Protokoll der Sitzung vom 27.04.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN – Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Bitte sehr, Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Selbstverständlich will ich zu diesem Antrag auch aus Sicht der Staatsregierung kurz Stellung nehmen, obwohl ich mich, als ich den Antrag gelesen habe, gefragt habe, Herr Wippel, was Sie denn eigentlich wollen. Viele der Vorredner sind schon darauf eingegangen; ich will es aus Sicht der Staatsregierung noch einmal deutlich sagen: Was Sie hier fordern, das machen wir schon längst.

Auf den Internetseiten des BAMF gibt es umfassende und aktuelle Zahlen für ganz Deutschland. Die Landesdirektion erhebt die Zahl der in Sachsen untergebrachten Asylbewerber monatlich; sie sind online für jeden einsehbar. Informationen zur Erstaufnahme finden sich auch im Faktenpapier der Staatsregierung, an dem im Übrigen alle Häuser beteiligt sind. Es nennt sich „Asylbewerber und Flüchtlinge im Freistaat Sachsen – Fakten und Hintergrundinformationen“ und erschien zuletzt im Februar 2015. Es wird regelmäßig aktualisiert und steht selbstverständlich online zur Verfügung.

Auf das, was Herr Mackenroth als Ausländerbeauftragter zusätzlich bereitstellt, ist eingegangen worden; das will ich ebenfalls nennen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Herr Kiesewetter hat darauf hingewiesen. Dann nutzen wir noch andere Informationskanäle. Es gibt tägliche Pressearbeit. Außerdem haben wir Ihre Fragen, meine Damen und Herren von der AfD – genau wie zahlreiche weitere Fragen zu diesem Thema –, bereits mit Antworten zu Kleinen Anfragen beantwortet.

Ferner haben wir – auch da lohnt es sich, einmal zuzuhören – im Rahmen der polizeilichen Kriminalstatistik auch Fälle aufgeführt, in denen es Mehrfach- und Intensivstraftäter gibt, differenziert nach Straftatenobergruppen und Straftaten. Auch das ist ausgewiesen.

Daran können Sie sehen, dass die Staatsregierung dem Informationsinteresse der Bevölkerung durchaus nachkommt. Das ist eben auch ein Ergebnis unserer Bemühungen der letzten Jahre. Wir haben klar und deutlich gesagt, dass eine offene und transparente Kommunikation die Grundvoraussetzung dafür ist, in der Bevölkerung Wissen und Verständnis für das staatliche Bemühen und den humanitären und rechtsstaatlichen Umgang mit Flüchtlingen zu vertiefen.

Mir ist wichtig, dass eine vernünftige Asylpolitik die Menschen im Land mitnehmen muss. Das geht eben nur mit offener Kommunikation und dem Bereitstellen entsprechend relevanter Informationen. Es gibt das Unterbringungs- und Kommunikationskonzept, das fortgeschrieben wird. Unzählige Bürgerforen im Land sprechen diese Sprache, und auch unsere Dialogangebote sprechen diese Sprache.

Aber ich möchte deutlich sagen: Hier ist nicht nur die Staatsregierung gefragt, sondern auch die Macher auf den unterschiedlichen Ebenen müssen dazu einen Beitrag leisten. Es geht um die Kommunen vor Ort. Dort kommt es darauf an, offen mit den Leuten zu sprechen. Es geht nicht nur um die privat Engagierten, es geht um Gemein

deräte, Bürgermeister, Landräte und, meine Damen und Herren, auch um Sie, die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen, in den jeweiligen Büros. Jeder kann und muss hier seinen Beitrag leisten. Denn die Informationen sind da, und wir können helfen, dass sie auch ankommen. So viel zur offenen Kommunikation.

Auch ich komme bei der Würdigung des Antrages, Herr Wippel, zu der Frage, worum es Ihnen eigentlich geht. Wenn das alles vorliegt, wenn man all diese Informationen tatsächlich transparent online einsehen kann, geht es doch im Kern offenkundig um das Thema Ausreisepflicht und Durchsetzung derselben. Wer mich kennt, weiß, dass ich zu diesem Thema hier schon häufig gesprochen und auch klar Position bezogen habe.

Zu einer klugen und vernünftigen Asylpolitik gehört beides: zum einen, dass wir uns um die Aufnahme und die menschenwürdige Unterbringung kümmern. Es gibt im Übrigen immer mehr sehr gute Willkommensinitiativen, die zu begrüßen sind. Dazu gehört aber auch – und dazu stehe ich ganz klar als Innenminister – die Abschiebung, wenn kein begründeter Asylantrag vorliegt. Das Thema wurde in der Diskussion schon aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet. Ich möchte klar und deutlich sagen: Sachsen nimmt seine Verantwortung dabei wahr – auch im deutschlandweiten Vergleich. Wir haben im letzten Jahr 1 037 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben, also diejenigen, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind.

