Es wird ein Gesetz eingebracht, das die Hasskriminalität in Zukunft stärker bestrafen soll. Es ist ein Beispiel dafür, wie wir vorankommen können. Ich freue mich darauf und bin – sicherlich wie Sie alle – entschlossen, dass wir in Sachsen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Demokratie weiter gestärkt wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der aktuellen Debatte heißt wie folgt: Verfassung schützen, Demokratie stärken – Gefahr von Rechts- und Linksextremismus bekämpfen. Das ist ein Themenkomplex, der sehr breit gefächert ist. Ich war sehr neugierig, worauf der Fokus heute gelegt wird.
Wenn ich erfahre und mitbekomme, dass der Verfassungsschutzbericht mit knapp 300 Seiten, der am 21. April 2015 den Medien vorgestellt wurde und online abrufbar ist, Gegenstand der Debatte ist, dann finde ich das sehr mutig. Ich finde es deswegen sehr mutig, da ich bezweifle, dass wir alle diese 300 Seiten intensiv analysiert haben.
Herr Hartmann, ich war etwas traurig, dass gerade Sie als Innenpolitiker genau den Teil aus dem Verfassungsschutzbericht herausgegriffen haben, der aus meiner Sicht beim Verfassungsschutz nichts zu suchen hat. Straf- und Gewalttaten sind Aufgabe der Polizei und nicht des Landesamtes für Verfassungsschutz. Insofern bin ich etwas traurig, wenn es bei dem Verfassungsschutz nur darum geht, die Statistik seitens der Gewalt und Straftaten aufzuzählen.
Mich interessiert vielmehr die Selbstdefinition des Landesamtes für Verfassungsschutz als Frühwarnsystem der Demokratie. Es soll doch eigentlich vor Gefahren warnen, die der Gesellschaft drohen. Bei der Vorstellung des Berichtes für das letzte Jahr ist bereits klar geworden, dass zum Beispiel Pegida kein Thema für das Landesamt für Verfassungsschutz ist. Allerdings taucht das Wort Pegida im Bericht unter dem Punkt Linksextremismus auf, natürlich nicht als linksextremistische Bewegung. Es wird als ein Grund genannt, warum sich „Linksextremisten“ engagieren und versuchen, Pegida Einhalt zu gebieten. Dass aber die Pegida-Demonstrationen selbst durch alle relevanten Bestrebungen der extremen Rechten derzeit genutzt und frequentiert werden, dazu steht im Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz kein Wort.
An dieser Stelle ist für mich immer die Frage: Was wurde beim Thema Pegida alles untersucht im Hinblick auf Gefahren für unsere Demokratie, für unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung? Für mich persönlich ist die
Pressefreiheit ein sehr wichtiger Bestandteil unseres demokratischen Gemeinwesens. Wenn von einer Demonstration mehrfach verbale und körperliche Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten ausgehen, dann steht man eigentlich in der Pflicht zu schauen, inwiefern davon eine Gefahr für die FDGO ausgeht.
Dass für unser Landesamt für Verfassungsschutz Rassismus allein kein grundlegender Maßstab bei der Beobachtung und Bewertung von Gefahren für die freiheitlichdemokratische Grundordnung ist, daran habe ich mich mittlerweile leider gewöhnen müssen. Es gibt aber – und daran möchte ich Sie erinnern – auch verfassungsschutznahe Experten wie zum Beispiel Armin Pfahl-Traughber, der vor Pegida warnt als „einem neuen Phänomen der Fremdenfeindlichkeit, dessen Führungskräfte Feindschaft und Hass gegen Menschen anderer ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit schüren“. Wenden Sie sich doch bitte an diese Experten.
Dass es auch anders geht, hat der Jahresbericht des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gezeigt, der am Montag vorgestellt worden ist. Darin wird die sogenannte – Zitat – „verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Szene“ beleuchtet und gezeigt, –
Ich werde meine Ausführungen im einem zweiten Redebeitrag fortsetzen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Vormerkung, Frau Kollegin Vorrednerin: Ich habe einen seltsamen Eindruck bekommen, nachdem Sie als stellvertretende Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses jetzt das Landesamt für Verfassungsschutz angreifen. Das ist irgendwie nicht verständlich.
