Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anders als mit so manch anderem Thema hier im Haus, zum Beispiel die Bildungspolitik, das Thema Kita, das Thema Polizei, wie in der Vergangenheit das Thema Asyl, befassen wir uns recht selten mit den älteren Menschen in unserer Gesellschaft hier im Hohen Haus. Das heißt, wir führen Debatten darüber, wie es den Menschen ab 55 plus x in unserem Land geht, wie hochbetagte Menschen in unserer Gesellschaft untergebracht sind, wie hochbetagte Menschen ihren Lebensabend verbringen. Darüber reden wir relativ selten und tun es vielleicht deshalb, weil wir davon ausgehen, dass dort alles klargeht und in Ordnung ist und weil diese doch immer größer werdende Anzahl von Menschen in unserem Land nur bedingt eine Lobby hat bzw. nur bedingt in der Lage ist, sich lautstark zu artikulieren und die Dinge, die vielleicht doch nicht so toll laufen, auch nach außen zu formulieren.
Deswegen bin ich sehr froh, dass wir uns heute auf unseren Antrag hin mit dem Thema „Medizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen“ beschäftigen. Dazu kommt noch der Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich weiß nicht, wer von Ihnen selbst Angehörige in stationären Pflegeeinrichtungen hat, um dadurch selbst ein Bild zu bekommen, wie das in der jeweiligen Pflegeeinrichtung organisiert ist.
Fakt ist, dass – von meiner Warte aus und weshalb wir dieses Thema in den Koalitionsvertrag explizit aufgenommen haben, wir zwischen CDU und SPD gesagt haben – es dort für uns Handlungsbedarf gibt. Momentan funktioniert die ärztliche Versorgung vor allem in stationären Pflegeeinrichtungen leider nur aufgrund von Freiwilligkeit. Das ist ein Punkt, den es aus meiner Sicht zu ändern gilt. Natürlich soll man jetzt nicht sagen, dass neue Vorschriften das Heil über das Land bringen. Das ist nicht der Punkt. Aber wir müssen einiges dafür tun, dass die stationären Pflegeeinrichtungen von diesem freiwilligen Recht stärker und mehr Gebrauch machen als bisher.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind Bewohner in einem Pflegeheim. Vielleicht sind Sie in einer Wohngruppe, in der viele demenzkranke Menschen untergebracht sind. Sie sitzen tagtäglich am Tisch mit der 90-jährigen Erna, mit dem 75-jährigen Joseph oder mit der 80-jährigen Hildegard, und ihnen geht es gesundheitlich einfach gar nicht gut. Das kommt sicher bei älteren Menschen öfter vor. Leider haben wir zunehmend die Beobachtung gemacht, dass, bevor geholfen wird, bevor regelmäßig Hilfe vor Ort eintrifft, oftmals erst der Weg ins Krankenhaus sein muss, häufig über die Notfallversorgung die ältere Person im Krankenhaus ankommt. Wir müssen uns auch nichts vormachen, denn es ist erwiesen, dass ein Krankenhausaufenthalt gerade für ältere Menschen, die dann wiederum aus ihrem Umfeld herausgerissen sind, eher kontraproduktiv als nützlich ist, wenn sie dann in die Einrichtung zurückkehren.
Genau das ist für uns der Anlass zu sagen, dass wir mehr darauf achten müssen, dass sich bei der medizinischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen etwas tut. Momentan haben wir die Situation, dass wir beispielsweise im Bereich der zahnärztlichen Versorgung in ganz Sachsen ungefähr 113 Kooperationsverträge mit vollstationären Einrichtungen haben. Ich behaupte, das ist zu wenig, und hier muss mehr getan werden.
Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass die Freiwilligkeit des Arztbesuches in den vollstationären Pflegeeinrichtungen dergestalt organisiert ist, dass es einen Tag in der Woche gibt, an dem beispielsweise eine Hausärztin, die ihre Praxis in der Nähe hat, für zwei Stunden entweder nach ihren eigenen Sprechzeiten oder während der Mittagszeit in der Pflegeeinrichtung vorbeischaut. Ihr werden dann Patienten zugewiesen, bei denen man erkannt hat, dass diese Patienten in irgendeiner Weise krank sind und einer Begutachtung bedürfen. Wenn es die Zeit zulässt, werden sie auch begutachtet, und wenn es die Zeit zulässt, dauert die Untersuchung vielleicht auch einmal etwas länger. Aber – und das ist nicht befriedigend – das hängt meist vom Gusto und von der Erkenntnis derer ab, die als Pflegepersonal tagtäglich in den Heimen arbeiten und sich in der Regel sehr gut und mit viel Zuneigung um die Bewohner kümmern.
Aber wir möchten gern, dass wir an dieser Stelle mehr tun. So wollen wir uns – wie in unserem Antrag geschrieben – dem Beispiel NRW anschließen. Wir sagen, wir wollen gemeinsam mit der kassenärztlichen Vereinigung Modellprojekte initiieren. Wir wollen es – anders als beispielsweise die LINKEN – nach § 90 a SGB V erst einmal in das gemeinsame Landesgremium bringen,
diskutieren und über dieses Gremium auch implementieren. Denn es nützt nichts, wenn wir als Politiker von oben herab sagen, ihr müsst jetzt einmal mehr tun, und uns nicht dafür interessieren, wie die Bedingungen vor Ort sind.
Damit wir wissen, wie die Bedingungen vor Ort sind, möchten wir – das können Sie im ersten Punkt unseres Antrags lesen – zunächst die Staatsregierung berichten lassen, um daraus entsprechende Konsequenzen abzuleiten.
Es war für mich sehr beeindruckend, als wir mit unserem Sozialarbeitskreis im letzten Jahr in Österreich waren und uns dieses Thema einmal dort angeschaut haben. Dort gibt es Pflegeheime, die angestellte Ärzte haben. Das heißt, die Pflegeeinrichtungen können jeden Tag eine ärztliche Rundumversorgung für ihre Bewohner garantieren. Die Ärzte arbeiten in einem Schichtsystem. So weit will man hier vielleicht nicht gehen, zumal im Zweifel dem Ganzen auch rechtliche Hürden im Weg stehen.
Was aus meiner Sicht aber zu einfach ist und womit ich mich persönlich nicht zufriedengebe, ist die Tatsache, dass man schnell mit dem Argument abgetan wird: Wir können den Heimen nicht vorschreiben, welchen Arzt sie zu wählen haben, weil diese wiederum ihren Patienten nicht vorschreiben können, welcher Arzt für den Patienten da zu sein hat. Das ist das Thema freie Arztwahl. Das ist alles richtig. Ich glaube auch nicht, dass jemand von uns an die große Freiheit, den Arzt selbst wählen zu können, heran will. Aber jetzt muss man einmal ehrlich sein. Ich mache das an meiner eigenen Oma fest. Eine Oma mit fast 90 Jahren, die die Namen ihrer Enkel kaum noch kennt, die gerade ihre eigene Tochter, sprich: meine Mutter, erkennt, weiß mit Sicherheit nicht mehr, wer vor zehn oder fünfzehn Jahren einmal ihr Arzt war.
Dass man sich hinter die Maßgabe zurückzieht, die Patienten sollen ihre Ärzte selbst wählen, deshalb können solche Verträge mit Ärzten in der Umgebung nicht organisiert werden, ist nicht befriedigend. Jeder, der einen anderen Arzt wählen möchte, soll dies auch weiterhin tun können. Aber es ist unsere Pflicht, es ist die Pflicht dieser Gesellschaft, dass Menschen, die ihren Lebensalltag in stationären Pflegeeinrichtungen verbringen, ebenso eine ärztliche Versorgung garantiert wird und der Mensch nicht im schlimmsten Fall an der dritten Lungenentzündung binnen eines Jahres sterben muss, nur weil diese Lungenentzündung zu spät erkannt wurde.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich bitte Sie, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen, weil er an dieser Stelle bei diesem Thema ein Stück zu weit geht. Wir wollen versuchen, gemeinsam mit den Institutionen und Gremien, die es bereits gibt, hier ein Stück voranzukommen. Das ist ein Prozess. Das braucht etwas Zeit. Unser Antrag soll die Initialzündung dafür sein, dass wir die ärztliche Versorgung in den Pflegeeinrichtungen in unserem Freistaat mit mehr Nachdruck und mehr Verbindlichkeit verbessern.
Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion, Frau Abg. Neukirch. Bitte sehr, Frau Neukirch, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden vorliegenden, relativ ähnlichen Anträge zeigen, dass wir mit der Debatte ein wichtiges Thema im Pflegebereich aufgreifen, ein Thema mit vielen Facetten. Es ist wichtig – nicht nur, aber zuallererst – für die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen in den stationären Einrichtungen. Das ist immerhin ein Drittel aller pflegebedürftigen Menschen in Sachsen.
Es ist aber auch ein wichtiger stabilisierender Faktor für Angehörige, die sich nicht selten um die medizinische Versorgung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen in den Einrichtungen große Gedanken machen. Darauf ist mein Vorredner, Herr Schreiber, bereits eingegangen. Es ist aber auch ein wichtiger Baustein für die Pflegeeinrichtung selbst, weil Organisation, Koordination, Begleitung von und zu Arztterminen eine große personelle Herausforderung für die Einrichtung darstellt. Die personelle Ausstattung ist in den Einrichtungen bekanntermaßen nicht üppig gestaltet.
In den bundesweit bekannten Modellprojekten hat sich zudem gezeigt, dass Heimärzte oder Modelle über bessere Abstimmung und Kooperation mit sogenannten Besuchsärzten nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Zum Teil werden Krankenhausaufenthalte um mehr als die Hälfte reduziert. Es werden Kosten für Krankentransporte und Arzneimittel gesenkt. Das ist eine logische Entwicklung, weil Hausärzte in der freien Arztwahl der pflegebedürftigen Menschen, wenn sie denn zu Besuch kommen, für spontane akute Hausbesuche oft nicht so viel Zeit haben oder für Besuche in den Einrichtungen manchmal gar nicht zur Verfügung stehen. Dann übernimmt ein Bereitschaftsarzt diese notwendige Versorgung. Der wiederum kennt den Patienten nicht so gut.
Deshalb kommt es häufig zu Fehlversorgungen. Es gibt Schätzungen, dass 60 % der Inkontinenzversorgung mit Windeln oder Kathetern falsch oder fehlgesteuert ist. Die Ergebnisse der Modellprojekte zeigen, dass es hilfreich ist, feste ärztliche Ansprechpartner für die Einrichtung zu haben, um solche Fehlversorgungen zu vermeiden.
Zum Thema Schmerzmanagement: In diesem Bereich haben die Ärzte die Verantwortung für die Therapie und die Pflegekräfte für die Schmerzerfassung. Es ist logisch, dass bei dieser Schnittstellenaufgabe eine Verbesserung zu erwarten ist, wenn es feste Ansprechpartner sowohl im pflegerischen als auch im ärztlichen Bereich gibt.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen dient in erster Linie dazu, eine Übersicht nicht nur über das Ausmaß, sondern auch über die Qualität der bestehenden Kooperationsverträge in Sachsen zu erhalten. Wir wollen aber auch alle Möglichkeiten nutzen, um neue Kooperationen zu initiie
ren und über die Möglichkeiten der Kooperation, die der Bundesgesetzgeber noch einmal nachdrücklich gestaltet hat, zu informieren. Herr Schreiber hat bereits gesagt, dass es in Sachsen einige Verträge gibt. Auch ich sehe hier einen großen Nachholbedarf.