(André Barth, AfD: Es sind aber wesentlich mehr gekommen!)

Außerdem haben wir vor einiger Zeit, wie Sie alle wissen, die Stabsstelle Asyl im Innenministerium eingerichtet. Dort gibt es auch eine Teilgruppe, die sich mit diesem besonderen Thema beschäftigt und entsprechende Vorschläge unterbreitet.

Deshalb kann ich aus der Sicht der Staatsregierung zusammenfassen: Alles, was an Informationen verlangt wird, liegt vor. Wir gehen offen und transparent mit diesem Thema um. Deshalb braucht man diesem Antrag nicht zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort hat die Fraktion AfD; Herr Abg. Wippel.

Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordneten! Es ist nicht lustig. Ich finde es wirklich nicht lustig. Es ist genial, wie man Dinge in einen Text, der nach Zahlen, Taten, Fakten fragt, hineininterpretieren kann.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Haben Sie mal die Begründung gelesen?)

Ja. Es gibt die eine oder andere Sache, die wir noch nicht angesprochen haben. Das habe ich vorhin auch gesagt. Wenn es Ihnen fehlt, machen Sie einen Änderungsantrag. Das haben wir von Ihnen gelernt. Sie haben uns ganz am Anfang gesagt: Wenn es Ihnen nicht passt, machen Sie einen Änderungsantrag. Also bitte, das Instrument haben Sie alle.

Uns geht es nicht darum, dass wir uns für viel zu blöd halten, die Sachen zu sammeln. Sicherlich bekommen wir die zusammen. Ja, wir können die Kleinen Anfragen nutzen. Ich habe es in meiner Begründung zum Antrag aber auch gesagt: Wir wollen eben, dass wir alle mit denselben Zahlen arbeiten. Natürlich müssen Zahlen interpretiert werden. Das ist dann die Verantwortung des Einzelnen, wie er mit den Zahlen umgeht. Wenn wir über kriminelle Intensivtäter reden – wir haben uns ganz bewusst auf Intensivtäter beschränkt und nicht gefragt: Oh, welcher Ausländer ist einmal kriminell geworden? Nein, wir haben nach Intensivtätern gefragt.

(Staatsminister Markus Ulbig: Aber wenn es in der PKS steht!)

Natürlich steht das in der PKS. Aber darin steht es nun einmal nicht jeden Monat. Wenn die Zahlen, die wir in Sachsen haben, regelmäßig hochgehen, wird es schwierig.

(Albrecht Pallas, SPD: Sie reden von quartalsweisen Zahlen oder monatsweise?)

Quartalsweise, das sagte ich ja.

(Staatsminister Markus Ulbig: Sie wissen ja, dass die Bilanz in der PKS veröffentlicht wird!)

Ja, natürlich. Wir können nach den Daten fragen, aber Sie können sie auch einfach liefern. Dann können wir uns die Flut an Kleinen Anfragen ersparen. Wie wäre es damit? Das wäre etwas, nämlich Verwaltungsvereinfachung. Das ist das eigentliche Ziel des Antrags. Sie haben heute die Chance, für Transparenz zu sorgen und Ihre Fragen zusätzlich einzubringen. Aber gut, wir können es auch weiter mit Kleinen Anfragen machen. Sie hätten die Chance gehabt, Fakten zu bringen und schädlichen Spekulationen entgegenzuwirken.

Ich habe den Eindruck, dass das von Ihnen nicht gewollt ist. Trotz alledem darf ich dafür werben, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Wir als AfD-Fraktion werden das tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 6/1389 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, hebt bitte die Hand. – Danke. Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen, Stimmen dafür ist dem Antrag dennoch nicht entsprochen worden.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Medienbildung für alle – Medienkompetenz-Initiative Sachsen starten

Drucksache 6/236, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Dr. Maicher. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neue Medien durchdringen unseren Alltag immer stärker. Ebenso lauter werden die Debatten über die Gefahren, die vom medialen Wandel ausgehen. Gewaltverherrlichungen, YouTube-Videos, Cybermobbing, Verlust der Privatsphäre und Informationsüberflutung auf Facebook sind Risiken, die wir diskutieren.

Es werden aber auch Chancen diskutiert. Das finde ich sehr wichtig und richtig, nämlich individualisiertes Lernen, vielfältige und schnellere Informiertheit, aktive Beteiligung an Gesellschaft und Politik. Mit den sozialen Medien hat sich die Medienpräsenz im Alltag um ein Vielfaches gesteigert, nicht nur bei den sogenannten Digital Natives. Heute sind die Netzmedien für die meisten Menschen kein Neuland mehr. Heute wird nicht mehr nur konsumiert, sondern Nutzerinnen und Nutzer jedes Alters produzieren heute selbst Inhalte.

