Protokoll der Sitzung vom 27.04.2015

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Jetzt wird es bei Ihnen unseriös!)

Ich stelle erst einmal ein paar Fragen. Worum geht es der AfD-Fraktion, wenn sie einen solchen Antrag in das Plenum einbringt? Um Information allein scheint es Ihnen nicht zu gehen. Denn Sie könnten auf dem Wege von Anfragen im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts diese Fragen an die Staatsregierung stellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Dreher, AfD)

Ich komme gleich auf diesen Punkt zurück. Wir werden als SPD-Fraktion Ihren Antrag wegen einer ganzen Reihe von Gründen ablehnen. Ich möchte dies im Einzelnen ausführen. Sie fordern eine umfassende Berichtspflicht.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Sollen wir eine eingeschränkte beantragen?!)

Schauen wir einmal, wie umfassend die Berichtspflicht sein soll. Dazu stellen wir erst einmal fest, welche Personengruppen überhaupt in Ihrem Interesse liegen und zu welcher Personengruppe Sie Auskunft verlangen. Sie möchten zum Beispiel Auskunft über Menschen, denen gemäß § 3 Asylverfahrensgesetz der Flüchtlingsstatus auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt wurde. Das ist aber nur ein von mehreren Aufenthaltstiteln neben den extra von Ihnen abgefragten Geduldeten. Sie fragen nicht nach Menschen, die als Asylberechtigte anerkannt wurden. Sie fragen nicht nach Menschen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Zur Erinnerung: Hierbei geht es um Menschen, die vor Folter und unmenschlicher Behandlung fliehen, denen die Todesstrafe oder Leibes- und Lebensgefahren drohen als zivile Opfer eines Bürgerkriegs, und nicht um die von Ihnen kritisierten Wirtschaftsflüchtlinge.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Wirtschaftsflüchtlinge sind auch dabei!)

Trotzdem fehlen sie in Ihrem Antrag. Es fehlen ebenso Menschen, die absoluten Abschiebungsschutz gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention oder auch

nationalen Abschiebungsschutz wegen individueller

Leibes- und Lebensgefahren genießen. Die Lücken in Ihrem Antrag betreffen auch andere Bereiche.

Wenn man sich aber seriös mit dem Thema Asyl auseinandersetzen möchte, dann nicht nur, indem man nach der Anzahl der Erstaufnahmeeinrichtungen und kommunalen Flüchtlingsunterkünfte oder dem dort tätigen Sicherheitspersonal fragt oder welche Nutzungsausfälle und welche Kosten entstehen. Nein, wenn man das möchte, muss man vor allem Folgendes fragen: Wie geht es den dort untergebrachten Menschen? Wie werden sie betreut? Wie viele Kinder leben dort? Wo gehen sie zur Schule? Wie geht die Bevölkerung mit den dort lebenden Menschen um? Welche Perspektiven können ihnen dort geboten werden?

(Beifall bei der SPD)

Das machen Sie aber nicht. Was möchten Sie also mit Ihrem Antrag? Worum geht es Ihnen wirklich? Auf den ersten Blick scheint es Ihnen um die reine Sachinformation zu gehen. Doch beim genaueren Hinsehen und Lesen zwischen den Zeilen sieht es schon anders aus. Sie machen nämlich genau das, was Sie sonst so gerne und häufig anderen vorwerfen: Sie greifen sich aus der großen Gruppe der Migrantinnen und Migranten eine Teilgruppe heraus. Dabei pochen Sie selbst doch ständig darauf, keine Teilgruppe zu vergessen. Sie wissen es doch eigentlich besser. Warum tun Sie das also? Ich werde es Ihnen sagen: Sie machen das ganz bewusst.

(Zurufe von der AfD: Aha!)

Es geht Ihnen nicht um die Menschen, die bei uns bleiben dürfen. Es geht Ihnen auch nicht darum, zu erfahren, wie die Lebenssituation der unterschiedlichen Migrantengruppen aussieht oder unter welchen Umständen Menschen leben müssen, die schutzsuchend nach Sachsen kommen. Sie interessiert nicht, wie sich diese Menschen schneller und besser integrieren könnten oder wie wir es schaffen können, ihren Aufenthalt hier – und dauert er auch nur sechs Monate – so zu gestalten, wie es sich für ein Land gehört, dass sich selbst als zivilisiert und weit entwickelt betrachtet.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das alles fragen Sie nicht. Dabei sind das die entscheidenden Fragen. Menschen kommen hierher – als Asylsuchende, als Flüchtlinge, als Zuwanderer. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Menschen hier anständig behandelt und untergebracht werden.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz!)

Die Tatsache, dass Sie sich nur auf Asylsuchende beziehen, aber beispielsweise Asylberechtigte, Flüchtlinge aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen oder Zuwanderer ausblenden, zeigt Ihre wahren Absichten.

(Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Sie wollen sich regelmäßig die Grundlage dafür liefern lassen, mit dem Finger auf diese Gruppe zeigen zu können und zu lamentieren, warum nicht noch mehr abgeschoben werden. Das ist der wahre Grund Ihres Antrags.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das finde ich in hohem Maße unanständig.