Um ein solches Vorhaben umzusetzen, reicht nicht nur der Gesetzestext SGB V, sondern es bedarf einer positiven Bewertung und einer praktischen Unterstützung der beteiligten Akteure. Wir halten es mit unserem Antrag für sehr sinnvoll, dass sich die Staatsregierung hierbei nicht nur als Impulsgeberin, sondern auch ein wenig als Koordinatorin und als Antriebskraft in der Umsetzung einschaltet, weil es sein kann, dass sich in der Umsetzung solcher Modellprojekte oder Kooperationen Barrieren und Schwierigkeiten ergeben, die politische Nachbereitung nach sich ziehen können.
Das organisatorische Problem habe ich schon angesprochen. Die Koordinierung, die Abstimmung von unterschiedlichen Ärzten, nicht nur Hausärzten, sondern auch die fachärztliche Betreuung in den Einrichtungen, verlangt von den stationären Pflegeeinrichtungen ein großes Maß an Leistungsfähigkeit. Hier ist es notwendig, wirklich zu einer Systematisierung der Kooperation zu kommen, zu einer Abstimmung mit den Ärzten, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Frequenz sie kommen und welche Ansprechpartner aus dem Heim dann auch zur Verfügung stehen müssen. Das heißt, die Komplexität der Koordination wächst mit der Zahl der Ärzte, die die Heimbewohner behandeln.
Geklärt werden muss auch am Rande – das ist auch ein wichtiger Punkt –, wer dann welche Dokumentationspflichten übernimmt und die damit einhergehenden Haftungsfragen zu bewältigen hat. Das ist ein Grund, bei dem wir sehen, dass die Staatsregierung das eng begleiten muss, weil es auch Konsequenzen für die landesgesetzlichen Vorschriften, beispielsweise das Heimgesetz, haben kann. Dazu ist sicherlich nicht nur ein Modellprojekt erforderlich, wie es im Antrag steht. Wir würden gern die Staatsregierung beauftragen, solche neuen Versorgungsmodelle gemeinsam mit dem Landesgremium nach § 90 a SGB V ins Leben zu rufen. In diesem Landesgremium arbeiten Kassenvertreter, KV-Vertreter, Landesärztekammervertreter und die Krankenhausgesellschaft jetzt schon an der Optimierung der medizinischen Versorgung in Schnittstellenbereichen.
Ich möchte hier eine kleine Erweiterung mit auf den Weg geben. Es ist natürlich wichtig für den Bereich Medizinische Versorgung/Pflegeeinrichtungen, auch die Träger, die Vertreter aus der Altenpflege mit an den Tisch zu holen. Deshalb empfehle ich, in der Umsetzung über das Landesgremium vom Punkt 5 der Verwaltungsvorschrift Gebrauch zu machen, wonach man auch Dritte bei der Umsetzung dieser Schnittstellenproblematiken hinzuzieht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum CDU/SPD-Antrag werde ich in der zweiten Runde etwas sagen. Ich würde jetzt gern unseren Antrag einbringen.
Zur medizinischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen liegen heute diese zwei wichtigen gesundheitspolitischen Anträge zur Diskussion und Beschlussfassung vor. Es ist unabdingbar, dass wir zügig eine Reihe von Maßnahmen vereinbaren und umsetzen, um die Lebensbedingungen der Heimbewohner und der Beschäftigten in den Heimen zu verbessern.
Blicken wir zunächst kurz auf die Ausgangssituation. Das Bild des durchschnittlichen Pflegeheimbewohners hat sich in den letzten Jahren gravierend gewandelt. Die Bewohner sind deutlich älter. Das Eintrittsalter liegt bei über 80 Jahren. Sie sind kränker und wesentlich pflegebedürftiger. Heute ist das Pflegeheim in der Regel die letzte Anlaufstelle, wenn Familien ihre Angehörigen nicht mehr selbst pflegen können und auch ambulante Dienste an ihre Grenzen stoßen. Deshalb kommen häufig Patienten mit mehreren Erkrankungen ins Heim. Entsprechend haben sich die Bedürfnisse der Bewohner und die pflegerischen, medizinischen und sozialen Ansprüche gewandelt. Pflegekräfte, Ärzte und Angehörige stehen vor neuen Herausforderungen.
