfahrens ist, und diese betreibt sie mithilfe der Polizei. Auch unsere Staatsanwaltschaften sind ebenso wie unsere Polizei personell unterbesetzt und überlastet, aber auch unterbezahlt.
Hinzu kommt die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld. In der Privatindustrie ist das ein ganz allgemein übliches Mittel zur Gewinnung von Spitzenkräften. Ganz aktuell heute Morgen: VW bezahlt an seine 115 000 Mitarbeiter jeweils 5 900 Euro Prämie für das abgelaufene Geschäftsjahr. Unsere Spitzenkräfte bekommen kein Weihnachtsgeld.
Hier hört die staatliche Mangelverwaltung noch lange nicht auf; denn wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Ende betrieben hat – wenn sie es abschließt und nicht einstellt –, dann klagt sie an zu den Strafgerichten. Auch der dortigen Richterschaft geht es keinesfalls besser. Auch hier herrscht personelle Mangelwirtschaft mit der Folge zunehmender Verfahrensrückstände.
Auch hier endet die Politik nach Kassenlage keineswegs. Sie beschäftigt ja mittlerweile sogar das Bundesverfassungsgericht. Der Präsident, Herr Voßkuhle, hat bereits Zweifel erkennen lassen. Er sagte: „Die verbreitete
Annahme, dass Deutschland besonders viel Geld für die Justiz bereitstelle, erweist sich als Irrtum.“ Damit wendet sich der Blick weiter von den Straf- zu den Zivil- und Fachgerichten, die ebenfalls hoffnungslos überlastet und personell unterbesetzt sind.
Ein attraktiver Wirtschaftsstandort, wie Sachsen es sein möchte, erfordert das Vertrauen der Wirtschaft, gegebenenfalls schnell und effizient Rechtsschutz zu erhalten. Auch die anderen Fachgerichte, etwa die Verwaltungsgerichte, die im Streitfall über Baugenehmigungen oder Betriebserlaubnisse entscheiden, oder Finanzgerichte, die über steuerrechtliche Belange befinden, müssen ausreichend besetzt und adäquat besoldet werden, um Spitzenqualität zu sichern und das Vertrauen in einen starken Wirtschaftsstandort Sachsen zu stärken, wo auch gern investiert wird. Hier – das ist kein Ruhmesblatt für Sachsen – wird erneut der beschämende Wettlauf der Armut zwischen den Bundesländern sichtbar. Das gilt für die Justiz wie für die Polizei.
Anders als früher, als wir bei den Abschlüssen bundesweit Tarifeinheit hatten, wird jetzt Politik nach Kassenlage gemacht, und das ist eine unverantwortliche Politik zulasten der Recht und Sicherheit fordernden Bürger und Wähler.
Meine Damen und Herren der Staatsregierung, Sie sind in der Verantwortung. Handeln Sie nicht mit Prioritätenanträgen. Mit dem vorliegenden produzieren Sie für mich nur Schall und Rauch.