Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

Ein weiteres Beispiel, Herr Staatsminister – ich hätte viele, doch dafür reicht die Redezeit nicht – ist die Zweitwohnungsteuer. In Dresden, Chemnitz und Leipzig wird die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für eingetragene Lebenspartner anerkannt – in Görlitz nicht. Das können wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gleichbehandlung, Rechtstreue, darum geht es, auch in Sachsen. Auch wir sind Teil dieser Bundesrepublik und ihrer demokratischen Grundlagen. Ich möchte hier gar nicht mit den vielen Benutzungsbedingungen und Gebührenordnungen für Kultureinrichtungen, Sportstätten,

Bäder und andere städtische Betriebe, für das kommunale Archivwesen und alles, was Familienstände betrifft, anfangen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, ich habe gezeigt, dass es Handlungsbedarf gibt. Nun handeln Sie auch! Wir geben Ihnen mit unserer Vorlage dafür eine gute Voraussetzung. Wir schätzen die kommunale Selbstverwaltung, aber es ist wichtig, richtig und gut sowie auch von der Verfassung her geboten, dass die Umsetzung stattfindet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Suchen Sie jetzt also bitte keine Ausreden. Lassen Sie uns erreichen, dass sich auch der Freistaat Sachsen an das Bundesrecht hält und die eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartner nicht länger auf ihre Gleichstellung warten müssen! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Diercks.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich in Vorbereitung auf diese Debatte gefragt – Frau Jähnigen hat sich ja redlich Mühe gegeben, einiges zur Aufklärung beizutragen –, was Sie mit diesem Antrag eigentlich bezwecken.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Erst wollen Sie immer aufklären, und nun ist es aber auch nicht richtig! – Gegenrufe von der CDU)

Sie können mich erst einmal ausreden lassen, vielleicht finden wir dann noch zusammen.

Sie haben im Rahmen des Plenums am 30. April 2015 eine mündliche Anfrage an Frau Köpping gestellt und gefragt, inwiefern im Rahmen der Regierungsarbeit vorgesehen sei, die eingetragene Lebenspartnerschaft vollumfänglich im Landesrecht zu verankern. Sie haben die Antwort bekommen, die auch im Koalitionsvertrag nachzulesen ist: dass dies vollumfänglich geschehen soll. Damit haben Sie die Antwort auf die Frage bekommen, ob wir den Koalitionsvertrag und die darin niedergeschriebenen Festlegungen tatsächlich auch ernst nehmen. Dazu ganz herzlichen Glückwunsch!

(Zuruf der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Die Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums des Innern hat ebenfalls in Bezug auf Ihren Antrag festgestellt, dass zunächst die vollumfängliche Übernahme in Landesrecht erfolgen soll und daraus Handlungsempfehlungen und Handlungsnotwendigkeiten im kommunalen Bereich abgeleitet werden sollen. Im Einzelplan 08 des sächsischen Doppelhaushalts für die Jahre 2015/2016 sind ebenfalls 80 000 Euro für die Erarbeitung eines Aktionsplanes für die Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen eingestellt, der unter anderem unter Einbeziehung der kommunalen Ebene und der betroffenen Interessenverbände erarbeitet werden soll.

