Nur: Diese kritische Öffentlichkeit werden wir nicht herstellen, wenn alle Texte nur in englischer Sprache vorgelegt werden. Ich selbst bin Jurist, ich habe mich auch viel mit internationalem Vertragsrecht auseinandergesetzt, aber ich sage Ihnen: Den Vertragstext von CETA zu lesen ist sehr anspruchsvoll und auch für mich kaum möglich. Ich weiß nicht, wie sich der normale Bürger, der sich dafür interessiert, mit diesen Texten auseinandersetzen soll, ohne dass sie in deutscher Sprache vorliegen. Deswegen halte ich diesen Antrag für hochgradig berechtigt und würde mich über eine breite Zustimmung freuen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst einmal muss ich die Annahme, dass Deutsch gemeinsam mit der englischen und der französischen Sprache nach wie vor einen besonderen Vorrang gegenüber den anderen Amts- und Arbeitssprachen innerhalb der EU hätte, korrigieren, denn sie ist falsch und überholt.
Die Verordnung des Rates vom 20.11.2006 bestimmt Folgendes: Die Amtssprachen und die Amtssprachen der Organe der Europäischen Union sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch. – Somit wäre Deutsch weiterhin eine von 24 Amts- und Arbeitssprachen, die alle gleichberechtigte Amts- und Arbeitssprachen der EU sind. Denn jedes Mitglied der EU kann zu Beginn seines Beitritts die Amtssprache erklären, die es auch zur Amtssprache der EU erheben möchte.
Die von der CDU- und der SPD-Fraktion zur Begründung des Antrags formulierte Wahrnehmung, Deutsch würde als vorrangige Arbeitssprache innerhalb der EU zurückgedrängt oder würde dem nachstehen, ist natürlich unbestritten. Die deutsche Sprache stand natürlich zuerst dem Französischen und später auch dem Englischen nach, das ist keine Frage. Aber diese Entwicklung ist praktisch begründbar, ist historisch begründbar und damit völlig nachvollziehbar und keineswegs etwas, was man in diesem Antrag kritisieren müsste.
Deutsch mag auch die zweitmeist gesprochene Sprache innerhalb der EU sein, doch auch Europa ist keineswegs der Nabel der Welt. Global hat die deutsche Sprache eindeutig eine kleine und nachrangige Rolle. Englisch wird weltweit als Verkehrs- und Wirtschaftssprache verwendet und hat sich besonders durch sprachliche Merkmale, also leichte Erlernbarkeit, Unkompliziertheit und Verständlichkeit, hervorgetan. Englisch ist nichts weiter als eine besonders praktikable und leicht erlernbare Arbeitssprache und wird dieser Rolle in wirtschaftlichen und globalen Kommunikationswegen absolut gerecht. Das ist eine Rolle, die die deutsche Sprache nie erfüllen könnte.
Außerdem muss man konstatieren, dass die nachwachsenden und neuen Generationen zunehmend auch der englischen Sprache mächtig sind und dass die Entwicklung der Sprache – auch die der englischen und der deutschen Sprache – eindeutig in eine andere Richtung weist, als es in diesem Antrag klargemacht werden soll. Jede zweite Europäerin und jeder zweite Europäer sprechen die deutsche Sprache als Mutter- oder Fremdsprache, und diese Tendenz ist absolut steigend. Es handelt sich bei der abnehmenden Bedeutung der deutschen Sprache als Arbeitssprache der EU also um eine ganz natürliche und in jedem Fall begründbare Entwicklung.
Liebe CDU, liebe SPD: Die gleichberechtigte und vor allen Dingen gleich schnelle und gleich umfangreiche Berücksichtigung aller 24 Amts- und Arbeitssprachen hat sich nicht grundlos als unwirksam erwiesen. Bei der Zusammenarbeit in den Organen der EU geht es vor allen Dingen um Kostenersparnis, Zeit und Effektivität. Sollten deutschsprachige Angestellte der Kommission oder anderer Institutionen tatsächlich Probleme mit dem Englischen haben, könnten sie die EU ersuchen, zusätzliche Übersetzerinnen und Übersetzer einzustellen und versuchen, im Hinblick auf zukünftige Generationen einfach den Fremdsprachenunterricht zu verbessern.
Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Regionen und Sprachen – das ist auch richtig und wichtig so –, und das wird sie auch weiterhin tun, aber das Prinzip der Gleichwertigkeit der Arbeitssprachen ist nicht dadurch erfüllt, dass sich Deutsch weiterhin in den Vordergrund drängt und auch gemeinsam mit dem Englischen und dem Französischen nicht gleichberechtigt mit den anderen 24 Sprachen behandelt werden kann.
Insofern ist das Prinzip der Gleichwertigkeit der Amts- und Arbeitssprachen, auf das sich CDU- und SPDFraktion hier beziehen, erstens nicht wirklich gefährdet und wird zweitens durch diesen Antrag auch überhaupt nicht bestärkt.
