Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Gefahr von Rechts- und Linksextremismus bekämpfen

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

2. Aktuelle Debatte: Verletzung der Neutralitätspflicht

bei politischen Demonstrationen durch die öffentliche Hand

Antrag der Fraktion AfD

Die Fraktion AfD hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht, den Titel ihrer Aktuellen Debatte entsprechend § 55 Abs. 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung zu ändern. Demzufolge liegen mir die vorgenannten rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatte vor.

Die Verteilung der Gesamtredezeiten hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 19 Minuten, GRÜNE 10 Minuten und Staatsregierung zweimal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Verfassung schützen, Demokratie stärken –

Gefahr von Rechts- und Linksextremismus bekämpfen

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge: DIE LINKE, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Für die einbringende CDU-Fraktion ergreift Herr Kollege Hartmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verfassung schützen, die Demokratie stärken und damit folgerichtig Gefahren von Rechts- und Linksextremisten, allgemein von Extremisten, bekämpfen – dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedarf es in einer Gesellschaft Instrumentarien. Eine Demokratie muss wehrhaft sein. Sie braucht wie der Igel ein Stachelkleid, damit der Fuchs sie nicht frisst.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Insoweit, meine Damen und Herren, bedarf es auch in einer Gesellschaft, in einem Freistaat, in der Bundesrepublik Deutschland eines Verfassungsschutzes.

Nicht zuletzt auf der Grundlage des neu vorgelegten Verfassungsschutzberichtes ist die Diskussion über die Frage der Entwicklung des Extremismus und der Gefährdung unserer Gesellschaft aktuell. Genauso wichtig ist es, daraus die Erkenntnis zu gewinnen, dass wir in unserer Sicherheitsarchitektur auch eines Verfassungsschutzes bedürfen.

Wie sieht die Situation in Sachsen aus? – Gewalttaten von rechts: Rechtsextremisten stellen immer noch ein großes Gefährdungs- und Personenpotenzial dar. Circa 2 500 Rechtsextremisten haben wir in Sachsen. Damit stagniert diese Zahl seit Jahren. Aus dieser Struktur heraus wurden im Jahr 2014 83 Gewalttaten begangen. Das ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr; im Vorjahr waren es 67. Das heißt, eine Priorität liegt auf der Bekämpfung des Rechtsextremismus, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen auch ganz deutlich, das führt nicht dazu, dass wir auf dem linken Auge blind sein dürfen;

(Beifall bei der CDU, der AfD und des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

denn beim Linksextremismus haben wir 770 Linksextremisten zu verzeichnen, verstärkt im autonomen Block, verstärkt in Leipzig, bei leicht steigender Tendenz. Von diesen 770 Linksextremisten gingen im Jahr 2014

154 Gewalttaten aus. Das ist mehr als wir an rechtsextremistischen Gewalttaten zu verzeichnen haben,

(Frank Heidan, CDU: Hört, hört!)

auch wenn es ein Absinken gegenüber dem Vorjahr, dem Jahr 2013, bedeutet.

Interessant ist, dass sich die Gewalttaten sowohl von Links- als auch von Rechtsextremisten mittlerweile nicht mehr verstärkt gegen den politischen Gegner richten. Interessant ist – ich mache das am Beispiel der linksextremistischen Straftaten fest –, dass wir ein Absinken der Gewalttaten gegen Rechtsextremisten um 32 % auf 79 zu verzeichnen haben. Wogegen richtet sich die Mehrzahl der Gewalttaten? – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zu konstatieren, dass sich die Gewalttaten vor allen Dingen gegen den Staat richten. 71 Gewalttaten von Linksextremisten richteten sich gegen unsere Polizei. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist kein hinnehmbarer Zustand!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der AfD)

Auch bei der Gesamtentwicklung der Straftaten haben wir zu verzeichnen, dass die Zahl linksextremistischer Straftaten von 582 im Jahr 2013 auf nunmehr 821 im Jahr 2014 angewachsen ist. Das entspricht einer Steigerung um 41 %. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind alarmierende Tendenzen, insbesondere mit Blick auf die autonome Szene, insbesondere aber auch mit Blick auf Leipzig.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Strukturen entwickeln, aus denen heraus randalierend und zerstörend durch die Stadt gezogen wird, wobei mittlerweile auch vor Polizeiposten kein Halt mehr gemacht wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Hohe Haus ist in Summe aufgefordert, sich gegen eine solche Entwicklung zu stellen. Dafür bedarf es der erforderlichen Strukturen in unserer Sicherheitsarchitektur.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der AfD)

Auch das Thema islamistischer und ausländerextremistischer Straf- und Gewalttaten ist ein Thema, auf das wir verstärkt zu schauen haben. Mit 360 gewaltbereiten Ausländerextremisten ist in Sachsen die Struktur äußerst gering, jedoch leicht steigend. Im Hinblick auf die Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund – trotz niedrigstem Niveau – können wir konstatieren, dass ein Anstieg von drei Straftaten im Jahr 2013 auf 20 Straftaten im Jahr 2014 zu verzeichnen war. Im Bereich der Gewalt

taten gibt es einen Anstieg von zwei Gewalttaten im Vorjahr auf nunmehr acht im Jahr 2014.

Nun komme ich auf den Themenbereich der Spionage zu sprechen. Das mag vielleicht für den einen oder anderen nicht das zentrale Thema sein.