Es wird umso deutlicher: Es gibt keine gute oder schlechte Technik, sondern es hängt davon ab, wie die Menschen mit der Technik umgehen. Gefordert ist deshalb Medienkompetenz. Aber: Sie ist nicht nur das richtige Bedienen von Medientechnik. Es geht auch nicht nur darum, sich selbst vor schädlichen Einflüssen zu bewahren. Vielmehr geht es darum, Medien als Werkzeuge für Bildung und Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen, für kulturelle, gesellschaftliche und politische Teilhabe. Das kann man lernen und die Chancen der digitalen Welt viel besser damit nutzen. Also: Medienkompetenz ist wichtig. Insbesondere Kinder und Jugendliche dürfen mit den Herausforderungen der neuen Medien nicht alleingelassen werden. Deshalb brauchen wir Medienbildung.

Kommen wir zum Stand der Dinge in Sachsen: Wir haben eine gute Papierlage, wie es auf der Fachtagung „Medienkompetenz“ im Februar 2013 hier im Sächsischen Landtag genannt wurde. Aber Medienbildung in der Praxis ist noch weit von den Empfehlungen und Richtlinien entfernt. Medienkompetenz ist zwar sinnvollerweise als Querschnittsaufgabe in den Lehrplänen verankert, und es gibt verschiedene Projekte, gute Aktionstage und Wettbewerbe, die gute Modelle hervorbringen. Aber wir finden, darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir wollen einen Schritt weitergehen, hin zu einer strukturellen Verankerung in Sachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kultusministerkonferenzbeschluss „Medienbildung in der Schule“ von 2012 geht davon aus, dass Medienbildung als Pflichtaufgabe schulischer Bildung nachhaltig verankert werden muss. Für uns heißt das: Medienbildung für alle. Das darf nicht mehr eine bemerkenswerte Ausnahme sein, sondern muss der Normalfall werden. Genau das ist in Sachsen bisher nicht in Sicht. Medienbildung erreicht noch lange nicht alle Heranwachsenden, wie es zum Beispiel beim Musik- oder Mathematikunterricht der Fall ist. Es ist nicht damit getan, einmalig eine Checkliste mit zehn Punkten „Wie verhalte ich mich sicher im Netz“ vorzulegen. Notwendig sind fortdauernde Bildungsprozesse in regelmäßigen Unterrichtseinheiten und Projekten, eine auf verschiedene Altersgruppen und soziale Gruppen abgestimmte Medienbildung.

Damit das gelingt, muss das Zusammenwirken derjenigen, die in Sachsen Medienbildung und deren Förderung verantworten, verbessert werden. Es wird auch heute viel gesprochen. Das ist so. Aber es gibt nur minimale Fortschritte. Da wir es mit einem komplexen Gefüge von Zuständigkeiten zu tun haben, geht das nicht von heute auf morgen. Das ist uns auch bewusst. Dieses Gefüge muss erst verzahnt und in Bewegung gebracht werden. Aber es ist Aufgabe der Regierung, hierfür die Initiative zu ergreifen. Die Rahmenvereinbarung zwischen Sächsischer Landesmedienanstalt und dem Kultusministerium – Staatsminister Dr. Jaeckel hat sie in seiner Stellungnahme genannt – ist vielleicht ein erster Schritt gewesen. Sie hat aber bisher keine Breitenwirksamkeit gebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderung „Medienbildung für alle“ meistern wir nicht mit Absichtserklärungen. Anpacken ist die Devise, und wir stellen jetzt vor, wie wir uns das denken. Schauen wir uns mögliche Vorbilder an: Thüringen gilt als Musterland der strukturellen Verankerung von Medienbildung. Das funktioniert durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Kultusministerium, Landesmedienanstalt und dem Institut für

Lehrerfortbildung. Medienbildung ist dort selbstverständlicher Bestandteil in der Schule. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Bremen wurden breit aufgestellte Netzwerke ins Leben gerufen und landesweite Gesamtstrategien entwickelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist auch in Sachsen an der Zeit, die relevanten Akteure in ein Boot zu holen und konkrete Ziele zu definieren. Wenn die primär Zuständigen, also Kultusministerium, Sozialministerium und SLM, bisher nicht zu diesem Schritt gekommen sind, dann muss das organisatorisch noch einmal anders angepackt werden. Die SLM und das Netzwerk Medienpädagogik haben diesbezüglich bereits 2013 vorgeschlagen,