Kommen wir zum Thema: Verfassung schützen, Demokratie stärken – Gefahr von Rechts- und Linksextremismus bekämpfen. Schauen wir zurück in die Vergangenheit. Am 7. August 2015 jährt sich zum 520. Mal eine historische Wurzel der staatlichen Pflicht zur Gewährleistung umfassenden Rechtsfriedens, das heißt der Bekämpfung von Gewalt und dem Schutz vor jeglicher Form von Gewalt, unabhängig von der Motivation der Täter. Der Reichstag von Worms verabschiedete unter dem Vorsitz von König Maximilian I. vier Gesetze zur Reform des
Reiches. Der Errichtung des Reichskammergesetzes ging die Verkündung des Ewigen Landfriedens voraus.
In § 2 des Landfriedensgesetzes wurde ein absolutes und zeitlich unbeschränktes Fehdeverbot erlassen. Die Selbstjustiz war abgeschafft. Niemand sollte das Recht in seine eigene Hand nehmen. Das Faustrecht sollte der Vergangenheit angehören. Die Einsicht war: Selbstjustiz ist das Unrecht des Stärkeren; das Gewaltmonopol muss beim Staat liegen.
Im Umkehrschluss war die andere Seite der Medaille natürlich die Verpflichtung des Staates, sich intensiv um die Rechtspflege und die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu kümmern. Von einer Einschränkung auf bestimmte Ursachen oder Motive bei den Straftaten ist richtigerweise nicht die Rede gewesen, denn es gibt keine guten Straftaten.
In dem Buch „Farm der Tiere“ oder im Original „Animal Farm“ gibt es eine nette Passage, die sinngemäß lautet: Vier Beine sind gut, zwei Beine sind schlecht. Das war ein bisschen einfach gezeichnet, wie die Hühner natürlich sogleich bemerkten. Heute höre ich sinngemäß: Rechtsextremismus ist schlecht – das ist richtig –, Linksextremismus ist auch schlecht, aber den gibt es ja gar nicht. Wirklich nicht? Ein Blick nach Leipzig und Dresden zeigt uns doch die marodierenden Horden der Antifaschisten, die Spuren der Verwüstung hinterlassen – in Polizeistationen, im Amtsgericht Leipzig, im öffentlichen Raum, bei Sachwerten unserer Bürger und in der Wirtschaft.
Jetzt werden auch Polizeibeamte angegriffen. Die Zahl der linksextremistischen Straftaten ist ungefähr doppelt so hoch wie die Zahl der rechtsextremistischen Gewaltstraftaten; dazu wird Kollege Wurlitzer nachher noch ausführen. Es ist gut, dass die Staatsregierung und auch der Verfassungsschutz nun beide Aspekte des Extremismus thematisieren.
Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass jetzt konsequenterweise auch ein Aussteigerprogramm für Linksextremisten geschaffen wird, so wie es die AfD kürzlich bereits gefordert hat.
Das Thema „Bekämpfung extremistischer Gefahr“ ist mit diesen beiden Aspekten noch nicht erschöpfend behandelt. Schauen wir nach Paris auf diesen fürchterlichen Anschlag auf die Redaktion der Zeitschrift „Charlie Hebdo“. Es gibt eben auch religiös motivierten Extremismus. Auch dabei werden schreckliche Straftaten verübt, nicht nur in Paris. Denken wir an die SauerlandBomber! Vergessen wir nicht diese ganz fürchterlichen Ehrenmorde, denken wir auch an die zahlreichen irregeleiteten Jugendlichen und Heranwachsenden, die sich jetzt einbilden, sie müssten in den Nahen Osten reisen und sich dort dem Islamischen Staat anschließen!