Der Landesaktionsplan befindet sich bereits in der Erarbeitung. Auch das ist Ihnen auf eine mündliche Anfrage am 30. April 2015 mitgeteilt worden. Das zeigt aus meiner Sicht ganz deutlich, dass Ihr Antrag, auch wenn Sie versucht haben, ihn wortreich zu begründen, einzig und allein darauf abzielt, zum einen dem selbsterklärten Anspruch Rechnung zu tragen, die politische Lobby für alle schwulen und lesbischen Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen zu sein und zum anderen die zeitliche Nähe von Entscheidungen in anderen Ländern zu Ereignissen in dieser Stadt zu suchen. Das sei Ihnen herzlich gegönnt, aber das hat mit seriöser Politik meines Erachtens wenig zu tun.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wie bitte? – Es verwundert mich darüber hinaus, dass Sie den Wert der Institution Ehe – Sie sagten zwar, darum gehe es nicht, aber implizit geht es natürlich darum – immer genau dann erkennen, wenn es um die Gleichstellung mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft geht.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Meine Fraktion und ich sind der Überzeugung, dass wir den eingeschlagenen Weg, der im Koalitionsvertrag niedergeschrieben und im Doppelhaushalt mit entsprechenden Mitteln untersetzt worden ist, weitergehen müssen. Es geht darum, die rechtlichen Grundlagen zu eruieren, im Landesrecht zu verankern und keinen Schnellschuss in diesem Bereich abzugeben. Denn – das wird auch Ihnen bewusst sein – wer nachlässig arbeitet, arbeitet letztendlich doppelt, und deshalb plädiere ich sehr dafür, dass wir zunächst die Erarbeitung des Landesaktionsplanes zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen abwarten, darin die Meinungen der Interessenverbände, ebenso die kommunale Ebene einbeziehen und daraus Handlungsempfehlungen ableiten.

Es ist tatsächlich so, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz und die Rechtsprechung zur eingetragenen Partnerschaft schon heute für die Kommunen bindendes Recht sind und beim Erlass von Verordnungen und bei kommunalen Verwaltungsverfahren zur Anwendung kommen. Uns sind bis heute keine Verstöße bekannt. Sollten diese bekannt werden, wird die entsprechende Rechtsaufsichtsbehörde eingeschaltet.

Demnach sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt keinen weiteren Handlungsbedarf. Das, was Sie fordern, wurde bereits angegangen und wird im Laufe des Jahres 2016 erfolgen. Deshalb ist dieser Antrag meines Erachtens ein weiteres Beispiel dafür, dass Sie den Koalitionsvertrag abschreiben, dass Sie den zeitlichen Horizont –

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Wer hat denn von wem abgeschrieben? – Lachen bei den GRÜNEN)

ich jedenfalls nicht von Ihnen! –, dass Sie den zeitlichen Horizont nach vorn ziehen und einfach nur schnelle Ergebnisse fordern.

(Valentin Lippmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Es beruhigt mich eigentlich, wenn übergroße Gründlichkeit die einzige Kritik ist, die Sie an der Arbeit der Staatsregierung und der Koalitionsfraktionen haben. – Sie können sich wieder hinsetzen, Herr Lippmann, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Es ist ausreichend begründet worden, dass wir diesen Antrag ablehnen und zum jetzigen Zeitpunkt keinen weiteren Handlungsbedarf sehen.

Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Buddeberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Perspektivwechsel erweitern den Horizont. Probieren wir es heute einmal mit einem Gedankenexperiment.

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Frau. Sie möchten eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit Ihrer Freundin eingehen. Also begeben Sie sich aufs Standesamt, um das Aufgebot zu bestellen. Auf der Suche nach dem richtigen Zimmer finden Sie an der Tür ein Schild mit der Aufschrift „A – F, Nachname des Ehemannes“. Und nun?

Dieses Beispiel – übrigens eine wahre Geschichte – macht deutlich, worüber wir heute reden.

(Christian Piwarz, CDU: Das kann ja jeder selbst entscheiden!)

Zwar gibt es das Lebenspartnerschaftsgesetz, und die eingetragene Lebenspartnerschaft ist inzwischen in vielen Punkten der Ehe gleichgestellt, aber bis es zur tatsächlichen Gleichbehandlung an oder hinter der letzten Tür kommt, ist es noch ein langer und mühsamer Weg.

Nun wissen wir alle, dass die bürokratischen Mühlen sehr langsam mahlen. Aber in Wahrheit ist das nicht der Grund, warum wir heute über die Umsetzung der Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in Sachsens Kommunen reden müssen.

