Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Minister, damit haben Sie jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es ist richtig, gerade in den letzten Wochen – man muss schon sagen: Monaten – hatten unsere Polizisten im Lande ein sehr hohes Einsatzpensum zu bewältigen; die Demonstrationslagen, die Fußballspiele und verschiedenes anderes ist angesprochen worden. Für manche sind solche Einzelsituationen derzeit eher die Regel als die Ausnahme.

Deshalb will ich meinen Redebeitrag aus der Sicht der Staatsregierung mit dem Dank an die Kolleginnen und Kollegen beginnen. Es ist wirklich bemerkenswert, dass Sie in dieser Situation klar zur Stange halten und bereit sind, diesen Auftrag zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Klar ist aber auch: Mit Dank allein ist die Leistungsfähigkeit in der sächsischen Polizei nicht zu bewältigen.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Deshalb, Herr Stange, kommt der vorliegende Antrag durchaus zur richtigen Zeit, weil er ein klares und deutli

ches Zeichen der Positionierung und der Wertschätzung der Polizei zum Ausdruck bringt.

Die Herausforderungen, die vor der Polizei liegen, kennen wir schon geraume Zeit; das Polizeikonzept 2020 ist bereits angesprochen worden. Herr Wippel, ich möchte Ihnen sagen: Es hat auch damals eine Aufgabenkritik gegeben, die diesem Konzept zugrunde gelegt worden ist. Es hat eine strategische Neuausrichtung gegeben, die auf zwei Säulen beruht: Einerseits ist es die Straffung der Organisation und der entsprechenden Aufgaben; andererseits ging es um eine stetige Modernisierung, also Investition in Technik, Streifenwagen, Ausstattung der einzelnen Dienstgruppen. Was in diesen Komplex hineingehört, ist die Sanierung und die Modernisierung der Gebäude, speziell der Dienststellen.

Klar ist außerdem, dass es, wenn man sich auf solch ein langfristiges Projekt einlässt, im Laufe der Zeit Überprüfungsbedarf und an der einen oder anderen Stelle auch Kritik gibt.

Deshalb bin ich froh, dass im Koalitionsvertrag zu vielen Themen, die angesprochen worden sind, klare Antworten gefunden wurden, die sich zum Teil im heutigen Antrag widerspiegeln:

Die Zahl der Neueinstellungen der zur Ausbildung vorgesehenen Personen wurde von 300 auf 400 erhöht. Natürlich ist es dafür notwendig, wenn wir, beginnend von 100, jetzt über 300 zu 400 Menschen kommen, die als Polizisten ausgebildet werden, die Polizeiausbildungskapazität zu erhöhen. Daran arbeiten wir. Herr Stange, Sie können sicher sein, dass wir das bewältigen und dass im September die Ausbildungskapazität zur Verfügung stehen wird und wir die neuen Kollegen ausbilden können.

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE: Das Jahr haben Sie nicht dazugesagt!)

Ich bin auch froh, dass wir in den nächsten beiden Jahren 100 Spezialisten einstellen können. Ich bin nicht so pessimistisch, wie es hier angesprochen worden ist, dass wir diese Spezialisten nicht in der vorhandenen Struktur finden. Sie erinnern sich zum Beispiel an die beiden jungen Absolventen, die wir von der TU hatten und die durchaus in unsere Besoldungsstruktur hineingepasst haben. Einer von ihnen hat diesen Audio-Fingerprint erfunden, der bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Jemand also, der eine gute Ausbildung an der TU hatte, ist zu uns gekommen und hat sich aus verschiedenen Gründen nicht für die freie Wirtschaft entschieden.

Außerdem ist die Rücknahme des 2010 beschlossenen Stellenabbaus geplant.

Wichtig ist auch die technische Ausstattung. Es geht um eine aufgabengerechte Ausrüstung, interaktive Funkstreifenwagen, moderne Beweis- und IT-Technik. Auch im Haushaltsplanentwurf ist dazu ein vernünftiger Planungsansatz enthalten, mit dem wir in der Lage sind, die in den nächsten beiden Jahren anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

Darüber hinaus ist die Einsetzung einer Fachkommission, die antragsgegenständlich ist, vereinbart worden. Das ist gut und richtig und deshalb sind die inhaltlichen Schwerpunkte, die dort zu besprechen sind, natürlich die Aufgabenkritik, Aufbauorganisation, Leistungsfähigkeit des Personalkörpers, Bestimmung des Personalbedarfs und die notwendige Sachausstattung. Die Fachkommission wird unter Vorsitz des LPP und unter internem und gleichzeitig auch externem Sachverstand fungieren. Damit werden wir in der Lage sein, bis zum Entwurf des Haushaltsplanes 2017/2018 die Ergebnisse zu haben und diese in den Haushaltsplan einfließen zu lassen.