Auf der Homepage des Bundesministers für Gesundheit, Gröhe, können wir folgende schöne Behauptung finden: „Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Pflegeheimen unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der für andere Versicherte, die zum Beispiel zu Hause wohnen. Die kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben die medizinische Versorgung auch in Pflegeheimen sicherzustellen. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen haben eine freie Arztwahl.“ Doch wie Herr Schreiber vorhin schon ausgeführt hat, sieht die Praxis anders aus.
Die Versorgungssituation ist regional sehr unterschiedlich. In ländlichen Gebieten Ostdeutschlands stellen wir fest, dass Pflegeheimbewohner unter der abnehmenden Zahl von Arztpraxen ganz besonders leiden. Aber auch in Großstädten mit einer hohen Arztdichte ist zu beobachten, dass insbesondere Fachärzte nicht mehr ins Heim kommen und keine Zusammenarbeit mehr pflegen. Die Mehrzahl der stationär pflegebedürftigen Menschen ist aber darauf angewiesen, dass die Ärzte zu ihnen ins Heim kommen.
Die Studie zur ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen zeigt, dass Allgemeinmediziner und Internisten regelmäßig und häufig in Pflegeheimen tätig sind, während die Bewohner bei großen Unterschieden von Einrichtung zu Einrichtung selten Kontakt zu Fachärzten haben. Auffällig
sind die Kontaktraten von Gynäkologen, Urologen, Augen- und HNO-Ärzten sowie Orthopäden. Bei der Versorgung durch Zahnärzte, Neurologen und Psychiater sind große Unterschiede in der Häufigkeit der Arztkontakte zu verzeichnen. Die Autoren der Studie vergleichen die erhobenen Zahlen vor dem Hintergrund der Krankheitshäufigkeiten mit den durchschnittlichen Facharztkontakten der gesamten Bevölkerung und schließen daraus auf eine deutliche Versorgungslücke. Die Heimbewohner sind häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt von Krankheiten betroffen, die typischerweise von Fachärzten behandelt werden. Als Beispiel kann man Depression oder Parkinson nennen. Sie haben aber viel seltener Kontakt mit den entsprechenden Fachärzten. Eine besondere Versorgungslücke sehen die Autoren in der Behandlung von Demenz und Inkontinenz, zum Beispiel mit Arzneimitteln.
Der Ruf nach einer stärkeren Einbindung der Fachärzte erschallt aber auch vor dem Hintergrund der Kritik an ihren Kompetenzen bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Schon der vierte Altenbericht der Bundesregierung – er stammt wohlgemerkt aus dem Jahr 2002 – fasste eine Diskussion zusammen, nach der hochaltrige Menschen, die ausschließlich vom Hausarzt versorgt werden, im Durchschnitt zu spät eine angemessene Diagnostik erhalten und bei der Zuteilung von Therapien gegenüber jüngeren Patienten benachteiligt werden.
Ja, alte Menschen, die in Pflegeheimen leben, brauchen eine gute ärztliche Versorgung. Es ist an der Zeit, die Versorgungssituation zu analysieren, die Defizite zu beschreiben und Verbesserungsmöglichkeiten, vor allem in der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten, aber auch mit den Krankenhäusern zu erarbeiten. Darüber wird zum Beispiel im CDU-Antrag überhaupt nicht gesprochen.
Um die medizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen zu verbessern, haben die Selbstverwaltungspartner Spitzenverband, Bund der Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung den Auftrag aus dem Pflegeneuausrichtungsgesetz vom Oktober 2012 umgesetzt. Sie haben die Anforderungen an eine kooperative und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung von Pflegebedürftigen im Benehmen mit der Vereinigung der Träger sowie den Verbänden der Pflegeberufe jeweils auf der Bundesebene bereits vereinbart. Doch in Sachsen ist mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz aus dem Jahr 2012 leider nicht allzu viel passiert. Es gibt keinen einzigen vom Bundesgesetzgeber geforderten Kooperationsvertrag eines Heimes oder eines größeren Heimträgers mit Fach- oder Hausärzten, nur ein paar mit Zahnärzten.