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Gerade dieses Thema ist für die Wirtschaft und die Wissenschaft – insbesondere mit Blick auf Russland und China – besonders wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verfassung gilt es zu schützen. Dazu bedarf es eines Verfassungsschutzes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf von den LINKEN – Gegenruf von der CDU: Lächerlich!)

Für die miteinbringende CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Hartmann. – Jetzt ergreift Herr Homann für die ebenfalls einbringende SPDFraktion das Wort; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verfassungsschutzbericht ist sicherlich ein wichtiger Anlass, um über den Zustand unserer Demokratie hier im Plenum zu sprechen. Er beschreibt verschiedene Probleme, die wir sehr ernst nehmen müssen.

Er beschreibt aber eben nur die Probleme. Deswegen möchte ich einmal vorweg Folgendes anmerken: Es gibt sehr viele Leute, die in diesem Land aktiv die Verfassung schützen. Es sind gerade in diesen Wochen jene Menschen – ich möchte ihnen an dieser Stelle herzlich danken –, die dafür sorgen, dass die Willkommenskultur in diesem Land vorangebracht wird, die sich gegen die Initiativen vor Ort und Menschen wiedersetzen, die mit rassistischen Vorurteilen Stimmung gegen Asylsuchendenunterkünfte machen. Das sind Menschen, die unsere Verfassung praktisch schützen. Einen Dank an diese Menschen möchte ich gern voranstellen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Demokratie ist kein Selbstzweck. Es stellen sich doch folgende Fragen: Wie organisieren wir unsere Gesellschaft? Wie gehen wir mit gesellschaftlichen Konflikten um? Wir müssen versuchen, diese friedlich miteinander zu lösen und eine Meinungsvielfalt anzustreben. Deshalb lehnen wir jede Form der politischen und religiös motivierten Gewalt gegen Andersdenkende, anders Aussehende oder staatliche Institutionen entschieden ab. Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt in einer Demokratie.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Um sachgerecht auf die Herausforderungen zu reagieren, die Kollege Hartmann soeben beschrieben hat, macht es Sinn, sehr deutlich und trennscharf zwischen Rechts-, Links- und Ausländerextremismus zu unterscheiden. Wir dürfen diese verschiedenen Formen nicht gegeneinander aufrechnen. Wir dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen. Wir brauchen für verschiedene Probleme separate und entschiedene Antworten.

Was dieser Verfassungsschutzbericht vielleicht deutlicher als andere zeigt, ist die Veränderung einer gesellschaftlichen Stimmung in Sachsen, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. So begrüßenswert es ist, dass sich viele Menschen für eine Willkommenskultur und gegen rechts einsetzen, so müssen wir auch feststellen, dass gerade das Klima für Migrantinnen und Migranten in Sachsen rauer geworden ist. Das zeigt auch der deutliche Anstieg fremdenfeindlicher Gewaltdelikte gegen Migrantinnen und Migranten. Waren es im Jahr 2012 noch 22, so sind es im Jahr 2014 bereits 63. Gruppen von Neonazis verstehen sich als verlängerter Arm rassistischer Stammtischparolen. Das sagt dieser Verfassungsschutzbericht aus. Das muss uns alarmieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen deutlich widersprechen.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir müssen feststellen, dass das, was der Verfassungsschutzbericht beschreibt, nur die Spitze des Eisberges ist. Die RAA, die Beratungsstelle für Opfer rassistischer und rechtsmotivierter Gewalt, zählt für das Jahr 2014 257 Angriffe mit 419 Betroffenen. Das zeigt uns – das erlebe ich auch in letzter Zeit öfter –, dass es in diesem Land Menschen gibt, die sich nicht trauen, eine Anzeige zu machen. Sie trauen sich nicht, sich mit der erlebten Gewalt an den Staat zu wenden und um Hilfe zu bitten. Das muss uns nachdenklich machen.

Dreieinhalb Jahre nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrundes – ich möchte das nicht als Kritik verstanden wissen – möchte ich dennoch folgende Frage stellen dürfen: Ist das Vertrauen in Polizei und Verfassungsschutz wieder an der Stelle, wo es hingehört? Sind wir bei der Analysefähigkeit so weit, dass wir den Menschen in diesem Land, die sich an uns wenden und uns zum Beispiel sagen, dass sie, weil sie sich vor Ort offen engagieren, von Neonazis bedroht werden, das Gefühl geben, dass sie sich an die Polizei und Sicherheitsbehörden wenden können, um dort Anzeige zu erstatten? Dieser Frage müssen wir uns – deshalb ist auch der zweite Untersuchungsausschuss so wichtig – noch einmal intensiv stellen. Es gibt sinnvolle Antworten.

Damit komme ich zum Schluss. Im Bund zeigen wir mit dem Gesetz zur Umsetzung der Empfehlungen des NSUUntersuchungsausschusses, wie es vorangehen kann.

Die Redezeit ist zu Ende!

Es wird ein Gesetz eingebracht, das die Hasskriminalität in Zukunft stärker bestrafen soll. Es ist ein Beispiel dafür, wie wir vorankommen können. Ich freue mich darauf und bin – sicherlich wie Sie alle – entschlossen, dass wir in Sachsen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Demokratie weiter gestärkt wird.