Die gesetzliche Regelung, dass 24 gleichberechtigte Amts- und Arbeitssprachen festgelegt sind, ist nach Meinung unserer Fraktion völlig ausreichend. Gerade im Hinblick auf die globalen Entwicklungen sollte man eher darauf hinwirken, tatsächliche sprachliche Minderheiten, zu denen Deutsch eindeutig nicht gehört, zu schützen und zu versuchen, sie nicht zu gefährden. Das ist etwas, was
wirklich im Sinne von sprachlichem Schutz, sprachlicher Gleichwertigkeit liegt, und da muss man das Deutsche nicht so in den Vordergrund stellen. Denn Sprache bedeutet immer auch Macht und gerade deswegen würde dieser Antrag auch dem Prinzip der Gleichwertigkeit eher entgegenwirken und widersprechen.
gegenüber anderen Staaten innerhalb der EU in politischer und in wirtschaftlicher Hinsicht und dem Unmut in der Bevölkerung ist dieser Antrag genauso ein fatales Zeichen, wie die gestrige Neuregelung der Diäten oder des –
Entschuldigung, ich korrigiere mich – des Abgeordnetengesetzes in Zeiten von Pegida. Dieser Antrag ist nichts weiter als scheinheilig, Stimmen am rechten Rand zu fischen – und, ja, das passiert tatsächlich.
Auch die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm die Stärkung von Deutsch als Arbeitssprache, um damit – Zitat –: „Landesidentität, Leistungs- und Opferbereitschaft zum Gemeinwesen zu stärken“.
Liebe SPD, von Ihnen bin ich ein bisschen enttäuscht, dass Sie so eine oberflächliche Argumentation mittragen und so einem verpackten Zugeständnis an die anscheinend in Mode gekommene Deutschtümelei nicht entgegenwirken.
Allen unter Ihnen, die die EU als geldfressendes Bürokratiemonster verschreien, kann ich einfach nur sagen, dass es genau Anträge wie die Ihrigen sind, die einen Haufen Mehrkosten erzeugen und die EU zu einem riesigen Bürokratieapparat erziehen.
Meine Damen und Herren! Ich als jemand, der gut Französisch und vielleicht auch ganz gut Englisch spricht, ich als bekennender Europäer möchte hier mal eine kurze Erfahrung aus Frankreich einbringen.
Ihre Kollegen bei der französischen Linksfront Front de gauche, Arnaud Montebourg singen aus voller Überzeugung heraus die Marseillaise. Sie sind stolz, Franzosen zu
sein, und sie würden sich vor Abscheu niederknien, wenn sie Ihre Regelungen sehen würden, Ihre Meinung zu diesem wichtigen Antrag.
Es ist wirklich wieder fürchterlich zu hören, wie hier mit der nationalen Sprache umgegangen wird, die ein Reichtum ist, auf den wir stolz sein sollten. Es ist die Sprache von Schiller und Goethe! Es ist etwas Großes für Europa!
Meine Damen und Herren, es sei mir gestattet, mit einem leicht abgewandelten Zitat des großen deutschen Dichters Ernst Moritz Arndt zu schließen, der einmal sagte: Du sollst an deiner Sprache Zukunft glauben, an deiner Heimat Auferstehn, lass diesen Glauben dir nicht rauben, trotz allem, allem, was geschehn.
Frau Klotzbücher, möchten Sie darauf erwidern? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, wir setzen in der Aussprache fort. Für die Fraktion AfD Frau Dr. Petry; bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Koalition, die AfDFraktion war sehr überrascht über Ihren Antrag. Hätten wir diesen Antrag gestellt – wir sind sicher, er wäre als Allererstes als populistischer Antrag verschrien gewesen und hätte bei allen großen Protest hervorgerufen. Sie ernten den Protest auch so von der Opposition.
Ich möchte bei aller Sympathie für die Grundsätze in diesem Antrag ein bisschen Kritik anbringen; denn das, was Sie als Manko in der EU beschreiben, ist zweifelsohne ein solches. Ich habe vor wenigen Stunden noch einmal mit Brüssel telefoniert,
um mir die tatsächlichen Zustände schildern zu lassen. Man muss Folgendes feststellen: Es ist richtig, dass viele Vorlagen nicht ins Deutsche übersetzt werden. Richtig ist aber vor allem, dass sich die Masse an Abstimmungen im EU-Parlament durch eine weitergehende Kompetenzübertragung nationaler Parlamente ins Europäische Parlament dazu führt, dass viel zu viele politische Fragen in der EU und nicht mehr in nationalen Parlamenten verhandelt werden. Das heißt, die fehlende Anzahl von Übersetzungen ins Deutsche und das Beklagen desselben ist am Ende Symptombekämpfung und nicht Bekämpfung der Ursache; denn die Ursache kann nur folgendermaßen bekämpft werden: Sie kann nur durch die Stärkung nationaler Parlamente und durch die Rückverlagerung in selbige erfolgen.
Es werden in der EU circa 100 Millionen Euro für die Übersetzung von Dokumenten ausgegeben, und es ist in
der Tat so, dass durch jedes neu hinzukommende EULand diese Last steigt und die Unmöglichkeit, es überhaupt noch zeitlich hinzubekommen, ebenfalls an der Tagesordnung ist.
Deswegen sollten wir sehr wohl dafür kämpfen, dass Deutsch als Arbeitssprache weiter gestärkt wird. Tatsache ist aber auch, dass 96 deutsche Abgeordnete und 18 Abgeordnete aus Österreich sehr wohl in der Europäischen Union, im EU-Parlament eine nicht unwichtige Rolle spielen und bei vielen Arbeitssitzungen auch Deutsch gesprochen wird.
Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir unter Schmerzen diesem Antrag zustimmen. Wir halten ihn für Symptombekämpfung und nicht für die Ursachenbekämpfung, sind aber prinzipiell auch der Meinung, dass Deutsch als Amts- und Arbeitssprache gestärkt werden sollte.
Meine Damen und Herren, nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Frau Abg. Dr. Maicher, Sie haben das Wort.