Weil mehrere darüber gesprochen haben, was bisher schon passiert ist und wie die Verzahnung zu dieser Expertenkommission funktionieren soll: Ich sehe das als einen in sich stimmigen Prozess, und natürlich gibt es jetzt schon Vorbereitungsarbeiten innerhalb der sächsischen Polizei, die in dieser Expertenkommission die Grundlage bieten sollen. Sie werden auf dieser Grundlage weiterarbeiten; darin sehe ich überhaupt keinen Systembruch oder Ähnliches. Auch weil Sie das Schreiben vom LPP zitiert haben, das es einmal gegeben hat: Die Basisarbeit ist geleistet und darauf kann die Expertenkommission gut aufsetzen und trotzdem noch genügend variieren.

Es geht außerdem um die nachhaltige Leistungsfähigkeit. Die Nachwuchskampagne ist ebenfalls angesprochen worden. Erst hatten wir die Diskussion, ob wir es denn schaffen werden, den Einstellungskorridor zu erhöhen – mittlerweile ist der Einstellungskorridor erhöht worden. Dann gab es die Diskussion, ob wir es denn schaffen werden, die notwendigen Leute dafür zu finden. Herr Stange, hier will ich auf Ihr Argument auch noch einmal die Fakten bringen: Wir haben mit Sicherheit auch durch die Nachwuchskampagne folgende Zahlen: Im Jahr 2013 hatten wir 4 500 Bewerber und im Jahr 2014 – also die Bewerber für das Jahr 2015 – sind es 8 700. Ich kann Ihnen sagen: Mit Sicherheit ist der Anstieg dieser Bewerbungszahlen nicht darauf zurückzuführen, dass wir für die Frauen die Körpergröße auf 1,60 Meter reduziert haben, sondern darauf, dass der Beruf des Polizisten für viele Menschen im Lande nach wie vor attraktiv ist.

Wenn ich mir die Bewerbungssituation anschaue, dann freut mich besonders, dass es mit dieser Kampagne gelungen ist, wieder mehr Bewerbungen aus dem ländlichen Raum zu bekommen. Es ist uns wichtig, dass sich aus dem ganzen Land junge Menschen bewerben, die sich für den Polizeiberuf interessieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Selbstverständlich.

Herr Stange, bitte.

Vielen Dank, Herr Staatsminister! Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Nachfra

ge. Vielleicht darf ich gleich zwei daraus machen. – Nein, ich formuliere es in einer.

Sind Sie – wie ich – der Auffassung, dass, statistisch gesehen, die Menschen in Deutschland über die Jahre hinweg körperlich größer werden?

(Christian Piwarz, CDU: Dafür sind Sie das lebende Beispiel!)

Das ist aber nicht nur körperliche Größe, Herr Kollege Piwarz.

Wenn ja, sind Sie mit mir auch der Auffassung, dass die Absenkung der Mindestkörpergröße auf 160 Zentimeter zumindest diesem statistischen Trend entgegenläuft?

Herr Stange, mir geht es weniger um Ihre Erkenntnisse zu der Entwicklung der statistischen Größe der Menschen in Deutschland und damit auch in Sachsen. Ich habe doch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Bewerbungsintensität nicht allein auf die Veränderung der Mindesteinstellungsgröße zurückzuführen ist. Denn trotz alledem halten wir in Sachsen die Anforderungen an den Polizeiberuf hoch. Das bedeutet, es geht um körperliche und geistige Fitness.

(Christian Piwarz, CDU: Jetzt wird es schwierig, Herr Stange!)

Vor diesem Hintergrund bin ich hocherfreut, dass sich die Bewerbungslage im Land insgesamt verbessert hat. Wenn Sie die Reduzierung der Mindestkörpergröße als Problem ansehen – ich sehe sie nicht als Problem an. Ich wiederhole: Wir haben die Mindestkörpergröße reduziert, aber keine qualitativen Reduzierungen vorgenommen. Auch in Zukunft müssen diejenigen, die sich für den Polizeiberuf bewerben, verschiedene Tests durchlaufen. Ich bin mir sicher, dass es eine ausreichende Anzahl junger Menschen gibt, die für den Polizeiberuf körperlich und geistig gut geeignet sind.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lippmann?

Na klar, gern.

Bitte.

Herr Staatsminister, das führt mich zu der Frage, ob Sie davon ausgehen, dass auch mittelfristig der Einstellungsbedarf der sächsischen Polizei aus den Bewerbungen deckbar ist. Wenn Sie jetzt eine so große Anzahl an Bewerbungen haben, ist damit zu rechnen, dass das in erster Linie Einmaleffekte sind, die in den nächsten Jahren wohl nicht mehr eintreten werden. Von dem Unterschied zwischen der Zahl derjenigen, die sich beworben haben, und der Zahl derjenigen, die wirklich diensttauglich sind, kann auch die Bundeswehr ein Lied singen.

Bitte nur eine Frage stellen!

Wie schätzen Sie das ein? Werden wir auch über einen längeren Zeitraum hinweg noch die Möglichkeit haben, genügend hohe Einstellungszahlen sicherzustellen?

Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich vom Ergebnis der Nachwuchsgewinnungskampagne beeindruckt bin. Das positive Ergebnis bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass es sich weiterhin lohnt, für den Polizeiberuf zu werben. Nach allem, was ich aus den Kommissionen, die mit den Bewerbungen und damit mit den Bewerbern umgehen, gehört habe, bekommen wir eine ausreichende Anzahl junger Leute. Das bestärkt mich darin, auf Ihre Frage mit Ja zu antworten. Ich bin davon überzeugt, dass es auch in Zukunft gelingen wird, ausreichend junge Leute, die für den Polizeiberuf geeignet sind, zu finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte schließen mit einigen Anmerkungen zu dem Thema „Anerkennung der Arbeit und Ansehen der Polizei“; auch das ist angesprochen worden. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, noch einmal auf die Beförderungen und Stellenhebungen hinzuweisen. Diese Motivationsmöglichkeiten sind in der bisherigen Diskussion aus meiner Sicht ein bisschen zu kurz gekommen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass im Doppelhaushalt 2013/2014 1 600 Beförderungsstellen zusätzlich nur für die Polizei geschaffen worden waren, was in den letzten beiden Jahren zu folgendem Effekt führte: 2013 konnten wir immerhin 1 288 und 2014 1 225 Beförderungen generieren. Damit ist ein großer Beitrag dazu geleistet worden, dass wir mit der Auflösung des Beförderungsstaus, zu dem es in der Polizei gekommen war, beginnen konnten. In den nächsten beiden Jahren gibt es noch einmal Beförderungsmöglichkeiten. Es sind eben nicht nur die 400 Neueinstellungen, die vorgesehen sind. Beförderungen sind Ausdruck von Lob und Dank; sie motivieren zu weiteren Leistungen.

Ein Satz noch zu dem Krankenstand, weil auch dieses Thema immer wieder eine Rolle spielt. Ich bitte in der Diskussion Folgendes zu beachten: Der Polizeiberuf ist ein gefahrgeneigter Beruf. Vor diesem Hintergrund ist der Krankenstand höher als bei Menschen, die im Büro sitzen. Aber in der Polizei wird der Krankenstand nicht – wie in sonstigen Berufsbereichen – bezogen auf 200 oder 220 Tage berechnet, sondern bezogen auf 365 Tage im Jahr und sieben Tage pro Woche. Damit stellt sich die Sachlage anders dar, als wir es in einigen Medien lesen konnten. Wenn man dieses Hintergrundwissen nicht hat, ist ein Missverständnis vorprogrammiert.

Ich danke nochmals für den Antrag. Damit wird ein deutliches Zeichen in Richtung der sächsischen Polizei ausgesandt. Vor diesem Hintergrund empfehle ich als Vertreter der Staatsregierung, diesem Antrag zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir kommen jetzt zum Schlusswort; Herr Hartmann, bitte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben zu diesem Thema eine umfängliche Diskussion miteinander geführt. Dem Herrn Staatsminister bin ich für seine erklärenden Ausführungen dankbar.

Insbesondere möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Verkürzung der Diskussion auf die Mindesteinstellungsgröße der Bedeutung des Themas nicht gerecht wird. Schon in der Vergangenheit gab es die Diskussion darüber, ob die Körpergröße allein ein Argument für die Dienstfähigkeit in der sächsischen Polizei sein kann. Vielleicht haben wir in den vergangenen Jahren den einen oder anderen qualifizierten Bewerber, der 1,63 Meter groß war, verloren, obwohl er einen wichtigen Beitrag zur Polizeiarbeit hätte leisten können.

Ich glaube, die Einstellungskriterien müssen sich an der gesamten Leistungsfähigkeit und der Qualifizierung orientieren, nicht ausschließlich an der Körpergröße. Das ist auch deshalb notwendig, weil sich das Anforderungsprofil der sächsischen Polizei und die Herausforderungen, vor denen sie steht, in den letzten Jahren erheblich verändert haben.

Ich möchte noch einmal darauf eingehen, was der Kern unseres Antrags ist. Unser Ziel ist es, eine aufgabenkritische Bewertung der Polizei vorzunehmen und dabei alle Aspekte der sächsischen Sicherheitsarchitektur zu betrachten. Dabei folgen wir einem ganzheitlichen Ansatz, das heißt, die Aufgaben der Schutzpolizei und der sonstigen Polizeibehörden sind zu berücksichtigen und die überregionale Zusammenarbeit ist zu stärken. Angesichts der Aufgaben, vor denen die Polizei steht, müssen Prioritäten definiert werden. Es bedarf der Untersetzung mit einer ausreichenden Personalausstattung und der Schaffung einer an der Aufgabenwahrnehmung orientierten Organisationsstruktur. Nicht mehr und nicht weniger möchten wir mit unserem Antrag erreichen.