Es ist kein Zufall, dass das seit 25 Jahren allein oder mehrheitlich schwarz regierte Sachsen Schlusslicht bei der Umsetzung des Bundesrechtes in Landesrecht in Bezug auf die eingetragene Lebenspartnerschaft ist. Die Umsetzung der Verankerung in Landesgesetz und Verordnung – es wurde gerade gesagt – ist zwar nun im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Merkwürdig ist nur, dass andere Bundesländer daraus keinen langwierigen Prozess gemacht haben. Tatsächlich könnten wir schon viel weiter sein. Dass wir es nicht sind, hat drei Gründe: C, D und U.

(Christian Piwarz, CDU: Uh, uh!)

Sie haben diesen Prozess systematisch verschleppt.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

In Bezug auf den Antrag von einem Schnellschuss zu reden ist schon etwas absurd.

Der Antrag der GRÜNEN, dem wir heute zustimmen werden, hat einen aktuellen Bezug. Von dem konnten die Kolleginnen und Kollegen allerdings noch nichts wissen, als sie ihn gestellt haben. Am Pfingstwochenende kam mit dem Heiligen Geist auch die Erkenntnis über Irland – so jedenfalls wirkte es von außen –, als das medial zuvor eher unbeachtete Referendum zur Öffnung der Ehe überraschend positiv ausging. Wer hätte das gedacht? Gerade im katholischen Irland spricht sich eine klare Mehrheit der Bevölkerung dafür aus, dass die Ehe nicht länger heterosexuellen Paaren vorbehalten sein soll.

Plötzlich kam Bewegung in die Debatte. Europaweit wurde über diese Frage diskutiert. Auch in Deutschland wurde die seit Langem gestellte Forderung nach einer Öffnung der Ehe wieder laut. Die Debatte ist so kontrovers wie wichtig.

Die sächsische CDU hat auf diese Forderung ganz vorhersehbar und reflexartig reagiert. Das Anliegen wurde strikt und schroff zurückgewiesen. Das war wirklich keine Überraschung. Allerdings sind die vorgebrachten Argumente schlicht eine Unverschämtheit. In Deutschland sei genug getan worden, um die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare zu beenden, wird Herr Kretschmer, Generalsekretär der CDU, in der „Morgenpost“ zitiert.

Man hätte das glatt für einen Scherz halten können. Die Aussage an sich ist schon unlogisch. Die Diskriminierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist erst dann beendet, wenn sie nicht mehr besteht. Solange sie aber noch besteht, ist nicht genug getan worden, um sie zu beenden.

Was mich aber noch mehr aufregt: Wie kann sich denn die CDU hinstellen und behaupten, sie hätte genug getan? Sie war es doch mitnichten, die in diesem Land aus eigenem Antrieb irgendetwas für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare getan hat, und schon gar nicht die sächsische CDU.

Was hat denn das CDU-regierte Sachsen damals gemacht, als das Lebenspartnerschaftsgesetz 2001 in Kraft trat, wohlgemerkt unter Rot-Grün und – natürlich – nicht unter Schwarz-Gelb? Sachsen hat beim Bundesverfassungsgericht beantragt, es solle die Unvereinbarkeit mit dem im Grundgesetz festgeschriebenen Schutz der Ehe feststellen. Dieser Schuss ging allerdings nach hinten los. Eingetragene Lebenspartnerinnen und -partner klagten ihre Rechte in langwierigen Verfahren bis hin zum Europäischen Gerichtshof ein, und später hat das Bundesverfassungsgericht im Laufe der Jahre die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare durch seine Urteile immer wieder gestärkt.

(Patrick Schreiber, CDU, steht am Mikrofon.)

Nach und nach kam es so zur Beinahe-Angleichung gegen allen Widerstand der CDU. Wenn Sie sich jetzt hinstellen und behaupten, Sie hätten genug getan, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist lächerlich. Sie mussten sich schlicht der Rechtsprechung beugen.

(Beifall des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)