Um die ärztliche Versorgung der Pflegeheimbewohner nachhaltig zu verbessern, sind zahlreiche politische Entscheidungen notwendig. Dazu haben wir einige Vorschläge.
Erstens. Die ärztliche, insbesondere die fachärztliche Versorgung der Pflegeheimbewohner muss sichergestellt werden. Derzeit wird nicht geprüft, ob die ärztliche Versorgung in Heimen ausreichend sichergestellt ist. Wir als Gesetzgeber sollten die Prüfungskompetenzen des MDK bei den Qualitätsprüfungen im Pflegeheim auf Sicherstellung der ärztlichen bzw. fachärztlichen Versorgung erweitern. Sofern in der fachärztlichen Versorgung Mängel festgestellt werden, werden diese nicht in den Prüfbericht des MDK nach § 118 SGB XI aufgenommen, sondern vom MDK über die Pflege- bzw. Krankenkasse an die KV mit dem Ziel, umgehend Abhilfe zu gewährleisten, weitergeleitet.
Zweitens. Der ärztliche Hausbesuch bei pflegebedürftigen Menschen muss budgetunabhängig honoriert werden, damit Menschen, die selbst nur schwer zum Arzt kommen, vom Haus- oder Facharzt aufgesucht werden können. Ärzte erhalten für Hausbesuche nur eine deutlich niedrigere Vergütung, wenn ihr Praxisbudget bereits ausgeschöpft ist. Sofern pflegebedürftige Menschen Arztpraxen nicht allein aufsuchen können, sind sie im Zugang zu ärztlichen Leistungen systematisch benachteiligt.
Wir fordern deshalb folgende Änderungen: Hausbesuche bei pflegebedürftigen Menschen im Sinne des SGB XI ab Pflegestufe 1 werden unabhängig vom Praxisbudget gemäß dem EBM 2000plus vergütet. Das wäre zum Beispiel ein Ansatz, bevor ich vielleicht über die Freiwilligkeit spreche; denn dann könnten wir diese auch bei den Haus- bzw. Fachärzten wiederherstellen, Herr Schreiber, wenn wir die Möglichkeiten für die Ärzte in der Abrechnung erweitern und die Zusammenarbeit bzw. Korrespondenz mit der KV diesbezüglich forcieren.
Bei der Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs werden Hausbesuche bei pflegebedürftigen Menschen als Einzelleistungen vergütet. Außerdem sollen Krankenhäuser pflegebedürftige Menschen endlich ambulant versorgen können, wenn die ambulante ärztliche Versorgung des niedergelassenen Arztes nicht ausreicht.
Damit die Versorgung pflegebedürftiger Menschen mit integrierten Versorgungsmodellen verbessert werden kann, müssen die Rahmenbedingungen für die integrierte Versorgung dringend verbessert werden. Der Gesetzgeber sieht seit der Gesundheitsreform 2007 die Beteiligung der Pflegekassen und Einrichtungen an den Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140 ff. ausdrücklich vor. Diese sind Bausteine zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung der pflegebedürftigen Menschen. Die Krankenkassen müssen auf längere Sicht Mittel bereitstellen, damit innovative Versorgungsformen für stationär pflegebedürftige Menschen endlich realisiert werden können.
Ein letzter Punkt. Die akutgeriatrische Versorgung muss ausgebaut werden; denn sie ist nicht flächendeckend sichergestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Pflegeheimen ist in der Geriatrie und bei unzureichender fachärztlicher Versorgung zu ermöglichen; denn für die umfassende medizinische und thera
peutische Behandlung dieser Menschen ist die geriatrische Kompetenz von größter Bedeutung. Geriater sind aber praktisch nur in Krankenhäusern oder Rehabilitationskliniken tätig. Die fachärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern ist dadurch maximal lückenhaft. Deshalb wollen wir, dass Krankenhäuser mit einer geriatrischen Abteilung stationär pflegebedürftige Menschen auch ambulant behandeln können. Das ist laut § 116 SGB XI möglich.