(Lachen bei der AfD)

Warum stehen Sie eigentlich nicht zu Ihren wahren Absichten? Sie müssen sich doch nicht verstecken. Sagen Sie doch, dass Sie es am liebsten hätten, wenn wir Deutschland und Sachsen abschotten und keine Fremden hereinlassen würden.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist grober Unfug!)

Aber das trauen Sie sich nicht, weil Sie genau wissen, dass das unanständig ist.

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der AfD)

Sie wollen wenigstens diejenigen regelmäßig bedienen, welche sehr empfänglich für diese einseitige und ausgrenzende Betrachtungsweise sind. Wie so oft schielen Sie auf die Stammtische.

Wir als SPD-Fraktion machen dieses Spiel nicht mit und lehnen Ihren durchsichtigen Antrag ab. Stattdessen werden wir uns in der Regierungsverantwortung darauf konzentrieren, die Menschen, welche Sie ausgrenzen wollen, erfolgreich zu integrieren. Im Falle einer notwendigen Ausreise oder Abschiebung wollen wir ihnen zumindest einen guten und menschenwürdigen Aufenthalt hier verschaffen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Im Hotel!)

Meine Damen und Herren! Nicht Angst vor Fremden oder Ausgrenzung ist das Gebot der Stunde, sondern Mut: Mut zu Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Frau Abg. Zais. Sie haben das Wort, Frau Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Sächsische Landtag soll die sächsische Bevölkerung repräsentieren. Wer den Stammtisch repräsentiert, wurde heute einmal mehr klar.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Während sich angesichts der Toten im Mittelmeer immer mehr Menschen fragen, wie lange die Politik dem Sterben noch zuschauen will, legt die AfD-Fraktion dem Sächsischen Landtag einen Antrag vor, dessen Ziel eben nicht – wir haben es mehrfach gehört –

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Vom Wiederholen wird es nicht besser!)

die Suche nach Information zum Thema Flucht und Asyl ist und schon gar nicht die Suche nach Hilfsmöglichkeiten. Ihr Antrag hat nur ein einziges Ziel; das ist leider nichts Neues. Er hat das Ziel, weiterhin Vorurteile gegen jene zu schüren, die bei uns Schutz, Hilfe und – ja, auch das – Lebensperspektive suchen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist falsch!)

Dazu bedienen Sie sich aller gängigen Klischees: von guten und schlechten Asylbewerbern, von jenen, die auf der Tasche des kleinen Steuerzahlers liegen, von Kriminellen und Integrationsunwilligen, die die Haushalte der

Städte und Gemeinden belasten und die darüber hinaus auch noch dafür verantwortlich sind, dass – ich zitiere aus Ihrem Antrag – „Personen und Institutionen ihre angestammten Unterkünfte nicht mehr nutzen können“.

In der Begründung Ihres Antrags suggerieren Sie, dass die bisher vorliegenden Zahlen insbesondere zu Straftaten von Asylbewerbern unklar und nicht verlässlich seien, weshalb Sie nun mit einer quartalsweisen Berichtspflicht der Staatsregierung endlich für Transparenz sorgen wollten. Sie wollen, darauf hat auch Kollege Kiesewetter schon hingewiesen, wilden Spekulationen endlich wahre Zahlen entgegenstellen. Mit diesen Formulierungen bedienen Sie genau das Klischee von der verlogenen Politik. Aber Sie sind Teil dieser Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist ja wohl nur noch falsch!)

Neben dem Fragerecht des Abgeordneten gibt es tatsächlich – darauf wurde schon verwiesen – gute Veröffentlichungen zum Thema Asyl. Meine Fraktion möchte sich ausdrücklich beim Sächsischen Ausländerbeauftragten für das schnelle Reagieren bedanken. Die Informationen beispielsweise zum Thema Anerkennung von Fluchtgründen im Jahr 2014 – ein Thema, mit dem Sie von der AfD hier im Landtag schon mehrfach Ihre Probleme hatten – oder zu den bereinigten Schutzquoten liegen den Fraktionen seit März vor.

Insgesamt ist Ihr Antrag, Herr Wippel, mehr als populistisch. Dieses „gegen uns“ ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Es ermuntert alle, die sich als Vollstrecker eines vermeintlichen Mehrheitswillens in der Gesellschaft sehen. Sachsen ist leider reich an „Nein zum Heim!“Initiativen. Unter dem Deckmantel besorgter Bürger organisieren Rechtsextreme und Rechtspopulisten zunehmend radikale Märsche durch Sachsens Städte.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist die grüne Antifa!)

Wie wir in den letzten Wochen erleben mussten, wächst die Gefahr für Asylsuchende, selbst Opfer von Straftaten zu werden. Die Kollegin Nagel hat darauf hingewiesen.

Mit Blick auf die Berichte der letzten Tage über die politische Ausrichtung der AfD kann ich nicht verhehlen, ein gewisses Verständnis für Ihr einstiges Zugpferd Olaf Henkel aufzubringen, der bei Ihnen mehr als einen Rechtsruck feststellt und sich deswegen aus dem Vorstand der AfD verabschiedet hat.