Es steht selbstredend fest, dass auch hier ein Arbeitsfeld für uns liegt. Auch daran muss man arbeiten, muss aufklären, muss bekämpfen und Ausstiege schaffen, also repressiv und präventiv tätig werden. Dieses Feld ist entscheidend; wenn wir Pech haben, könnte es noch entscheidender werden. Ich bitte Sie, das nicht aus den Augen zu verlieren.
Herr Dr. Dreher sprach für die AfD-Fraktion. Herr Kollege Lippmann kommt jetzt zu Wort; er vertritt die Fraktion GRÜNE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Muss man die Verfassung vor ihren Feinden schützen? Ja. Darüber besteht in diesem Hause auch Einigkeit. Braucht man dafür dieses Landesamt für Verfassungsschutz? Nun, da haben wir GRÜNE bekanntermaßen unsere Zweifel.
(Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelt Lachen bei der AfD – Dr. Stefan Dreher, AfD: Ja, das ist kein Wunder!)
An dieser Stelle spare ich mir den Vergleich zwischen dem Verfassungsschutz und dem berühmten Zitronenfalter. Aber ich möchte ein Zitat verlesen, das am Ende in eine ähnliche Richtung geht: „Die Untersuchungen zeigten aber, dass die Gefahren, die von der militanten neonazistischen Szene und einzelnen Gruppierungen in Deutschland ausgingen bzw. ausgehen, vom Verfassungsschutz unabhängig vom Fall NSU immer wieder unterschätzt und bagatellisiert wurden.“
Diese Einschätzung stammt nicht aus dem Positionspapier der GRÜNEN, sondern aus dem Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags. Über diese Einschätzung bestand Einigkeit unter den Fraktionen der LINKEN, der CDU, der GRÜNEN und der FDP. Man kann diesen Satz also gewissermaßen als mehrheitsfähig betrachten. Nur kann man die Schlussfolgerung, die man daraus eigentlich ziehen müsste, in diesem Hohen Hause offensichtlich nicht als mehrheitsfähig ansehen.
Was nutzt ein Verfassungsschutz, der es eben nicht schafft, das wichtigste Verfassungsgut, das es überhaupt gibt, nämlich das Recht auf Leben, zu schützen? Was nutzt ein Verfassungsschutz, der eine richtige Einschätzung der Gefahrenlage aufgrund einer offensichtlich mangelnden Analysefähigkeit nicht leisten kann?
Eine solche Form des Verfassungsschutzes braucht es aus unserer Sicht nicht. Gestatten Sie mir einen Einschub, Herr Homann hat es ja schon gesagt: Während der Verfassungsschutzbericht 2014 von 83 Fällen rechtsmotivierter Gewalt ausgeht, kommt die RAA im Vergleichszeitraum
Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, was ich auch in den Haushaltsverhandlungen schon gesagt habe: Wir GRÜNE sehen es als notwendig an, dass die gegenwärtige Form des Landesamts für Verfassungsschutz aufgelöst wird und ein kompletter Neuanfang mit zwei getrennten Strukturen erfolgt.
Ein staatlich unabhängiges und nach wissenschaftlichen Kriterien agierendes Institut für Demokratieforschung wäre unseres Erachtens viel besser in der Lage, antidemokratische und verfassungsgefährdende Tendenzen zu erkennen und zu analysieren. Ein Großteil des Verfassungsschutzberichts wird ja auch aus frei zugänglichen Quellen generiert. Das kann auch eine andere entsprechende Institution leisten, und zwar ohne nachrichtendienstliche Mittel und ohne V-Leute.
Es wäre viel besser möglich, zivilgesellschaftliche Institutionen sowie die Bürgerinnen und Bürger dort einzubeziehen, die teilweise noch viel mehr Erkenntnisse haben, wie das Beispiel der RAA zeigt.
Anders als die Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN sind wir jedoch der Auffassung, dass es noch eine zweite Säule braucht, dass es nämlich Restaufgaben gibt, die man in einem Inlandsgeheimdienst zusammenfassen muss. Das Stichwort Spionageaufklärung wurde vorhin schon genannt.